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Archiv "HIV-Infektion: Rationale für die antiretrovirale Therapie" (20.02.1998)

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it der Verfügbarkeit meh- rerer neuer und zum Teil stärker antiretroviral wirk- samer Substanzen haben sich die Therapiemöglichkeiten der HIV-In- fektion deutlich verbessert. Für eine Reihe von klinischen Situationen kann heute eine klare Therapieindi- kation formuliert werden. Allerdings fehlen bislang prospektive klinische Studien, die den Zeitpunkt des opti- malen Therapiebeginns eindeutig zu definieren erlauben. Sowohl der Zeit- punkt des Therapiebeginns als auch die Wahl der initialen Therapiekom- bination sind individuell zu fällende Entscheidungen, bei denen Richtli- nien eine Hilfestellung geben können.

Experten der Fachgesellschaften (siehe Kasten am Ende des Artikels) haben für den deutschsprachigen Raum entsprechende Empfehlungen erarbeitet, die weitgehender sind als die des British HIV Guidelines Co- ordinating Committee (1), aber ver- gleichbar mit den US-Empfehlungen der International AIDS Society (5) – auch im Hinblick auf den Einsatz von Proteaseinhibitoren. Ein Teil der Un- terschiede (vor allem zu den engli- schen Empfehlungen) ist nicht durch Daten randomisierter Studien belegt, sondern spiegelt einen vorsichtigen Optimismus wider, der durch epi- demiologische Daten gestützt wird (7). Die Empfehlungen wurden nach einem einfachen und akzeptierten Schema graduiert (Tabelle 1)(19).

Es bleibt anzumerken, daß die Daten der publizierten randomisier- ten Studien eine antiretrovirale Wirk- samkeit zeigen, die nicht der therapeu- tischen Realität entspricht, und daß die numerische Vielzahl der zur Verfü- gung stehenden Substanzen über die wahre Zahl der sinnvollen und erprob-

ten Kombinationen hinwegtäuschen kann. Das Hauptproblem in der anti- retroviralen Therapie stellen derzeit nicht therapienaive, sondern oft multi- pel vorbehandelte Patienten dar, bei denen eine hohe Zahl ein frühes The- rapieversagen zeigt (15).

Die tatsächlich sinnvollen Kom- binationen sind immer noch ab- zählbar, nur zwei verschiedene konse-

kutiv sinnvolle Zweifachkombinatio- nen sind bei den Nukleosidanaloga möglich, und bei Proteaseinhibitoren ist nach einem initialen Versagen ei- ner Substanz dieser Klasse die weitere Therapiechance erheblich einge- schränkt.

Allgemeine Therapieprinzipien:

Zur Erzielung eines guten Therapie-

erfolges ist eine möglichst vollständi- ge Hemmung der Replikation anzu- streben. Die Tiefe des erreichten Na- dirs (tiefster gemessener Wert) der HIV-RNA bestimmt wesentlich die Dauer der virologischen Wirksamkeit einer Therapie (2). Die wichtigste Ur- sache für eine fehlende Replikations- hemmung ist eine Resistenz des HIV gegen die entsprechenden Substan- zen. Mehrere identifizierte Punktmu- tationen der reversen Transkriptase oder der viralen Protease vermitteln eine solche Resistenz (9, 32, 33). Ein gemeinsames Prinzip der Resistenz- entstehung infektiöser Erreger ist, daß eine Replikation unter subop- timalen Wirkspiegeln der betreffen- den Therapie zur Selektion resistenter Mutanten führt.

Aus theoretischen Erwägungen erscheint ein möglichst frühzeitiger Therapiebeginn der HIV-Infektion sinnvoll. Dem steht entgegen, daß Patienten, die heute mit einer hochwirksa- men antiretroviralen Therapie beginnen, sich mit hoher Diszi- plin einem komplizier- ten Behandlungssche- ma mit einer deut- lichen Einschränkung der Lebensqualität und einer großen Zahl möglicher Nebenwir- kungen unterziehen müssen. Eine einmal getroffene Therapie- entscheidung beinhal- tet außerdem weitrei- chende Einschränkun- gen für spätere Thera- pieoptionen. Der Ent- scheidung über einen Therapiebeginn muß neben der klinischen Indikation deshalb ei- ne Abwägung dieser Vor- und Nachteile vorausgehen.

Bewertung der Laborparameter:

Die Bestimmung der CD4+-Lympho- zyten und der HIV-RNA sind we- sentlich zur Kategorisierung des klinischen Status eines individuellen Patienten. Sie sollten bei Diagnose der HIV-Infektion gemessen werden, und eine Wiederholung sollte bei unbehandelten Patienten in zirka A-400 (28) Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 8, 20. Februar 1998

P O L I T I K MEDIZINREPORT

HIV-Infektion

Rationale für die

antiretrovirale Therapie

Die Vielzahl der verfügbaren Arzneimittel täuscht über die wahre Zahl der sinnvollen Kombinationen hinweg.

M

Tabelle 1

Graduierung von Therapieempfehlungen

1. Empfehlung Definition

A eindeutige Empfehlung

B im allgemeinen ratsam

C vertretbar

D im allgemeinen abzulehnen

E eindeutige Ablehnung

2. Grundlage der Definition Empfehlung

I auf der Basis mindestens einer ran- domisierten Studie mit klinischen Endpunkten

II auf der Basis von Surrogatmarker- studien

III nach Expertenmeinung

(2)

zwei- bis viermonatigen Abständen erfolgen. Eine neu eingeleitete The- rapie sollte nach etwa einem Monat vorläufig und nach drei bis sechs Monaten endgültig beurteilt werden können. Bei Patienten mit Werten der HIV-RNA unter der Nachweis- grenze (nach der aktuell sensitivsten Methode) unter Therapie sollte die Viruslast zirka dreimonatlich kon- trolliert werden. Eine signifikante Veränderung der Virusreplikation (außerhalb der intraindividuellen zu- fälligen Schwankung) ist ab einer Änderung von 0,5 bis 0,7 log10 (ent- sprechend Veränderungen um den Faktor drei bis sechs) anzunehmen.

Signifikante Veränderungen der CD4-Werte sind ab einem Abfall von 30 Prozent für Absolutwerte oder drei Prozent in Prozentwerten anzu- nehmen.

Insbesondere Messungen, die Anlaß zu einer Neubewertung der Therapie geben, sollten kurzfristig wiederholt werden, um eine mögliche Entscheidung besser abzusichern. In der Regel werden bei einem größeren Patientenkollektiv im Durchschnitt alle zwei Monate Kontrolluntersu- chungen durchgeführt. Statistisch si- gnifikante Abweichungen dieser La- borparameter müssen unterschieden werden von klinisch relevanten. An- stiege der HIV-RNA kommen vor zum Beispiel nach Impfungen und in- terkurrenten Infekten, ohne daß hier Resistenzen vorliegen (34).

Behandlungsindikationen: Für kein Stadium der HIV-Infektion wur- de bisher ein klinischer Nachteil für antiretroviral behandelte Patienten im Vergleich zu unbehandelten Pati- enten gezeigt. Aus diesem Grund ist in keinem Stadium eine Behandlung strikt abzulehnen (Empfehlung der Klasse D oder E in Tabelle 1).

Symptomatische Patienten: Die antiretrovirale Therapie verlangsamt die Progression der HIV-Infektion bei symptomatischen Patienten (klinische Manifestationen B und C der klini- schen Klassifikation) eindrücklich, unabhängig vom Immunstatus. Aus diesem Grund ist hier eine Behand- lungsindikation gegeben, und sämtli- chen Patienten aus diesen Gruppen sollte eine Therapie (siehe initiale Therapieschemata) dringend angera- ten werden (AI) (4, 16, 17).

Asymptomatische Patienten:

Bezüglich der Grenze der CD4+- Lymphozyten und der HIV-RNA, bei der eine Therapie begonnen werden soll, herrscht Unsicherheit. Diese

Grenzen können nur unscharf for- muliert werden und liegen wahr- scheinlich zwischen 350 bis 500 CD4+/mm3sowie zwischen 10 000 bis 20 000 HIV-RNA-Kopien/ml bei der

A-401

P O L I T I K MEDIZINREPORT

Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 8, 20. Februar 1998 (29) Tabelle 2

Antiretrovirale Stoffklassen, Substanzen und Dosierung

Substanz bzw. -gruppe Handels- Wichtigste Relevante Dosis*

name Neben- Interaktion wirkungen

Reverse Transkriptase- inhibitoren –

Nukleosidanaloga

Didanosin Videx Pankreatitis, – 2 x 200 mg

Neuropathie

Lamivudin Epivir Kopfschmerz – 2 x 150 mg

Stavudin Zerit Neuropathie, – 2 x 40 mg

Pankreatitis

Zalcitabin Hivid Neuropathie, – 3 x 0,75 mg

orale Ulzera

Zidovudin Retrovir Neutropenie, – 2 x 250 mg

Anämie Proteaseinhibitoren

Indinavir Crixivan Nephrolithiasis, Rifampicin, 3 x 800 mg Hyperbilirubin- Terfenadin,

ämie Astemizol

Cisaprid, Ergotamin**

Nelfinavir Viracept Diarrhö, Übelkeit s.o.** 3 x 750 mg Saquinavir Invirase Diarrhö, Übelkeit s.o.** 3 x 600 mg

Fortovase (meist mild) 3 x 1 200 mg

Ritonavir Norvir Diarrhö, Übelkeit, s.o.** 2 x 600 mg Hypertriglyzerid- multiple

ämie andere**

Reverse Transkriptase- inhibitoren –

Nichtnukleosidisch

Nevirapin Viramune Arzneiexanthem Rifampicin, 2 x 200 mg Rifabutin,

Protease- inhibitoren Kontrazeptiva (alle ß)

Delavirdin Rescriptor Arzneiexanthem Indinavir (Ý) 3 x 400 mg

* normale Nierenfunktion, Körpergewicht > 60 kg

** Alle Proteaseinhibitoren sind Inhibitoren des Cytochrome P450; Ritonavir ist der potenteste Inhibitor; einige Isoenzyme werden durch Ritonavir auch induziert.

(3)

Viruslast. Hier ist insbesondere bei länger unter Beobachtung stehenden Patienten nicht nur der absolute Wert der Parameter von Bedeutung, sondern auch die zeitliche Entwick- lung. Bei einem Patienten mit einem raschen Abfall der CD4+-Lympho- zyten von 700 auf 400/mm3 ist die Therapieempfehlung dringlicher als bei einem Patienten, bei dem seit vie- len Monaten kon-

stant 400 CD4+/mm3 gemessen wurden.

Asymptomati- sche Patienten mit ei- nem eingeschränkten Immunsystem (defi- niert durch < 350 CD4+/mm3) haben unabhängig von der Höhe der Virusrepli- kation ein deutliches Risiko der immuno- logischen und klini- schen Progression; ei- ne Behandlung für diese Patienten ist deshalb sinnvoll (BI).

Bei Patienten mit niedriger Viruslast und einer CD4-Zell- zahl zwischen 350 bis 500/mm3 sind einige Experten zurückhal- tender mit der Thera- pieempfehlung (BIII) (3, 13, 21, 22).

Patienten mit mehr als 350 bis 500 CD4+-Zellen sollten behandelt werden,

falls eine deutlich meßbare Virusre- plikation vorliegt (> 10 000 Kopien) (BII) (21). Die Therapieindikation bei Patienten, die mehr als 500 CD4+/mm3und keine oder nur gerin- ge meßbare Virusreplikation haben, ist weniger gut belegt. In diesem Sta- dium ist eine klinische Progression nur selten, die Expertenmeinungen über die Indikation einer Behandlung variieren (CIII).

Weitere klinische Indikationen:

Ein unbekannter Anteil von HIV-infi- zierten Patienten entwickelt kurz nach der Infektion und meist vor der Serokonversion das „akute retrovira- le Syndrom“. Es ist gekennzeichnet durch konstitutionelle Symptome, ei- nen Hautausschlag, Lymphknoten-

schwellungen und eine hohe HIV- RNA. Obwohl bisher keine Langzeit- studien zur antiretroviralen Therapie bei solchen Patienten vorliegen und deshalb unklar ist, ob eine Therapie hier einen klinischen Vorteil bedeu- tet, kann durch eine Therapie die Vi- ruslast rasch gesenkt werden (26).

Möglicherweise bedeutet dies ei- ne Begrenzung der Disseminierung

des Virus. Aus diesem Grund ist eine solche Behandlung anzuraten (BII).

Unklar ist die Dauer der Behandlung für diese Patienten. Hier geben die durchgeführten therapeutischen Stu- dien keinen Hinweis auf eine minimal notwendige oder maximal sinnvolle Therapiedauer, einige Experten ge- hen von einer Minimaldauer von ei- nem Jahr aus. Die Behandlung dieser Patienten sollte – wenn immer mög- lich – im Rahmen von klinischen Stu- dien oder standardisierten Behand- lungsprogrammen geschehen, um diese offene Frage zu klären. Die In- dikationen sind noch einmal zusam- mengefaßt in der Tabelle 3.

Initiale Therapieregime: Da nach Versagen einer initialen Therapie-

kombination beim Einsatz eines zwei- ten Proteaseinhibitors ein deutlich schwächerer antiviraler Effekt zu er- warten ist, ist die initiale Kombination von besonderer Bedeutung. Nach Meinung der Mehrheit der Experten sollte die initiale Therapie eine maxi- male Absenkung der Viruslast bewir- ken (auch unter die Nachweisgrenze sogenannter ultrasensitiver Verfah- ren). In der Regel bedeutet dies eine Kombination zweier Nukleosidanalo- ga mit mindestens einer dritten Sub- stanz, vorzugsweise einem Protea- seinhibitor (Tabelle 4).

Alternative Kombinationen be- stehen aus zwei Nukleosidanaloga (weniger gut virologisch oder kli- nisch wirksam), aus zwei Nukleosid- analoga und einem nichtnukleosi- dischen Reverse-Transkriptase-Inhi- bitor sowie aus zwei Proteaseinhi- bitoren (bisher nicht direkt vergli- chen mit Nukleosidkombination plus Proteaseinhibitor).

Als klinisch additiv wirksam zu einer Nukleosidkombination haben sich bisher die Proteaseinhibitoren In- dinavir, Ritonavir und Saquinavir er- wiesen, allerdings nur für Patienten mit höchstens 350 CD4+-Zellen/mm3 (4, 8, 22). Als additiv wirksam im Rah- men von Laborparameterstudien ha- ben sich Nelfinavir, Nevirapin und Delavirdin erwiesen (11, 12, 23, 31, 35) (Tabelle 4).

Therapieerfolg und -versagen:

Ein Therapieerfolg kann nach den be- kannten Daten zur Dynamik der HIV- Replikation frühestens nach vier Wo- chen, oft erst nach drei Monaten und in Einzelfällen erst nach sechs Mona- ten beurteilt werden. Das Absinken der HIV-Replikation unter die Nach- weisgrenze ist als Therapieerfolg zu werten. Ein geringerer Abfall als ein log10nach vier Wochen oder das Aus- bleiben des Abfalls unter die Nach- weisgrenze innerhalb maximal sechs Monaten ist ein Zeichen für einen un- genügenden Therapieerfolg und soll- te Anlaß sein zur Erwägung mögli- cher additiver oder alternativer The- rapieregime (Tabelle 2).

Eine relevante Einbuße der Wirksamkeit liegt wahrscheinlich vor, wenn die HIV-RNA signifikant über den Nadir des Abfalls ansteigt; von ei- nem sekundären Versagen der Thera- pie ist auszugehen, wenn die HIV- A-402

P O L I T I K MEDIZINREPORT

(30) Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 8, 20. Februar 1998 Tabelle 3

Therapieindikationen und -empfehlung

Klinisch HIV-RNA/ml und Therapie-

CD4+/µl empfehlung

HIV-assoziierte Unabhängig von den AI

Symptome Laborwerten (3, 5, 17, 18) Asymptomatische < 350–500 CD4-Zellen BII*

Patienten (CDC A) oder (4, 14, 22, 23)

> 10 000–20 000 Genomkopien

> 500 CD4-Zellen und CIII**

< 10 000–20 000 Genomkopien

Akutes retrovirales Unabhängig von den BII

Syndrom Laborwerten (27)

* Insbesondere bei Patienten mit höheren CD4+-Lympho- zyten (> 350–500 CD4+/µl) und meßbarer Virusreplikation (ab 10 000–20 000 HIV-RNA-Genomkopien/ml) ist die Therapieindikation weniger gut belegt. Für Patienten mit CD4+

< 350+/µl (nicht differenziert nach dem Ausmaß der HIV- Replikation) liegen auch klinische Endpunktdaten vor (AI).

** Die vorliegenden Surrogatmarkerstudien für Patienten mit CD4> 350–500 CD4+/µl sind nicht ohne weiteres anzuwenden auf Patienten mit geringer Virusreplikation. Einige Experten würden in dieser Gruppe eine Therapie befürworten, viele Experten würden hier eine Therapie zurückstellen und den klinischen und Laborparameterverlauf zunächst beobachten.

(4)

RNA auf einen Wert von weniger als ein log10 unterhalb des Ausgangs- werts zurückkehrt. Im Falle einer Sti- mulation des Immunsystems, zum Beispiel durch interkurrenten Infekt, eine Impfung oder andere immunsti- mulierende Situationen sind entspre- chende Meßwerte oft nicht verwert- bar und sollten nach einem Abstand von etwa vier Wochen kontrolliert werden.

Hinweise auf eine ungenügende Wirksamkeit sind ferner ein signifi- kanter Abfall der CD4+-Lympho- zyten (siehe oben) sowie eine weitere klinische Progression. Insbesondere die Bewertung eines Therapieversa- gens ist nach dem letzten Kriterium oft schwer und nicht klar zu treffen.

Eine antiretrovirale Therapie kann virologisch wirksam, das Immun- system aber dennoch so schwer ge- schädigt sein, daß das Auftreten einer opportunistischen Erkrankung mög- lich ist (25).

Die häufigste Ursache für ein Versagen der antiretroviralen Thera- pie ist eine Resistenzentwicklung des HIV, beruhend auf einzelnen oder mehrfachen Punktmutationen der entsprechenden Enzyme. Resistenz- testungen (genotypisch und phäno- typisch) befinden sich in der klini- schen Validierung. Eine Optimierung der Therapie durch eine Resistenzte- stung ist in Einzelfällen möglich.

Primäre Resistenzen (vor Initialthe- rapie) sind bisher selten beschrieben, ihre Bedeutung und Häufigkeit ist dringend zu klären.

Bei Versagen einer antiretrovira- len Therapie sollte immer auch eine mangelnde Compliance oder Bio- verfügbarkeit als möglicher Grund erwogen und ausgeschlossen werden.

Eine komplizierte oder zweifelhafte Bewertung eines Therapieerfolgs sollte in der Regel Anlaß zur Kon- sultation eines in der antiretroviralen Therapie erfahrenen Arztes sein.

Therapiewechsel und -unterbre- chung: Ein Wechsel der Therapie bei Patienten mit schweren Nebenwir- kungen ist selbstverständlich. Dies ist die einzige klinische Situation, in der zum Austausch nur eines Medika- mentes geraten werden kann. Anson- sten wird ein Wechsel vor allem not- wendig sein bei primärem oder se- kundärem (siehe Tabelle 4)Versagen.

In diesem Fall sollte ein Austausch möglichst aller bisher verwendeter Medikamente erfolgen, sofern die Dauer des Einsatzes eine Resistenz- entwicklung wahrscheinlich sein läßt.

Ferner sollte eine Therapieänderung bei Patienten mit einer unzulängli- chen Therapie, zum Beispiel Mono- therapie, erfolgen.

Ein Therapiewechsel kann durch Vortherapien bedingt nur erheblich eingeschränkt oder gar nicht sinnvoll möglich sein. Nicht entschieden wer- den kann derzeit, ob eine Fortsetzung einer virologisch unwirksamen The- rapie einen Vorteil darstellt im Ver- gleich zum Absetzen, falls keine Mög- lichkeit zum sinnvollen Wechsel mehr besteht.

Literatur und Expertenliste anzufordern beim Vorsitzenden der Deutschen AIDS-Gesellschaft

Anschrift für die Verfasser

Dr. med. Norbert Brockmeyer Vorsitzender der

Deutschen AIDS-Gesellschaft Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie

Universitätsklinikum Essen Hufelandstraße 55, 45122 Essen

A-403

P O L I T I K MEDIZINREPORT

Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 8, 20. Februar 1998 (31) Tabelle 4

Initiale Therapieregime

Nukleosidanaloga + Proteaseinhibitor/

(als Kombination) NNRTI

Zidovudin + Lamivudin AI(4, 15) Indinavir AI/II(21, 23)***

Zidovudin + Didanosin AI(14, 22) Ritonavir AI/II(5)***

Zidovudin + Zalcitabin AI(14, 22) + A- Nelfinavir AII(34) BI**

Stavudin + Lamivudin AII(31) Saquinavir (Softgel) AII(19) Stavudin + Didanosin AII(32) Saquinavir (Hartgel) DI(9)

Saquinavir (Hartgel) + Ritonavir BII••

Nicht empfohlene Kombinationen:*

Didanosin + Zalcitabin Nevirapin BII•••(11, 24, 38) Zidovudin + Stavudin Delavirdin DII•••(13) Zalcitabin + Stavudin

* Additive Nebenwirkungen, identische Resistenzmechanismen oder kompetitive Phos- phorylierung

** Bewertung der 3fach-Kombination abhängig vom Immunstatus, klinische Daten liegen nur für Kombinationen mit Indinavir, Ritonavir und Saquinavir vor. Das Hinzufügen einer dritten Substanz ist insbesondere bei Patienten mit > 350 CD4+-Lymphozyten und initial sehr niedriger Viruslast (< 10 000–20 000) nicht durch klinische Daten abgesichert.

*** Indinavir klinisch besser (Evidenzgrundlage I) nur für Patienten mit CD4+ < 200/µl, Ritonavir klinisch besser nur für Patienten mit CD4< 100/µl, ansonsten Evidenz II für beide.

• Saquinavir in Hartgelformulierung klinischer Benefit gesichert in randomisierter Studie (9), aber geringe Bioverfügbarkeit und hohe virologisch definierte Versagerrate (16); klini- sche Daten zu Saquinavir in Softgelzubereitung stehen aus.

•• Zur Kombination dieser beiden Substanzen mit Nukleosidkombinationen liegen nur wenige Daten vor; ob hier ein oder zwei Nukleosidanaloga kombiniert werden sollten, kann derzeit nicht entschieden werden.

••• Es liegen wenig Daten vor zur Therapie von Patienten mit fortgeschrittenem Immun- defekt (CD4 < 350/µl) und Nukleosid-NNRT-Kombinationen.

Die Therapieempfehlungen zur HIV- Infektion wurden von folgenden Fach- gesellschaften erarbeitet: Deutsche AIDS- Gesellschaft, Österreichische AIDS-Ge- sellschaft, Robert Koch-Institut sowie KAAD, DAGNÄ, DGC, DDG, DGI, DGIM, DGKH, DGMKG, DGP, DSTDG, DGTI und IDKF.

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