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Archiv "Akute gastroduodenale Streßerosionen und -ulzerationen" (02.04.1982)

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DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

Heft 13 vom 2. April 1982

Akute gastroduodenale

Streßerosionen und -ulzerationen

Prophylaxe und Therapie

Jürgen Hotz und Harald Goebell

Aus der Medizinischen Klinik und Poliklinik, Abteilung für Gastroenterologie

(Direktor: Professor Dr. med. Harald Goebell) der Universität (GHS) Essen

Die Genese gastroduodenaler Erosionen und Ulzerationen im Gefolge schwerer Grund- krankheiten ist nicht gesi- chert. Sehr wahrscheinlich wird die primäre fokale Isch- ämie und gestörte Zytoprotek- tion von einer peptischen An- dauung der Schleimhaut ge- folgt. Die Verhütung und Be- handlung zielen deshalb ne- ben der optimierten Behand- lung der Grundkrankheit auf eine Reduktion der aggressi- ven luminalen Faktoren (Säu- re, Pepsin, Gallensalze). Hier- bei empfiehlt sich die Kombi- nation von Cimetidin und Ant- azida; bei Versagen sollten möglichst weitere konservati- ve Maßnahmen (Somatostatin, Sekretin, Pirenzipin, endosko- pische Koagulation) vor einer Operation (Resektion, Vagoto- mie) ausgeschöpft werden.

Die Entwicklung von Streß- erosionen und -ulzerationen ist fast immer schmerzlos und wird deshalb nur erkannt, wenn es zur Blutung kommt.

Diagnose, Prophylaxe und Therapie werden beschrieben.

1. Begriffsbestimmung und Problemstellung

Streßulzerationen sind definiert als akut auftretende, meist multiple De- fekte der Magen- und Duodenal- schleimhaut, die zu lebensbedrohli- chen Blutungen führen können (Ab- bildungen 1, 2a—c). Die Läsionen lie- gen meist oberflächlich (= Erosion), können die Muscularis mucosae (=

Ulzeration) und seltener die Muscu- laris und Serosa (= Ulkusperfora- tion) durchbrechen. Im Gegensatz zu den gewöhnlichen Magenerosio- nen und Ulzera weisen sie praktisch keine bindegewebige Umgebungs- reaktionen auf und treten zumeist im Fundus und Korpus, seltener im Bul- bus duodeni und im postbulbären Duodenum und fast niemals isoliert im Antrum und in der präpylorischen Region auf (58, 75, 42)*).

Streßulzerationen sind nicht etwa durch emotionalen Streß exazerbier- te Gastroduodenalulzera, sondern werden bei Patienten mit meist lee- rer Ulkusanamnese durch akute höchste physische Beanspruchung des Organismus infolge verschie- denster schwerer akuter Grund- krankheiten ausgelöst (Tabelle 1).

Erosionen und Ulzerationen nach

Salizylaten oder Alkohol erfüllen nicht die Kriterien von akuten Streß- läsionen. Der Entstehungsmecha- nismus ist trotz deutlicher Fort- schritte im letzten Jahrzehnt nicht geklärt. Deshalb müssen sich Prinzi- pien der Prophylaxe und konservati- ven Therapie noch immer eher auf klinische Empirie als auf gesicherte pathogenetische Vorstellungen stüt- zen.

2. Häufigkeit

Häufigkeit und Ausmaß von bluten- den Streßläsionen hängen vom Schweregrad der Grundkrankheit ab. So steigt deren Prävalenz bei nur einem Risikofaktor von unter 10 Pro- zent bis über 40 Prozent an, wenn mehrere Risikofaktoren gleichzeitig auftreten wie zum Beispiel Schock, respiratorische Insuffizienz plus Nie- renversagen (21, 28)*).

Ein besonders schwerwiegender Faktor ist die Sepsis (47, 89). Schwe- re Blutungen aus Streßläsionen wer- den in weniger als 10 Prozent bei Patienten einer chirurgischen Inten-

*) Die in Klammern stehenden Ziffern bezie- hen sich auf das Literaturverzeichnis des Sonderdrucks.

Ausgabe A/B DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 79. Jahrgang Heft 13 vom 2. April 1982 33

(2)

Abbildung 1: Endoskopisches Bild einer frischen StreBblutung im Bulbus duodeni mit multiplen benachbarten inkompletten Erosionen

Abbildung 2a: Rasterelektronenmikroskopische (REM) Darstel- lung des intakten Oberflächenepithels der Fundusschleimhaut des Menschen

sivstation beobachtet (75, 79, 81 ).

Seriengastroskopien bei septischen und traumatisierten Patienten (43) beziehungsweise nach großflächi- gen Verbrennungen (13) zeigten in- nerhalb von 72 Stunden nach Be- ginn des StreBereignisses multiple Erosionen bis großflächige Ulzera- tionen im Magenkorpus und Duo- denum in über 90 Prozent, die ent- weder schnell wieder verschwanden oder seltener über Wochen anhiel- ten, und nur in weniger als 15 Pro- zent der Fälle zu klinisch schwerer Blutung führten.

Auch bei Schwerstkranken mit be- sonders hohem Risiko bluten endo- skopisch nachgewiesene StreBulze- ra nur in etwa einem Viertel der Fäl- le (5).

ln den letzten Jahren läßt sich ein auffälliger Rückgang von StreBblu- tungen auf den Intensivstationen feststellen; dies ist wahrscheinlich eher auf eine geringere Blutungsnei- gung durch technische Verbesse- rungen der Intensivmedizin und ge- zielte prophylaktische Maßnahmen als auf das geringere Auftreten von StreBläsionen per se zurückzufüh- ren (27, 55, 79).

3. Pathogenese

Einigkeit herrscht darüber, daß StreBläsionen ähnlich wie chronisch rezidivierende Gast rod uodenal u lze- ra durch eine gestörte Balance zwi- schen

..,.. aggressiven Faktoren von der Lumenseite (Säure, Pepsin, Gallen- salze) und

..,.. zellulären protektiven Faktoren in der Schleimhaut (Durchblutung, gestörte Schleimhautbarriere, Schleimsekretion)

verursacht werden.

Die Fragen nach einem einheitlichen pathogenetischen Mechanismus, insbesondere nach einem Primum movens, sowie nach Bedeutung und Zusammenspiel von Kotakteren ("multifaktorielle Genese") sind da- gegen weiterhin Gegenstand kon- troverser Diskussionen (51, 55, 57,

77). Als Ursache für die Störungen in

der Magenwand ist das Konzept ei- ner Fehladaptation des Organismus auf eine hohe Dichte von Stressoren (Selye, 1948 (70)) weiterhin gültig (16, 41 ), jedoch bis heute nicht aus- reichend konkretisiert.

3.1 Säuresekretion

Eine gesteigerte Säuresekretion (26, 84) und Gastrinfreisatzung (4) ließ sich nur bei Patienten

..,.. nach intrakranialen Traumen und anderen neurologischen Krank- heitsbildern(= Cushing-Uikus), ..,.. nicht jedoch bei Verbrennungen (= Curling-Ulkus) und anderen schweren Grundkrankheiten nachweisen (5, 26, 50).

Serienuntersuchungen bei Patien- ten der letzteren Gruppe zeigten in vielen Fällen unmittelbar nach Be- ginn des StreBereignisses einen ver- minderten Säuregehalt im Magen und einen konsekutiven Anstieg teil- weise auf exzessive Werte in den darauffolgenden Tagen (36, 43).

Diese Befunde führen zu dem Schluß, daß der Säuresekretion al- lenfalls eine sekundäre Rolle bei der StreBulkusgenese zukommt, wenngleich die Notwendigkeit ei- ner zusätzlichen Beteiligung tier- experimentell gesichert erscheint (57, 64, 78).

(3)

Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

Gastroduodenale Streßulzerationen

Abbildung 2b: REM-Darstellung der Fundusschleimhaut des Menschen unter Einwirkung von Streß. Beginnende Schädigung des Oberflächenepithels mit Aufbruch der Zellmembranen

Abbildung 2c: Zunahme der Epithelschädigung mit Verlust des jeweils apikalen Anteils eines umschriebenen Zeliverbandes (aus Lucas et al. mit freundlicher Genehmigung der Autoren)

3.2 Schleimhautbarriere

Eine gestörte Schleimhautbarriere mit erhöhter Rückdiffusion von Säu- re ließ sich als ursächlicher Mecha- nismus für die Entstehung von aku- ten Ulzerationen durch Alkohol, Sa- lizylate und Gallensalze nachweisen (14). Die Gültigkeit dieses Konzepts wurde auch für die Streßulkusgene- se beansprucht (26, 49, 76).

Allerdings ließ sich eine gesteigerte H-Ionen-Permeabilität nur bei einem Teil der Patienten mit Streßulzeratio- nen nachweisen (26, 49, 75), wäh- rend andere Autoren keine signifi- kante Korrelation gegenüber einer Kontrollgruppe fanden (19). Dem- nach wird die gestörte Schleimhaut- barriere eher als Kofaktor und nicht als auslösendes Phänomen angese- hen (55).

3.3 Durchblutung-Zytoprotektion Hämorrhagischer Schock und medi- kamentös induzierte Blutdrucksen- kung führen im Tierversuch zu aku- ten Ulzerationen der Magenschleim- haut (63, 71). Die Annahme einer lo- kalen Schleimhautischämie als pri-

märes Ereignis bei der Entstehung von Streßläsionen wurde durch en- doskopische Untersuchungen bei Risikopatienten nach Polytrauma (42, 43) und Verbrennungen (13, 49) gestützt.

Hierbei zeigte sich initial eine fleck- förmige Schleimhautblässe vor der Entstehung von Erosionen in den gleichen Bezirken.

Als Ursache für die gestörte Mikro- zirkulation wurde die Öffnung von submukösen arteriovenösen Shunts über störende Einflüsse des ve- getativen Nervensystems diskutiert (51, 71).

Angesichts des hohen obligat aero- ben Energiestoffwechsels bei der Säurebildung ist die Korpusschleim- haut besonders gegenüber einer verminderten Zufuhr von Sauerstoff und Glukose mit konsekutivem hyp- oxischen Gewebeschaden empfind- lich (53).

Inwieweit diese Anfälligkeit durch ei- ne verminderte Bereitstellung der zytoprotektiv wirkenden Prosta- glandine verstärkt wird, wird zur Zeit untersucht (65).

3.4 Schleimsekretion

Die quantitativ und/oder qualita- tiv geringere Schleimhautsekretion wurde lange Zeit als pathogenetisch wirksamer Faktor angenommen (16, 61). Serienbestimmungen der Men- ge und Zusammensetzung des Ma- genschleims im Magenaspirat und Schleimhautbiopsat (42) bei Risiko- patienten mit und ohne Streßulzera- tionen zeigten jedoch weder unter- einander noch im Vergleich mit ei- ner Kontrollgruppe signifikante Un- terschiede (42, 50, 51) oder sogar einen Anstieg (42, 43). Eine wesentli- che Rolle der Schleimsekretion ist demnach nicht erkennbar.

3.5 Gallensalze

Beim Tier verstärkt die gleichzeitige Instillation von Gallensalzen in den Magen die Entwicklung experimen- tell induzierter Streßulzerationen (54, 64), während die Gabe der gal- lensäurebindenden Substanz Chole- styramin sie verhindert (67, 87). Bei Patienten der Intensivstation ließ sich ein verstärkter duodenogastri- scher Reflux von Gallensalzen und Lysolecithin nachweisen (42, 68, 69), Ausgabe A/B DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 79. Jahrgang Heft 13 vom 2. April 1982 35

(4)

dessen Intensität mit der Häufigkeit von Streßläsionen korrelierte (68).

Sehr wahrscheinlich sind diese Sub- stanzen, die im Experiment die Schleimhautbarriere für Säure schä- digen, für die Streßulkusgenese als Kofaktoren von Bedeutung.

3.6 Histaminfreisetzung

Verschiedene Befunde sprechen für eine mögliche Beteiligung von Histamin an der Streßulkusgenese (41):

Bei Risikopatienten werden er- höhte Plasmahistaminspiegel ge- funden,

fp der H 2-Rezeptoren-Antagonist Cimetidin verhindert die Ausbildung von Streßulzera,

(I)

bei gestreßten Tieren finden sich erhöhte Histaminspiegel in der Ma- genschleimhaut.

Hierdurch könnten das entzündliche ödem verstärkt und die Säuresekre- tion trotz verminderten Blutange- bots unterhalten werden.

3.7 Synopsis der Befunde zur Pathogenese

Unter kritischer Würdigung aller er- reichbaren Befunde läßt sich das in Darstellung 2 wiedergegebene hy- pothetische Modell für die Genese von Streßläsionen aufstellen.

Überstarker Streß verursacht über eine Fehladaptation eine herdförmi- ge Zirkulationsstörung der Magen- schleimhaut, die besonders in der Korpusschleimhaut mit ihrem hohen Sauerstoffbedarf zu lokaler Gewebs- hypoxie und konsekutiv verminder- ter Zytoprotektion führt.

Hierdurch wird besonders an diesen Stellen die trophisch vorgeschädig- te Schleimhaut einer peptischen An- dauung durch Säure, Pepsin und Gallensalze von der Lumenseite her ausgesetzt, ungeachtet, ob diese in normalen oder erhöhten Konzentra- tionen vorliegen. Das hat die irrever-

Ursachen

von Streßulzerationen

Polytrauma Große Operationen Verbrennungen (Curling-Ulkus)

Respiratorische Insuffizienz Akutes Nierenversagen Akutes Leberversagen Sepsis/Schock

Schädel-Hirn-Trauma (Cushing-Ulkus)

Neurochirurgische Eingriffe Organische Hirnprozesse Tabelle 1: Ursachen von Streßerosionen und Streßulzerationen

sible organische Schädigung mit Ausbildung von Erosionen und Ulze- rationen zur Folge.

4. Diagnose

Die Entwicklung von Streßerosionen und -ulzerationen ist fast immer schmerzlos und wird deshalb nur er- kannt, wenn es zur Blutung kommt (in weniger als 25 Prozent der Fälle, siehe Abschnitt 2). Im Stadium der Blutung und im Intervall ist die En- doskopie nach den Regeln der Not- fallgastroskopie die Methode der Wahl für die Erkennung der Ursache und Blutungsintensität. Die Schleimhaut ist im Frühstadium blaß und düster-rot gefleckt mit punktför- migen Extravasaten. Die Erosionen sind in aller Regel inkomplett, ohne Randwall und vorwiegend entlang der Korpusfaltenkämme lokalisiert,

die Ulzera entweder kreisrund oder unregelmäßig begrenzt ohne Rand- wall und mit seichtem grau-weißli- chem oder hämatinisiertem Grund (Abbildung la). Die Blutung ist meist leicht und diffus, die arterielle Arro- sionsblutung selten. Eine Lokalisa- tionsdiagnostik durch Angiographie ist nach unseren Erfahrungen auch bei starker Streßblutung nicht not- wendig. Die Perforation ist selten.

5. Prophylaxe

und konservative Therapie Angesichts der hohen Operationsle- talität stehen frühzeitige prophylak- tische Maßnahmen und im Falle der Streßblutung zunächst konservative Bemühungen im Vordergrund. Aus- reichende Schockbehandlung, Voll- blutsubstitution, frühzeitige Sauer- stoffbeatmung und antibiotische Be- handlung der Sepsis zielen auf die Verbesserung der Magendurchblu- tung und Unterbrechung des Circu- lus vitiosus ab, unterstützt durch ausreichende Sedierung, Relaxation und Analgesie. Die wiederholte Spü- lung mit normaltemperiertem Was- ser führt bei leichteren Blutungen häufig zum zumindest vorüberge- henden Blutungsstillstand (43). Die früher geübte Eiswasserspülung bietet keine Vorteile, sondern wirkt sich wahrscheinlich durch lokale Hemmung der Gerinnungsvorgänge eher nachteilig aus.

5.1 Antazida

Seit langem werden Antazida mit dem Ziel der möglichst vollständi- gen Neutralisation der sezernierten Säure verabreicht. Erst in jüngster Zeit zeigte sich, daß stündliche In- stillationen von 30-180 ml (durch- schnittlich 40-60 ml) eines Mg-Al- hydroxid-Gels notwendig sind, um den pH-Wert im Magenaspirat auf über 3,5 bis 4,0 zu halten (1, 28, 29, 47, 49, 62, 74, 79, 82). Diese hohen Dosen entsprechen einer in vitro ge- messenen Neutralisationskapazität von ungefähr 120-720 mmol (28, 30).

Al-hydroxid und in schwächerem Maße auch Mg-hydroxid zeigen in vitro eine hohe Bindungskapazität

(5)

fokale lschämie der Mukosa Gallensalze Säure Lysolezithin Pepsin

Prostaglandine?

Histamin- freisetzung

Submukosa

Somatostatin?

Mukosazelle verminderte Zytoprotektion

(Prostaglandine?)

02-Glukose-Defizit

co

2 Antazida

Antazida Cimetidin Somatostatin Sekretin Pirenzepin

c

E

Darstellung 1: Pathogenetisch bedeutsame Faktoren (-->) für die Entstehung von Streßulzerationen und therapeutische Ansatzpunkte (—i) (hypothetisches Modell)

Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Gastroduodenale Streßulzerationen

für Gallensalze weitgehend unab- hängig vom pH (11). Die bei Risiko- patienten gemessenen Gallensalz- konzentrationen im Magenaspirat (69) liegen deutlich niedriger als in den In-vitro-Ergebnissen (11), so daß auch mit relativ niedrigen Antazida- dosen eine weitgehende Bindung in vivo zu erwarten ist.

Darüber hinaus wird diskutiert, daß Antazida im Gegensatz zu den se- kretionshemmenden Substanzen die intramurale Neutralisations- kapazität der Mukosa für rückdif- fundierte Säure nicht vermindern, sondern möglicherweise sogar er- höhen (62).

Klinische Studien zeigen, daß die ri- gorose Titration des Magenaspirats auf pH-Werte über 3,5 mit hohen Antazidadosen die Blutungskompli- kation bei Risikopatienten signifi- kant vermindert (28, 49, 79) (Tabelle 2). Die Prophylaxe war der mit Cime- tidin entweder gleichwertig (1, 52, 82), überlegen (62) oder unterlegen (45, 89). Inwieweit die bereits beste- hende Blutung durch Antazida gün- stig beeinflußt wird, ist bisher nicht ausreichend untersucht, eine offene Studie legt dies nahe (74).

5.2 Cimetidin

Cimetidin hemmt in hohem Maße über eine Blockade der Histamin-H 2

-Rezeptoren der Magenschleimhaut die basale und stimulierte Magen- säure- und Pepsinsekretion (Über- sicht bei 31). Eine günstige Beein- flussung der gastralen Mikrozirkula- tion durch Cimetidin wurde experi- mentell nur im Streßmodell (37, 71), nicht aber unter normalen Bedin- gungen (15) gefunden. Das Medika- ment verursachte bei weltweiter starker Verbreitung bisher keine dauerhaften Schäden (25) und ist deshalb angesichts der hohen Ge- fährdung von Intensivpatienten durch eine Streßblutung sicher und risikolos (18, 27, 45, 46). Bei sehr selten auftretenden Bewußtseinsstö- rungen und reversiblen Thrombozy- to- und Granulozytopenien muß die Dosis reduziert beziehungsweise das Medikament abgesetzt werden.

Im Tierversuch ließ sich die Entwick- lung von Streßulzerationen durch Cimetidin sicher verhüten (31, 38, 83). In zahlreichen kontrollierten Studien (10, 18, 27, 45, 46, 72) wurde die prophylaktische Gabe von Cime- tidin günstig beurteilt mit einem si- gnifikanten Rückgang von Blu- tungskomplikationen gegenüber ei- ner Placebobehandlung um mehr als 75 Prozent (Darstellung 2).

Dies ist offensichtlich — ähnlich wie bei den Antazida (79) — weniger auf das verminderte Auftreten von Streßläsionen als vielmehr auf die Verhütung der Blutung zurückzu- führen (10, 27). Hierfür spricht auch die relativ hohe Erfolgsrate der Be- handlung mit Cimetidin bei bereits blutenden Streßläsionen (7, 9, 44, 59, 66), die sich allerdings lediglich an den Erfahrungen der Untersu- cher und nicht an standardisierten Kontrollen orientiert (Tabelle 3).

5.3 Antazida oder Cimetidin?

Aufgrund der jüngsten Erfolge der hochdosierten Antazidaprophylaxe auch gegenüber Cimetidin (62) wur- de in letzter Zeit die Prophylaxe mit Cimetidin in Frage gestellt, insbe- sondere da gezeigt wurde, daß die Titration des Magensaftes auf pH- Werte über 3,5 im Vergleich zu Ci- metidin sicherer durch hohe Dosen von Antazida gelingt (35, 47, 62, 82, 88; Ausnahme bei 29). Dem ist ent- gegenzuhalten, daß in der Studie von Priebe et al. (62)

• keine gleichzeitigen Placebokon- trollen untersucht wurden,

O auch in der Cimetidingruppe kei- ne klinisch schwere Blutung auftrat,

• endoskopische Kontrollen nicht erfolgten und

• leichte Blutungen möglicherwei- se durch Irritation des in der Ci- Ausgabe A/B DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 79. Jahrgang Heft 13 vom 2. April 1982 37

(6)

Streßblutung Prophylaxe Titration des Magensafts

auf pH > 4 mit Al-Mg-Hydroxid Cimetidin

(30-120 ml/2 h, i. g.) + (1,6-2,4 g/24 h, i. v.) bei Niereninsuffizienz bei Niereninsuffizienz Al-Hydroxid 0,6-0,8 g/24 h

ler

Blutung Zusätzliche Therapie Somatostatin

250 .tg + 250 ,k,g/h [öder Sekretin Pirenzepin

0,5 KE/kg. h oder 20 mg + 30 mg/24 h

Absetzen 48 h nach Blutungsstopp

wenn vorhanden, endoskopische Elektro-/Photo- koagulation

selektiv intraarteriell Vasopressin/Embolisation

V

Blutung

Operation Umstechung + Vagotomie

Resektion + Vagotomie

Darstellung 2: Praktisches Vorgehen bei der Prophylaxe und Therapie der akuten Streßblutung

metidingruppe unnötigen Magen- schlauchs auftraten (80). Weiterhin ist bei den sehr hohen Ant- azidadosen (bis zu 180 ml/h) im Ver- gleich zum Cimetidin häufiger mit stärkeren Nebenwirkungen (meta- bolischer Alkalose, Hypermagnesi- ämie bei eingeschränkter Nieren- funktion, Diarrhoe) zu rechnen (11, 28, 49, 82, 88).

Es scheint deshalb sinnvoll, eine Kombination von niedrig dosierten Antazida (zum Beispiel 30 ml/2h) und Cimetidin (zum Beispiel 1,6 g/24h) und bei pH unter 4 die sukzessive Erhöhung der Dosis von Cimetidin und/oder des Antazidums zu emp- fehlen.

pH-Messungen zeigten bereits den gegenseitigen Spareffekt (35, 47, 82), klinische Studien stehen jedoch noch aus.

5.4 Somatostatin

Somatostatin hemmt die Magensäu- re- und Pepsinsekretion, vermindert die Durchblutung im Splanchnikus- bereich und verhütet die Entstehung von Ulzera im Tierexperiment (Lite- ratur bei 33). Bei Patienten mit an- haltender Blutung aus Gastroduode- nalulzera erwies sich in einem kon- trollierten Versuch (33) und einer of- fenen Studie (40) die Behandlung mit zyklischem Somatostatin (25011g als Bolus und 250 1.1g/h, i. v.) gegen- über Cimetidin ( 6 x 200 mg/24h, i.

v.) über jeweils 48 bis 120 h als signi- fikant überlegen. Die Ergebnisse sind jedoch bisher nicht auf die Streßblutungen übertragbar. Außer- dem muß kritisch angemerkt wer- den, daß Cimetidin im Vergleich zum Somatostatin im Hinblick auf eine ausreichende Anhebung des Ma- gen-pH unterdosiert wurde (24, 35, 52) und Somatostatin möglicherwei-

se eher über die Drosselung der ga- stralen Blutzufuhr als über eine An- hebung des pH wirkt (86). In einer offenen Studie bei Risikopatienten wurden Prophylaxe und Therapie mit beiden Substanzen ähnlich gut beurteilt (2).

5.5 Sekretin/Pirenzepin

Sekretin verursacht eine Anhebung des Magen-pH über eine Hemmung der Säuresekretion und Gastrinfrei- setzung sowie über den duodenoga- stralen Reflux von bikarbonatrei- chem Duodenalsaft. In einer offenen prospektiven Studie führte die Dauerinfusion von 0,5 KE/kg•h des Polypeptidhormons bei 64 von 67 Patienten mit Streßläsionen zum Si- stieren der vorher anhaltenden Blu- tung. Die nach Absetzen von Sekre- tin zu 28 Prozent wieder einsetzte und nach erneuter Gabe wieder si- stierte (3). Pirenzepin hemmt die Ma- gensäuresekretion über Blockade

(7)

Prophylaxe McAlhany et al.

(49) 1976 Hastings et al.

(28) 1978 Solem et al.

(79) 1979 Stothert et al.

(82) 1979 Zumtobel et al.

(89) 1979 Priebe et al.

(62) 1980 Basso et al.

(1) 1980

S

N. S.

S S N. S.

48 100 109 144 204 75 99

60-120 m1/4h 30-60/h 30 ml/h 30-60 ml/h 2000 m1/24h 30-120 ml/h

5 ml/h

7 3,5

4

3,5

Null Null Historische Kontrollen Cimetidin, i. v.

4-8 x 300 mg/24h Cimetidin, i. v.

8x200 mg/24h Cimetidin, i. v.

4 x 300-6 x 400 mg/24h Null oder

Cim, 4x200 mg/24h

4%

4%

3%

0 24%

0 0

25%

24%

15%

0 5%

19%

Null:19%

Cim: 0

60-180 ml/h 10%

Simonian et al.

(74) 1976

49 7 Keine 90%

Anzahl gesamt

Behandlung Antazida

Dosis (ml) Titration auf pH>

Ergebnis Blutung

Kon- trollen

Signifi- kanz

Autoren Kontrollen

Ant- azida

Therapie bei beste- hender Blutung

Blutungs- stop

Operation Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

Gastroduodenale Streßulzerationen

Tabelle 2: Studien zur Wirksamkeit von Antazida bei der Prophylaxe und Therapie der Streßblutung gegenüber ke'ner Therapie (Null) oder Cimetidine (Cim); als Antazida wurden Mg-Al-Verbindungen (Mylanta 11 9 , Maalox®, Riopan®, Gelusil-Lac) verwandt

von Muscarin-Rezeptoren der Ma- genschleimhaut. Bei 22 Patienten ei- ner chirurgischen Intensivstation zeigte die Prophylaxe mit dem Prä- parat (n = 11) (20 mg initial und 30 mg/24 h, i. v.) das geringe Auftre- ten von Läsionen und signifikant we- niger Blutungen im Vergleich zur Placebogruppe (48).

5.6 Vitamin-A-Prostaglandine Seit vielen Jahren wurde Vitamin A (10 mg oder 20 IE/die, i. m.) beson- ders bei Patienten mit Verbrennun- gen (56) zur Prophylaxe von Streß- blutungen empfohlen, der Wert bis- her jedoch nicht im kontrollierten Versuch bewiesen (60). Wegen ihrer antisekretorischen und zytoprotekti- ven Wirkung erscheint der Versuch mit Prostaglandinanalogen aus- sichtsreich, der klinische Einsatz be- findet sich jedoch noch im Ver- suchsstadium (73).

5.7 Endoskopische Elektro-Photokoagulation

An wenigen Zentren wurde die Ko- agulation mit Diathermie oder Laser- Strahlen zur• Behandlung blutender Schleimhautläsionen des oberen Gastrointestinaltraktes eingesetzt (22, 23, 34). Die Ergebnisse bei der akuten Streßblutung sind jedoch nicht so überzeugend, die Einfüh- rung dieser kosten- und personalin- tensiven Methode bei dieser Indika- tion vordringlich zu empfehlen.

5.8 Angiographische Blutstillung Bei schwerer, anhaltender Blutung kann besonders bei zu hohem pri- mären Operationsrisiko die angio- graphische Blutstillung durch selek- tive intraarterielle Infusion von ge- fäßverengenden Pharmaka (Vaso- pressin, Noradrenalin) oder durch

Embolisation versucht werden. Aus- reichende Erfahrungen für diese neuen Verfahren liegen jedoch noch nicht vor (8).

5.9 Steroide kontraindiziert?

Häufig stellt sich das Problem, ob Steroide bei Entwicklung von blu- tenden Streßläsionen abgesetzt wer- den müssen. Es gibt keine Beweise dafür, daß die endogene Kortisonse- kretion direkt an der Pathogenese von Streßläsionen beteiligt ist (6, 16, 42, 51). Die Genese eines peptischen Ulkus durch Steroidtherapie ist um- stritten (12). Im Ischämiemodell hat- ten Steroide sogar einen günstigen Effekt auf die Schleimhauthypoxie des Magens (6). Steroide können deshalb unserer Meinung nach bei gegebener Indikation trotz drohen- der und manifester Streßblutung verabreicht werden.

Ausgabe A/B DEUTSCHES ARZIEBLATT 79. Jahrgang Heft 13 vom 2. April 1982 39

(8)

Behandlung Ergebnis Autoren

Anzahl

gesamt Blutung

Therapie

bei bestehender Blutung

Blutungs- stop

Cimetidin Kontrollen Cimetidin Kontrollen Signifikanz Prophylaxe

*MacDougall et al. (45) 1977 Halloran et al. (27) 1980 Fischer et al. (18) 1980 Cartier et al. (10) 1980

100 mg/h pH>5 6x300 mg/24h

1,2 g/24h 1,2 g/24h

1) MgOH 20 ml/4h 2) Null Plazebo Plazebo Plazebo

1) 23%

2) 54%

75%

36%

17%

N. S.

S S

S

Burland et al. 1977 MacDonald et al. (44) 1978 Bubrick et al. (7) 1978 Mühe et al. (59) 1978 Schulz et al. (66) 1979 Teres et al. (85) 1980

1,5 g/24h

4x300 mg/24h 6 x 200 mg/24h

1,2 g/24h 6x200 mg/24h 15 ml AIOH/24h

keine keine keine keine keine 15 ml AIOH/2h 119

27 18 61 56 27

67%

89%

72%

93%

82%

33% 33% N. S.

* ausschließlich bei Leberkoma

75 50 28 119

4%

19%

0 2%

Tabelle 3: Klinische Studien zur Wirksamkeit von Cimetidin bei der Streßblutung gegenüber einer Behandlung mit Placebo oder ohne Kontrollen. Für die Beurteilung der Prophylaxe gelten als Kriterium eine Blutung, der Therapie das Sistieren der Blutung 5.10 Operationsindikation

Das Operationsrisiko ist bei der Streßblutung besonders hoch mit ei- ner Letalität von 36 bis 60 Prozent abhängig vom Schweregrad der Grunderkrankung und des gewähl- ten Operationsverfahrens (17, 36, 43, 75, 81). Das Eingreifen ist deshalb erst indiziert, wenn alle konservati- ven Maßnahmen ausgeschöpft sind.

Die Umstechung und Vagotomie zieht eine geringere postoperative Letalität nach sich im Vergleich zur Resektion und Vagotomie bei ähn- lich häufigen (32, 36) oder häufige- ren (17, 75) postoperativen Rezidiv- blutungen.

6. Praktisches Vorgehen Aus den bisherigen Erfahrungen las- sen sich folgende Richtlinien ablei- ten (Darstellung 2): Zur Prophylaxe empfiehlt sich die kontrollierte Titra-

tion des Magensaftes auf pH über 3,5 über eine weiche Magenverweil- sonde durch Kombination

eines Mg-Al-hydroxidhaltigen Antazidums (30 ml/2h) (bei Nierenin- suffizienz 30 ml Al-hydroxid) und

eines H 2-Blockers (Cimetidin, 1,6 g/24h, i. v.).

Hierbei ziehen wir die Dauerinfusion wegen des anhaltenderen Effektes (2) der intermittierenden Gabe von 400 mg/6h vor. Bei pH unter 4 wird die Dosis des Cimetidins auf 2,0 bis 2,4 g/24 h und gegebenenfalls des Antazidums auf 60 bis 120 ml/2h ge- steigert (Cave Alkalose, Hyperma- gnesiämie).

Bei schwerer Sepsis sind meistens von Anfang an höhere Dosen erfor- derlich. Eine auftretende Blutung sollte nach intensiver Spülung mit normaltemperiertem Wasser endo- skopisch lokalisiert werden. Bei an-

haltender oder zunehmender Blu- tungsintensität kann unter Frisch- bluttransfusionen die zusätzliche Gabe von Somatostatin (250 m,g plus 250 µg/h, i. v.) oder Sekretin (0,5 KE/

kg•h, i. v.) oder Pirenzepin (20 mg initial plus 3 x 10 mg/24h) versucht werden. Bei Therapieresistenz ist in der Regel die Indikation zur Opera- tion (Umstechung und Vagotomie, Resektion und Vagotomie) gegeben.

Bei vorhandenen Einrichtungen wird der Versuch der endoskopi- schen Elektro- oder Photokoagula- tion oder der selektiv intra-arteriel- len Therapie vorgeschaltet.

Literatur beim Sonderdruck Anschrift für die Verfasser:

Professor Dr. med. Jürgen Hotz Medizinische Klinik und Poliklinik Universität (GHS) Essen

Hufelandstraße 55 4300 Essen 1

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