II Auswirkungen der Erkrankung bis ins Erwachsenenalter möglich
Längsschnittuntersuchungen an hyperaktiven Kindern zeigen, daß sie auch noch im Erwachsenenalter eine überschießende motorische Ak- tivität aufweisen, wenn sich auch de- ren Erscheinungsbild verändert. Die Aufmerksamkeitsstörung mildert sich zwar ab, verschwindet aber nicht gänzlich. Diese Faktoren mö- gen dafür verantwortlich sein, daß hyperaktive Kinder als Erwachsene auch einem erhöhten Unfallrisiko unterliegen. Es existieren mittler- weile etwa 15 bis 20 katamnestische Untersuchungen über hyperkineti- sche Kinder (neueste Übersichten in 5 und 2). Die Ergebnisse dieser Un- tersuchungen lassen sich wie folgt zusammenfassen:
4)
Ein Großteil der hyperkine- tischen Kinder (bis zu 40 Prozent) bleibt in der frühen Adoleszenz auf- fällig durch Konzentrationsstörun- gen, motorische Unruhe, Impulsivi- tät, Lern- und Leistungsstörungen und durch dissoziales Verhalten.O Die Ergebnisse bezüglich der Symptompersistenz in der Spät- adoleszenz und im Erwachsenenal- ter sind aber nicht einheitlich. Strit- tig ist vor allem die Frage nach dem Auftreten dissozialen und delin- quenten Verhaltens. Neuere Unter- suchungen (9, 5) kamen zu dem Er- gebnis, daß hyperkinetische Kinder im Jugend- und Erwachsenenalter häufiger als Kinder einer Kontroll- gruppe wegen Straftaten verurteilt werden.
Dissoziales Verhalten und Drogenmißbrauch kommen bei Pa- tienten mit persistierendem hyperki- netischem Syndrom viermal so häu- fig vor wie bei denjenigen Proban- den, bei denen sich das HKS zurück- bildet. Diese Beobachtung zeigt, daß das „Chronischwerden" des hy- perkinetischen Syndroms weitere psychiatrische Störungen nach sich zieht. Insofern gehört ein Teil der hyperkinetischen Kinder zu einer
Risikogruppe für das Auftreten dis- sozialen und delinquenten Verhal- tens im Erwachsenenalter. Im Hin- blick auf den späteren Drogenmiß- brauch bei einem Teil der Patienten ist bemerkenswert, daß die Verab- folgung von Stimulanzien im Kin- desalter nicht zur Entwicklung einer Abhängigkeit von diesen Substan- zen führt.
Literatur
1. American Psychiatric Association: Diag- nostical and Statistical Manual of Mental Disorders, Washington, D.C. 1980 2. Cantwell, D. P.: Hyperactive Children
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6. Minde, K.: Hyperaktives Syndrom (hyper- kinetische, hypermotorisches Syndrom).
In: Remschmidt, H.; Schmidt, M. H.
(Hrsg.): Kinder- und Jugendpsychiatrie in Klinik und Praxis, Thieme, Stuttgart—New York 1985
7. Remschmidt, H.: Was wird aus kinder- psychiatrischen Patienten? Methodische Uberlegungen und Ergebnisse. In:
Schmidt, M. H.; Drömann, S. (Hrsg.):
Langzeitverlauf kinder- und jugendpsy- chiatrischer Erkrankungen, Enke, Stuttgart 1986
8. Remschmidt, H.; Schmidt, M. (Hrsg.):
Multiaxiales Klassifikationsschema für psychiatrische Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter nach Rutter, Shaffer und Sturge. Huber, Bern—Stuttgart—Toronto 1977, 1986
9. Satterfield, J. H.; Hoppe, C. M.; Shell, A.
M.: A Prospective Study of Deliquency in 110 Adolescent Boys with Attention Deficit Disorder and 88 Normal Adolescent Boys.
Amer. J. Psychiatry 139 (1982) 795-798 10. Schmidt, M. H.; Esser, G.; Allehoff, W.
H.; Geisel, B.; Laucht, M.; Voll, R.: Die Bedeutung zerebraler Dysfunktion bei 8jährigen. ZS Kinder-Jugendpsychiat. 10 (1982) 365-377
11. Steinhausen, H.-C.: Hyperkinetisches Syn- drom und Diät — eine therapeutische Ver- bindung? Klinische Pädiatrie 192 (1980) 179-185
Anschrift des Verfassers:
Professor Dr. med. Dr. phil.
Helmut Remschmidt Klinik und Poliklinik
für Kinder- und Jugendpsychiatrie der Philipps-Universität
Hans-Sachs-Straße 6 3550 Marburg
Cimetidin
beim Reizmagen?
In einer Multi-center-Cross- over-Studie , die an 124 Patienten mit Reizmagen (non-ulcer dyspep- sia) durchgeführt wurde, fanden sich 40 Cimetidin-Responder. Die Pa- tienten erhielten jeweils zwei Tage lang Cimetidin oder Placebo, wobei insgesamt sechs Perioden anhand einer visuellen Analogskala ausge- wertet wurden. Im allgemeinen pro- duzierten Patienten mit einer Reiz- magen-Symptomatik im Vergleich zu Ulcus-duodeni-Patienten weniger Säure und Pepsin; sie unterschieden sich nicht von einem Normalkollek- tiv. Die Cimetidin-Responder pro- duzierten signifikant mehr Säure als die Patienten, die auf den H 2-Blok- ker nicht ansprachen. Bei der Sub- population, die auf Cimetidin positiv reagierte, bestanden signifikant schwere gastro-ösophageale Sym- ptome, während Reizdarm-Sym- ptome seltener registriert wurden.
Während die Mehrzahl der Patien- ten mit einer non-ulcer-dyspepsia of- fensichtlich von Motilitätsregulato- ren profitiert, spricht eine Subpopu- lation in einer Größenordnung von etwa 40 Prozent, bei der gastro-öso- phageale Refluxsymptome im Vor- dergrund stehen, auf eine H2- Blocker Therapie an.
Petersen, H., T. Johannessen, P. M. Kle- veland, I. Löge, P. Kristensen, P. Sand- bakken, P. E. Hafstad, T. Helvarsen, U.
F. JOsne: The response to cimetidine and gastric acid secretion in nonulcer dyspep- sia.
Departments of Medicine and Pathology, Trondheim Regional and University Ho- spital, Trondheim, Norway
(18. Tagung des Europäischen Gastro Clubs, Erlangen, Oktober 17-18, 1986)
BERICHTIGUNG
Im Editorial „Stehen wir vor ei- ner Chemotherapie von AIDS?" in Heft 25/26, 1987, sind zwei Fehler enthalten. In der dritten Spalte ist Aciclovir als Aclovir bezeichnet worden. Im letzten Absatz muß es statt „Pyrimethamin-Sulfadoxin (Cotrimoxazol)" heißen: Trimetho- prim-Sulfadoxin (Fansidar). mwr A-1970 (48) Dt. Ärztebl. 84, Heft 28/29, 11. Juli 1987