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Archiv "Verschreibungsverhalten bei Harnwegsinfekten" (14.12.2012)

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876 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 109

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Heft 50

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14. Dezember 2012

M E D I Z I N

EDITORIAL

Verschreibungsverhalten bei Harnwegsinfekten

Leitlinien im ärztlichen Handeln unzureichend implementiert Florian M. E. Wagenlehner, Kurt G. Naber

Editorial zum Beitrag: „Survey

zur ärztlichen Verschreibung von Antibiotika – Ergebnisse zur akuten Zystitis in der ambulanten Versorgung“ von Velasco et al. auf den folgenden Seiten.

bei dieser Infektionsentität in der Regel keine Ände- rung der Antibiotikaverschreibung nach sich zieht.

Grund dafür war, dass die antibiotische Therapie der unkomplizierten Zystitis zumindest mit den Antibioti- kasubstanzen der Fluorchinolone oder Cotrimoxazol eine Kurzzeittherapie von etwa drei Tagen darstellt, und diese Therapie in der Regel beendet ist, bevor der Nachweis der Antibiotikaresistenzlage der Bakterien vorliegt.

Epidemiologische Nebenwirkungen

Der Stichprobenzeitraum der Studie von Velasco und Koautoren lag etwa zwei Jahre vor den aktuellen Publi- kationen der nationalen und internationalen Leitlinien zur Therapie der unkomplizierten HWI. Damals exis- tierten bereits wichtige Publikationen zur Veränderung der Antibiotikaresistenz bei unkomplizierten HWI (2–4), diese damals frischen Daten waren jedoch zu dem damaligen Zeitpunkt noch nicht in Leitlinien ein- gegangen. Vielmehr war zu diesem Zeitpunkt noch eine aus dem Jahre 1999 stammende nordamerikanische Leitlinie gültig (5), die damals aufgrund der zunehmen- den Resistenz von E. coli gegenüber Trimethoprim/Co- trimoxazol bei unkomplizierten HWI eine Therapie mit Fluorchinolonen alternativ empfahl (5). Zunehmende Antibiotika-Resistenzraten von Erregern unkomplizier- ter HWI gegenüber Trimethoprim/Cotrimoxazol und Fluorchinolonen der letzten Jahre unterstrichen die Notwendigkeit der Neubewertung der Therapieemp- fehlungen bei unkomplizierten HWI. Heute wird der Erkenntnis mehr Bedeutung zugemessen, dass Breit- spektrum-Antibiotika wie Fluorchinolone oder Cepha- losporine eher epidemiologische Nebenwirkungen, im Sinne der Selektion resistenter Erreger, verursachen, als Antibiotikasubstanzen mit engerem Wirkprofil. Da- her wurden diese Aspekte auch in der interdisziplinären S3-Leitlinie zur Therapie der unkomplizierten HWI aufgegriffen und in dementsprechende Therapie-Emp- fehlungen eingearbeitet (6):

Trimethoprim/Cotrimoxazol und Fluorchinolone werden derzeit nicht mehr als Mittel der ersten Wahl für die empirische Therapie der akuten un- komplizierten Zystitis empfohlen,

An erster Stelle stehen jetzt: Fosfomycin-Trome- tamol, Nitrofurantoin oder Pivmecillinam (nicht in Deutschland gelistet).

H

arnwegsinfektionen (HWI) zählen zu den häufigs- ten bakteriellen Infektionen im ambulanten Be- reich und sind deswegen für einen Großteil der ambu - lanten Antibiotikaverschreibungen verantwortlich. Der gesamte Antibiotikaverbrauch in der Bevölkerung be- stimmt unter anderem das Antibiotikaresistenzniveau.

Somit kann eine Beeinflussung des Antibiotika-Ver - ordnungsverhaltens signifikante Auswirkungen auf die Antibiotika-Resistenzraten in der Gemeinschaft haben.

In der vorliegenden nationalen Querschnitterhebung von Velasco et al. (1) bei 1 810 niedergelassenen Ärz- ten aus dem Jahre 2008 zeigte sich, dass bei 715/1 810 (39,5 %) der befragten Ärzte unkomplizierte HWI der häufigste Grund für eine Antibiotikaverschreibung war.

65 % der Ärzte, die geantwortet haben waren Allge- meinmediziner, 21 % Gynäkologen. Weitere Ziele der Befragung waren:

das Antibiotikaverordnungsverhalten der Ärzte zu untersuchen

die individuellen Kenntnisse über Antibiotika, Antibiotikaresistenz und Eigenheiten der Antibio- tikatherapie zu evaluieren.

Hohe Verschreibungszahlen

Ein hoher Anteil der Befragten gab an, dass sie täglich (61 %) oder wöchentlich (91 %) Antibiotika verordnen.

Das reflektiert die Bedeutung der ambulanten Medizin im Gesamtantibiotikaverbrauch. Im Jahr 2008 hat die Mehrheit, 61 %, Cotrimoxazol empirisch zur Therapie unkomplizierter HWI verschrieben, gefolgt von 21 % der Ärzte, die Fluorchinolone verordneten. In weit ge- ringerem Ausmaß wurden Penicilline, etwa 5 %, Ce- phalosporine 3 %, Tetrazykline 2 % und Makrolide 1 % verordnet. Die Autoren haben weiterhin herausgearbei- tet, dass folgende Gruppen häufiger Fluorchinolone verordnen:

Ärzte aus den neuen Bundesländern

Ärzte, die häufiger eine empirische Therapie auf eine gezielte Therapie umstellen

Ärzte, die Patienten Unannehmlichkeiten erspa- ren wollen.

Interessant ist der Aspekt, dass eine mikrobiologi- sche Urinuntersuchung vor Beginn der Antibiotikathe- rapie das Verordnungsverhalten auch bei der unkompli- zierten Zystitis geringfügig beeinflussen kann. Bisher ging man davon aus, dass eine Empfindlichkeitstestung

Klinik und Poliklinik für Urologie, Kinderurolo- gie und Andrologie, Justus-Liebig-Univer- sität, Gießen: Prof. Dr.

med. Wagenlehner Straubing: Prof. Dr.

med. Dr. h.c. Naber

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In Gegenden mit einer Reistenzlage von Trimetho- prim/Cotrimoxazol bei E. coli unter 20 % ist auch Tri- methoprim/Cotrimoxazol nach wie vor Mittel der First- Line-Therapie. Diese Leitlinien-Empfehlungen finden sich gleichermaßen auch in internationalen Leitlinien, wie der der Infectious Diseases Society of America (IDSA)/European Society for Microbiology and In- fectious Diseases (ESCMID) (7) und der der European Association of Urology (EAU)/European Section of Infection in Urology (ESIU) (8).

Implementierung von Leitlinien messen

Die Studie von Velasco et al. (1) ist somit ein wichtiger Beitrag, das Verordnungsverhalten von Antibiotika bei der häufigen Diagnose einer unkomplizierten HWI bei niedergelassenen Ärzten zu untersuchen. Die S3-Leitli- nienempfehlungen (11) wurden 2010 und 2011 mehr- fach auf nationaler und internationaler Ebene publiziert (6–11), um ihre Implementierung zu fördern. Der Im- plementierungserfolg kann aber nur durch Erhebungen wie der von Velasco et al. (1) gemessen werden. Solche Erhebungen sind wichtig, weil sie nicht nur den Erfolg, sondern auch mögliche Schwachstellen oder Hinde- rungsgründe einer Implementierung von Leitlinien- empfehlungen aufdecken können. Eine vergleichbare Studie sollte deswegen zeitnah wiederholt werden, weil sie Veränderungen im Verordnungsverhalten aufgrund der neuen Leitlinienempfehlungen bemessen und ihre Implementierung gegebenenfalls befördern könnte.

Interessenkonflikt

Prof. Wagenlehner erhielt Honorare für Beratertätigkeiten von Astellas, Astra- Zeneca, Cernelle, OM-Pharma, Lilly, Pierre Fabre und Rosen-Pharma. Honorare für Vorträge bekam er von AstraZeneca, OM-Pharma, Pierre Fabre und Rosen Pharma. Er erhielt Honorare für die Durchführung von klinischen Auftragsstu- dien von Astellas, AstraZeneca, Calixa, Cerexa, Cernelle, Cubist, GSK, Merlion, OM-Pharma, Janssen-Cilag, Johnson & Johnson, Lilly Pharma, Pharmacia, Pierre-Fabre, Rosen Pharma, Sanofi-Aventis, Strathmann, Zambon, Serag- Wiessner.

Prof. Naber erhielt Honorare für Beratertätigkeiten und Honorare für eine Auto- renschaft im Rahmen einer Publikation, bei der Bezug zum Thema besteht von Bionorica, OM-Pharma, Vifor, Pierre Fabre, Zambon, Angelini, Rosen Pharma und Daiichi Sankyo. Er bekam Honorare für Gutachtertätigkeiten von Bionori- ca, OM-Pharma, Vifor, Pierre Fabre und Rosen Pharma. Erstattung für Teilnah- megebühren für Fortbildungsveranstaltungen, Reise- und Übernachtungskos- ten und Honorare für die Vorbereitung von wissenschaftlichen Fortbildungsver- anstaltungen erhielt er von Bionorica, OM-Pharma, Vifor, Pierre Fabre, Zam- bon, Rosen Pharma und Daiichi Sankyo. Für die Durchführung von klinischen Auftragsstudien und ein von ihm initiiertes Forschungsvorhaben erhielt er Gel- der von Bionorica, OM-Pharma, Vifor, Pierre Fabre, Zambon und Rosen Pharma.

LITERATUR

1.Velasco E, Noll I, Espelage W, Ziegelmann A, Krause G, Eckmanns T:

A survey of outpatient antibiotic prescribing for cystitis. Dtsch Arzt- ebl Int 2012; 109(50): 878−84.

2. Kahlmeter G: An international survey of the antimicrobial susceptibi- lity of pathogens from uncomplicated urinary tract infections: the ECO.SENS Project. J Antimicrob Chemother 2003; 51: 69–76.

3. Kahlmeter G: Prevalence and antimicrobial susceptibility of patho- gens in uncomplicated cystitis in Europe. The ECO.SENS study. Int J Antimicrob Agents 2003; 22 Suppl 2: 49–52.

4. Naber KG, Schito G, Botto H, Palou J, Mazzei T: Surveillance study in Europe and Brazil on clinical aspects and Antimicrobial Resis- tance Epidemiology in Females with Cystitis (ARESC): implications for empiric therapy. Eur Urol 2008; 54: 1164–75.

5. Warren JW, Abrutyn E, Hebel JR, Johnson JR, Schaeffer AJ, Stamm WE: Guidelines for antimicrobial treatment of uncomplicated acute bacterial cystitis and acute pyelonephritis in women. Infectious Diseases Society of America (IDSA). Clin Infect Dis 1999; 29:

745–58.

6. Wagenlehner FM, Hoyme U, Kaase M, Funfstuck R, Naber KG, Schmiemann G: Uncomplicated urinary tract infections.

Dtsch Arztebl Int 2011; 108(24): 415–23.

7. Gupta K, Hooton TM, Naber KG, et al.: International clinical practice guidelines for the treatment of acute uncomplicated cystitis and pyelonephritis in women: A 2010 update by the Infectious Diseases Society of America and the European Society for Microbiology and Infectious Diseases. Clin Infect Dis 2011; 52: e103–20.

8. Grabe M BM, Bjerklund-Johansen TE, Botto H, et al.: Guidelines on urological infections. In: EAU (ed.): European Association of Urology Guidelines. Arnhem, The Netherlands: European Association of Uro- logy 2012: 15–9.

9. Wagenlehner FME, Schmiemann G, Hoyme U, et al.: National S3 guideline on uncomplicated urinary tract infection: recommenda- tions for treatment and management of uncomplicated community- acquired bacterial urinary tract infections in adult patients. Urologe A 2011; 50: 153–69.

10. Wagenlehner FME, Vahlensieck W, Naber KG: New S3 guidelines

„uncomplicated urinary tract infections“. Urologe A 2011; 50:

151–2.

11. Wagenlehner FME, Schmiemann G, Hoyme U, et al.: S3-Leitlinie:

Epidemiologie, Diagnostik, Therapie und Management unkomplizier- ter bakterieller ambulant erworbener Harnwegsinfektionen bei er- wachsenen Patienten. Nieren- und Hochdruckkrankheiten 2011;

40: 2–20.

Anschrift für die Verfasser Prof. Dr. med. Florian M. E. Wagenlehner

Klinik und Poliklinik für Urologie, Kinderurologie und Andrologie Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH, Standort Gießen Justus-Liebig-Universität Gießen

Rudolf-Buchheim-Straße 7 35385 Gießen Wagenlehner@aol.com

Englische Überschrift: Prescribing Behavior in Urinary Tract Infection—Inadequate Implementation of Guidelines in Clinical Practice.

Zitierweise

Wagenlehner FME, Naber KG: Prescribing behavior in urinary tract infec tion—inadequate implementation of guidelines in clinical practice.

Dtsch Arztebl Int 2012; 109(50): 876−7. DOI: 10.3238/arztebl.2012.0876

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The English version of this article is available online:

www.aerzteblatt-international.de

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