Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen
wicklungen erkennen, die mit teil- weise gravierend schweren Folgen eingetreten sind.
Der publizistisch aufgepäppelte Heilsbringer
Der medizinische Laienpublizist ist so wie ein jeder Kollege in seiner Redaktion, sei es nun einer Tages- zeitschrift, eines Magazins usw., bestrebt, möglichst viel Neues in lebendiger Form aus der Medizin zu berichten.
Selbst bei noch so betulich ge- führter Feder kann er ungewollt in den Sog einer Sensationsjour- nalistik hineingezogen werden, und wie leicht entsteht eine überzogen optimistische Darstellung einer neuartigen, gar nicht genügend er- probten und bewährten Behand- lungsmethode, und wie schnell und leider wie oft wird bei den Leiden- den die unberechtigte Hoffnung auf Heilung erweckt, der die grausame Enttäuschung auf dem Fuße folgen muß. Der hier angerichtete psycho- logische Flurschaden ist unab- schätzbar.
Solche publizistischen Entgleisun- gen bilden jedoch nicht den Schwerpunkt in der Fehlentwick- lung der medizinischen Laienpubli- zistik.
Hier hat der Gesamtumfang der Veröffentlichungen im Rezi- pientenkreis eine ohnehin unter- schwellig angelegte Fortschritts- und Apparategläubigkeit hochge- züchtet, die sich beim Patient-Arzt- Verhältnis als recht folgenschwer erweist.
Der ältere Landarzt, mit Besuchs- koffer und Stethoskop versehen, in einer langjährigen Krankenhausas- sistentenzeit und einer vieljährigen Ausübung einer Landpraxis erfah- ren und somit einen hohen Erfah- rungs- bzw. Ausbildungsstand auf- weisend, gilt nichts gegenüber ei- nem jungen Arzt, der eine An- sammlung von Geräten und Ma- schinen hinter seinem Rücken hat, deren Einsatzmöglichkeiten, Effi-
Medizinjournalismus
zienzgrad und Aussagewert dem gläubigen Leser und Patienten völ- lig unbeurteilbar sind.
Kurzum, nicht der erfahrene Arzt, sondern der Apparatemediziner ist der Heilsbringer, und an dieser wirklichkeitsverzerrten Perspektive dürfte die medizinische Laienpubli- kation nicht schuldlos sein.
Politiker und Laien-Krankenhaus- planer gehören auch zu diesem Rezipientenkreis, und für die ver- fehlte Krankenhausplanung kann man hier auch einen relevanten Bezugspunkt sehen. Die implizierte Fortschritts- und Apparategläubig- keit haben zur Gigantomanie und zur Zerschlagung einer sinnvoll ökonomisch gegliederten Kranken- hausplanung und somit zu einem verfehlten Milliardenspiel mit Steu- ergeldern geführt.
Publizieren will gelernt sein
Journalist und Arzt, bisher gottlob vorurteils- und wertungsfrei, kolle- gial nebeneinander durch ihre spe- ziellen Vereinigungen in Kollegium oder Arbeitskreis vertreten, können nur gegenseitig voneinander ler- nen.
So zeigt sich oft in der reinen me- dizinischen Fachjournalistik eine schlecht strukturierte Aufbereitung des Materials und eine geringe An- wendung der neueren Erkenntnisse einer Erwachsenenpädagogik und Didaktik. Die Pressestelle der Bun- desärztekammer wäre gut beraten, im Verein mit den Vereinigungen der deutschen Medizinjournalisten, etwa im Verlauf der großen Fort- bildungskongresse in Davos, Meran oder Grado, bei denen ohnehin ein großer Teil von Medizinjournali- sten anwesend ist, die vorgetrage- ne Problematik in einem Seminar zu behandeln.
Anschrift des Verfassers:
Dr. med. Hermann Kircher Körtlingstraße 25
4354 Datteln
BRIEFE AN DIE REDAKTION
NUMERUS CLAUSUS
Ärgerliches, das viele Väter von Abitu- rienten bedrückt:
Wo bleibt die Gerechtigkeit?
Mein Sohn Andreas (maßgebliches Abitur 1971) hat sich nach zweijäh- riger Bundeswehrzeit bei der Sani- tätstruppe und seitheriger Tätigkeit als Hilfspfleger am Krankenhaus seit dem Abitur regelmäßig bei der ZVS ausschließlich für das Fach Medizin beworben. Bei der letzten Vergabe zum Wintersemester 75/76 ist er rangmäßig nicht nur stehen- geblieben, sondern sogar zurück- gefallen, offensichtlich durch mas- senhaft eingestreute „Berufs- wechsler". Mir sind Fälle bekannt, in denen Bewerber zum Medizin- studium zugelassen werden, die bereits ein abgeschlossenes Hoch-
-chulstudium hinter sich haben, während unsere eigenen Söhne noch nicht einmal mit ihrem ersten und seit dem Abitur erwählten Stu- dium beginnen können. Noch un- gerechter empfinde ich jedoch die jüngste Handhabung auf Grund des im „Spiegel" veröffentlichten Gutachtens über angeblich 1000 freie bzw. ungenutzte Studienplät- ze für Medizin. Anstatt diese Plätze gerechterweise der ZVS zur Verfü- gung zu stellen und der Reihenfol- ge nach zu vergeben, wurde ein Teil dieser Plätze vorwiegend von Juristenkindern eingeklagt, deren Väter den nötigen Draht hatten!
Zum Teil hatten diese „Bewerber"
ein erst kürzlich erworbenes Ab- itur! Wo bleibt da die Gerechtig- keit!
Dr.
med. Heinz Rohrbach Adolfstraße 22110 Buchholz
HONORARE
Aus einem „Aufklärungsbrief" an eine Krankenkasse:
... nicht das Maul verdreschen ... In letzter Zeit mehren sich al- lenthalben die Ansätze, am Hono- rar der Ärzte herumzumäkeln. Das
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 15 vom 8. April 1976 1043
Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen
BRIEFE AN DIE REDAKTION
mag im einzelnen durchaus seine Berechtigung haben, keinesfalls je- doch im prinzipiellen. Ich bin stets bereit gewesen, meine Honorarno- ten zu ermäßigen, wenn es sich um sozial schwach gestellte Patienten handelte. Ich muß jedoch ganz energisch dagegen protestieren, wenn Krankenkassen ihre Mitglie- der mit demagogischen Briefen aufwiegeln wollen, wenn die- se Mitglieder mit der Behand- lung und dem geforderten, durch- aus als mäßig zu bezeichnenden Honorar einverstanden sind. Das Honorar dient dem Lebensunter- halt. Dazu gehören auch die stän- dig steigenden laufenden Unkosten' und die Altersversorgung usw. Da die aufzuwendende Zeit nicht be- liebig vermehrbar ist, können bei gründlicher Beratung zwar die Er- folge auch in der Langzeitbeobach- tung erheblich verbessert werden, aber die Zahl der zu behandelnden Patienten bleibt naturgemäß be- grenzt. Es ist ohnehin sozial un- würdig und außerdem außerordent- lich unrationell, daß durch die Ho- norarpolitik der größte Teil der Kollegen nur existieren kann, wenn 100 Patienten täglich die Praxis passieren. Mit einem Wort: Du sollst dem Ochsen, der Dich ver- bindet, nicht das Maul verdreschen.
Dr. med. Manfred Freiherr von Ungern-Sternberg Gartenstraße 12 4930 Detmold
PODIUMSDISKUSSION
Unter der Überschrift „Lernprozeß ei- nes Ärztefunktionärs" (Heft 7/1976, Sei- te 396) ging Dr. med. Macha nicht gera- de zimperlich mit dem Moderator einer Podiumsdiskussion ins Gericht. Der Kri- tisierte nimmt dazu Stellung.
Moderatus sum!
Da hat man doch wieder die Spit- zenklasse des Partei-Gewerk-
schafts-Krankenkassen-Manage- ments auf die Ärzte losgelassen!
War das so? Es war nicht zu erwar- ten, daß eine Übereinstimmung in der Sache zustande kommen wür-
de. Die Interessenlagen waren zu unterschiedlich. Es ist disputiert worden, hart und gegensätzlich, höflich in der Form. Ziel der Veran- staltung konnte nur sein, dem Pu- blikum deutlich zu machen, in wel- chen Schwierigkeiten unser Ge- sundheitssystem zur Zeit steckt, und nach Lösungsmöglichkeiten zu suchen.
Die Diskussionsteilnehmer haben sich — ein jeder auf seine Art
— darum bemüht. Solche Veran- staltungen sollten im Interesse al- ler am Gesundheitswesen beteilig- ten Gruppen häufiger durchgeführt werden. Aber die Sache hat einen Haken: es gibt in diesen Streitge- sprächen unterschiedlich starke Argumente. Die Gründe dafür kön- nen in der Sache liegen — aber auch in der Person dessen, der sie vorträgt! Alle demokratischen Par- teien haben ihre Besorgnis über die Kostenentwicklung im Gesund- heitswesen ausgedrückt und auf die Verantwortung der Ärzte hinge- wiesen. Und in der öffentlichen Meinung machen die Ärzte — wer wollte das bestreiten? — zur Zeit ein Tief durch. Dies zeigte sich auch in der hier besprochenen Veranstaltung. Von der Sache her war es also schwer für die Ärzte;
da müssen dann die Emotionen her!
Was tut man nach einer solchen Veranstaltung, wenn man das Ge- fühl hat, im Disput unterlegen ge- wesen zu sein? Man äußert sich nicht zur Sache, man beschreibt die „Kontrahenten", den Modera- tor, schildert die Atmosphäre. Na- türlich aus der eigenen Sicht; es muß ein Trauma zurückgeblieben sein. Es werden hübsch Wahrhei- ten, Halbwahrheiten, Unwahrheiten gemischt. Es wird ein Popanz auf- gebaut und dann kräftig auf ihn eingedroschen! Sind solche Artikel hilfreich? Ich glaube nicht.
Alle in der Verantwortung stehen- den Interessenvertreter sollten auch dann, wenn Übereinstimmungen oder Annäherungen nicht zu errei- chen sind, das gemeinsame Ganze nicht vergessen! Das bedeutet Ein-
sicht in die Realitäten und Be- schränkung auf die Lösung der an- stehenden Sachprobleme.
Heinz-Wilhelm Müller Ostendorfstraße 8 4000 Düsseldorf
AKUPUNKTUR
Zu dem Leserbrief von Dr. H. W. Rölke im DEUTSCHEN ÄRZTEBLATT, Heft 6/
1976, und der Glosse „Der Magus aus China" in Heft 44/1975:
Verderbliche Konjunkturritter Es dürfte etwa 15 Jahre her sein, daß Prof. Dr. Dr. Hübotter, einer der wenigen europäischen Ärzte, die wirklich Akupunktur beherrsch- ten (30 Jahre Tätigkeit in China), an der Freien Universität Berlin ei- nen Lehrauftrag für praktische Einführung in die Akupunktur er- hielt.
Von sieben Hörern bei Beginn der Vorlesung blieb ich nach drei Stun- den als einziger übrig, um es nach zwei weiteren Stunden ebenfalls aufzugeben, weil mir die Sache zu schwierig und der Einsatz zu groß erschienen. — Hübotter selbst konnte trotz therapeutischer Erfol- ge kaum seinen Lebensunterhalt verdienen. Er starb 1967, im glei- chen Jahr wie der andere gro- ße deutsche Akupunkturarzt Dr.
Bachmann. Vor vier Jahren machte Nixon seinen spektakulären Be- such in China. Seitdem ist die westliche Welt verrückt nach Aku- punktur. Nichts gegen die Kolle- gen, die sich ernsthaft in die Sache knien, aber viel gegen die Konjunk- turritter, die sowohl das Bild des Arztes wie das der Akupunktur ver- derben. Vor allem sollte das ganze Schauspiel etwas Besinnung wek- ken. Die Akupunktur als Rummel oder Humbug abzutun ist zu billig, aber die Relativität der medizini- schen Anschauungen und Moden sollten wir uns deutlich vor Augen halten.
Dr. med. Rudolf Wilhelm Schmarjestraße 18
1000 Berlin 37 - Zehlendorf
1044 Heft 15 vom 8. April 1976 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT