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Das wächst sich nicht aus

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Academic year: 2022

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130 DIE PTA IN DER APOTHEKE | Oktober 2019 | www.diepta.de

PRAXIS

I

n Deutschland ist mehr als jedes sechste Kind zwischen drei und 17 Jah- ren übergewichtig, knapp sechs Prozent sind adipös. Das hat die KIGGS-Studie des Ro- bert Koch-Instituts für die Jahre 2014 bis 2017 ergeben. Per Defi- nition ist übergewichtig, wer einen höheren Body Mass Index (BMI) hat als 90 Prozent seiner

Altersgenossen in einer Refe- renzkohorte. Adipös ist, wessen Wert oberhalb der 97. Perzen- tile liegt. Damit sind die ak- tuellen Zahlen für Deutschland im Vergleich zu der vorherigen Erhebung aus den Jahren 2003 bis 2006 zwar stabil geblieben – verglichen mit den 80er- und 90er Jahren hat sich der An- teil der zu schweren Kinder

und Jugendlichen jedoch ver- doppelt.

Ebenfalls eine wichtige Erkennt- nis aus der KIGGS-Studie: Mehr als die Hälfte der Kinder, die im Vorschulalter bereits übergewich- tig gewesen waren, waren es als Jugendliche immer noch. Von den ursprünglich adipösen Kin- dern blieben es sogar zwei Drittel bis ins Jugendalter. Dieser Trend

setzt sich bis ins Erwachsenenal- ter fort. In verschiedenen Unter- suchungen bleiben zwischen zwei Drittel und 80 Prozent langfristig zu schwer.

Vielfältige Ursachen Sicher- lich spielen veränderte Lebens- gewohnheiten eine wichtige Rolle für die Zunahme von Übergewicht und Adipositas bei Kindern und Jugendlichen. So zeigt eine aktuell in den sozialen Netzwerken vielfach geteilte Bil- derserie zum Thema „Kindheit damals und heute“ unter ande- rem einen bezeichnenden Car- toon: Damals zerrte die Mutter den Sohn, der viel lieber drau- ßen weiter Fußball spielen wollte, quasi mit Gewalt ins Haus. Heute dagegen versucht sie, ihn gegen seinen Willen auf den Fußballplatz zu bringen – obwohl er viel lieber weiter drin- nen Computer spielen würde.

Neben Bewegungsmangel sind ungute Ernährungsgewohnhei- ten in der Familie, die von den Kindern früh gelernt und über- nommen werden, eine weitere wichtige Ursache für Überge- wicht und Adipositas. Dazu zäh- len zum Beispiel ungesunde, zu kalorienreiche Nahrungsmittel und Getränke, häufige Zwischen- mahlzeiten oder Belohnung mit

KINDERKRANKHEITEN

Wer als Kind oder Jugendlicher bereits übergewichtig oder fettleibig ist, wird dies

wahrscheinlich auch bleiben – mit einem hohen Risiko für langfristige gesundheitliche Folge- schäden. Umso wichtiger ist eine frühe Intervention.

Das wächst sich nicht aus

© Osobystist / iStock / Getty Images

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DIE PTA IN DER APOTHEKE | Oktober 2019 | www.diepta.de

Süßigkeiten. Außerdem gibt es ohne Frage auch eine genetische Veranlagung für Übergewicht – manche Menschen nehmen leichter zu als andere. Schließ- lich sind psychische Ursachen häufig sehr wichtig: Kinder und Jugendliche, die sich nicht wohl- fühlen, zum Beispiel, weil es Pro- bleme in der Familie oder im so- zialen Umfeld gibt, können beim Essen eine Art Ersatzbefriedi- gung verspüren – und tun es des- halb immer wieder, obwohl sie eigentlich keinen Hunger haben.

Körperliche Ursachen für Adipo- sitas wie angeborene oder erwor- bene Funktionsstörungen der Hirnanhangsdrüse, Schilddrüse oder Nebenniere sind dagegen sehr selten. Bekannt ist, dass Kin- der die nicht oder nur kurz ge- stillt wurden, ein höheres Risiko haben, eine Adipositas zu entwi- ckeln. Nicht zu vergessen: Die so- ziale Herkunft spielt eine große Rolle – Kinder aus sozial schwa- chen Familien sind deutlich häu- figer übergewichtig. Schließlich wird die Rolle der Lebensmittel- industrie kritisch gesehen – vor allem die Herstellung zu kalori- enreicher Nahrungsmittel, spezi- ell an Kinder gerichtete Werbung und große Packungsgrößen wer- den moniert.

Folgen Die Folgen von Über- gewicht und Adipositas sind gravierend: Da ist zum einen die Stigmatisierung – gerade Kinder haben oft wenig Hem- mungen, andere zu hänseln oder zu verspotten. Abgesehen von den seelischen Verletzun- gen entwickeln übergewichtige beziehungsweise adipöse Kin- der eine ganze Reihe gesund- heitlicher Probleme: Da der Beginn der Pubertät auch vom Körpergewicht abhängt, kom- men übergewichtige Kinder häufig früher in die Pubertät – inklusive des früheren Beginns der Regelblutung bei den Mäd- chen und des Stimmbruchs bei

den Jungen. Zudem ist das Skelettwachstum bei dicken Kindern schneller, weil ein ent- sprechender Wachstumsfaktor im Fettgewebe vermehrt gebil- det wird. Deshalb sind überge- wichtige Kinder oft größer als Gleichaltrige. Die Über-Bean- spruchung des Bewegungsap- parats durch das Übergewicht kann zu orthopädischen Proble- men (zum Beispiel Schädigung der Gelenke) und zu Schmerzen führen. Bei stark übergewichti- gen oder adipösen Kindern und Jugendlichen können sich zwi- schen Hautfalten Ekzeme bil- den. Sie leiden zudem häufiger an Atemnot und Asthma.

Gravierend sind auch die Aus- wirkungen auf den Stoffwechsel und die hormonellen Verände-

rungen: Durch die erhöhten Blutzuckerspiegel kommt es zu dauerhaft erhöhten Insulin- spiegeln im Blut und in der Folge zu einer Insulinresistenz, das heißt Sensibilität und An- zahl der Insulinrezeptoren auf der Oberfläche der Zellen sin- ken, der Zucker wird nicht voll- ständig aufgenommen und ab- gebaut. Der Versuch der Bauch- speicheldrüse, dies durch Pro- duktion von mehr Insulin aus- zugleichen, kann schließlich zur Erschöpfung des Organs und zur Ausbildung eines Typ-2- Dia betes führen. Gleichzeitig trägt der erhöhte Insulinspiegel zu einer Erhöhung des Blut- drucks sowie der Blutfettwerte bei. Die Folge: Arteriosklerose und im schlimmsten Fall ko- ronare Herzkrankheit, Herzin-

farkt oder Schlaganfall. Da- neben begünstigen erhöhte Blutfettwerte die Ausbildung einer Fettleber. Schließlich ha- ben übergewichtige Mädchen häufig erhöhte Testosteron- werte. Sowohl Mädchen als auch Jungen mit Übergewicht zeigen häufig erhöhte Estrogenwerte, die bei Jungs zu einer Vergröße- rung der Brust führen können.

So ist schon länger bekannt, dass vermutlich ein Zusammen- hang zwischen Übergewicht und bestimmten Krebsarten be- steht. Eine Auswertung einer großen US-Datenbank hat nun ergeben, dass bei jungen Er- wachsenen die Häufigkeit vieler dieser Krebsarten in den letzten zwei Jahrzehnten messbar ge- stiegen ist.

Gegenmaßnahmen Damit es nicht so weit kommt, ist es sinnvoll, möglichst früh ge- genzusteuern. Im Prinzip ist es logisch: Mehr bewegen und weniger und gesünder essen.

Dafür müssen unbedingt auch die Eltern mit einbezogen wer- den, die möglichst eine Vorbild- funktion übernehmen und ihr Kind unterstützen sollen. Dies stellt allerdings vor allem dann eine Herausforderung dar, wenn sie selbst Teil der Ursache sind und das Übergewicht nicht als Problem wahrnehmen. Die Therapie der Adipositas setzt sich aus der Ernährungsthera- pie, Verhaltenstherapie und Be- wegungstherapie zusammen.

Meist ist sie als Gruppenthera- pie konzipiert und kann ambu- lant oder stationär erfolgen.

Bezüglich der Zusammenset- zung der Ernährung gelten die- selben Grundsätze wie auch bei Erwachsenen. Abhängig davon, wie stark das Ausmaß des Über- gewichts ist, kann es bei jünge- ren Kindern ausreichen, das ak- tuelle Gewicht langfristig zu halten – das Abnehmen erle- digt sich dann quasi durch das Längenwachstum von selbst.

Wichtig ist ein strukturierter Mahlzeiten-Rhythmus, um un- kontrollierte Zwischenmahl- zeiten und auch Heißhunger- attacken nach einer längeren Nahrungspause zu vermeiden.

Verhaltenstherapeutische An- sätze kommen in vielerlei Hin- sicht zum Tragen: Sie helfen beispielsweise dabei, Alternati- ven zu erlernen, also wie man

mit Situationen wie Stress oder Langeweile umgehen kann, ohne zu essen. Sie können auch aufzeigen, wie man mit Hän- seleien selbstbewusst(er) umge- hen kann. Auch ganz elemen- tare Dinge wie etwa gutes Kauen werden geübt. Wichtig ist, dass mögliche Begleiterkrankungen wie Depressionen erkannt und ebenfalls behandelt werden.

Schließlich spielt Bewegung eine essenzielle Rolle. Für den Ein- stieg eignen sich Sportarten wie Schwimmen oder Radfahren, Ausdauer ist wichtiger als kurze Kraftakte. Natürlich sollte auch im Alltag so oft wie möglich Be- wegung eingebaut werden.  n

Dr. rer. nat. Anne Benckendorff, Medizinjournalistin

Überernährung und Bewegungsmangel

sind auch bei jungen Menschen

die Haupt ursachen für Übergewicht

und Adipositas.

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