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Male Depression Krankheitsverhalten, Symptome und Copingstrategien von Männern zwischen 40 und 70 Jahren bezüglich ihrer Männlichkeit

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Academic year: 2022

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„Male Depression“

Krankheitsverhalten, Symptome und Copingstrategien von Männern zwischen 40 und 70 Jahren bezüglich ihrer Männlichkeit

DIPLOMARBEIT

zur Erlangung des akademischen Grades Magistra der Philosophie

Studium: Psychologie

Alpen-Adria-Universität Klagenfurt Fakultät für Kulturwissenschaften

Begutachter: Ao. Univ.-Prof. Dr. Axel Krefting

Institut für Psychologie

im April 2012

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„When you've fallen on the highway and you're lying in the rain, and they ask you how you're doing, of course you'll say you can't complain --

If you're squeezed for information, that's when you've got to play it dumb:

You just say you're out there waiting for the miracle, for the miracle to come.“

(Leonard Cohen)

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Ehrenwörtliche Erklärung

Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende wissenschaftliche Arbeit selbststän- dig angefertigt und die mit ihr unmittelbar verbundenen Tätigkeiten selbst erbracht ha- be. Ich erkläre weiters, dass ich keine anderen als die angegebenen Hilfsmittel benutzt habe.

Alle aus gedruckten, ungedruckten oder dem Internet im Wortlaut oder im wesentlichen Inhalt übernommenen Formulierungen und Konzepte sind gemäß den Regeln für wis- senschaftliche Arbeiten zitiert und durch Fußnoten bzw. durch andere genaue Quellen- angaben gekennzeichnet.

Die während des Arbeitsvorganges gewährte Unterstützung einschließlich signifikanter Betreuungshinweise ist vollständig angegeben.

Die wissenschaftliche Arbeit ist noch keiner anderen Prüfungsbehörde vorgelegt wor- den. Diese Arbeit wurde in gedruckter und elektronischer Form abgegeben. Ich bestäti- ge, dass der Inhalt der digitalen Version vollständig mit dem der gedruckten Version übereinstimmt.

Ich bin mir bewusst, dass eine falsche Erklärung rechtliche Folgen haben wird.

_________________________ _______________________

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DANKE!

Oft stelle ich mir die Frage, wie es zur Auswahl des Themas meiner Diplomarbeit kam.

Offen gestanden: Es hat sich so entwickelt. Weiters fragte ich mich, warum ich als Frau die Forschungen über Depressionen der Männer näher beschreiben möchte und ob und warum an meiner Studie teilnehmende Männer wohl meine vielen Fragen beantworten würden. Doch es hat gut geklappt, denke ich.

Dank Frau Dr. Salem wagte ich mich über die Diplomarbeit.

Dank meiner Männer in der Familie und im Freundeskreis konnte ich oftmals gute An- regungen und auch Erklärungen finden, die mich weiterbrachten. Auch wurde mir, als Mutter dreier Töchter, vieles im Umgang mit den lieben Männern in meiner Familie verständlicher.

Dank meiner Mama war es überhaupt erst möglich, meine Kinder alleinzulassen und auf die Uni zu fahren. Es war eine schöne Zeit, die mir viel Neues und auch Selbstwert brachte.

Durch meine Studienzeit wurden meine Marie, Sophie und Tresi wesentlich selbststän- diger.

Sepp, ich danke dir für deine Geduld, die Freiheiten, die du mir zugestehst, und mein (unser) schönes Leben! Tanja danke ich für die Freundschaft. Danke auch der Reise- gruppe Sonnenschein: Barbara, Mandana und Raoul für die Hilfe, die guten Gespräche und den Spaß beim Studieren.

Vielen Dank an alle Männer in Waiern, die mir bei meiner Studie großzügig geholfen haben.

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Zusammenfassung

Wissenschaftliche Studien haben ergeben, dass Symptome der Depression bei vielen Männern nicht als solche wahrgenommen werden, weil diese maskiert werden. Dies erscheint notwendig, da es in unserer Kultur dem männlichen Rollenkodex entspricht, stark, leistungsorientiert und selbstsicher zu sein. Schwäche und Antriebslosigkeit, Hoffnungslosigkeit und unkontrollierte Emotionen sind nur einige der typischen Symp- tome einer Depression, und diese werden mit weiblichen Eigenschaften in Verbindung gebracht. Männer dürfen daher ihre depressiven Gefühle nicht zeigen, um nicht schwach zu wirken, im Gegenteil, sie externalisieren ihre Probleme und fallen durch aggressives Verhalten, den Missbrauch von Alkohol und anderen Substanzen und das besonders riskante Benehmen auf. Deshalb diagnostizieren viele Ärzte die sogenannte.

maskierten männlichen Depressionen nicht als solche und viele Männer werden oftmals nicht richtig behandelt. So kann es vorkommen, dass betroffene Männer bei der Polizei oder im Krankenhaus „keine Unbekannten sind“ und sich schlimmstenfalls sogar das Leben nehmen, weil sie mit ihren Problemen nicht mehr fertig werden und diese durch Externalisieren „verarbeiten“ wollen. Daher besteht der Bedarf, dass Ärzte und auch die Gesellschaft über die Problematik der maskierten „Male Depression“ besser informiert werden, um zu verhindern, dass Männer sich suizidalisieren.

In meiner Studie wollte ich herausfinden, ob bei den männlichen Patienten der Psycho- somatischen Station in Waiern die „Male Depression“ als Ausprägung einer depressiven Störung vorliegt und wie sich Depressionen auf das männliche Selbst auswirken. Dazu befragte ich zwölf Patienten in einem qualitativen Leitfadeninterview. Dabei zeigte sich, dass alle der befragten Patienten über Symptome der „Male Depression“, die Pol- lack 1998 auflistete, erzählten. Dazu gehören berufliches Überengagement, vermehrte Selbstkritik, sozialer Rückzug, Substanzmissbrauch und Ärgerattacken. Auch wurde gezeigt, dass die meisten dieser Männer schlecht mit Stress und Belastung umgehen können. Alle der Befragten berichteten auch, dass ihr sexuelles Interesse verringert sei.

Weiters wurde in der Studie auch untersucht, welche die für spätere Depressionen prä- disponierenden Faktoren in der Kindheit sind. Dabei erwiesen sich eindeutig gewalttäti-

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ge Eltern und auch das Aufwachsen bei Pflegeeltern oder im Heim als wesentliche Ur- sachen für depressive Störungen im Erwachsenenalter.

Hinsichtlich der Copingstrategien der depressiven Männer, die für die Wiederherstel- lung ihres Selbst von Bedeutung sind, ergab die Studie, dass es für einige wichtig ist, dem traditionell männlichen Rollenstereotyp zu entsprechen und deshalb wieder beruf- liches Engagement wie auch Verantwortung zu erlangen und sich in einer Gruppe, die ihrem Selbst ein Zugehörigkeitsgefühl vermittelt, zu engagieren. Da aber die meisten der Patienten noch wegen ihrer Depressionen in stationärer Behandlung waren, waren sich viele hinsichtlich neuer Bewältigungsstile in ihrer Zukunft noch nicht sicher.

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Abstract

There is evidence that depressive symptoms in males are often not recognised as de- pression because men tend to conceal their inner insecurity, anxiety or emptiness. This is because cultural concepts of hegemonic masculinity want them to be strong, powerful and self-confident while weaknesses and uncontrolled emotions are often associated with female properties and thus regarded as impropriate. Accordingly they externalize their repressed problems through aggressive behaviour, drug abuse or hazardousness.

Thus it is important to throw a light upon „Male Depression“ and its masking symp- toms, not least because „Male Depression“ is often misdiagnosed and wrong treatment provided. As a consequence patients often end up exhausted or even suicidal in police stations or emergency departments because they cannot cope with their problems any longer.

My study examined a group of male patients of the psychosomatics department Waiern/Carinthia, who exhibit symptoms of „Male Depression“. In twelve in- depth interviews I have tried to analyse relationship between these men`s gender identities and depression, as each of the interviewees reported about depressive symptoms (cf. Pollack 1998) like over engagement, self-criticism, social withdrawal, substance abuse, aggres- sive behavior and problems with handling stresses and strains. Also, all of them report- ed about their sexual disinterest.

In addition I explored, which predisposing conditions in childhood may foster later de- pressions and found some evidence that violent parental homes or growing up with fos- ter parents often cause later depressive illnesses.

In order to reconstruct these men`s selves to tackle the stresses and strains of everyday life I finally discuss the therapeutic value of joining clubs or group organisations that cherish traditional hegemonic role stereotypes like ambitions, advancement, responsibil- ity and control.

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I

NHALTSVERZEICHNIS

1 EINLEITUNG ... 10

2 GLIEDERUNG ... 14

3 RECHERCHEN ZUR „MALE DEPRESSION ... 15

3.1 Geschichtliches und Neueres ... 15

3.2 Psychoanalytische Aspekte... 19

3.2.1 Klassische psychoanalytische Modelle ... 19

3.2.2 Aktuelle Konzepte ... 23

3.3 Stand der Forschung zur „Male Depression“ ... 28

3.3.1 Risikofaktoren ... 32

3.3.2 Charakteristika und Komorbidität ... 39

3.3.3 Hilfesuchverhalten und Diagnose ... 54

3.3.4 Therapie und Copingstrategien ... 62

4 DAS MÄNNLICHE SELBST ... 67

4.1 Die Entwicklung des männlichen Selbst ... 68

4.2 Die Vater-Sohn-Beziehung... 74

4.3 Die Geschlechterrollen ... 78

4.4 Störungen des männlichen Selbst ... 80

5 DARSTELLUNG DER STUDIE ... 83

5.1 Fragestellung ... 83

5.2 Hypothesen ... 84

5.3 Stichprobenbeschreibung... 85

5.4 Untersuchungsintrumente ... 86

5.4.1 Pilottestung ... 86

5.4.2 Leitfadeninterview ... 86

5.4.3 Leitfadeninterview-Fragen ... 88

5.5 Untersuchungsansatz, Methode und Arbeitsvorgänge ... 90

5.6 Persönliche Anmerkungen zu den Interviews ... 93

5.7 Ergebnisse der Studie ... 93

5.7.1 Prädisponierende Auswirkungen vom elterlichen und sozialen Umfeld ... 93

5.7.2 Eigene, teilweise hegemoniale Vorstellungen von Männlichkeit... 94

5.7.3 Alltags- und Berufserleben von Ärger und Stress ... 95

5.7.4 Auslöser, körperliche Symptome und Awareness ... 97

5.7.5 Veränderte Einstellungen bzw. Copingstrategien ... 98

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6 ERGEBNISSE ... 101

6.1 Ergebnisse der Hypothesen ... 101

6.2 Beantwortung der Forschungsfrage ... 102

6.3 Zusammenfassung der Ergebnisse... 102

7 DISKUSSION ... 104

8 LITERATURVERZEICHNIS ... 110

8.1 Bücher ... 110

8.2 Zeitschriften ... 113

8.3. Internetquellen... 116

ANHANG ... 119

Auswertungseinheit 1: prädisponierende Auswirkungen des elterlichen und sozialen Umfeldes ... 119

Zusammenfassungsmaske 3: 3. Durchgang ... 119

Auswertungseinheit 2: Vorstellungen zu Männlichkeit und dem Selbst ... 122

Zusammenfassungsmaske 5: 2. Durchgang ... 122

Auswertungseinheit 3: Ärger, Stress, Symptome „Male Depression“ maskiert ... 124

Zusammenfassungsmaske 7: 2. Durchgang ... 124

Auswertungseinheit 4: Auslöser, Symptome und Awareness hinsichtlich KH ... 130

Zusammenfassungsmaske 9: 2. Durchgang ... 130

Zusammenfassungsmaske 9 a: Tabelle mit Symptomen ... 132

Auswertungseinheit 5: Veränderte Einstellungen bzw. Copingstrategien ... 133

Zusammenfassungsmaske 11: 2. Durchgang ... 133

(10)

A

BBILDUNGSVERZEICHNIS

Abbildung 1: WHO-5 Well-Being Scale 1998. ... 58

Abbildung 2: RMRD Campaign, NIMH, 2006 ... 62

Abbildung 3: Beurteilung der Eltern ... 94

Abbildung 4: Einstellung zum Selbst als Mann ... 95

Abbildung 5: Körperliche Symptome der „Male Depression” ... 97

Abbildung 6: Maskieren der Depression ... 98

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1 E

INLEITUNG

Der für seine melancholischen Texte bekannte Sänger und Songwriter Leonard Cohen beschrieb seine Depression in einem Interview mit Mireille Silcott aus dem Jahre 2001:

„My depression, so bleak and anguished, was just crucial, and I couldn’t shake it; it wouldn’t go away (…) I didn’t know what it was. I was ashamed of it, because it would be there even when things were good, and I would be say- ing to myself, ‘Really, what have you got to complain about?’ But for people who suffer from acute clinical depression, it is quite irrelevant what the cir- cumstances of your life are.” (Leonard Cohen, 2001)

Depressionen bei Männern sind, im Vergleich mit depressiven Störungen bei Frauen, ein weniger erforschtes Thema. Auch ist eines der stabilsten epidemiologischen Ergeb- nisse der Depression, dass vorwiegend weibliche Personen davon betroffen sind. Ursa- chen dafür werden auch darauf zurückgeführt, dass es zwischen Depressionen und Re- produktionsvorgängen einen Zusammenhang gibt (prämenstruelles Syndrom, Baby blues, depressiven Störungen während der Schwangerschaft und im Wechsel), dass aber auch depressives Verhalten von Müttern auf Töchter vererbt werden kann. (Vgl. Wol- fersdorf et al., 2006, S. 6) Auch ein internalisierender emotionaler Problembewälti- gungsstil und psychosoziale Faktoren wie berufliche und private Doppelbelastung füh- ren zu einer erhöhten Vulnerabilität hinsichtlich Stress. (Vgl. Möller-Leimkühler, 2010, S. 12)

Viele Männer wollen „richtige Männer“ im Sinne der hegemonischen Normen sein. Da können sie nicht an der „typischen Frauenkrankheit“, die Emotionsausbrüche und Wei- nen zu ihren Symptomen zählt, erkranken. Männlichkeit wird immer mit Kompetenz und Leistung in Verbindung gebracht. Wer an Depressionen leidet, ist hingegen kraftlos und hat seine Gefühle nicht unter Kontrolle. „Richtige Männer“ sind hart, zäh und selbstständig, Depressive sind jedoch schwach und verletzbar. Kein Wunder also, dass es ihnen so schwerfällt zuzugeben, dass sie darunter leiden. „Mann“ sollte schließlich die Kontrolle bewahren, den Schmerz ignorieren und die Gefühle unterdrücken. (Vgl.

Emslie, Ridge, Ziebland & Hunt, 2005, S. 2347)

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So ergibt sich eine nur halb so hohe Depressionsrate bei Männern. Andererseits bege- hen Männer dreimal so häufig einen Suizid. Internationale Bevölkerungsstudien und das NIMH (National Institute for Mental Health, USA) belegen, dass ca. 90% aller Suizide als Folge einer psychischen Störung gesehen werden und dass, obwohl nicht bei jedem Suizid als Ursache eine Depression vorliegt, depressive Erkrankungen bei Männern oft nicht erkannt werden Dies wird dadurch erklärt, dass Männer erstens seltener Hilfe in Anspruch nehmen und dass sich zweitens zwar die klassischen Symptome der „Male Depression“ nicht von den typischen Symptomen der Depression nach ICD-10 oder DSM-IV unterscheiden, es aber zu einer „Maskierung“ der Depression bei Männern kommt, da es nicht den traditionellen kulturellen Normen des männlichen Selbst- Konzepts entspricht, dass ein „richtiger Mann“ Schwäche, Angst und Traurigkeit zeigen darf. Nach hegemonialen Richtlinien stellt dieser Macht und Überlegenheit dar. . (Vgl.

Möller-Leimkühler, 2006, S. 216-225).

So kann für viele, die sich für ihre Gefühle schämen und keine Hilfe in Anspruch neh- men, die „unmännliche Schwächlingskrankheit“ tödlich sein. (Vgl. Real, 2001, S. 32) Zu den Abweichungen von den typischen Symptomen der Depression zählen Aggressi- on, Irritabilität, Sucht oder Risikoverhalten. So finden sich Männer, die unter Depressi- onen leiden, eher bei der Polizei als im Krankenhaus wieder. (Vgl. Möller-Leimkühler, 2008, S. 52)

Bei der stationären Aufnahme im Krankenhaus werden Männer laut einer Studie von Wolfersdorf et al. aus dem Jahr 2009 nach Fremdbeurteilung mit HAMD (= Hamilton Depression Scale, Hamilton, 1960, online), einer der am weitesten verbreiteten Fremd- beurteilungsskalen zur Einschätzung des Schweregrades einer diagnostizierten Depres- sion, als schwerer depressiv als weibliche Patienten und häufiger mit psychotischen Symptomen eingeschätzt. Frauen haben öfters Wiedererkrankungen, bei Männern wer- den, wenn sie ein Rezidiv erleiden, mehrere und schwerere Phasen festgestellt. Hin- sichtlich der Thematik depressiver Frauen geht es vorrangig um Familie und Beziehung, während sich depressive Männer egozentrisch mit Problemen aus Arbeit und Beziehung beschäftigen. (Vgl. Wolfersdorf, Schulte-Wefers, Straub & Klotz, 2009, S. 12)

Die Depression wird auch als die Stresskrankheit des 21. Jahrhunderts definiert. Perso- nen, die einen inadäquaten Problembewältigungsstil haben, befinden sich in einem dau-

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erhaften Aktivierungszustand. Depressionen können daher auch als unzureichende Stressbewältigung bezeichnet werden.

Ich möchte zeigen, dass es bei Männern häufiger zu dysfunktionalen Stressverarbei- tungsmustern, basierend auf dem Konstrukt hegemonialer Männlichkeit, kommt. So wird das Bild der Depression auch wieder maskiert. Im Zuge einer umfassenden Prä- vention vor Suizid ist das Erkennen der maskierten Symptome relevant, da Männer ge- nerell auch seltener Hilfe suchen. (Vgl. Möller-Leimkühler, 2006, S. 215-217)

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2 G

LIEDERUNG

Meine Arbeit gliedere ich in drei Hauptteile. Im folgenden Kapitel 3 gehe ich auf die Ätiologie der männlichen Depression im Allgemeinen ein, beschäftige mich danach mit den Charakteristika der „Male Depression“, mit Komorbiditäten und Copingstrategien bzw. Therapiemöglichkeiten.

In Kapitel 4 möchte ich näher auf das männliche Selbst-Konzept eingehen und be- schreiben, wie Erziehungsfaktoren, Beziehungen und Umfeld Männer prägen und wel- che Faktoren pathogen wirken.

In Kapitel 5 und 6 stelle ich meine Studie dar, in der ich das Krankheitsverhalten, Symptome und Copingstrategien von Männern zwischen 40 und 60, die zur stationären Behandlung in Waiern waren, überprüfen will. Weiters möchte ich durch die Analyse der Ergebnisse zeigen, inwieweit die „Male Depression“ das männliche Selbst beein- flusst.

(15)

3 R

ECHERCHEN ZUR

„M

ALE

D

EPRESSION

3.1 Geschichtliches und Neueres

Ein literarisches Paradebeispiel für die verborgene Depression des Mannes ist der My- thos des Narziss. Ovid beschreibt einen von allen Mädchen begehrten Jüngling, der alle seine Verehrerinnen jedoch zurückweist. Aus Rache bittet eine davon Aphrodite, ihn mit der Pein einer Liebe, die unerwidert bleibt, zu bestrafen. So verliebt er sich in sein eigenes Spiegelbild und schmachtet im Bann der Eigenliebe, bis er an ihr stirbt. Obwohl man mit Narziss oft symbolisch übertriebenes Selbstwertgefühl meint, erzählt Ovid in seinen „Metamorphosen“ genau das Gegenteil: Wenn sich Narziss wirklich selbst ge- liebt hätte, hätte er sich von seiner eigenen Erscheinung losreißen können und wäre nicht, von seinem Selbstbild abhängig und besessen, in eine Bewegungsunfähigkeit ver- fallen, die ihn das Leben kostete. (Vgl. Ovid, online)

So sieht Real (2001) eine Störung des Selbstwertgefühls als Kern der verborgenen männlichen Depression. Ein normaler Selbstwert inkludiert die Fähigkeit, sich selbst zu schätzen, trotz seiner eigenen Unzulänglichkeiten und nicht wegen der Dinge, die man hat oder kann. Der Ursprung der Fähigkeit zur Selbstliebe liegt in der bedingungslosen Liebe der Eltern zu ihrem Kind. Wenn in der Kindheit nicht erlernt wird, sich auf die inneren Werte zu verlassen, wird man süchtig nach Anerkennung von außen. Macht, gutes Aussehen und Reichtum sind die Faszinationen, denen Männer in Ermangelung des eigenen Selbstwerts erliegen. Im Vergleich zu Narziss, der seinem Spiegelbild er- liegt, ist es auch eine Flucht vor Schmerz, Leere und dem Gefühl der Wertlosigkeit.

Durch „Grandiosität“ wird Scham und somit die Befürchtung abgewehrt, das eigene Selbst könnte minderwertig, wertlos sein. Wenn Surrogate wie Erfolg, Schönheit und

„Berühmtheit“ nicht ausreichen, um sich in seinem Selbstwert zu bestätigen, wenden sich Betroffene gegen sich selbst. Das ist die Dynamik der maskierten Depression. (Vgl.

Real, 2001, S. 40-42 und 54-55)

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Zu diesem Thema schreibt Real, 2001:

„Da die verborgene Depression bei solchen Männern auf einem Mangel an innerer Vitalität beruht, ist das Spiegelbild des eigenen Ruhms selten ein er- folgversprechendes Hilfsmittel. Jedesmal wenn Narziss das Objekt seiner Be- gierde umarmen will, führt diese Geste nur zu einem Rückzug. Selbst seine Tränen, der Ausdruck seines Leidens, zerstören nur das schöne Bild und kön- nen deshalb nicht geduldet werden. Narziss muss alle seine echten Gefühle, alle Bedürfnisse auf dem Altar des vergötterten Spiegelbilds opfern, er muss ,der Flamme huldigen, die ihn verzehrt‘. So unerbittlich wie ein Süchtiger ist auch Narziss gefangen in einem Teufelskreis, aus dem er sich nicht befreien kann, nicht einmal im Angesicht des Todes. Genau das ist die grundlegende Dynamik der verborgenen Depression.“ (Real, 2001, S. 42)

Depressionen waren schon immer ein Thema, das die Menschen interessierte. So steht im Alten Testament im Buch Ijob eine Metapher:

„Sind nicht gering die Tage meines Lebens? Blick weg von mir, daß ich mich etwas freue, Bevor ich fortgeh` ohne Wiederkehr ins Land des Dunkels und des Schattens, Ins Land der Finsternis, da keine Ordnung, wo, wenn es leuch- tet, ist`s tiefe Nacht.“ (Die Bibel, Buch Ijob 10, Seite 674)

Hildegard von Bingen wies bereits im 12. Jahrhundert in einem ihrer Werke, das über die Ursachen und die Behandlungen von Krankheiten belehrt, auf Unterschiede zwi- schen weiblichen und männlichen Melancholikern hin. Dies ist ein literarisches Beispiel für eine präzise wissenschaftliche Beschreibung von Depressionen. Sie erklärt die Me- lancholie als Krankheit, die sich vom Phlegma des Melancholikers unterscheidet. Dieser wird als schwermütig, ängstlich und stimmungsschwankend beschrieben. Die Melan- cholie als eine Krankheit, die sich aufgrund der Schwarzgalle auf Herz und Hirn aus- wirkt, bringt Schwermut. Sie lässt die Menschen zweifeln, dass Trost möglich ist.

Dadurch können die Betroffenen keine Freude am Leben haben. Sie gehöre zum Wesen von allen Menschen, da Eva vom Apfel kostete und somit Gottes Gebot übertrat, und sie sei die „Ursache jeder ernsten Erkrankung bei den Menschen“ (Pawlik, 1990, S.

65). Wenn jedoch ein Melancholiker an der Melancholie erkranke, könne er nicht ihre Kraft unterdrücken wie die übrigen Menschen, die einem anderen von ihr beschriebenen Phlegma entsprechen. Sie erlebt diese Menschen als eingekerkerte Personen, die an der Krankheit nicht sterben, aber auch nicht völlig belebt wirken. (Vgl. Pawlik, 1990, S. 65)

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Sie beschreibt weiters depressive Männer mit düsterer Gesichtsfarbe, feurigen Augen und harten, starken Gefäßen. Sie seien nicht fähig, richtig zu lieben, auch „ausschwei- fend in ihrer Leidenschaft und ohne Mäßigung im Verkehr mit Frauen“ (Pawlik, 1990, S. 103), verbittert und habgierig. (Vgl. Pawlik, 1990, S. 103)

Ihre Stimmung soll von ihrer Leidenschaft mit Frauen beeinflusst werden, da ihr Ge- hirn, wenn enthaltsam, krank wird. Hildegard von Bingen bemerkte, dass sie eigentlich Frauen hassen und weder Liebe noch Zärtlichkeit empfinden können. Sie können auch sehr hart arbeiten, leiden unter Halluzinationen und meiden Menschen. Diese „männli- che Depression“ sei an die Kinder vererbbar, die ebenfalls nicht lieben und ehren kön- nen. (Vgl. Pawlik, 1990, S. 104)

Forschungen aus diesem Jahrhundert ergaben ähnlich Interessantes: Bemerkenswert ist beispielsweise, dass es in Kulturen, die Alkohol nicht akzeptieren, Unterschiede bezüg- lich der Prävalenz und Symptomatik von Depressionen gibt: Eine Studie von Jaku- baschk aus dem Jahre 1994 erfasste, dass Depressionen bei Amish People doppelt so oft auftreten wie in anderen Kulturen, jedoch verhalten sich diese weniger aggressiv. Die Depressionsrate und Symptomatik von Männern unterscheiden sich nicht von jenen der Frauen. Die Begründung dafür ist, dass Alkohol und Suizid gesellschaftlich tabuisiert sind und die Amish People in einer Gesellschaft leben, in der Homogenität, eindeutig definierte Rollen und direkte Kommunikation und Interaktionen streng egalitär sind.

(Vgl. Jakubaschk, 1994, S. 590-597)

Eine andere Kultur, auf die ich eingehen möchte, ist die jüdische: Menschen jüdischer Ethnizität stellen, obwohl sie über die ganze Welt verteilt leben, ebenfalls eine homoge- ne Gruppe dar, da sie gleicher biologischer Herkunft und durch ihre Religion verbunden sind. Jüdische Menschen sind laut Studien anfälliger als andere Religionsgruppen, an affektiven Störungen zu erkranken, im Speziellen werden bei ihnen häufiger eine „Ma- jor Depression“ (Näheres dazu untenstehend) und „Dysthyme Störungen“ und seltener Alkoholabhängigkeit diagnostiziert. Auch suchen sie diesbezüglich häufiger Hilfe bei Ärzten und machen öfter Therapien als nichtjüdische Vergleichsgruppen. Einige For- schungen belegen, dass es eine weit höhere Depressionsrate bei Männern in der jüdi- schen Bevölkerung gibt. Es wird angenommen, dass sich männliche Juden zur Kom- pensation für ihre schlechte Stimmung jedoch nicht mit Alkohol Abhilfe schaffen. Aus

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diesen Erkenntnissen wird abgeleitet, dass Männer, die unter Depressionen leiden, auch ein höheres Risiko haben, alkoholabhängig zu werden. Daraus kann geschlossen wer- den, dass die Prädisposition für Depressionen nicht ausschließlich in den Genen liegt.

Die Berücksichtigung von sozialen Normen und kulturellen Regeln, wie etwa Prohibiti- on von Alkohol, ist besonders wichtig, um die Art der Störung zu eruieren. (Vgl. Loe- wenthal et al., 2003, S. 122-127)

Hinsichtlich der Diagnostik der „Major Depression“ unterscheiden sich die Symptome der Erwachsenen von denen der Jugendlichen. Auch werden Jugendliche seltener be- handelt, weil Depressionen in der „schwierigen“ Pubertät oft nicht als solche erkannt werden. Die Forschungsgruppe um Wang erforschte 2008 in ihrer Studie an Adoleszen- ten aus einer Privatschule in Sao Paolo, ob es bei jüdischen Jugendlichen vermehrt af- fektive Störungen und hinsichtlich deren Geschlecht Unterschiede gab und wie sich diesbezüglich die depressiven Symptome auswirkten. Die Ergebnisse waren, dass es bei Mädchen der nichtjüdischen Vergleichsgruppe ab 13 Jahren vermehrt zu Depressionen kam. Bei den jüdischen Jugendlichen ist das Verhältnis gleich, jedoch gab es vermehrt jüdische jugendliche Männer im Vergleich mit der nichtjüdischen Kontrollgruppe. Ob- wohl bei jüdischen Teenagern Depressionen bei Mädchen gleich häufig auftraten wie bei Jungen, waren die Symptome bei beiden Geschlechtern unterschiedlich. Dabei wur- den negative Einstellungen, wie Pessimismus, Schuldgefühle, Selbstbeschuldigungen und sozialer Rückzug, typischerweise für die männlichen Jugendlichen genannt. Zwei der DSM-IV-Merkmale der „Major Depression“, nämlich Reizbarkeit und gestörter Appetit, die typische Symptome von Jugendlichen sind, trafen bei den jüdischen Ju- gendlichen nicht zu. Sie waren eher passiv und internalisierten ihre Probleme durch Ängste. Dies wird damit begründet, dass Juden glauben, dass gewaltloses, sanftes Ver- halten Männer vor dem Verlust von Selbstkontrolle und vor Hemmungen bewahrt. So wäre Reizbarkeit gefährlich. Die Studie ist insofern interessant, als es prädisponierend für die Entwicklung einer depressiven Störung im Erwachsenenalter ist, wenn bereits in der Jugend Symptome einer Depression auftreten. (Vgl. Wang, Lederman, Andrade &

Gorenstein, 2008, S. 79-80 und 83-85)

Im Gegensatz zu Kulturen, die Alkohol tabuisieren, sank nach dem Ende der UDSSR in den Transformationsländern die Lebenserwartung deutlich, besonders bei der männli-

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chen Bevölkerung. Gründe dafür waren das Ansteigen von Kriminalität und erhöhter Alkoholkonsum, Unfälle und Suizide. Es wird angenommen, dass es durch die Locke- rung der sozialen Umstände zu einer Art Hilf- und Hoffnungslosigkeit durch Verlust der sozialen Identität bei den Männern kam. (Vgl. Hausmann, Rutz & Meise, 2008, S. 45) Aber auch Männer, die „von der halben Welt bewundert werden“ und eigentlich frei von Sorgen sein sollten, leiden unter Depressionen und Ängsten. So berichtete Robbie Williams in einem Interview, er habe über lange Zeit Alkohol, Kokain und Ecstasy kon- sumiert, die Pillen triggerten seine Depression. Die Antidepressiva bremsten ihn, aber sie kontrollierten seine Stimmung:

"When you take ecstasy, your brain releases an awful amount of serotonin, and it makes you go‘great!‘. The serotonin in your head's going ‚wey hey hey, loads of it!‘, and then you use it all up and your brain's got nothing to bathe in." (Williams, 2011, online)

3.2 Psychoanalytische Aspekte

3.2.1 Klassische psychoanalytische Modelle

Sigmund Freud verglich den normalen Affekt der Trauer mit der Depression, die er als Melancholie bezeichnete. Diese sei eine unvollständig verarbeitete Trauer, jedoch sei die Melancholie kein konkreter deskriptiver Begriff, da sie in verschiedenen klinischen Erscheinungsformen auftrete und sowohl körperliche als auch seelische Affektionen beinhalten könne. Als Auslöser würden für ihn in beiden Fällen die gleichen Anlässe gelten, nämlich Verlusterlebnisse. Diese lösen laut Freud, 1916/17, bei beiden Formen

„eine tief schmerzliche Verstimmung, eine Aufhebung des Interesses für die Außenwelt, durch den Verlust der Liebesfähigkeit, durch die Hemmung jeder Leistung und die Herabsetzung des Selbstgefühls, die sich in Selbstvorwürfen und Selbstbeschimpfungen äußert und bis zur wahnhaften Erwartung von Strafe steigert“ (Freud, 1916/17, S. 335), aus.

Der Trauernde würde dies ebenfalls sehr einschränkend empfinden, diese Verstimmung würde er aber nach einem gewissen Zeitraum überwunden haben. Das geliebte Objekt bestehe nicht mehr und der Verlust werde als real wahrgenommen. Dadurch werde, schwer aber doch, ein Abziehen der Libido vom verlorenen Objekt ermöglicht. Das Ich

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beim Trauernden die Störung des Selbstgefühls wegfallen. (Vgl. Freud, 1916/17, S.

334-337)

Der Melancholiker jedoch könne den Verlust nicht benennen, da er sich auf einen Ob- jektverlust bezieht, der sich dem Bewusstsein entzieht. Dies führe durch Verarmung des Ichs zu einer Leere, die sich in Selbsterniedrigung zeige. Freud schrieb: „Bei der Trau- er ist die Welt arm und leer geworden, bei der Melancholie ist es das Ich selbst.“

(Freud, 1916/17, S. 337)

Auch das Schamgefühl bezüglich seiner Selbstanklagen fiele beim Melancholiker weg.

Darum nahm Freud an, dass sich diese Selbstvorwürfe eigentlich gegen die Person rich- ten, die den Betroffenen so enttäuschte, die Klagen sind Anklagen und Rache. Die ent- täuschende und kränkende Objektbeziehung löste sich zwar auf, aber die frei gewordene Libido wird nicht an ein neues Objekt gebunden, sondern vom Ich einverleibt. Der Me- lancholiker identifiziert sich auf diese Weise mit dem aufgegebenen Objekt, was dazu führt, dass der Objektverlust zum Ichverlust wird. Ausschlaggebend dafür seien eine starke Fixierung auf das geliebte Objekt und eine geringe Resistenz bezüglich Objekt- besetzung. Als Grundlage für diesen Widerspruch in der Objektbesetzung diente der Narzissmus. Wenn sich Schwierigkeiten bei der Besetzung des Objekts ergeben, könne es zu einer Regression auf den Narzissmus kommen. Dadurch erhöht sich das eigene Ich und wird zum Ersatz der Liebesbesetzung. So könne diese nicht aufgegeben werden, obwohl ein Konflikt mit ihr vorherrsche. Die Identifizierung sei beim Melancholiker auf einem frühen, dem Oralen entsprechenden Modus der Libidoentwicklung. Er will sich so das frühere Objekt einverleiben. (Vgl. Freud, 1916/17, S. 338-343)

Als Ursachen für spätere Störungen sah Freud die Disposition zum Zwangsneurotiker und alle Situationen, die einen Gegensatz von Liebe und Hass in eine Beziehung brin- gen bzw. solche schon vorhandenen realen oder konstruierten Ambivalenzen noch ver- stärken. Die Liebesbesetzung des Melancholikers beinhaltet zwei wesentliche Kompo- nenten: einerseits den Ambivalenzkonflikt, der zu sadistischen Hasstendenzen gegen sich selbst führt und so zur Lebensbedrohung werden kann, andererseits die Identifizie- rung mit dem Objekt, durch die sich der Betroffene das Objekt einverleiben will. Dies führt bei Melancholikern zur Verweigerung der Nahrungsaufnahme. Die Schlaflosigkeit der Kranken begründet Freud in der Starrheit seines Befindens, gleich einer Gegenbe-

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setzung, die sich gegen den Schlafwunsch des Ichs resistent zeigt. (Vgl. Freud, 1916/17, S. 342-346)

Abraham, 1924, fielen einige Besonderheiten der melancholischen Depression auf: Er war der Meinung, dass manisch-depressive Erkrankungen nicht direkt erblich bedingt sind, wohl aber in der Familie von betroffenen Patienten häufig vielerlei Neurosen vor- kommen, weshalb eine „konstitutionelle Verstärkung der Munderotik“ vorliege. Auf dieser basiere eine Fixierung auf die orale Entwicklungsstufe, was für ihn eine wichtige Vorbedingung für das Entstehen von Depressionen sei. Ein weiterer Faktor ist die Ent- täuschung des kindlichen Narzissmus aufgrund der Liebesenttäuschungen durch Mutter und Vater und des daraus entstehenden Eindrucks, völlig verlassen zu sein. Auch eine Liebesenttäuschung vor der Bewältigung der Ödipuswünsche sei prädisponierend für Depressionen. Dadurch, dass die erste Objektliebe traumatisch auf ihn wirke und die oral-sadistischen Triebregungen noch nicht vorüber seien, werde der Ödipuskomplex mit einer kannibalischen Stufe der Libido verknüpft. So werden Mutter und Vater zu Introjekten. Wenn der Erwachsene dann im späteren Leben wiederholt eine Enttäu- schung erlebe, verknüpfe er dies mit der primären unbewussten Erfahrung und verfalle so in die Melancholie. Die dabei entstehende Wut richte sich auf die Person, die für den Betreffenden in seiner Kindheit so enttäuschend gewesen sei. Daher erlebe sich der De- pressive als ungeliebt und unterversorgt und „bewältige“ seine inneren Aggressionen und den daraus entstehenden Hass, indem er seine Umwelt als feindlich erlebe und sei- ne eigene Person als wertlos empfinde. (Vgl. Abraham, 1924, S. 143-148). Abraham hob in diesem Werk auch die Affekte von männlichen Patienten hervor:

„Die ambivalente Gefühlseinstellung der von mir analysierten männlichen Pa- tienten wandte sich nämlich mit ihren feindselig-kannibalischen Regungen vorwiegend gegen die Mutter, während doch in anderen neurotischen Zustän- den vorzugsweise der Vater das Objekt feindlicher Tendenzen ist. Durch die bereits genauer charakterisierte Enttäuschung ist aber das zu jener Zeit noch stark ambivalente Gefühlsleben des Kindes so nachhaltig zuungunsten der Mutter beeinflußt worden, daß gegenüber dieser Feindschaft selbst die dem Vater geltende, aus Haß und Eifersucht entstandene Ablehnung verblaßt. Ich konnte bisher in jeder Psychoanalyse männlicher Melancholiker nachweisen, daß der Kastrationsprozess ganz überwiegend an die Mutter geheftet war, während sonst seine Beziehung zum Vater weit stärker betont zu sein pflegt.

Aber diese Verbindung erwies sich als durchaus sekundärer Natur, auf einer

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Tendenz zur Umkehrung des Ödipuskomplexes beruhend.“ (Abraham, 1924, S. 149)

C. G. Jung, 1909, hob die Bedeutung des Vaters für das Schicksal des Einzelnen hervor.

Über die affektive Beziehung zu den Eltern als Ursprung für alle kindlichen Anpas- sungsstörungen schrieb er Folgendes:

„Das Verhältnis zu den Eltern ist in der Tat der infantile Kanal par excellence, in den die auf Hindernisse stoßende Libido des späteren Lebens zurückflutet und dadurch längst vergessene seelische Inhalte der Kindheit wieder belebt. Immer ist es ja so im menschlichen Leben, wenn wir vor einem zu großen Hindernisse, einer drohenden schweren Enttäuschung oder dem Wagnis eines zu weitreichenden Entschlusses zurückweichen, dass die zur Lö- sung der Aufgabe angesammelte Energie zurückflutete und die alten Flußbet- ten, die obsolet gewordenen Systeme der Vorzeit, wieder auffüllt.“ (Jung, 1949, S. 9)

Nach Jung, 1949, erarbeiten Kinder bis zum 5. Lebensjahr alle wesentlich wertsystem- fonformen Charakteristika in einer „Art psychischen Ansteckung“ (Jung, 1949, S. 12) Er macht also die Eltern, im Besonderen die Väter, die bei den Söhnen keine Gefühlsre- gungen zulassen, sie bevormunden und zwingen, sich passend zu verheiraten bzw. Be- rufe auszuüben, für spätere Schäden verantwortlich. Mütter würden ihre Kinder verhät- scheln und sie zu ihren Puppen machen. Dies sei ebenfalls schädlich, da beide Eigen- schaften von den Kindern übernommen werden, die sie wiederum bei ihren eigenen Kindern fortsetzen. In späteren Werken schrieb er den Müttern größeren Einfluss auf spätere Traumata zu und erforschte, ähnlich Freud in Bezug auf die Kastrationsangst, den Mutterkomplex bei Söhnen und Töchtern. Von seiner Trauma-Theorie kam er je- doch ab und meinte, ebenfalls ähnlich Freud, dass die kindliche Phantasie nicht nur durch reale Erfahrungen, sondern auch durch genetische Einflüsse bestimmt sei. Daraus entwickelte er seine Hypothese, dass Eltern über ihre Macht der kollektiven Instinktvor- lagen, der Archetypen, die Kinder maßgeblich beeinflussen würden. Auch tragen die Archetypen, mit denen sich die Eltern identifizieren, die Schuld für das Erleiden des Vater- oder Mutterkomplexes. (Vgl. Jung, 1949, S. 9-25)

Adler, 1908, begründete Entwicklungsstörungen bei Kindern auf dem Erleben einer

„Organminderwertigkeit“, eines Zärtlichkeitsmangels in der Erziehung oder einer über- triebenen Zärtlichkeit. „Das Zärtlichkeitsbedürfnis sei, mehr Gefühlskomplex als

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Trieb,“ ein „entscheidender Hebel in der Erziehung“.(Bruder-Bezzel, 1999, S. 22) und für die gesunde Entwicklung des Kindes wichtig. Im richtigen Ausmaß sei es die

„Grundlage für Selbstbewusstsein und Gemeinschaftsgefühl“ (Bruder-Bezzel, 1999, S.

23). Ein Übermaß oder nicht ausreichend davon führe zu Minderwertigkeitsgefühlen.

Wenn sich keine Lösung für diese falschen Lebensschablonen fände, führen diese drei Erlebnisursachen zu einer Isolierung der Individuen. (Vgl. Bruder-Bezzel, 1999, S. 22- 24)

3.2.2 Aktuelle Konzepte

Winnicott, 1997, schreibt Folgendes über die Bedeutung des „Phänomens Familie“:

„Obwohl dies allgemein bekannt ist, verdient es das Phänomen Familie, ein- gehend untersucht zu werden. Als Psychoanalytiker, der die emotionale Ent- wicklung des Individuums in allen Einzelheiten untersucht hat, habe ich ge- lernt, dass jedes Individuum aus dem Zustand der Verschmelzung bis zur Exis- tenz als eigenständige Person, die mit der Mutter und mit Mutter und Vater zusammen verbunden ist, einen langen Weg zurücklegen muß; von hier aus geht die Reise durch die Landschaft der Familie, in der Vater und Mutter die wichtigsten Landmarken sind.“ (Winnicott, 1997, S. 63)

Die psychoanalytische Theorie lässt zwei Ursachen für spätere Probleme zu: einerseits die Bedeutung der „regressiv wirkende[n]“ Mutterdominanz der Mutter in der frühen Kindheit und andererseits die „progressiv liberale[…]“ Wirkung des ödipalen Vaters.

(Vgl. Aigner, 2002, S. 13). Le Camus, 2000, schreibt über die Bipolarität der Eltern und formuliert „vereinfacht: Liebe versus Gesetz“ (Le Camus, 2000, S. 10).

Es stellt sich auch die Frage, was sich die Eltern vom Kind erwarten. Offensichtlich set- zen sie positive und negative Erwartungen, wie ihr Kind sein soll, in dieses, die mit ver- schiedenen Affekten besetzt sind und die das Kind dann auch realisieren möchte. Dem Kind wird eine soziale Rolle auferlegt. Das sind allgemeine Verhaltensmuster, die von der Kultur ausgehend über die Eltern vermittelt werden. Psychoanalytisch gesehen sind es die unbewussten elterlichen Erwartungsphantasien, die vom Kind die Erfüllung einer Funktion erfordern. Es sind Wünsche, Ängste und Aggressionen, die das Leitmotiv dar- stellen und den Eltern zur Entlastung ihrer eigene Konflikte dienen sollen. (Vgl. Rich- ter, 2007, S. 71-71)

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Oft wird der Vater auch als „Nicht-Kommunizierender“ - also Nicht-da-Seiender, ob- wohl er präsent ist - bezeichnet. Es wird aber auch im Gegenzug dazu von der Gebär- rache gesprochen, also der unbewussten Freude der Frau am Ausgeschlossensein des Mannes bei der Geburt, einer Situation der körperlichen, geistigen und sozialen Verän- derung. Der Vater bekommt somit erst in der frühen Triangulierung Relevanz, also in jener Phase, in der das Kind wahrnimmt, dass es außer ihm selbst und der Mutter noch anderes gibt. Neueste psychoanalytisch orientierte Säuglingsforschungen hingegen ergaben, dass sich Babies schon im Mutterleib der dunklen bekannten Stimme ihrer Vä- ter, die ihnen vertraut erscheint, zuwenden und mit 28 Wochen diese sogar der höheren Stimme der Mutter vorziehen. Bei Kleinkindern, die in nahem Kontakt mit ihren Vätern standen, gab es auch kein Fremdeln ihnen gegenüber. Daraus kann geschlossen werden, dass der Vater sehr wohl schon von Anbeginn an eine große Bedeutung für die Kinder hat und als fester Bezugspunkt wahrgenommen wird. Auch wenn der Vater präsent ist und, was heute ja keine Selbstverständlichkeit ist, aktiv an der familiären Beziehung teilnimmt, ist er heutzutage dennoch oft mit Eigenschaften und Haltungen, die patriar- chalischen Klischees entsprechen, behaftet. (Vgl. Aigner, 2001, S. 74)

Eine ausgewogene Beziehung wär das Ideal. Wichtig für diese Triangulierung, also die stimmige Dreierbeziehung zwischen Mutter, Vater und Kind, die für symbolisches Denken und reflexive Kompetenz die Voraussetzung liefert, ist die innere Repräsentanz des realen Vaters. Die Mutter sollte auch von Geburt an dem Kind Väterlichkeit ermög- lichen, damit die Beziehung zwischen Vater und Kind real wird. Ebenso wichtig ist die Repräsentanz der elterlichen Beziehung, diese dient dem späteren Anerkennen von Drit- ten. (Vgl. Fonagy & Target, 2005, S. 71)

In der Ablösungsphase von Mutter und Baby ist der Vater relevant. Er, als der Reprä- sentant des anderen Geschlechts, soll die Verschmelzung mit der Mutter nicht länger als notwendig andauern lassen. Er ist auch maßgeblich an der psychischen Entwicklung der Kinder beteiligt, da er die Verbote des Über-Ichs, also die Verinnerlichung der Moral, darstellt. Für die Sozialisierung und für die geschlechtliche Identitätsbildung ist er eben- falls bedeutsam: für Mädchen in der Entdeckung und für Jungen als Bestätigung. (Vgl.

Le Camus, 2000, S. 9-10)

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Säuglinge, die mit dem Vater aufgewachsen sind und mit denen der Vater sich aktiv beschäftigt hat, werden Studien zufolge in der Entwicklung zu ihrer Unabhängigkeit und Stabilität gefördert. Auch sind solche Kinder später einmal stressresistenter und so- zial kompetenter. (Vgl. Fonagy & Target, 2005, S. 80)

Laut Winnicott, 1997, besitzen Mütter grundsätzlich die Fähigkeit, das eigene Interesse an ihrem Selbst dem Baby zuzuwenden. So wissen sie, was ihre Babies fühlen, und handeln dementsprechend. Wenn bei der Mutter jedoch eine Störung vorliegt, die ein zwanghaftes Selbstinteresse oder eine krankhafte Sorge um das Baby sein kann, wird das Baby nicht befriedigend versorgt. Es kann als Erwachsener im späteren Leben Pha- sen durchleben, in denen er in diese frühere Beziehung regrediert und sie nochmals als nicht befriedigend erlebt. (Vgl. Winnicott, 1997, S. 27-28)

Gruen, 2008, ist der Meinung, dass es für Frauen in der Gesellschaft der 1980er Jahre sehr verletzend war, sich der männlichen Überlegenheit und damit der eigenen Wertlo- sigkeit anpassen zu müssen. Solche Frauen, die ihre eigene Liebe verneinen, erziehen dann Kinder, die ihre eigene Stärke zurückweisen und sich nur in Bezug auf Macht und Dominanz entfalten wollen. Sie nutzen die Abhängigkeit des Kindes aus, um Erleichte- rung für ihre Enttäuschungen zu finden. Das Kind wird zum Werkzeug des Machtwil- lens der Mutter. Gruen nennt es den „Mythos“ des Ödipus, bei dem die Verzweiflung des Kindes mit Liebe, die in Wahrheit ein Machtstreben ist, verwechselt wird. (Vgl.

Gruen, 2008, S. 90-91)

Ein gutes Beispiel dafür ist Marcel Proust: Seine Mutter liebte ihn auf ihre Weise, die sich in großer Besorgnis, Anordnungen und Verboten ausdrückte. Sie machte ihn ab- hängig. Er wollte sich wehren, konnte es aber nicht, da er fürchtete, ihre Zuwendung zu verlieren. Erst als sie starb, konnte er seine Gefühle und Gedanken beschreiben und das ausdrücken, was ihn so belastete, sodass er an Asthma erkrankte. Statt der Liebe, die er suchte, musste er sich vor der Kontrolle seiner Mutter durch einen inneren Rückzug schützen. So wird die übermäßige Liebe mit einem Zu-viel-Luft-Haben verglichen und die Kontrolle mit der überschüssigen Luft, die ein Asthmatiker nicht ausatmen kann. In Prousts Werken, die die bürgerliche Gesellschaft in der Zeit der Jahrhundertwende kri- tisch darstellen, kritisiert er eigentlich seine eigene Mutter. Die Ursache für die patho- gene Bindung zu seiner Mutter findet sich in Ängsten der Mutter wieder, die ihren Sohn 1871, als die Preußen in Frankreich einmarschierten, auf die Welt brachte. Dies spürte

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der Säugling, was ihn später sehr belastete und verunsicherte. Statt sich ihm liebevoll zuzuwenden, war die Mutter nur um das Benehmen ihres Sohnes besorgt. Als Erwach- sener wollte er sich als Dandy seine „gestohlenen Empfindungen“ zurückholen. Nach dem Tod der Mutter tat der das als phantasievoller Künstler. (Vgl. Miller, 2005, S. 56- 64)

Fonagy und Target, 2005, betonen, dass die Qualität der väterlichen und mütterlichen Zuwendung für den Sohn zu Problemen hinsichtlich seiner Geschlechtsentwicklung führen kann. Diese Schlussfolgerung ergibt sich, da einige psychoanalytische Studien den abwesenden, gefühlskalten und unerreichbaren Vater als Ursache für eine homose- xuelle Entwicklung oder für Pathologien des Sohnes betrachten. (Vgl. Fonagy & Target, 2005, S. 85-86)

Zu dieser Thematik schrieb Miller, 2005, über Nietzsche Folgendes:

„Nietzsches großartiges Werk verstehe ich als einen Schrei nach Befreiung von der Lüge, der Ausbeutung, der Heuchelei und der eigenen Anpassung, aber niemand, er selbst am wenigsten, konnte sehen, wie sehr er schon als Kind darunter gelitten hatte. Sein Körper jedoch spürte diese Last pausenlos.

Schon als kleiner Junge hatte er mit Rheuma zu kämpfen, das, wie seine star- ken Kopfschmerzen, zweifellos auf das Zurückhalten der starken Emotionen zurückzuführen war. Er litt auch an unzähligen anderen Erkrankungen, an- geblich bis zu hundert während eines Schuljahres. Dass es das Leiden an der verlogenen Moral war, die zu seinem Alltag gehörte, konnte niemand merken, da doch alle die gleich Luft atmeten wie er. Aber sein Körper hat die Lügen deutlicher als die anderen Menschen gespürt. Hätte jemand Nietzsche gehol- fen, das Wissen seines Körpers zuzulassen, hätte dieser nicht den ‚Verstand verlieren‘ müssen, um bis an sein Lebensende für seine eigene Wahrheit blind bleiben zu müssen.“ (Miller, 2005, S. 38-39)

Es kann auch weniger Vernachlässigung zur Ursache von späteren Depressionen führen.

Trotz der Fähigkeit von Kindern, sich leicht anpassen zu können, sind sie im Vergleich zu erwachsenen Menschen seelisch sehr verletzbar. Unter entsprechenden Situationen, die Kindern erheblichen Stress verursachen, können so Traumata entstehen, die im Er- wachsenenalter zum Tragen kommen.

„Jeder depressive Mann trägt einen verletzten, verwirrten Jungen in sich, oh- ne zu wissen, wie er angemessen für ihn sorgen soll. Der Moment, in dem ein

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Mann zu diesem verleugneten Schmerz Kontakt aufnimmt, ist der erste Schritt zu seiner Genesung.“ (Real, 2001, S. 87)

Der Grundstein für eine Depression bei erwachsenen Männern liegt in einem Trauma, das Real den „Verlust der Verbundenheit“ (Real, 2001, S. 143) nennt und das auf früh- kindlichen Schmerz- und Verlusterfahrungen beruht. (Vgl. Real, 2001, S. 87 und 143) Richter schreibt 2007, dass nicht die Defizite an affektiver Zuwendung, sondern deren qualitative Modifikation zu analysieren seien, da diese ausschlaggebend für spätere Er- krankungen sei. So wirken die Einstellungen und Praktiken der Eltern ähnlich einer physikalischen Kraft entweder bremsend oder stimulierend auf die Triebimpulse des Kindes, sie schwächen oder steigern die Ich-Abwehr. (Vgl. Richter, 2007, S. 71)

Während der Schulzeit gehören aktive Traumata zum Alltag von Jungen, da sie aus physiologischen Gründen aktiver sind als Mädchen und nicht, weil es, wie öfter behaup- tet wird, in ihren Erbanlagen liegt. Wir schreiben schon von Geburt an einem männli- chen Baby andere Eigenschaften zu als einem Mädchen: nämlich wacher, stärker und durchsetzungsfreudiger zu sein. Allein aufgrund von Klischees gehen wir mit Kindern so um.

Laut Peters, 1994, habe es wenig Forschung bezüglich der Familie in ihrer unterstüt- zenden Funktion bei der Sozialisierung gegeben. Die wenigen Studien aus den 1970er Jahren ergaben jedoch, dass beide Elternteile bei ihren Söhnen auf Leistung und Stärke Wert legen, deren Unabhängigkeit fördern und sie mutiger erziehen und im Umgang mit Töchtern auf nicht aggressives, sensibles und fürsorgliches Verhalten Wert legen.

(Vgl. Peters, 1994, online)

Burschen schaffen sich auch schon sehr früh hierarchische Rollen, bei denen Wut und Aggression immer eine wichtige Rolle spielen und oft zu Ausgrenzungen führen, die gerade in der Schulzeit tiefe Verletzungen nach sich ziehen können. Oft sind dieser Schmerz und Scham dann die Grundlage für jene aggressive Haltung, die Väter ihren eigenen Söhnen entgegenbringen.

Wie bereits oben erwähnt, ist ein wichtiger Faktor in der männlichen Sozialisation, der oft Störungen zugrunde liegen, das Loslösen von der verweichlichenden, vereinnah- menden Mutter. Dabei dient der Vater als „Zertrenner der psychischen Nabelschnur“

(Real, 2001, S. 144). Der enge, sanfte Umgang der Mutter mit ihrem Sohn wurde auch

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oft als Erklärung für destruktive jugendliche Delinquenten und Drogensüchtige gese- hen. Ein „nicht vorhandener“ oder „unfähiger“ Vater verschärfte noch die Probleme des Jugendlichen. Neuere Forschungsergebnisse zeigen jedoch, dass Jungen, die von Al- leinerzieherinnen oder lesbischen Paaren erzogen wurden, in keiner Weise Anpassungs- schwierigkeiten aufweisen, sie sind jedoch mit dem sozioökonomischen Abstieg kon- frontiert, der oft in einem Zusammenhang mit der Armut gesehen werden kann. So ha- ben am häufigsten jene Jungen, deren Väter sie misshandelt oder vernachlässigt haben, Anpassungsschwierigkeiten, woraus geschlossen werden kann, dass die wichtigste Komponente in der Vater-Sohn-Beziehung die Zuneigung und nicht die Männlichkeit ist. (Vgl. Real, 2001, S. 143-148)

Resümierend kann man feststellen, dass sowohl Mutter als auch Vater bei der psychi- schen Organisation des Kindes unterschiedliche Rollen einnehmen, die aber dennoch nicht klar unterscheidbar sind. Beide Elternteile sind in ihren diversen Rollen bedeut- sam für die Entwicklung der Selbstrepräsentanzen. Beim gesunden Kind etablieren sich die Eltern als unabhängige Objektrepräsentanzen. Wenn dies nicht gelingt, wird eine der primären Bezugspersonen Teil der verzerrten Selbstrepräsentanz des Kindes. (Vgl. Fo- nagy & Target, 2005, S. 81 und 84-85)

3.3 Stand der Forschung zur „Male Depression“

Die Depression als affektive Störung ist eine Störung des Gefühlslebens. Im Umgang mit Gefühlen sind Männer und Frauen sehr unterschiedlich, so erscheint es daher nur logisch, dass Männer sie auf eine andere, weniger auffälligere Art ausdrücken. Depres- sionen sind für Männer eine „Schande“ in zweifacher Hinsicht: Sowohl eine psychische Krankheit als auch die weibliche Emotionalität werden damit in Verbindung gebracht und passen überhaupt nicht in das Bild des Mannes, der sich „nicht verletzlich zeigen darf“ und „Schmerz überwinden muss“. Auf diese Weise entsteht die kulturell bedingte männliche Taktik der Verdunkelung, woraus sich oft Krankheiten, Süchte, Gewalttätig- keit, Unfähigkeit, Nähe zuzulassen, und das eigene Verhindern einer beruflichen Karrie- re ergeben. (Vgl. Real, 2001, S. 16-19)

Möller-Leimkühler, 2010, konstatiert zum Gender-Thema, dass sich in unserer Kultur konkrete gesellschaftliche Verhaltensmuster und traditionelle Rollenzuschreibungen

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entwickelt haben, die Normen und Werte vorgeben und festlegen, welche Persönlich- keitscharakteristika, Fähigkeiten und Verhaltensweisen „typisch für Mann und Frau“

sind bzw. sein dürfen und die weit über die biologische Geschlechtszugehörigkeit hin- ausgehen. Das Bild der Frau entspricht dem sozial Erwünschten, wenn sie sich ange- passt, passiv, nachgiebig, ängstlich und emotional gibt, das männliche Rollenstereotyp ist hingegen aktiv, aggressiv, ehrgeizig, unabhängig und selbstsicher: Bei der Frau sind es expressive Eigenschaften, beim Mann sind es instrumentelle. So werden wir durch die Kultur nicht nur in unserem Selbst, sondern auch hinsichtlich einer sozialen Katego- risierung geprägt, wodurch Männer im Unterschied zu Frauen einen anderen Zugang zu personalen, sozialen und materiellen Ressourcen haben. Hegemoniale Männlichkeit mit den Idealen Macht, Prestige und Überlegenheit kann nur von einem kleinen Prozentsatz der Männer gelebt werden, sie gilt aber für sehr viele Männer als Maßstab. Diejenigen, die den Idealen nicht entsprechen, müssen sich mit sozial weniger anerkannten Positio- nen begnügen, was oft zu persönlicher Unsicherheit und Rollenkonflikten führt, die ab- gewehrt und nach außen gelebt werden, und zwar über ein Verhalten, das wiederum

„typisch männlich“ ist: z.B. Alkoholmissbrauch, Risikofreudigkeit und aggressive Ten- denzen. (Vgl. Möller-Leimkühler, 2010, S. 11-12)

Phylogenetisch entwickelten sich Männer und Frauen sowohl auf biologischer als auch auf organischer Ebene und auf der Verhaltensebene unterschiedlich: Männer sind auf maximale, möglichst kontinuierliche Produktion von Spermien, auf hohe Kopulations- bereitschaft und auf weniger große Investitionen in den Nachwuchs, der sich in ihrem Körperbau und auch in Verhaltensunterschieden verdeutlicht, eingestellt. Aufgrund des intrasexuellen Konkurrenzdrucks ergibt sich auch ein geschlechtsspezifisches Sozial- verhalten, das beim Mann eher durch Aggressionen und Rivalitäten gekennzeichnet ist.

Das und viele andere Faktoren haben zur Folge, dass von Mann und Frau bestimmte Funktionen leicht, andere wieder schwer oder gar nicht erfüllt werden können. Daraus ergeben sich geschlechtstypische Charakteristika und Verhaltensdispositionen in wahr- nehmender, motivationaler, emotionaler, kognitiv wertender und urteilender Hinsicht.

(Vgl. Freytag & Giernalczyk, 2001, S. 14-25)

Weiters gibt es auch ein unterschiedliches Verhalten beider Geschlechter in Bezug auf die Gesundheitsversorgung. Eine Studie von Wolfersdorf et al., (2006) ergab, dass Männer sich auf Fragebögen zur Selbstbeurteilung weniger beeinträchtigt darstellen als

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Frauen. Sie bagatellisieren eher ihre Symptomatik, verleugnen sie oder wollen sie gar nicht wahrhaben. Damit ist auch erklärt, warum Männer seltener als Frauen Hilfe bean- spruchen. Ein Zusammenhang zwischen männlichem Sexualhormon Testosteron und Depressivität liegt bei depressiven Männern weniger vor. Ursachen für Libidostörungen sind eher depressiogener Art als durch Testosteron bedingt. Bei depressiven Männern wurde jedoch ein deutlich reduzierter Spiegel von DHEA (= das Steroidhormon Dehyd- roepiandrosteron) gemessen. (Vgl. Wolfersdorf et al., 2006, S. 8)

Nach neuesten Forschungen spielen andere Sexualhormone hinsichtlich ihrer spezifi- schen Neuromodulation der Rezeptorbiologie wichtige Rollen im Entstehen von De- pressionen. So sind Frauen aufgrund von Östrogen und Progesteron, die beide die korti- kale Erregbarkeit beeinflussen, in stärkerem Ausmaß gefährdet, an einer depressiven Störung zu erkranken. Auch liegt die Krampfschwelle, ein elektrophsiologisches Phä- nomen, bei Männern höher, ebenso sind die Monoaminkonzentrationen bei Männern anders als bei Frauen, was wiederum als Schutz dienen könnte. Beim Serotoninsystem gibt es jedoch keine geschlechtsspezifischen Unterschiede. (Vgl. Hausmann et al., 2008, S. 44)

Die wissenschaftliche Forschung seit den 1980er Jahren hat auch gezeigt, dass ein Zu- sammenhang zwischen traditionellem Männerbild und körperlicher Krankheit, Alko- holmissbrauch und Risikoverhalten insofern gegeben ist, als sich die meisten Männer eher auf ein Risiko für ihr Leben einlassen würden, als Schwierigkeiten körperlicher oder seelischer Natur zuzugeben. Unsere Kultur idealisiert das Bild des „unbeugsamen, unverwundbaren Helden“: Superman und Terminator zeigen der Welt, wie faszinierend Muskelkraft ist. (Vgl. Real, 2001, S. 33)

Viele Männer möchten dem gesellschaftlich vorgegebenen Schönheitsideal entsprechen und mit einem perfekt trainierten Körper punkten. Dies zeigt auch eine Fragebogenstu- die, laut der heutzutage Männer aus Sorge um ihre Körperform weibliche Krankheits- domänen wie Anorexie und Bulimie ausprägen. In diesem Zusammenhang wurden Männer mit und ohne Essstörungen hinsichtlich ihrer Körperzufriedenheit und Körper- wahrnehmung befragt. Männer mit Bulimia nervosa strebten einen schlankeren Körper an, Männer mit Anorexia nervosa wollten aber trotz ihres starken Untergewichts keinen umfangreicheren Körper. Alle Befragten wünschten sich jedoch mehr Muskulatur. Das

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Ausmaß des Wunsches nach weniger Körperfett und mehr Muskulatur geht mit dem Grad der Körperzufriedenheit einher. (Vgl. Benninghoven et al., 2006, online)

Bezüglich der Inanspruchnahme von Hilfe wurde festgestellt, dass depressive College- studenten, die sich bei Problemen an Zimmergenossen wandten, auf Zurückweisungen und Feindseligkeiten stießen und soziale Isolation folgte. Dies macht verständlich, dass Männer aus Angst vor Stigmatisierung zum Bagatellisieren ihrer Probleme neigen.

Auch das soziale Umfeld versucht, sich den kulturellen Erwartungen des „starken Man- nes“ anzupassen, und verleugnet die Probleme, die mit der psychischen Verfassung zu tun haben. Oftmals werden auch Ärzte und Psychologen dazu verleitet, eher eine orga- nische Störung zu diagnostizieren bzw. sich der Symptombekämpfung zu widmen, statt die Ursache des Problems beim Namen zu nennen und auch dort anzusetzen. So „ver- tuscht“ der Patient seinen Zustand geschickt vor seiner Umgebung und auch vor sich selbst und „vergräbt sich in seine Arbeit“, er tarnt seine Unruhe als Wut und „ertränkt“

seine Unzufriedenheit im Alkohol. Dahinter steckt der Trieb, sich seine Verletzlichkeit nicht eingestehen zu dürfen. Er maskiert seine Depression getrieben von einer Selbst- wertminderung und Scham. (Vgl. Real, 2001, S. 17-18 und S. 33-37.)

Ätiologisch wird die Krankheit als ein Zusammenspiel von genetischer Prädisposition und psychischen Verletzungen gesehen. Weitere ätiopathogene Überlegungen sind bio- logisch-endokrinologische Aspekte, Ergebnisse der Viktimisierungsforschung und sozi- ologische Überlegungen. (Vgl. Wolfersdorf in Freytag und Giernalczyk, 2001 S. 86-87) Kindheitswunden führen zu bleibenden physiologischen Veränderungen in der neurolo- gischen Struktur des Menschen, zum Trauma. In unserem Kulturkreis, in dem männli- che Wertvorstellungen zählen, wird die Existenz des Traumas oft geleugnet. (Vgl. Real, 2001, S. 106)

Bei der traditionellen Sozialisation wird den Mädchen beigebracht, ihren Schmerz zu verinnerlichen, Burschen wiederum tragen ihn nach außen und entladen ihn durch Akti- vitäten, wie z.B. gewalttätige Ausbrüche. Oft wird dies zu einer psychischen Gefahr für andere. So kann ein Junge, der verletzt worden ist, zu einem Mann werden, der andere verletzt. Dabei lädt er Schmerz, der nicht als solcher anerkannt wird, auf Mitmenschen ab. Auch in der tiefenpsychologisch-psychoanalytischen Sicht der Depressionsentste-

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hung wird der Aggression ein hoher Stellenwert zugewiesen. (Vgl. Freytag & Giernal- czyk, 2001, S. 87)

Aus den obigen Darstellungen ergibt sich, dass ein Mangel an Selbstwert und Scham zu einer Sucht nach „Grandiosität“ führt, mit allen damit verbundenen Symptomen wie z.B. Sexsucht, Drogen- oder Arbeitssucht und anderen Möglichkeiten, Bestätigung zu finden. Schon lange ist bekannt, dass zwischen Suchtmittelabhängigkeit und Depression ein enger Zusammenhang besteht. Es wird sogar erforscht, ob zwischen den Aspekten der Depression (innere Leere, Alexithymie oder Unruhe) und der Art der gewählten Kompensationsdroge Zusammenhänge bestehen. (Vgl. Real, 2001, S. 54)

3.3.1 Risikofaktoren

Wolfersdorf, 2001, charakterisiert den „typischen depressiven Mann“:

„Beschreibt man den typischen depressiven Mann, wegen einer schweren De- pression in stationärer Behandlung, so findet man einen Patienten im mittle- ren bis höheren Lebensalter, überwiegend berufstätig oder aber chronisch ar- beitslos beziehungsweise mit entsprechender Arbeitsberentung.“ (Wolfersdorf in Freytag & Giernalczyk, 2001, S. 90)

In den 1990er Jahren definierte Rutz auf der Grundlage seiner Forschungen hinsichtlich suizidaler Männer mit depressiven Symptomen das „Male Depression“-Syndrom. Die- ses sollte sich von den geläufigen Diagnosen der Depression bei Frauen hinsichtlich der externalisierten Symptome unterscheiden. Ärzte können deshalb falsche Diagnosen stel- len, weil die depressive Störung als solche nicht erkannt wird. Zusammenfassend darge- stellt soll es sich bei der „Male Depression“ um ein emotionales Syndrom handeln, das nicht allein prototypische Symptome der „Major Depression“ wie negative Stimmung, Interessensverlust und Schlafstörungen umfasst, sondern auch externalisierte Symptome wie Agitiertheit, Aggressivität, Substanzmissbrauch und Risikoverhalten. So kann die Diagnose „Male Depression“ auch für Patienten gestellt werden, die unter Stimmungs- störungen leiden, sie ist aber auch geeignet für alle Diagnosen der Achse I, für die die Kriterien der „Major Depression“ nicht zutreffen. Es wurde jedoch angenommen, dass die „Male Depression“ eher auf Patienten mit der DSM-IV-Diagnose „Major Depressi- on“ oder mit bipolaren Episoden, nicht aber auf manische Patienten zutrifft. (Vgl. In- namorati et al., 2011, S. 99)

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Die Wahrscheinlichkeit, im Laufe seines Lebens an einer Depression zu erkranken, liegt für Männer bei ca. 12%. Für Frauen ist das Risiko in jungen Jahren bzw. im frühen Er- wachsenenalter höher als für die männlichen Vergleichsgruppen, sie neigen auch zu hö- herem Rückfallsrisiko. Im mittleren bis höheren Alter werden die Geschlechtsunter- schiede jedoch geringer. Als protektive Faktoren für beide Geschlechter gelten positive soziale Beziehungen, ein sicherer Wohnraum und ein geregelter Beruf. Belastende Le- bensereignisse, sowohl personenabhängig als auch nicht durch Krankheit oder vom Pa- tienten selbst herbeigeführt, sind prädisponierend für depressive Erkrankungen. Beson- ders kritisch sind belastende Ereignisfolgen in Zeiten, in denen man sich von vorherigen Belastungen noch nicht erholen konnte. Auch haben Personen, deren Familienangehöri- ge ersten Grades unter affektiven Störungen leiden, ein hohes Risiko, an einer Depres- sion zu erkranken. (Vgl. Hautzinger, 1998, S. 13-15)

In Bezug auf das Rollenverhalten und die Bewältigungsstrategien ist der Unterschied bezüglich der Risikofaktoren für depressive Störungen zwischen Männern und Frauen am deutlichsten. So sind für Männer das Alleinleben, Arbeitslosigkeit, Scheidung, be- rufliche Krisen (Gratifikationskrisen), auch Pensionierung, chronische Erkrankungen und Homosexualität prädisponierend für Depressionen. Als protektive Komponente gilt für den Mann die Ehe. Ein niedriger sozioökonomischer Status hat für beide Geschlech- ter denselben Stellenwert. (Vgl. Möller-Leimkühler, 2010, S. 15)

Andere Studien belegen, dass für Männer eine Trennung/Scheidung ein erhöhtes Risiko für eine psychische Erkrankung zu sein scheint. Bei geschiedenen Männern ist auch das Suizidrisiko 2,5 Mal so hoch wie bei verheirateten. (Vgl. Möller-Leimkühler, 2005, S.

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Schüchterne, verängstigte und wenig durchsetzungsfreudige Menschen werden meist mit einem geringen Selbstwert in Verbindung gebracht. Dies ist jedoch noch nicht zwingend die Prädisposition für Depressionen. Oft können auch sozial sehr kompetente Menschen unter Selbstwertkrisen leiden und an Depressionen erkranken. Auch können schon eine ereignisbedingte Selbstwertbeeinträchtigung und schlechte Kompensations- möglichkeiten ausreichen, um zu verstärkten Fehlreaktionen und daraus resultierenden Stresszuständen zu führen. (Vgl. Scholz & Zapotoczky, 2009, S. 46)

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Bezüglich unserer kulturellen Werte gelten einige Aspekte als Risikofaktoren. Kritische Lebensereignisse führen bei Männern zu Externalisierungen, wobei sie sich dabei an traditionell männlichen Normen orientieren. Wie schon ausführlich dargestellt, ergibt sich der wesentlich höhere Prozentsatz an Frauen, die an Depressionen leiden, dadurch, dass Männer die Depression maskieren. Bekannterweise unterscheiden sie sich auch in Bezug auf die Inanspruchnahme von Hilfe von den Frauen. Sie sind oft nicht dazu be- reit, sich helfen zu lassen, und spielen, auch wenn sie bereits in Behandlung sind, ihre Symptomatik herunter. Für Männer, die nach traditionellen männlichen Normen leben, ist die Depression mit den entsprechenden Emotionen und entsprechendem Verhalten etwas „typisch Weibliches“. Deshalb „verabscheuen“ sie auch so ein Verhalten und möchten selbst „stoisch und hart“ sein. Diese Männer maskieren ihre Depression mit externalisierten Abwehrmethoden wie Suchtmittelmissbrauch, Aggressionen, draufgän- gerischem Verhalten, Rückzug oder einem Überengagement in ihrer Arbeit. Im Gegen- zug sind das Zeigen von Emotionen und ein seinen Gefühlen entsprechendes Verhalten für jene Männer, die nicht nach streng maskulinen Vorgaben leben, geringere Probleme.

(Vgl. Magovcevic & Addis, 2008, S. 117)

Hinsichtlich der Traumata nach Verlusterlebnissen hat sich Folgendes gezeigt: Männer zeigen im Vergleich zu Frauen weniger oft depressive Symptome nach einem traumati- schen Verlusterlebnis, obwohl sie wesentlich tiefer trauern als Frauen. Bei hinterbliebe- nen Männern wurden auch häufiger Alkoholprobleme diagnostiziert als affektive Stö- rungen. Diese Studien zeigen, dass Männer ihre Emotionen unterschiedlich ausdrücken und dazu neigen, an langfristigen mentalen oder körperlichen Erkrankungen zu leiden, was als Konsequenz auf gesellschaftliche Normen, die ihnen eine offene Trauer „ver- wehren“, gesehen werden kann. Wenn Menschen traumatischen Erlebnissen ausgesetzt sind, die von außen auf sie einwirken und die sie selbst nicht beeinflussen können, lösen diese schwere Störungen auf mentaler und emotionaler Ebene aus. Wenn Männer in ih- rer Kindheit Traumata wie z.B. sexuellen Missbrauch erlebten, verschweigen sie dies oft aus Scham. Um traditionell männlichen Rollen gerecht zu werden, kann Schwäche oder Verletzbarkeit nicht offen zugegeben werden, ohne in den Augen anderer Männer

„in Verruf zu geraten“. Auch gilt es als typisch maskuline Eigenschaft, tragische Um- stände, ohne zu klagen oder die Rolle des Opfers einzunehmen, überleben zu müssen.

Gefühle wie Angst, Ärger, Isolation, Hilflosigkeit, Verlust und Scham gelten nicht als

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