—BLÜTENLESE
Die schmutzigen Hände, oder die Duplizität der Fälle
Nicht von Sartre (obwohl er an- sonsten so im Gespräch ist) soll die Rede sein; auch nicht in ei- nem übertragenen Sinn, son- dern wirklich von schmutzigen, ungewaschenen Händen.
Elli Heuss, die verehrte Alt-Bun- despräsidentenfrau, prägte noch zu Hitlers Zeiten den schönen und einprägsamen Vers, der alle Berliner U-Bahnwagen schmückte: „Vor dem Essen — Händewaschen nicht verges- sen."
Der Chemiker Fahlberg konnte den Spruch noch nicht gekannt haben. 1879 arbeitete er bis in die Nacht hinein an der Oxyda- tion von o-Toluolsulfonamiden.
Zwischendurch bekam er Hun- ger und aß Brot. Natürlich mit ungewaschenen Laborhänden.
Das
war sein
Glück. Es schmeck- te süß — und das Saccharin war entdeckt. Noch heute wird nachdem Syntheseweg von Fahlberg das Saccharin hergestellt.
Aber das Cyclohexylsulfamat (Cyclamat) verdrängte weitge- hend seit 1937 das Saccharin.
Damit wären wir bei Fall zwo:
Der Doktorand Michael Sveda suchte nach fiebersenkenden Mitteln. Sveda war auch solch ein Ferkel wie Fahlberg. Denn auch er hielt nicht viel vom Hän- dewaschen. Außerdem rauchte der Kerl während der Dienstzeit.
Das war sein Glück. Das Mund- stück der Zigarette schmeckte süß. Das Cyclamat war ent- deckt, und Sveda wurde stink- reich, mit ihm (und noch rei- cher) Du Pont, sein Arbeitgeber.
Ob man vielleicht doch aufs Händewaschen verzichten soll- te? Denn die Zeichen mehren sich, daß hektisch nach einem neuen Intensivsüßmittel gesucht wird. Durrak
Die Information:
Bericht und Meinung
vollkommenheiten bei der Öffnung der Rentenversicherung für Selb- ständige, die Vernachlässigung der freien Berufe in der letzten Steuer- reform, die Harmonisierung des Dienstleistungsrechts und der Nie- derlassungsfreiheit im Bereich der Europäischen Gemeinschaft so- wie besonders die Bemühungen um eine Reform der Berufsausbil- dung.
Den Vortrag über „Die Sozialpflich- tigkeit der freien Berufe" hielt der Medizinsoziologe Prof. Horst Baier, Frankfurt/Main. Prof. Baier erklärte die Situation der freien Berufe da- mit, daß sie eigentlich dem Prinzip des modernen Sozialstaates wider- sprechen.
Der Bürger erwarte heute teure so- ziale Leistungen vom Staat, und der Staat garantiere, daß sie ge- währt werden; tatsächlich erbracht oder verteilt werden jedoch diese sozialen Leistungen (oder „öffent- liche Güter", wie etwa ärztliche Be- handlung, Hilfe in Rechtsfällen oder modernes Wohnen) von Ärzten, Ju- risten, Architekten im „staatsfreien Raum".
So könne man freie Berufe definie- ren als diejenigen Berufsgruppen, die „öffentliche", vom Staat
gafan-
fierte Leistungen erbringen, jedoch die Kontrolle über die Ausübung ihres Berufes selbst in der Hand haben. Zu dieser Kontrolle gehöre auch das „Selbstrekrutierungs- recht" der freien Berufe: die Kam- mern, Körperschaften oder berufs- ständischen Organisationen legen selbst die Kriterien fest, nach de- nen der Nachwuchs die Qualifika- tionen zur Ausübung eines freien Berufes erwirbt.Als „Gretchenfrage" für die Zu- kunft bezeichnete Prof. Baier die Kontrolle über die Fortbildung in den freien Berufen. Man werde auf lange Sicht vom Prinzip der Frei- willigkeit in der Fortbildung ab- gehen müssen, denn sonst wer- de dem Staat nichts anderes übrig bleiben, als die Kontrolle über die Fortbildung zu überneh- men. gb
BADEN-WÜRTTEMBERG
Früherkennung:
Nur jeder dritte war ohne Befund
Die Ergebnisse eines im Jahre 1972 an über 40jährigen Beschäf- tigten zweier Firmen in Geislingen und Neckarsulm durchgeführten Modell-Untersuchungsprogramms zur Früherkennung spezieller Krankheiten sind jetzt vom Sozial- ministerium veröffentlicht worden.
Das Programm wurde in Zusam- menarbeit des Ministeriums, der
Universität Ulm, des vertrauens- ärztlichen Dienstes der LVA Würt- temberg sowie der Betriebskran- kenkassen der beiden beteiligten Firmen abgewickelt.
An den nach einem standardisier- ten Verfahren vorgenommenen Un-
tersuchungen (für die Diagnosen wurden auch Fragebogen benutzt) beteiligten sich insgesamt 2429 Personen, das sind 63,6 Prozent des in Frage kommenden Perso- nenkreises. Bei 1646 Personen (67,7 Prozent der Untersuchten) wurde mindestens ein auffälliger Befund festgestellt. Dabei handelte es sich besonders um Blutdrucker- höhungen und pathologische La- borbefunde.
Die Betroffenen sowie die behan- delnden Hausärzte wurden mit Hil- fe eines Computers über die Er- gebnisse informiert. Alle erhobe- nen Merkmale stehen in einer Da- tenbank mit einem Abfragesystem über einen Bildschirm zur Verfü- gung. Auch können auf diesem We- ge Zusammenhänge zwischen den erhobenen Merkmalen abgefragt und auf ihren Wahrscheinlichkeits- wert hin geprüft werden. DÄ-BW