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Archiv "Korruptionsbekämpfung im Gesundheitswesen: Keine überzogenen Hoffnungen" (07.03.2014)

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KORRUPTIONSBEKÄMPFUNG IM GESUNDHEITSWESEN

Keine überzogenen Hoffnungen

Ein Arzt plädiert dafür, dass korrupte Kollegen strafrechtlich belangt werden. Ein Strafrechtler warnt vor überzogenen Erwartungen an ein neues Gesetz: Bei einer Veranstaltung der Kaiserin- Friedrich-Stiftung wurde über ein Aufregerthema ruhig, aber facettenreich diskutiert.

H

erbert Nuszpl, ehemals Kri- minalrat, macht sich keine Illusionen: „Kriminalität gehört zum Menschen dazu.“ Schon im Paradies wurde schließlich gestoh- len. Doch damit kann sich ein Un- ternehmen wie der Medizintechnik- hersteller Drägerwerk nicht zufrie- dengeben. Deshalb arbeitet Nuszpl dort als Korruptionsbeauftragter.

Welche Erfahrungen er damit ge- macht hat, schilderte er Ende Feb- ruar beim 43. Symposion für Juris- ten und Ärzte der Kaiserin-Fried- rich-Stiftung in Berlin.

Um Korruption zu vermeiden, gibt es im Unternehmen vielfältige Regeln. Dazu zählt, eindeutig zu klären, was wer annehmen oder ge- ben darf. Was vereinbart ist, wird dokumentiert und immer wieder auf seine Zulässigkeit hin geprüft. Die Zustimmung halte sich bei Mitar- beitern wie Geschäftspartnern noch in Grenzen, berichtete Nuszpl.

Kürzlich veranstaltete Drägerwerk ein Fest und ließ auf den Einladun- gen sicherheitshalber vermerken, man möge per Dienstherrengeneh- migung mitteilen, dass man be- rechtigt sei zu kommen. Eini- ge ärgerte das: Da opfere man einen Abend und

müsse sich mit bürokratischen Vor- gaben herumschlagen.

Das sind nicht die einzigen Pro- bleme: Welche Forschungsaufträge kann man noch an Kunden verge- ben? Was sagt man, wenn Mitarbei- ter keine Süßigkeiten mehr auf Krankenhausstationen mitnehmen und ihren Kaffee dort bei einem Einsatz lieber selbst bezahlen, aber berichten: „Die anderen machen

das nicht.“ Nuszpl ist überzeugt:

Ein Unternehmen, das sich korrekt verhält, egal, ob gegenüber öffentli- chen oder privaten Kunden, wird am Ende Wettbewerbsvorteile ha- ben. Aber er machte auch deutlich, dass es viele komplizierte Konstel- lationen bei der Korruptionsver- meidung gebe, und urteilte: „Wir

brauchen keine neuen Gesetze, wir müssen die alten anwen-

den – und es honorieren, wenn sie angewen-

det werden.“

Dr. med. Veit Wambach, nieder- gelassener Arzt und stellvertreten- der Vorsitzender des NAV-Vir- chow-Bundes, sah das anders. Das Vorhaben der rot-schwarzen Koali- tion, Korruption im Gesundheits- wesen durch einen neuen Tatbe- stand im Strafgesetzbuch zu ahn- den, begrüßte Wambach: „Ich bin mir sicher, dass das eine gute Nach- richt für alle Menschen in Deutsch-

land ist und für alle, die im Gesund- heitswesen arbeiten.“ Seine Ein- schätzung begründete er mit dem Arzt-Patienten-Verhältnis: Diese Beziehung sei von persönlichem Vertrauen geprägt, sie gehöre ge- schützt. Der Patient muss nach An- sicht des Allgemeinmediziners da- von ausgehen können, dass die Maßnahmen, die sein Arzt vor- schlägt, für ihn mehr Vor- als Nach- teile haben – und dass dieser also nicht korrumpiert wurde. Wambach forderte aber, dass sich eine neue gesetzliche Regelung durch eindeu- tige Definitionen und leichte Ver- ständlichkeit auszeichnen solle. Für die Kollegen müsse klar sein, was erlaubt sei und was nicht.

Skeptischer beurteilte einen neuen Straftatbestand Prof.

Dr. Gunnar Duttge von der Juristischen Fakul- tät der Georg-August- Universität in Göttingen.

„Es ist bekannt, dass Nicht- strafrechtler sich mit überzoge- nen Hoffnungen tragen“, urteilte er in Hinblick auf die geplante „Neu- kriminalisierung“. Duttge verwies darauf, dass die Abschreckungswir- kung von Straftatbeständen längst

Korruption ist in jedem Lebensbereich ein Vergessen, welche Rolle man in der Gesellschaft hat.

Gunnar Duttge, Rechtswissenschaftler

Foto:dpa

A 384 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 111

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Heft 10

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7. März 2014

P O L I T I K

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Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 111

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Heft 10

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7. März 2014 A 385 ESSSTÖRUNGEN

Stärkere Vernetzung

Ein Info-Flyer für Hausärzte sowie Kinder- und Jugendärzte soll helfen, die Behandlungspfade für junge Patienten mit Essstörungen zu optimieren.

E

ssstörungen zählen zu den le- bensbedrohlichen und schwer- wiegenden psychosomatischen Er- krankungen im Kindes- und Ju- gendalter. Anorexie, Bulimie und Binge-eating-Störung können tief- greifend die körperliche und psychische Gesundheit schädigen und zu Entwicklungsverzögerun- gen führen. Nicht selten zeigen sich langwierige Krankheitsver- läufe mit Rezidiven und somati- scher oder psychischer Komorbidi- tät. Zudem besteht eine hohe Chro- nifizierungs- und Mortalitätsrate.

Bereits 21,9 Prozent der Elf- bis 17-Jährigen weisen nach dem Kin- der- und Jugendgesundheitssurvey des Robert-Koch-Instituts Sym - ptome einer Essstörung auf. Für manifeste Essstörungen betragen die Lebenszeitprävalenzen laut Stu dien zusammengenommen et- wa fünf Prozent.

Schnittstellenverluste

Durch lange Wartezeiten auf spezialisierte Therapieangebote, Schnittstellenverluste zwischen ambulantem und stationärem Sek- tor und mangelnde Früherkennung dauert es meist jedoch mehrere Jah- re, bis Betroffene in adäquate Be- handlung kommen. Dabei könnte eine frühzeitige und umfassende Versorgung der Patienten mit Ess- störungen die Heilungschancen ent- scheidend verbessern und stationä- re Aufnahmen und Chronifizierun- gen rechtzeitig verhindern. Haus- ärzte und Fachärzte der Kinder- und Jugendmedizin sind oftmals die ers- ten Ansprechpartner für Betroffene oder deren Angehörige. Sie spielen somit eine wichtige Rolle in der Früherkennung und Einleitung von weiteren Versorgungsangeboten.

Mit Unterstützung des Experten- gremiums Essstörungen der Initiati- ve „Leben hat Gewicht“ am Bun-

desministerium für Gesundheit (BMG) wurde ein Flyer für nieder- gelassene Ärzte der Grundversor- gung entwickelt. Grundlage dafür ist die vom Expertengremium erar- beitete Broschüre „Empfehlungen zur Integrierten Versorgung bei Essstörungen in Deutschland“

(www.bzga.de/infomaterialien/fach publikationen/konzepte/band-4), die 2012 von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung heraus- gegeben wurde.

Kooperation gefordert

Der Flyer „Essstörungen kompetent und multiprofessionell behandeln“

gibt kompakte Informationen zum Behandlungspfad bei Essstörungen sowie zu weiterführenden Portalen.

Neben der Behandlung gewährleis- ten auch zahlreiche Angebote der Beratung und Nachsorge (zum Bei- spiel therapeutische Wohngruppen) eine kontinuierliche Versorgung so- wie eine Überbrückung von Warte- zeiten auf Behandlung.

Eine angestrebte lückenlose Be- treuung gelingt nur durch fachdis- ziplinübergreifende Kooperation und Kommunikation der an der Ver- sorgung von Essstörungen beteilig- ten Berufsgruppen. Eine stärkere Vernetzung ermöglicht die Umset- zung eines multimodalen Behand- lungskonzepts auf Basis aktueller Leitlinien. Dies garantiert nicht nur eine Steigerung der Qualität in der Versorgung und eine höhere Zufrie- denheit bei Patientinnen und Patien- ten, sondern auch Vorteile für die niedergelassenen Ärzte.

Felicitas Richter, M. Sc. Psych.

Universitätsklinikum Jena, Institut für Psychosoziale Medizin und Psychotherapie

Der Flyer „Essstörungen kompetent und multiprofessionell behandeln“ kann kostenfrei angefordert werden: Bestell-Nr.: BMG-V-10020, publikationen@bundesregierung.de, Telefon: 03018 2722721 (kostenfrei), Fax: 03018 10 2722721

nachgelassen habe, auch weil Er- mittlungen häufig eingestellt wür- den oder im Rahmen eines „Deals“

vorzeitig beendet würden. Hinzu kommt nach seiner Darstellung, dass Staatsanwaltschaften keine Kenner beispielsweise des ärztli- chen Abrechnungsrechts sind und deshalb rechtswidriges Verhalten häufig nicht entlarven – eine Ein- schätzung, die Martina Jaklin teilte, die Leiterin der Abteilung Berufs- und Satzungsrecht der Ärztekam- mer Berlin. Sie erkenne öfters, dass Mängel bei der Beweisaufnahme zur Einstellung eines Verfahrens geführt hätten, erläuterte Jaklin mit Bezug auf bisherige strafrechtliche Ermittlungen. Auch überlange Straf- verfahren und Verjährungen seien ein Problem.

Duttge würde statt neuer Strafen sinnvolle präventive Strategien vor- ziehen. Möglicherweise müsse man die Stellen zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswe- sen stärken oder sie anderswo an- siedeln. Doch entweder lasse die Ärzteschaft erkennen, dass sie das Problem in den Griff bekommen wolle, warnte Duttge, oder man werde sie immer schärfer kontrol- lieren wollen. Denn lässlich ist Kor- ruption nicht: „Korruption ist in je- dem Lebensbereich ein Vergessen, welche Rolle man in der Gesell- schaft hat.“

Auf das Thema ging fast zeit- gleich zum Symposion Prof. Dr.

med. Frank Ulrich Montgomery, Präsident des Bundesärztekammer, beim 9. MCC-Kongress „Kassen- gipfel“ ein. „Im Gesundheitswesen wird immer wahnsinnig viel über die gesprochen, die bestochen wer- den sollen, also in diesem Fall die Ärzte, und immer wahnsinnig we- nig über die, die bestechen“, mo- nierte er. Dennoch seien viele Kol- legen mittlerweile geneigt, neue strafrechtliche Regelungen zu ak- zeptieren: „Denn die 99 Prozent der ehrlichen und anständigen Ärztin- nen und Ärzte haben überhaupt kei- ne Lust mehr, von dem einen Pro- zent, das solche Zahlungen anneh- men zu müssen glaubt, ihren Ruf weiterhin erfolgreich ruiniert zu

bekommen.“

Jens Flintrop, Sabine Rieser

P O L I T I K

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