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ufriedene Gesichter waren zu se- hen, als die Vertreter der Ärzteor- ganisationen am 31. März bereits nach einer guten Stunde den CDU- Fraktionssaal 3 des Berliner Reichsta- ges verließen. Stattgefunden hatte dort die Anhörung des Ausschusses für Ge- sundheit und Soziale Sicherung zur Abschaffung der Arzt-im-Praktikum (AiP)- Phase. „Das war keine Showver- anstaltung“, konstatierte ein Sprecher des Marburger Bundes (MB) spontan.Man habe die Politiker wahrscheinlich überzeugen können. „Alles läuft auf die Totalabschaffung zum 1. Oktober 2004 hinaus.“
Dass die AiP-Phase zum Auslaufmo- dell werden soll, hatte die Bundesregie- rung zur Freude vieler Medizinstuden- tinnen und -studenten bereits seit län- gerem beschlossen. Der daraufhin von ihr vorgelegte Gesetzentwurf sorgte in- des für Unruhe und Proteste. Er legt nämlich fest, dass alle Studentinnen und Studenten, die vor dem Stichtag 1. Ok- tober 2004 ihr letztes Examen abgelegt haben, weiterhin die volle AiP-Phase von 18 Monaten leisten müssen. Absol- ventinnen und Absolventen nach die- sem Stichtag sollen hingegen sofort als Assistenzärzte arbeiten können.
Keine Halbherzigkeit
„Mit einer solchen Ungleichbehandlung lässt sich der Arztberuf kaum attrakti- ver gestalten“, meint Prof. Dr. med. Ingo Flenker. Der Präsident der Ärztekam- mer Westfalen-Lippe, der die Bundes- ärztekammer bei der Anhörung ver- trat, ist überzeugt, dass die Abschaffung des AiP konsequent erfolgen muss und nicht mit einer „halbherzigen Über- gangsregelung“. „Der vorgesehene Stich- tag führt zu einem Nebeneinander von
AiPlern und Assistenzärzten mit einer unklaren Situation der Verantwortlich- keiten im klinischen Ablauf“, formuliert es die Bundesärztekammer in ihrer Stel- lungnahme. Dies könne juristische Ver- wicklungen nach sich ziehen.
In der Tat würde das Gesetz zu er- heblichen Kompetenzproblemen in der Klink führen: Absolventen würden als frisch approbierte Assistenzärzte hier- archisch über den erfahrenen Ärzten im Praktikum stehen. Und auch finanzi- ell würde es deutliche Unterschiede ge-
ben. Eine junge Assistenzärztin würde als „Einsteigerin“ etwa das Dreifache ihrer ÄiP-Kollegin verdienen.
„Medizinstudenten sind nicht dumm.
Sie können rechnen und gehen deshalb in diesem Jahr einfach nicht zum Ex- amen“, warnt Dr. med. Frank Ulrich Montgomery,Vorsitzender des Marbur- ger Bundes. Die Folgen wären ein Man- gel an Ärzten im Praktikum sowie eine Überlast an Studenten an den Univer- sitäten in diesem Sommer/Herbst. Mit Nachdruck forderte deshalb der MB mit weiteren Ärzteorganisationen, dass es zum Oktober keinen einzigen AiP mehr in den Kliniken geben dürfe. „Die Ausbeutungsphase AiP muss schnellst-
möglichst beseitigt werden, damit der medizinische Nachwuchs wieder für den Beruf im Krankenhaus gewonnen werden kann“, betonte Montgomery.
Das Problem des Ärztemangels war es wohl auch, das die Bundesregierung bewogen hat, die Bundesärzteordnung zu novellieren. Eingeführt vor mehr als 16 Jahren, sollte die AiP-Phase zum Er- werb zusätzlicher praktischer Fertigkei- ten und Erfahrungen unter der Anlei- tung von erfahrenen Kollegen dienen.
Da eine Niederlassung als Vertragsarzt inzwischen jedoch eine abgeschlossene Weiterbildung voraussetzt, entfällt diese Intention. Was bleibt, ist der AiP als un- tertariflich bezahlte, ärztliche Arbeits- kraft.Angesichts der zugleich hohen Ar- beitsbelastung ist es deshalb nicht ver- wunderlich, dass immer mehr Medizin- absolventinnen und -absolventen die AiP-Phase umgehen und in andere Be- rufsfelder wechseln. So verringerte sich die Zahl der AiP von 1993 (22 000) bis 2002 (17 300) um 21,4 Prozent.
Um dieser Entwick- lung zu begegnen, stellt die Bundesregierung jährlich 300 Millionen Euro bereit. Diese Sum- me ist im GKV-Mo- dernisierungsgesetz für die Deckung der Mehr- kosten fixiert. Begrüßt werden die entspre- chenden Änderungen der Bundespflegesatz- verordnung und des Krankenhausentgeltge- setzes vor allem von der Deutschen Kran- kenhausgesellschaft. Trotz des soforti- gen Anstiegs der Personalkosten in voller Höhe spricht auch sie sich gegen eine Übergangsregelung aus. Aufgrund der Personalsituation in den Kranken- häusern (etwa 3 200 vakante Stellen) wäre diese fatal, heißt es in ihrer Stel- lungnahme.
Dieser nahezu einhelligen Meinung der Organisationen kann sich die Poli- tik vermutlich nur schwer entziehen.
Ein veränderter Gesetzentwurf müsste allerdings noch im April dem Gesund- heitsausschuss vorgelegt werden. Denn die abschließende Lesung des Gesetz- entwurfs ist bereits für Mai 2004 ge- plant. Dr. med. Eva A. Richter-Kuhlmann P O L I T I K
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A988 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 159. April 2004
Arzt im Praktikum
Totalabschaffung wahrscheinlich
Die Kritik an der Übergangsregelung findet offensichtlich Gehör.
Ärzteorganisationen fordern: Ärztinnen und Ärzte im Praktikum sollen ab Oktober 2004 als Assistenzärzte vergütet werden.
Foto:Caro