Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 18⏐⏐1. Mai 2009 A891
T E C H N I K
In den letzten 20 Jahren hat sich der Anteil übergewichtiger Jungen ver- doppelt, der von Mädchen sogar verdreifacht. Hauptgründe für diese Entwicklung sind vor allem falsche Ernährungsgewohnheiten und Bewe- gungsmangel. Die Medigreif-Insel- klinik Heringsdorf (Usedom) und das Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung Rostock (IGD;
www.igd-r.fraunhofer.de), haben mit Unterstützung durch Sony-Ericsson und Vodafone eine Gemeinschafts- studie gestartet, in der sie über in Handys integrierte Sensoren die Er- nährungs- und Bewegungssituation von adipösen Kindern und Jugendli- chen untersuchen und bewerten.
Ärzte und Psychologen der Fach- klinik für Kinder und Jugendmedizin in Heringsdorf und die Forscher des IGD wollen betroffenen Kindern beim Abnehmen und anschließend beim Gewichthalten helfen. Zwi- schen 80 bis 120 übergewichtige Kinder im Alter von elf bis 17 Jahren verbringen mehrere Wochen und Monate in der Inselklinik und wer- den dort hinsichtlich ihrer Ernäh- rungs- und Bewegungssituation be- obachtet und unterstützt. Ihr stän- diger Begleiter ist dabei das Handy, das mittels eines integrierten Bewe- gungssensors die körperliche Akti- vität der Kinder erfasst.
Die mit Sensoren ausgestatteten Handys wurden bislang nur zur Mu- siksteuerung genutzt. Die dafür vom IGD Rostock entwickelten und im Handy integrierten Algorithmen er- fassen die physische Aktivität, erken- nen Bewegungsmuster und unter- scheiden zwischen einzelnen Bewe- gungszuständen, wie „Ruhe“, „Lau- fen“, „Hüpfen“ oder „Radfahren“.
Misst der Sensor über einen längeren Zeitraum am Tag keine oder eine un- zureichende körperliche Aktivität, wird das betroffene Kind von seinem Handy darauf aufmerksam gemacht.
Umgekehrt erhält es ein „digitales Geschenk“, wenn es besonders aktiv war. So erhalten die jungen Proban- den regelmäßig eine Rückmeldung zu ihrem Verhalten und schärfen ihr
Bewusstsein für eine gesunde Le- bensweise. Damit die Kinder ihren gesunden Lebensrhythmus später beibehalten, nutzen sie die Handys auch nach dem klinischen Aufenthalt im häuslichen Umfeld weiter.
Ein weiterer Vorteil dieser Form der Eigenbeobachtung: Die Patien- ten brauchen keine handschriftlichen Ernährungsprotokolle mehr führen.
Im Gegensatz zu solchen Listen kann mit dem Handy die Nahrungsaufnah- me lückenlos und zeitgetreu erfasst werden, indem die Kinder jede Mahlzeit mit der Handykamera foto- grafieren. Die Bilder werden elektro- nisch an den Ernährungsberater ge- schickt, der sie später gemeinsam mit den Probanden auswertet.
Die Möglichkeit, die Aktivität und Ernährungssituation von Patienten kontinuierlich mit einem Standard- handy beobachten und analysieren zu können, ist nach Ansicht der Forscher
entscheidend für den Erfolg medizi- nischer Langzeittherapien. So soll dieses Verfahren künftig auch Dia- betespatienten bei der Bestimmung ihres Insulinbedarfs unterstützen, denn auch dieser hängt mit der kör- perlichen Aktivität des Betroffenen zusammen. Im Projekt „DiaTrace“
des IGD sollen erwachsene Diabetes- patienten daher ebenfalls mit einem Bewegungssensor ausgestattet und
untersucht werden. EB
Kontaktadresse
Gerald Bieber, Joachim-Jungius-Straße 11, 18059 Rostock, E-Mail: gerald.bieber@igd-r.fraunhofer.de
GESUNDHEITSBERATUNG FÜR JUGENDLICHE
Handys als Aktivitätsbegleiter
Während vor allem in den zyklischen Industrien, wie etwa Chemie, Ma- schinenbau oder Automobilbau, die Gewinnprognosen für 2009 drama- tisch schrumpfen, scheint die Medi- zintechnikbranche der Wirtschafts- krise zu trotzen. Positiv habe sich et- wa die Fresenius AG zum vorläufi- gen Ergebnis 2008 geäußert, berich- tete das Personalberatungsunterneh- men Hitec, Bad Nauheim. Danach legten sowohl der Umsatz als auch der Gewinn um 13 Prozent im Jahr 2008 zu. Darüber hinaus prognos- tizierte man für 2009 eine Umsatz- und Ertragssteigerung von zehn Pro- zent. Bereits im Januar hatte der US- amerikanische Konzern Johnson &
Johnson bekannt gegeben, dass man für 2009 eine Umsatzsteigerung von ein bis zwei Prozent auf 65 Milliar- den Dollar sowie einen leichten Er- gebnisrückgang in gleicher Höhe auf knapp 12,7 Milliarden US-Dollar er-
wartet. Stryker ließ verlauten, dass man für 2009 ebenfalls eine Umsatz- steigerung in Höhe von sechs bis neun Prozent sowie eine Gewinn- steigerung von mehr als zehn Prozent erwarte. Ebenfalls positive Zahlen meldete das medizinische Hoch- technologieunternehmen Carl-Zeiss- Meditec AG. Im ersten Quartal des Geschäftsjahres 2008/2009 konnte der Umsatz gegenüber des Vorjahres um 25 Prozent gesteigert werden.
Diese Meldungen ließen darauf schließen, dass die Unternehmen in der Medizintechnik optimistisch in die Zukunft blicken würden, sagte Hitec.
Wie interessant die Medizintechnik andere Branchen einschätzen, ver- deutliche auch eine Ankündigung des Halbleiterkonzerns Intel: Man wolle künftig verstärkt Prozessoren für die Medizintechnik entwickeln, da man dort noch enormes Wachstumspoten- zial sehe, heißt es darin. EB
MEDIZINTECHNIK
Branche bleibt optimistisch
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Mit Handys, die spezielle Sensoren enthalten,lassen sich physische Aktivitäten und Bewegungszustände wie Laufen oder Radfahren erfassen und auswerten.