Korrekturrichtlinie Europäisches Wirtschaftsrecht BW-EWR-P11-011110
FFH
•Fern-Fachhochschule Hamburg 1
Studiengang
BetriebswirtschaftFach
Europäisches WirtschaftsrechtArt der Leistung
PrüfungsleistungKlausur-Knz.
BW-EWR-P11-011110Datum
10.11.01Um größtmögliche Gerechtigkeit zu erreichen, ist nachfolgend zu jeder Aufgabe eine Musterlösung inklusive der Verteilung der Punkte auf Teilaufgaben zu finden. Natürlich ist es unmöglich, jede denkbare Lösung anzugeben. Stoßen Sie bei der Korrektur auf eine andere als die angegebene Lösung, die richtig ist, ist eine entsprechende Punktzahl zu vergeben.
Sind in der Musterlösung die Punkte für eine Teilaufgabe summarisch angegeben, so ist die Verteilung dieser Punkte auf Teillösungen dem Korrektor überlassen. Fehler sollten nur zur Abwertung des betreffenden Teilschrittes führen. Wird mit einem falschen Zwischenergebnis folgerichtig weiter argumentiert, so sind die hierfür vorgesehenen Punkte zu erteilen. Bei Bearbeitung von mehr als fünf Aufgaben aus Block 1 werden nur die ersten fünf in die Bewertung einbezogen.
50% der insgesamt zu erreichenden Punktzahl (hier also 50 Punkte von 100 möglichen) reichen aus, um die Klausur erfolgreich zu bestehen.
Die differenzierte Bewertung in Noten nehmen Sie bitte nach folgendem Bewertungsschema vor:
% der von der Gesamtpunktzahl erzielten Punkte
Note
95-100 1 sehr gut
90-94,5 1,3
85-89,5 1,7
80-84,5 2 gut
75-79,5 2,3
70-74,5 2,7
65-69,5 3 befriedigend
60-64,5 3,3
55-59,5 3,7
50-54,5 4 ausreichend
0-49,5 5 nicht ausreichend
Korrekturrichtlinie
Korrekturrichtlinie Europäisches Wirtschaftsrecht BW-EWR-P11-011110
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•Fern-Fachhochschule Hamburg 2
Lösung Aufgabe 1: 12 Punkte
SB 1, Abschnitt 1.4
a) Der EUV enthält vor die Klammer gezogene Regeln, die wegen ihres allgemeingültigen Inhalts politische Zielvorstellungen für alle drei Verträge (EGKS, EAGV und EGV) formulieren sollen. Der EUV bildet das Rahmenwerk für die drei Europäischen Gemeinschaften.
5 Punkte
b) Der EUV enthält neue grundlegende Inhalte über
• die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Union,
• die Unionsbürgerschaft,
• Regeln zur Sicherheit und Freiheit,
• Kontrolle an den Grenzen,
• zum Asyl,
• zur Kriminalitätsbekämpfung und
• den gemeinschaftlichen Besitzstand.
7 Punkte
Lösung Aufgabe 2: 12 Punkte
a) SB 2, Abschnitt 2.2 und SB 5, Abschnitt 1.1.1 Das Verbot von Ein- und Ausfuhrzöllen erstreckt sich
• auf die aus einem Mitgliedstaat stammenden Waren, die in einen anderen Mitgliedstaat überführt werden,
• auf diejenigen Waren aus Drittländern, die sich in den Mitgliedstaaten im freien Warenverkehr befinden sowie
• auf Finanzzölle.
2 Punkte 2 Punkte 2 Punkte b) SB 2, Abschnitt 2.2.2 und SB 5, Abschnitte 1.1.1 und 1.1.3
Der Gemeinsame Zolltarif (GZT) beinhaltet einheitliche Zölle für Waren aus Drittstaaten die in den gemeinsamen Markt eingeführt werden sollen. Unabhängig davon über welchen Mitgliedsstaat die Waren in die Gemeinschaft gelangen.
6 Punkte
Lösung Aufgabe 3: 12 Punkte
Art. 2 Abs. 1 (a) FKVO ist gesetzliche Grundlage für die Bestimmung von Marktmacht 1 Punkt a) SB 3, Abschnitt 3.3:
Art. 2 Abs. 1 (a) FKVO nennt grundlegend zur Bestimmung von Marktmacht
• die Struktur aller betroffenen Märkte und
• den tatsächlichen und potenziellen Wettbewerb.
2 Punkte
b) SB 3, Abschnitt 3.3:
Als einzelne ergänzende gesetzliche Kriterien nennt Art. 2 Abs. 1 (b) FKVO:
• Marktstellung,
• wirtschaftliche Macht,
• Finanzkraft der beteiligten Unternehmen,
• Wahlmöglichkeiten der Lieferanten und Abnehmer,
• ihr Zugang zu den Beschaffungs- und Absatzmärkten,
• rechtliche und tatsächliche Marktzutrittsschranken,
• die Entwicklung des Angebots und der Nachfrage bei den jeweiligen Erzeugnissen und Dienstleistungen,
• die Interessen der Zwischen- und Endverbraucher und
• die Entwicklung des technischen und wirtschaftlichen Fortschritts, sofern diese dem Verbraucher dient und den Wettbewerb nicht behindert.
9 Punkte
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•Fern-Fachhochschule Hamburg 3
Lösung Aufgabe 4: 12 Punkte
SB 3, Abschnitt 3.3
Die Entscheidungspraxis der Europäischen Kommission und des EuGH hält über die gesetzlichen Kriterien zu Bestimmung der Marktmacht hinaus folgende Punkte für bedeutsam:
Je 1 P. je Kriterium, max. 12 P.
• Größe und Umsatz des zu beurteilenden Unternehmens,
• Stellung des Unternehmens auf anderen Märkten als dem relevanten Markt,
• Zugang zum Kapitalmarkt,
• Verflechtung mit Wettbewerbern,
• Diversifizierung,
• Breite des Sortiments im Verhältnis zu den Wettbewerbern,
• vertikale Integration,
• gewerbliche Schutzrechte,
• technologischer Vorsprung,
• kommerzieller Vorsprung,
• Marketing,
• Vertriebsnetz,
• Investitionsbedarf und
• Langfristigkeit der Kapitalplanung.
Lösung Aufgabe 5: 12 Punkte
SB 4, Abschnitt 1.1
Die rechtliche Rahmenbedingungen der europäischen Wirtschaftspolitik weisen insgesamt fünf wesentliche Merkmale auf:
• Koordinierung der Wirtschaftspolitiken der Mitgliedsstaaten,
• Festlegung gemeinschaftlicher Ziele,
• marktwirtschaftliche Ausrichtung,
• feste Wechselkurse und einheitliche Währung sowie
• Haushaltsdisziplin und Vermeidung übermäßiger Defizite.
2 Punkte je Kriterium + 2 Punkte bei Vollständigkei t
Lösung Aufgabe 6: 12 Punkte
SB 3, Abschnitt 7.3
a) SB 5, Abschnitt und SB 3, Abschnitt:
Unter einer Gruppenfreistellungsverordnung versteht man eine Regelung, nach der i.S.d.
Art. 81 Abs. 1 EGV tatbestandsmäßige Gruppen von Vereinbarungen zwischen
Unternehmen, Gruppen von Beschlüssen sowie Gruppen von aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen generell und abstrakt durch Verordnung als rechtmäßig behandelt werden (Art. 81 Abs. 3 EGV)
4 Punkte
b) SB 5, Abschnitt 3.1.1
Die bisherigen Gruppenfreistellungsverordnungen orientierten sich zumeist an
branchenspezifischen Vertragstypen, die dann unter bestimmten Voraussetzungen für zulässig oder unzulässig erklärt wurden.
4 Punkte
c) SB 5, Abschnitt 3.1.1
Im Mittelpunkt steht nicht mehr die Unterscheidung nach Vertragstypen, sondern eine Differenzierung nach vertikalen und horizontalen Absprachen. Die Kommission geht davon aus, dass horizontale Absprachen eher dazu geeignet sind, den Wettbewerb zu beeinträchtigen als vertikale Vereinbarungen.
4 Punkte
Lösung Aufgabe 7: 40 Punkte
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•Fern-Fachhochschule Hamburg 4
SB 2, Abschnitte 2.4.2 und 2.5
Die Aufgabe erfordert eine Beurteilung, ob das Verbot der Namensführung “Clinique” als Maßnahme gleicher Wirkung i.S.d. Art. 28 2. Alternative EGV anzusehen ist. Maßnahmen gleicher Wirkung sind nach Art. 28 EGV als rechtswidrig anzusehen. Eine Rechtfertigung kann ausnahmsweise durch Art. 30 EGV erfolgen.
3 Punkte
Der EuGH hat in den grundlegenden Urteilen “Dasonville”, “Cassis de Dijon” und “Keck”
Kriterien zur Beurteilung entwickelt und diese in der sich anschließenden
Entscheidungspraxis bestätigt. Diese Kriterien sollen Sie auf den hier vorliegenden Fall anwenden. Es empfiehlt sich, einem dreistufigen Aufbau zu folgen:
2 Punkte
1. Stufe: Die Dassonville-Formel: Hiernach sind bereits alle Maßnahmen als rechtswidrig i.S.d. Art. 28 EGV anzusehen, die dazu geeignet sind, den internationalen Handel zu beeinträchtigen.
Der Name “Clinique” ist bereits auf Märkten eingeführtund hat sich zu einem bewährten Markteting-Intrument entwickelt. Das Verbot würde eine Neubenennung erfordern, die sich erst am Markt durchsetzen muss.
→ Daher kann von einer Eignung zur Handelsbeeinträchtigung nach der Dassonville- Formel ausgegangen werden.
5 Punkte
5 Punkte
2. Stufe: Die Keck-Entscheidung: Im Keck-Urteil hat der EuGH die weit gefasste Dassonville-Formel eingeschränkt und danach differenziert, ob verkaufs- oder produktbezogenen Maßnahmen vorliegen. Der EuGH nimmt grundsätzlich an, nur produktbezogene Maßnahmen könnten den internationalen Warenverkehr
beeinträchtigen. Im Fall verkaufsbezogener Maßnahmen sei es anders: Diese seien dagegen grundsätzlich nicht dazu geeignet, den internationalen Warenverkehr einzugreifen.
Produktbezogene Maßnahmen sind Maßnahmen, die sich gegen das Produkt selbst richten.
Das Verbot der Namensführung “Clinique” stellt nach der Rspr. des EuGH eine typische produktbezogene Maßnahme dar, da der Name des Produktes mit diesem selbst unmittelbar verbunden ist.
→ Daher kann von einer Eignung zur Handelsbeeinträchtigung nach der Keck-Formel ausgegangen werden.
5 Punkte
5 Punkte
3. Stufe: Die Cassis-de-Dijon-Entscheidung: Nach der Cassis-de-Dijon-Entscheidung können die grundsätzlich rechtswidrigen produktbezogenen Maßnahmen
ausnahmsweise zulässig sein, wenn für sie ein im Allgemeininteresse liegendes, sog.
zwingendes Erfordernis, besteht.
Die Rspr. des EuGH hat verschiedene Kriterien zur Bestimmung zwingender Erfordernisse entwickelt. Hierzu gehört auch der Verbraucherschutz.
Sie sollen also beurteilen, ob aus Verbraucherschutzgründen eine Untersagung der Namensführung “Clinique” zwingend als geboten erscheint.
Der EuGH ging im vorliegenden Fall nicht davon aus, dass die Verbraucher kraft der Bezeichnung den „Clinique“ den Kosmetika medizinische Wirkungen beimessen würden. Deshalb bestehe auch keine besondere Schutzwürdigkeit aus der sich ein Verbot der Namensführung als zwingendes, im Verbraucherschutz begründetes Erfordernis ergebe.
5 Punkte
5 Punkte (bei sinnvoller Argumentation auch anderes Ergebnis anerkennen)
→Folglich beurteilte der EuGH das Verbot als rechtswidrig i.S.d. Art. 28 EGV. Das Unternehmen Esteé Lauder durfte also die Bezeichnung “Clinique” für ihre Produkte weiter
führen. Auch eine Rechtfertigung des Verbots nach Art. 30 EGV sah der EuGH als nicht gegeben an.
5 Punkte
↓
Ergebnis: Das Verbot der Namensführung “Clinique” ist nach Art. 28 EGV (2. Alternative) rechtswidrig.
(Siehe hierzu: ”Clinique”, EuGH-Urteil vom 2.2.1994, Verband Sozialer Wettbewerb e.V. gegen Clinique Laboratoires SNC und Estée Lauder Cosmetics GmbH, Rs. C-315/92, EuGH Slg. 1994, S. 317 ff).