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Archiv "Ein Kompromiß – und keiner ist zufrieden" (16.01.1985)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Aktuelle Politik

Ein Kompromiß

und keiner ist zufrieden

Krankenhausfinanzierung auf geänderter

Rechtsgrundlage Mitwirkung der Ärzte blieb ungeregelt

D

urch die KHG-Novelle wer- den die gesetzlichen Rah- menbedingungen gegen- über der bisherigen Rechtslage wesentlich geändert. Künftig be- teiligt sich der Bund nicht mehr im Zuge der Finanzierung von Gemeinschaftsaufgaben an der Finanzierung der Krankenhaus- investitionen. Diese geht in al- leinige Verantwortung der Län- der über. Der Bund wird im Jahr des Inkrafttretens der Neurege- lung dadurch um etwa 970 Mil- lionen DM entlastet. Zum Aus- gleich übernimmt er einen hö- heren (allerdings nicht dynami- sierten) Finanzierungsanteil bei Wohnungsbauprämien, Wohn- geld und bei der Sozialversiche- rung Behinderter. Insgesamt, so ist beabsichtigt, sollen sich die Be- und Entlastungen von Bund und Ländern ausgleichen.

Nach amtlicher Interpretation des neuen Gesetzeswerkes er- halten die Länder mehr Gestal- tungsfreiheit für die Gesetz- gebung auf dem Krankenhaus- sektor und für die konkrete Um- setzung der nur noch wenigen bundesrechtlichen Rahmenvor- schriften.

Ein weiteres Novum: Die Kran- kenkassen (einschließlich der privaten Krankenversicherung) werden größere Mitwirkungs- rechte bei der Planung und der Aufstellung der Investitionspro- gramme auf Landesebene erhal- ten. In dem neuen Gesetz heißt es, daß Länder und die an der Krankenhausversorgung Betei-

Der Bundesrat hat am 20. De- zember 1984 in zweiter Le- sung das „Gesetz zur Neuord- nung der Krankenhaus- finanzierung" (Bundestags- Drucksache 10/2095 mit Be- schlüssen des Bundestags- Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung) gebilligt, nachdem das Plenum des Bundestages bereits am 7. De- zember 1984 in zweiter und dritter Lesung mit den Stim- men der CDU/CSU und der FDP die Vorlage hatte passie- ren lassen. Damit konnte, wie geplant, die Neuregelung der

Krankenhausfinanzierung zum 1. Januar 1985 wirksam werden. Eine entscheidende Weichenstellung für die kon- krete Pflegesatzgestaltung erfolgt allerdings erst über die ebenfalls zu novellierende

Bu ndespflegesatzverord- nung, deren Überarbeitung bis zum 1. Januar 1986 in Aussicht gestellt worden ist.

Darüber hinaus sind im Rah- men der Anschlußgesetzge- bung landesrechtliche Detail- vorschriften erforderlich.

ligten eng zusammenzuarbeiten haben. Bei der Krankenhauspla- nung und der Aufstellung der Investitionsprogramme seien

„einvernehmliche Regelungen"

anzustreben (§ 7 Absatz 1 KHG).

Als „unmittelbar Beteiligte"

werden in der Begründung zum Gesetzentwurf „in erster Linie"

die Krankenhausträger und die Krankenkassen erwähnt.

Jetzt sind

die Bundesländer gefordert!

Ein unmittelbares Mitsprache- recht der Repräsentanten der Ärzteschaft ist im Bundesgesetz nicht verankert worden. Deshalb wird das Bestreben der Ärzte- kammern darauf gerichtet sein müssen, daß im Zuge der nähe- ren Bestimmungen durch das Landesrecht auch die ärztlichen Selbstverwaltungskörperschaf- ten in den Kreis der Beteiligten einbezogen und angemessen berücksichtigt werden. Von sei- ten der Bundesregierung ist stets die Bereitschaft signali- siert worden, der Ärzteschaft künftig bei Fragen der Kranken- hausfinanzierung und -planung Mitspracherechte einzuräumen.

Dagegen ist die Ärzteschaft un- mittelbar einbezogen worden bei der Erarbeitung von „Emp- fehlungen über Maßstäbe und Grundsätze für die Wirtschaft- lichkeit und Leistungsfähigkeit der Krankenhäuser" durch die Deutsche Krankenhausgesell- schaft (DKG) und die Spitzenver- bände der Krankenversicherung (§ 19 Absatz 1 Satz 3 KHG).

In dem neuen Krankenhausfi- nanzierungsgesetz wird aus- Ausgabe A 82. Jahrgang Heft 3 vom 16. Januar 1985 (17) 81

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katur. Josef Partykiewtcz

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Krankenhausfinanzierung

drücklich verankert, daß die frei- gemeinnützigen und privaten Krankenhäuser gleichrangig wie die öffentlich rechtlichen Kran- kenhäuser nach Maßgabe des Landesrechts wirtschaftlich ge- sichert werden müssen. Die Länder können in ihren Kran- kenhausgesetzen sogar den Grundsatz verankern, daß öf- fentliche Krankenhäuser nur dann betrieben werden sollen, wenn eine bedarfsgerechte Ver- sorgung der Bevölkerung nicht durch freigemeinnützige und private Träger gewährleistet werden kann.

Die Gesamtverantwortung des Krankenhausträgers für Unter- nehmens- und Betriebsent- scheidungen darf nicht durch Auflagen beeinträchtigt werden, die über die Erfordernisse der Krankenhausplanung des Lan- des und die Anforderungen ei- ner wirtschaftlichen Betriebs- führung hinausgehen.

Vorauskalkulierte Selbstkosten Das im Krankenhausfinanzie- rungsgesetz von 1972 erstmals verankerte strikte Prinzip der Kostendeckung auf der Grund- lage nachgewiesener Selbstko- sten wird aufgelockert. Künftig sollen Investitionskostenzu- schüsse (der Länder) und Erlöse aus den Pflegesätzen die vor- auskalkulierten Selbstkosten ei- nes „sparsam wirtschaftenden und leistungsfähigen Kranken- hauses" decken. Eine nachträg- liche bloße Kostenerstattung ist also nicht mehr zulässig. Arbei- ten die Krankenhäuser mit Über- schüssen, so können diese (zum Teil zweckgebunden) thesau- riert werden. Bislang wurden solche Erträge auf die Selbstko- sten des nächsten Rechnungs- jahres angerechnet.

Betriebsverluste, falls sie aus unwirtschaftlicher Arbeitsweise resultieren, hat das Kranken- haus selbst zu tragen. Bei der Bemessung der Pflegesätze

(prospektive Pflegesätze) sind auch die „Empfehlungen über Maßstäbe und Grundsätze für die Wirtschaftlichkeit und Lei- stungsfähigkeit der Kranken- häuser" zu berücksichtigen.

Diese wiederum sollen auch die Empfehlungen der Konzertier- ten Aktion im Gesundheitswe- sen „angemessen berücksichti- gen" (§ 19 Absatz 1 Satz 2 KHG).

Pflegesätze werden vereinbart Ein wesentlich neues Element ist auch das bilaterale Verhand- lungsprinzip. Danach werden die Pflegesätze künftig von den Krankenhäusern und Kranken- kassen ausgehandelt und ver- einbart. Jedoch werden die Pfle- gesätze nicht bereits mit dem Abschluß der Pflegesatzverein- barung für alle Benutzer unmit- telbar verbindlich, sondern erst

— wie nach geltendem Recht — durch die Genehmigung der zu- ständigen Landesbehörde. Die Prüfungsbefugnis der Landes- behörde beschränkt sich indes auf die Rechtskontrolle. Das gleiche gilt für die Festsetzung der Pflegesätze durch die

Schiedsstelle. Im Streitfall ent- scheidet eine paritätisch besetz- te Schiedsstelle, in der ein neu- traler Vorsitzender den Aus- schlag gibt, auf den sich Kran- kenhäuser und Krankenkassen geeinigt haben. Gibt es keine Übereinkunft, so wird der Vorsit- zende vom Land bestellt. Er ist bei der Ausübung seines Amtes nicht an Weisungen gebunden.

Die private Krankenversiche- rung (PKV) kann in die Schieds- stelle einen Vertreter entsen- den; dieser wird allerdings den Verhandlungspartnern der ge- setzlichen Krankenkassen zuge- rechnet.

Die Vertragspartner können künftig auch vom bisherigen vollpauschalierten tagesglei- chen Pflegesatz abweichende und stärker leistungsbezogene Entgelte vereinbaren. Die ent- scheidende Weichenstellung dürfte allerdings erst in der Pfle- gesatzverordnung erfolgen. Dar- über hinaus können Investi- tionsverträge speziell für die Fi- nanzierung von Rationalisie- rungsinvestitionen, deren Ko- sten in die Pflegesätze eingehen sollen, abgeschlossen werden.

82 (18) Heft 3 vom 16. Januar 1985 82. Jahrgang Ausgabe A

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Krankenhausfinanzierung

Allerdings bedürfen die Ab- schlüsse von Investitionsverträ- gen nunmehr der Zustimmung der zuständigen Landesbehörde und der privaten Krankenversi- cherung (PKV).

Weitere Einzellösungen, die un- mittelbar die Krankenhausärzte berühren:

~ Die Bundesregierung wird ermächtigt, Vorschriften über die pflegesatzmindernden Nut- zungsentgelts der zur geson- derten Berechnung ihrer Lei- stung berechtigten Ärzte an das Krankenhaus zu erlassen (§ 16 Satz 1 Nr. 3). Dabei soll sowohl den Belangen des Krankenhau- ses als auch den Anliegen der liquidationsberechtigten Ärzte

"ausgewogen" Rechnung getra- gen werden.

~ lnfolge der Auflösung der Mischfinanzierung werden die bisherigen Förderungsvorschrif- ten auf ein Mindestmaß an bun- desrechtlichen Vorgaben redu- ziert. Auf landesrechtlicher Ba- sis (Generalklausel des § 11 Satz 1) kann vorgeschrieben werden, daß Krankenhäuser bei der Aus- bildung von Ärzten und sonsti- gen Fachkräften des Gesund- heitswesens besondere Aufga- ben zu übernehmen haben.

Hierzu zählt auch die Verpflich- tung, "Ärzte im Praktikum" (AiP) einzustellen. ln diesen Fällen ist sicherzustellen, daß die Finan- zierung der hierdurch entste- henden Sach- und Personalko- sten gewährleistet ist, da diese grundsätzlich nicht in die Pfle- gesätze eingehen dürfen (§ 11 KHG).

~ Beibehalten wurde die bis- herige Vorschrift, wonach die Krankenhäuser verpflichtet sind, sich bei der Anschaffung oder Nutzung von medizinisch- technischen Großgeräten u. a.

mit den Kassenärztlichen Verei- nigungen der Länder "ins Be- nehmen" zu setzen.

Dr. Harald Clade

Brieftaube namens

Selbstbeteiligung

Die Negativliste bleibt, die Zuzah- lung von 5 Mark je Krankenhaus- tag, begrenzt auf zwei Wochen, steht zur Disposition. Die Selbst- beteiligung von 10 Mark je Kurtag gilt als solche Selbstverständlich- keit, daß schon niemand mehr groß darüber redet. Auf diesen kurzen Nenner lassen sich die po- litischen Schlußfolgerungen aus dem Bericht der Bundesregierung über die Erfahrungen mit den Selbstbeteiligungen, die 1983 via Haushaltsbegleitgesetz einge- führt worden sind, bringen. Würde nach der Maxime verfah- ren, daß eine Selbstbeteiligung steuernd wirken muß, dann müß- ten sämtliche 1983 eingeführten Selbstbeteiligungen zur Disposi- tion stehen. Denn keine hat eine nennenswerte Steuerungswir- kung gezeitigt. Sie haben wohl die Krankenkassen rechnerisch um rund 600 Millionen Mark (al- lein in den ersten neun Monaten des Jahres 1983) entlastet. Aber das war, den politischen Bekennt- nissen zufolge, ja nicht der eigent- liche Zweck des Unternehmens.

Der Bundesarbeitsminister hat die fehlende Steuerungswirkung frei- lich nur bei der 5-Mark-Regelung konstatiert, in Sachen Negativliste das Problem aber überspielt. Sol- cherlei Zwiespältigkeilen hat es bei den '83er Selbstbeteiligungen von Anfang an gegeben. Das Ge- setzesvorhaben stammte kurio- serweise noch aus sozialliberalen Zeiten. Die SPD war damals ei- gentlich gegen Selbstbeteiligung, hat aber der FDP, die eine be- scheidene Selbstbeteiligung als Signal hissen wollte, nachgeben müssen. Die Union war zu ihren Oppositionszeiten ebenfalls ge- gen das Vorhaben, wenn auch aus anderen Gründen als die SPD: Sie hielt die Negativliste ordnungspo- litisch für verfehlt. Nach der Wen- de indes hat die neue Bundesre-

DER KOMMENTAR

gierung das alte Vorhaben weiter- geführt. Aus der CDU kam zwar Protest- der Arbeitskreis Jugend, Familie, Gesundheit und deren Vorsitzender Kroii-Schlüter wand- ten sich gegen die Negativliste -, doch die Bundesregierung, ange- führt von dem aus den Sozialaus- schüssen kommenden Bundesar·

beitsminister, bekannte sich dazu.

Blüms Bekenntnis galt schon da- mals der Negativliste. Von ihr wur- den ursprünglich Einsparungen von rund 600 Millionen DM jähr- lich erwartet. Tatsächlich hat die Negativliste in den ersten neun Monaten des Jahres 1983 rund 380 Millionen DM eingebracht.

(nach den alten Erwartungen hät- ten es 450 Millionen sein müssen).

Ob der Betrag tatsächlich als Ein- sparung bei den Kassen verbucht werden kann, darf bezweifelt wer- den, denn auf der anderen Seite stehen höhere Arzneimittelausga- ben, die zum Teil auch auf Aus- weichmanöver zurückzuführen sind. Und die werden durch die weichen Kriterien, die der Gesetz- geber für den Ausschluß von "Ba- gatell-Arzneimitteln" angeführt hat, geradezu provoziert.

Um nicht mißverstanden zu wer- den: Selbstbeteiligungen können gesundheitspolitisch erwünscht sein - vorausgesetzt, sie bringen tatsächlich jene Steuerungsfunk- tion (bei den Arzneimitteln etwa durch eine prozentuale Beteili- gung), vorausgesetzt, sie kommen nicht isoliert, sondern als Stück eines überlegten Gesamtkonzep- tes. Der Erfahrungsbericht des Bundesarbeitsministers deutet das in einer kurzen Passage an.

Die Bruchstücke aus 1983 freilich und die Bewertung seitens des Bundesarbeitsministeriums las- sen bisher keinen Schluß auf ein Konzept zu. Die Maßnahmen für sich genommen lassen verläss- liche Schlüsse über den Wert von

Selbstbeteiligungsregelungen kaum zu. Der CSU-Abgeordnete Faltlhauser hat es drastisch ausge- drückt: "Ebenso könnte man den Flug einer Brieftaube als Testflug für den Tornado werten." NJ Ausgabe A 82. Jahrgang Heft 3 vom 16. Januar 1985 (19) 83

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