D
ie 1 200 Akutkrankenhäuser und Einrichtungen der medizinischen Rehabilitation in privater Trä- gerschaft, die im Bundesverband Deut- scher Privatkrankenanstalten e.V.(BDPK), Sitz: Berlin, organisiert sind, wollen sich einem fairen Leistungswettbewerb stellen und die Chancen zur struktu- rellen Veränderung nutzen, die mit In-Kraft-Treten des GKV-Modernisie- rungsgesetzes (GMG) seit Jahresbeginn 2004 eröffnet worden sind. Die staat- liche Regulative müsste sich auf die Setzung von rechtlichen und finan- ziellen Rahmenbedingungen beschrän- ken. Jede direkte und indirekte Sub- ventionierung oder Defizitfinanzierung von öffentlich-rechtlichen Krankenhäu- ser (kommunale Krankenhäuser, Kreis- krankenhäuser, Landeskrankenhäuser) müsse beendet werden, weil diese Praxis gegen zwingende kartell- und europa- rechtliche Vorschriften verstoße und zu einer Verzerrung der Wettbewerbs- situation zum Nachteil der freigemein- nützigen und privaten (erwerbswirt- schaftlichen) Krankenhausträger führe, so der BDPK-Präsident K. Heinrich Rehfeld, Rehabilitationsklinikträger aus Berlin, vor dem Jahreskongress des Bun- desverbandes Deutscher Privatkranken- anstalten am 25. Juni in Freiburg.Gleiche Startchancen
Die Privatkrankenanstalten pochen auf faire Start- und Wettbewerbsbedin- gungen gerade bei der Umstellung des Pauschalfinanzierungssystems für Akut- krankenhäuser auf diagnosebezogene Fallpauschalen und eine Überleitung auf Finanzierungsmonistik ab dem Routine- lauf des Finanzierungssystems, frühe- stens ab 2007/2008. Allerdings müsse die
Sicherstellung einer flächendeckenden Krankenhausversorgung eine öffentliche Aufgabe bleiben. Das Instrument der Krankenhausplanung und die Letztver- antwortung der Länder für die stationäre Versorgung und die Sicherung einer flächendeckenden Versorgung müssten modifiziert und auf den Paradigmen- wandel der Krankenhausfinanzierung umgestellt werden, so der BDPK.
Die Privatkrankenhausträger vertei- digen das gegliederte Krankenhaus- system und die Beteiligung sowohl kom- munaler als auch freigemeinnütziger und privater Krankenhäuser an einer flächendeckenden, gestuften Kranken- versorgung – allerdings unter gleichge- richteten Wettbewerbsbedingungen. Die geltende Regelung der Investitions- kostenfinanzierung – die Finanzierungs- dualistik im Akutsektor – ebenso wie die starre sektorale Budgetierung seien mit der neuen Fallpauschalensystematik (Diagnosis Related Groups, DRGs) nicht vereinbar. Bereits in den vergange-
nen Jahren hätten sich die Länder ihrer Einstands- und Finanzierungspflicht bei den Vorhaltekosten immer mehr ent- zogen, sodass heute weniger als acht Prozent – mit einer großen Streubreite zwischen den Bundesländern – für die Investitionskosten (Neubau, Errich- tungs- und Erneuerungskosten sowie Anschaffung von langfristigen Anlage- gütern) bereitgestellt werde. Zu Beginn der dualen Krankenhausfinanzierung in den Jahren 1972/1974 seien aus öffent- lichen Mitteln noch 22 Prozent der Gesamtkosten als Investitionsmittel zur Verfügung gestellt worden. Ohnedies drifte die dualistische Finanzierung kurz- bis mittelfristig infolge der Umstel- lung auf DRG-basierte Pauschalentgelte immer mehr auf Finanzierungsmonistik zu. Im Jahr 2007/2008 würden sowohl im ambulanten als auch im stationären Sektor die Vorschriften zur Berechnung der Entgelte und der Vergütungen vereinheitlicht und umgestellt.
Ein weiterer Grund für die Not- wendigkeit, auf Monistik umzustellen, sei auch der inzwischen angewachsene Investitionskostenstau, der von der Deutschen Krankenhausgesellschaft e.V.
auf 27 Milliarden Euro veranschlagt wird. Wegen der angespannten Finanz- lage der öffentlichen Hand (Länder) werde es zudem immer schwieriger, die notwendigen Aufgaben der Daseinsvor- sorge im Krankenhaussektor, insbeson- dere Investitionen zur Modernisierung der Klinikbauten und für Innovationen im Gesundheitswesen zu finanzieren. Es sei erforderlich, so der BDPK, Investi- tions- und laufende Betriebskosten wie- der zusammenzuführen und aus einer Hand zulasten der Kostenträger (insbe- sondere der Gesetzlichen und privaten Krankenversicherung) zu finanzieren.
Nur dadurch sei es möglich, medizinisch P O L I T I K
A
A2020 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 28–2912. Juli 2004
Privatkrankenanstalten
Für fairen Wettbewerb
und Finanzierungsmonistik
Bundesverband der Privatkrankenanstalten kritisiert illegale Subventionierungspraxis.
K. Heinrich Rehfeld: „Der Staat muss jede direkte und indirekte Subventionierung oder Defizitfinanzierung von Krankenhäusern un- terlassen.“
Foto:BDPK
notwendige Vorhaltungen und Leistun- gen effizient und wirtschaftlich zu erbringen sowie gleichzeitig auch auf privates Kapital zurückzugreifen und die Leistungsprozesse aktiv zu steuern (über Leistungspreise).
Dilemma der Dualistik
Das Dilemma der dualen Kranken- hausfinanzierung für nicht oder teil- geförderte Krankenhäuser werde im DRG-System mit dem Start der so genannten Konvergenzphase ab 2005 zunehmen, prognostiziert der Verband.
Zudem erfordere die grenzüberschrei- tende Dienstleistungsfreiheit und das liberalisierte Sozialleistungsrecht in der erweiterten Europäischen Union die Abschaffung jeglicher Subventio- nen, von nicht gerechtfertigten Beihil- fen zugunsten bestimmter Kranken- hausträger (öffentlich-rechtliche) und eine Steuerung über fair kalkulierte Festpreise – ohne einseitige Preis- diktate seitens der Kostenträger und nicht einseitig festgelegte Angebots- und Nachfragemengen, so der BDPK.
Neben klaren Rahmenbedingungen müssten auch Spielregeln in Kraft ge- setzt werden, die strikt zu beachten sind und bei denen Monopole ausge- schlossen werden.
Der Verband lehnt als Zwischen- lösung so genannte Globalbudgets ab, weil diese ebenso wie sektorale Budgets nicht dauerhaft funktionieren könnten.
In der Konvergenzphase bis Ende 2007 for- dert der Bundesverband der Privatkranken- anstalten, ehe es zu einer völligen Umstel- lung auf Monistik kommt, eine Übergangs- regelung mit folgenden Eckpunkten:
>Im Jahr 2005: Kompensationsmöglichkeiten bei einer Nichtberücksichtigung der Investitions- kosten innerhalb der Konvergenzphase;
>Einbeziehung der Investitionskosten in das Kalkulationshandbuch im Hinblick auf eine konse- quente Umsetzung der monistischen Lösung ab 2007/2008.
In der Konvergenzphase wird eine bloße Zuschlagsregelung als nicht ziel- führend abgelehnt, da bei Zuschlägen für nicht oder nur teilweise geförderte Krankenhäuser deren Leistungen sich verteuern würden und diese erneut einen Wettbewerbsnachteil erlitten.
Ab der „Scharfschaltung“ des neuen Finan- zierungssystems (Monistik) sollten folgen- de Regelungen zum Zuge kommen:
>Berücksichtigung der Kapitalkosten und des Investitionskostenanteils bei allen Krankenhaus- trägern über pauschalierte Zuschläge zu den DRG-basierten Pauschalentgelten. Dadurch könn- ten die Investitionskostenanteile unabhängig vom Klinikträger gleichmäßig verteilt werden.
Eine Fondslösung und ein Antragsverfahren werden abgelehnt.
>Damit die Krankenkassenbeiträge nicht bei einer Umstellung auf Finanzierungsmonistik zu- sätzlich belastet werden (um rund einen Prozent- punkt), sollten die Länder die Krankenkassen aus öffentlichen Mitteln in der Höhe bezuschussen, wie sie bisher zur Investitionskostenfinanzierung beigetragen haben oder hätten beisteuern müs- sen. Für die öffentliche Hand bliebe mithin der Umstellungseffekt kostenneutral, die Lohnneben- kosten würden nicht zusätzlich belastet, und die Krankenkassen hätten nicht die Möglichkeit, die Finanzierungsmonistik zu ihren Gunsten auszu- nutzen (Lenkung mit dem „goldenen Zügel“).
>Umstellung der Subventionsfinanzierung in eine Unternehmensfinanzierung. Dies bedeutet:
Die Investitionsfinanzierung müsse die Wirt- schaftlichkeit der Leistungserbringung berück- sichtigen und zu einer autonomen wirtschaftli- chen Sicherung der Klinikträger beitragen.
>Vermeidung jeglicher Kostensubstitutions- prozesse und von Quersubventionen zwischen den einzelnen Krankenhausträgern und Klinikab- teilungen;
>Verwirklichung von mehr Leistungsgerech- tigkeit von Unternehmensautonomie und Reali- sierung eines Mindestmaßes an Planungssicher- heit auch in der Krankenhauswirtschaft.
Widersprochen hat der Verband ei- ner gängigen These, dass private Klinik- träger und Rehabilitationseinrichtun- gen selektiv Verträge abschlössen, nur lukrative Behandlungsformen anböten und überwiegend rentable Standorte besetzten. 250 private Akutkranken- anstalten seien sowohl in die Grund- und Regelversorgung als auch in die Maximalversorgung eingeschaltet (auch Krankenhäuser im Rang eines Uni- versitätsklinikums). Das Gros seien allerdings kleinere Fachkrankenhäuser, die zur flächendeckenden Versorgung im gegliederten System beitrügen.
Wettbewerbsnachteile für private Rehaträger sieht der Verband in der Tat- sache, dass die Kostenträger, vor allem die Rentenversicherungsträger, eine se- lektive Vertragspolitik betrieben, indem sie vorrangig ihre Eigeneinrichtungen belegten und an bestimmten Standorten privaten Trägern Konkurrenz machten.
Aktuelles Beispiel in Baden-Württem- berg: Hier würde die Bundesversiche- rungsanstalt für Angestellte im Raum Bad Krozingen mit einem Investitions- volumen von 54 Millionen Euro eine Eigen-Einrichtung errichten (dies for- mal deklariert als Erneuerungs- und Umbau einer bestehenden Einrichtung), obwohl es im Einzugsbereich bereits mehrere leistungsfähige und von den Patienten gut angenommene private Klinikbetreiber gebe. Hier würde eine bestehende Infrastruktur kurzfristig zer- schlagen. Bei Unterversorgung müssten mit Steuermitteln neue Versorgungs- strukturen wieder aufgebaut werden.
Deregulierung
Im Zuge der politisch propagierten Ent- staatlichung und Deregulierung aller öffentlichen Sektoren müssten sich die Rentenversicherungsträger auf ihre Fi- nanzierungsfunktion bei Rehabilitati- onsleistungen beschränken. In anderen Bereichen, etwa bei der Telekommuni- kation, der Post und der Bahn, habe sich der Staat längst zurückgezogen. Es sei nur konsequent, so auch im Gesund- heitswesen vorzugehen. Prinzipiell müsse die bisherige Vertragspolitik der Hauptbeleger revidiert werden.
Auch die Reha-Kliniken wollen sich bei den Verträgen zur Integrierten Ver- sorgung und bei der Kooperation mit Medizinischen Versorgungszentren en- gagieren. Diese böten gute Chancen, die bisher starren Strukturen einer sektora- len Versorgung aufzubrechen und durch- lässiger zu machen. Gerade kleinere Krankenhäuser und Reha-Einrichtun- gen mit einem spezialisierten Leistungs- profil seien für die Vertragspartner attraktiv. Kostensparend seien solche Kooperationen, wenn sich beispielsweise niedergelassene Fachärzte und Kranken- häuser beim ambulanten Operieren, bei der gemeinsamen Nutzung von Geräten, Großapparaturen und Räumlichkeiten und bei einer durchgängigen Gestal- tung des Behandlungsablaufs abspre- chen und ergänzen. Voraussetzung seien allerdings die bisher auseinander laufen- den Vergütungssysteme zu harmonisie- ren, insbesondere in der Integrierten Versorgung, um so die Systemübergänge zu erleichtern. Dr. rer. pol. Harald Clade P O L I T I K
Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 28–2912. Juli 2004 AA2021