Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 107|
Heft 47|
26. November 2010 A 2335STUDIEN IM FOKUS
Hospitalisierte Patienten haben ein erhöhtes Sturzrisiko: Aufgrund von Krankheit und Therapie sind sie we- niger fit, und sie müssen sich in ei- ner fremden Umgebung zurechtfin- den. Ein Sturz kann nicht nur den Krankenhausaufenthalt verlängern, sondern auch eine Abwärtsspirale mit weiter reduzierter Beweglich- keit und erhöhtem Risiko für erneu- te Stürze in Gang setzen. An vier städtischen Krankenhäusern in den USA wurde nun untersucht, ob das Risiko für Stürze mit einem indivi- duell gestalteten Sturzpräventions- programm verringert werden kann.
Das Präventionsprogramm setzte sich zusammen aus einer Erfassung des individuellen Sturzrisikos, einem patientenspezifischen Präventions- plan, Merkblättern und Postern, die STATIONÄRE VERSORGUNG
Mit einem Präventionsprogramm lässt sich das Sturzrisiko bei Älteren reduzieren
am Bett des Patienten angebracht wurden und ihn an seine besonderen Risiken erinnerten. Randomisiert wurde über 6 Monate untersucht, wie sich das Präventionsprogramm auf 4 Stationen mit 5 160 Patienten im Vergleich zur normalen Betreuung auf 4 Stationen mit 5 104 Patienten auswirkte. Primärer Endpunkt war die Zahl der Stürze pro 1 000 Pa- tiententage, adjustiert an Klinik und Station. Ein sekundärer Endpunkt waren sturzbedingte Verletzungen.
Nach 6 Monaten war die Sturz- häufigkeit bei Intervention mit 3,15/1 000 Patiententagen signifi- kant geringer als bei Standardbetreu- ung mit 4,18/1 000 Patiententagen (p < 0,04). In der Interventionsgrup- pe waren 67 Patienten gestürzt, in der Kontrollgruppe 87 Patienten.
Das Präventionsprogramm wirkte ins- besondere bei Patienten über 65 Jah- ren, während es bei Patienten unter 65 Jahren keinen Effekt hatte. Kein signifikanter Unterschied ergab sich bei den sturzbedingten Verletzungen.
Die Autoren errechneten, dass durch das Präventionsprogramm auf den acht beteiligten Stationen potenziell 1 Sturz alle 4 Tage, 7,5 Stürze jeden Monat und etwa 90 Stürze jedes Jahr verhindert werden könnten.
Fazit: Mit Hilfe eines individu- ell zugeschnittenen Präventionspro- gramms kann das Risiko für Stürze im Krankenhaus verringert werden.
Dr. rer. nat. Susanne Heinzl
Dykes PC et al.: Fall prevention in acute care hospitals. A randomized trial. JAMA 2010;
304: 1912–8.
Cyclophosphamid und Glukokorti- koide gehören zu den Medikamen- ten der Wahl, um Patienten mit neu diagnostizierter antineutrophil cy- toplasmic antibody(ANCA)-assozi- ierter Vaskulitis wie Wegener-Gra- nulomatose oder mikroskopischer Polyangiitis (MPA) in Remission zu bringen. Wie aber lässt sich die Rückbildung optimal erhalten? Zu den Optionen gehören die Immun- suppressiva Azathioprin und My - cophenolatmofetil (MMF). Die Eu- ropäische Vaskulitis-Studiengruppe EUVAS hat die Effektivität und die Sicherheit beider Substanzen mit - einander verglichen.
175 Patienten, die an Wegener- Granulomatose oder MPA litten, sind an 42 Zentren in 11 europä - ischen Ländern, darunter Deutsch- land, für die Studie rekrutiert wor- den. Um eine Remission zu indu- zieren, erhielten die Patienten Cy- SYSTEMISCHE VASKULITIDEN
Azathioprin beugt wirksamer dem Rückfall vor als Mycophenolatmofetil
clophosphamid und Prednisolon.
Diese Therapie war innerhalb von 6 Monaten bei 156 Teilnehmern erfolgreich. Sie wurden nun in zwei Gruppen randomisiert: 80 Pro- banden erhielten Azathioprin (be- ginnend mit 2 mg/kg Körpergewicht am Tag, maximal 200 mg täglich;
Dosisreduktion nach 12 Monaten auf 1,5 mg/kg KG täglich, nach 18 Monaten auf 1 mg/kg KG, Ab- setzen nach 42 Monaten), 76 Pa- tienten bekamen MMF (beginnend mit 2 g pro Tag, Dosisreduktionen auf 1,5 und 1 g/Tag, Absetzen nach 42 Monaten). In beiden Armen wur- de oral Prednisolon (bis 24 Mona - te) mit vergleichbaren kumulativen Dosen gegeben.
Nach einem durchschnittlichen Follow-up von 39 Monaten nach Be- ginn der Erhaltungstherapie hatten 42 von 76 Patienten in der MMF-Grup- pe einen Rückfall und 30 von 80 der
mit Azathioprin behandelten Pro- banden – ein statistisch signifikan- ter Unterschied (p = 0,03). Die Rate schwerer unerwünschter Wirkungen, wie Leukopenien oder Infektionen, und der Organschäden unterschie- den sich nicht statistisch signifikant.
Fazit: Nach erfolgreicher Induktion einer Remission bei ANCA-assozi- ierter Vaskulitis beugt Azathioprin wirksamer dem Rückfall vor als MMF. Offen bleibe allerdings die Frage, ob das Risiko-Nutzen-Ver- hältnis bei einer Langzeiterhal- tungstherapie günstiger sei als bei einer bedarfsorientierten Behand- lung von Rückfällen.
Dr. rer. nat. Nicola Siegmund-Schultze
Hiemstra TF et al.: Mycophenolate Mofetil vs Azathioprine for remission maintenance in anti- neutrophil cytoplasma antibody associated vasculitis: a randomized controlled trial. JAMA online doi: 10.1001/jama.2010.1658.