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Archiv "Augenschäden durch Allgemeintherapie mit Chloroquin" (22.04.1983)

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Aktuelle Medizin

Heft 16 vom 22. April 1983

Augenschäden

durch Allgemeintherapie mit Chloroquin

Gerhard Stadler

Aus der Augenklinik und Poliklinik

(Leiter: Professor Dr. med. Dr. h. c. Wolfgang Straub) des Klinikums der Philipps-Universität Marburg

In der Hand des Allgemein- mediziners, Internisten und Dermatologen sind syntheti- sche Antimalariamittel ins- besondere das Resochin® — wirksame Therapeutika bei verschiedenen Erkrankun- gen. Diese Medikamente ru- fen aber aufgrund ihrer Reti- notoxizität zuweilen massive visuelle Funktionseinbußen hervor. Da im Jahr 1982 zwei neuerliche Fälle von massi- ver Resochin-bedingter Netz- hautschädigung in Marburg gesehen wurden, bei denen keine augenärztlichen Kon- trollen während der Medika- menteneinnahme stattgefun- den hatten, scheint es ge- rechtfertigt, über die okulä- ren Nebenwirkungen des Chloroquins und seiner Deri- vate zu berichten und die ophthalmologischen Kon- trollmöglichkeiten aufzuzei- gen. Die geläufigste Neben- wirkung de'r systemischen Resochintherapie sind Einla- gerungen in die Hornhaut.

Bereits wenige Wochen nach dem Therapiebeginn können mit Hilfe der Spalt- lampe die ersten Verände- rungen festgestellt werden.

Erste Berichte über Augenschä- den durch synthetische Antimala- riamittel stammen aus der Zeit des zweiten Weltkriegs. Es handelte sich um Hornhauteinlagerungen bei Arbeitern, die mit der Produk- tion dieser Substanzen beschäf- tigt waren. Auch spätere Berichte

— zu Beginn der 50er Jahre, als diese Präparate in die Therapie verschiedener systemischer Er- krankungen eingeführt wurden — hatten zunächst Hornhauteinlage- rungen zum Gegenstand (10).

1957 veröffentlichte Cambiaggi (1) eine Arbeit, die erstmals über ei- nen Netzhautschaden durch Reso- chin® (Chloroquin) bei Lupus ery- thematosus berichtet. Im selben Jahr erschienen zwei weitere Ver- öffentlichungen über Sehver- schlechterung und Gesichtsfeld- ausfälle nach der Einnahme syn- thetischer Antimalariamittel. Eine feste Kausalität fanden aber erst 1959 Hobbs u. Mitarb. (8) heraus.

Bis 1967 wurden mehr als 200 Fäl- le von verschieden ausgedehnten Netzhautschäden durch Reso- chin® bekannt (3).

Synthetische Antimalariamittel werden hierzulande vorwiegend zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis, des Lupus erythemato- sus sowie anderer Kollagenosen

eingesetzt (14). Die Zahl weiterer Veröffentlichungen über okuläre Resochinschäden ist zurückge- gangen, entweder weil man den Umgang mit diesem Medikament besser beherrscht, oder weil es auch bei gegebener Indikation we- gen seiner Nebenwirkungen weni- ger verwendet wird (2).

Die geläufigste Nebenwirkung der systemischen Resochintherapie sind Einlagerungen in die Horn-

haut. Ihre Häufigkeit beträgt 30 Prozent bis 70 Prozent! Eine stren- ge Korrelation zur Resochindosie- rung ist nicht sicher. Bereits weni- ge Wochen nach dem Therapiebe- ginn können mit der Spaltlampe erste Veränderungen festgestellt werden, bei Dosierungen über 100 mg Chloroquin pro Tag werden nach mehreren Monaten bei allen Patienten Hornhauteinlagerungen gefunden. Nach dem Absetzen der Therapie verschwinden sie wieder, teilweise wird auch bei Fortfüh- rung der Medikation über eine Ab- nahme der Einlagerungsdichte be- richtet (1).

Das morphologische Bild

Das morphologische Bild wird von Hobbs u. Mitarb. 1961 (4) in drei Stadien eingeteilt. Allerdings fin- Ausgabe A DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 16 vom 22. April 1983 31

(2)

Abbildung 2: Recht diskrete subzentrale Resochineinlagerungen in der Hornhaut bei einer Patientin mit zusätzlicher Resochinretinopathie

den sich fließende Übergänge und Mischbilder, unabhängig von Do- sierung und Therapiedauer. Etwa 2 bis 3 Wochen nach Therapiebe- ginn finden sich in etwa der Hälfte der Fälle diffus über das gesamte Hornhautepithel verteilte feine, punktförmige, weißliche Einlage- rungen (Stadium I). Unterhalb der Hornhautmitte zeigen die streng epithelial liegenden Pünkt- chen meist eine radiär-strahlige Anordnung.

Im Stadium II werden diese Einla- gerungen — wohl durch den Lid- schlag — zu kurvigen Linien zu- sammengeschoben, welche unter- halb der Hornhautmitte konvergie- ren. Daneben finden sich fleckför- mige unregelmäßig über die ge- samte Hornhautoberfläche ausge- breitete, weißliche oder ins Grün- Bräunliche schimmernde Stellen.

Bei einer Fortsetzung der Thera- pie werden schließlich im III. Sta- dium die Einlagerungen weniger dicht, ferner sind sie in diesem Stadium unregelmäßiger gestaltet und nehmen unterhalb der Horn- hautmitte oft die Form einer grau- gelblichen Linie an.

Pau u. Bäumer (10) beschrieben 1959 zuweilen ungleichmäßige Verdickungen der sensiblen Horn-

hautnerven. Analoge Veränderun- gen werden auch durch Hydro- xychloroquin (Quensyl®) oder Amodiaquin hervorgerufen. Die Hornhautveränderungen setzen den Visus nicht herab. Zuweilen klagen die Patienten über das Wahrnehmen eines Hofes um punktförmige Lichtquellen, der aber im Gegensatz zu dem durch ein Hornhautepithelödem hervor- gerufenen Hof farblos ist. Weiter wird über eine gelinde Blendungs- empfindlichkeit, selten über prak- tisch nicht störende Schleier oder Nebel berichtet.

Abbildung 1: Zeichnerische Darstellung der Resochineinlagerungen in der Cor- nea, etwa Stadium II nach Hobbs ent- sprechend (nach Pau: Klin. Mbl. d. Au- genheillk. 135 (1959) 369, Tafel II)

Nach den bisherigen Erfahrungen besteht in etwa der Hälfte der Fälle eine Herabsetzung der Hornhaut- sensibilität, was sicher damit zu- sammenhängt, daß Chloroquin ei- ne lokalanästhetische Wirkung hat (1). Hornhauteinlagerungen wie Hornhautsensibilitätsminderung verschwinden prompt nach dem Absetzen der synthetischen Anti- malariamittel.

Formen der Sehstörung

Ein anderer, relativ häufiger Ne- beneffekt ist die Störung der Ak- kommodation: Der Patient empfin- det Schwierigkeiten beim Wechsel vom Blick in die Ferne zum Nahse- hen und umgekehrt; viele Patien- ten geben dies nur als zeitweises Verschwommensehen an. Diese akkommodativen Schwierigkeiten können relativ bald —also eine hal- be bis zwei Stunden nach der Me- dikamenteneinnahme — auftreten, so daß eine direkte Einwirkung der resorbierten Substanz auf die glat- te Muskulatur des Ziliarkörpers anzunehmen ist. Die Häufigkeit dieser Nebenwirkung ist deutlich dosierungsabhängig; man begeg- net ihr bei bis zu 40 Prozent der Patienten, die mehr als 500 mg Chloroquin einnehmen und die sich noch in einem Atlter befin- den, in dem eine entsprechende Akkommodationsfähigkeit be- steht. Meist werden diese Störun- gen in den ersten 2 bis 4 Monaten angegeben, sie verschwinden spä- ter recht häufig spontan. Über bleibende Schädigungen ist bis- her nichts bekannt.

Eine nicht ganz sichere Beziehung besteht zwischen der Chloroquin- einnahme und dem Auftreten von

Linsentrübungen. Manche Auto- ren berichten über eine Häufigkeit von 20 bis 40 Prozent (3). Die Lin- sentrübungen werden als weißlich schimmernde Flocken beschrie- ben, die sich knapp vor dem hinte- ren Linsenpol unter der Linsen- kapsel befinden sollen. Ähnlich- keiten mit der steroidinduzierten Katarakt, die in der gleichen Re- gion lokalisiert ist, sind offenbar

(3)

nicht gegeben. Zu einer Sehschär- fenherabsetzung durch die insge- samt optisch belanglosen Verän- derungen kommt es anscheinend nicht.

Die bisher genannten Nebenwir- kungen treten zwar in einem gro- ßen Prozentsatz auf, haben aber keinen nennenswerten subjekti- ven oder objektiven Schädigungs- charakter. Eine Netzhautschädi- gung ist zwar selten, aber von größter Wichtigkeit, da sie blei- bende, massive, doppelseitige Funktionsschädigungen hervorru- fen kann (1, 3, 5, 6, 14).

Die wesentlichen Veränderungen bei der Chloroquin-Retinopathie finden sich im Bereich der Macula lutea. Zunächst verschwindet der Foveolarreflex, und es entsteht ei- ne nur wenig ausgeprägte Unre- gelmäßigkeit in der Pigmentvertei- lung, so daßzarte hellere und dunk- lere Anteile in feiner Tüpfelung auftreten. Solche als Stadium I un- ter „Prämakulopathie" (11) zu- sammengefaßte Bilder kommen bei einer Reihe von Patienten vor, ohne daß über subjektive Sehstö- rungen geklagt wird.

Allerdings können ähnlich ausse- hende Makulaveränderungen im höheren Lebensalter auch ohne jegliche Medikamenteneinnahme auftreten. Als Resochin-induzierte Erscheinung sollten sie nur dann interpretiert werden, wenn vom Therapiebeginn an der Augenhin- tergrundsbefund — am besten fo- tografisch — dokumentiert wurde.

Die Veränderungen können nach Absetzen des Medikamentes wie- der verschwinden, andererseits aber bei einer Fortsetzung der Therapie in ein weiteres Stadium mit permanenter Funktionseinbu- ße eintreten (11, 4).

Im II. Stadium findet sich ein typi- sches morphologisches Bild, eine granuliert oder fleckig wirkende zentrale hyperpigmentierte Zone, die von einem helleren Hof mit Pigmentverlust umgeben ist, die- sen umgibt wiederum ein weiterer, dichter pigmentierter Ring. Das

Abbildung 3: „Bull's eye" Retinopathie mit Schießscheiben-Makula bei Patientin mit Resochinretinopathie nach zweijähri- ger unkontrollierter Resochineinnahme mit einer Sehverminderung auf 0,1

Abbildung 4: Entsprechende fluores- zenzangiographische Netzhautdarstel- lung des linken Auges bei der gleichen Patientin mit einer Sehverminderung auf weniger als 0,1

Ganze erinnert an eine Schieß- scheibe oder an ein Ochsenauge (Abbildungen 3 und 4), so daß die- ser charakteristischen Verände- rung im englischen Sprachraum die Bezeichnung „Bull's eye Reti- nopathie" gegeben wurde (5, 4).

Im III. Stadium schließlich besteht entweder eine typische „Bull's eye Retinopathie", zusammen mit temporaler Papillenabblassung und diskreter Netzhautgefäßver- engung, oder es entwickelt sich an Stelle der Makula eine Zone kräf- tiger, scharf begrenzter Depig- mentierung, so daß das Gefäßmu- ster der darunterliegenden Ader- haut deutlich durchschimmert. In

den Endstadien können zusätzlich in der Netzhautperipherie feine Granulierungen des Pigmentblat- tes in Form eines ganz feinflecki- gen „Pfeffer-Salz-Fundus" auftre- ten. Typische „knochenkörper- chenartige Pigmentierungen", wie bei der hereditär-degenerativen Retinitis pigmentosa, finden sich dagegen nicht. Die Fundusverän- derungen treten ausschließlich bi- lateral symmetrisch auf, funktio- nell können aber feine Seitenun- terschiede vorhanden sein. Ist das Stadium der „Bull's eye Retinopat- hie" erreicht oder sind weitere Veränderungen, etwa eine tempo- rale Abblassung der Papille und eine Engstellung der Netzhautar- terien, aufgetreten, so bleiben die- se auch nach dem Absetzen der Therapie bestehen.

In dem frühen und mittleren Sta- dium ist die Sehschärfe in der Re- gel normal oder wenig herabge- setzt. Treten zusätzliche Fundus- veränderungen auf, verschlechtert sich langsam der Visus. Nur aus- nahmsweise beträgt die Seheinbu- ße 90 Prozent oder mehr. Eine si- chere Korrelation zwischen oph- thalmoskopischem Bild und zen- traler Sehschärfenreduktion exi- stiert nicht.

Im parazentralen Gesichtsfeld fin- den sich die häufigsten Ausfälle.

In den allerfrühesten Stadien ent- deckten Percival u. Mitarb. (11) 1967 eine deutliche Zunahme pa- razentraler Skotome für rote Test- marken. In späteren Stadien sind diese peri- und parazentralen Sko- tome das auffällige funktionelle Korrelat der Pigmentierungsano- malien am hinteren Augenpol, wo- bei sich später auch periphere, zu- nächst meist temporal oben be- ginnende Ausfälle hinzugesellen (1). Im Stadium III ist entweder ein massiv konzentrisch eingeengtes Gesichtsfeld bei erhaltenem Zen- trum mit praktisch nicht verwert- baren peripheren inselförmigen Gesichtsfeldresten vorhanden, oder aber — dann kombiniert mit einem entsprechend schlechten Visus — ein praktisch völliger Ver- lust der zentralen und parazentra- Ausgabe A DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 16 vom 22. April 1983 33

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len visuellen Funktionen, wobei eben zur Orientierung reichende mehr oder weniger periphere Ge- sichtsfeldreste vorhanden sind.

Diese schweren Ausfälle gehen meist mit einem entsprechenden Bild am Fundus einher, obwohl andererseits parazentrale und zentrale Gesichtsfeldausfälle eventuell mit Sehschärfenminde- rung ohne wesentliche Makulaver- änderungen beschrieben worden sind (3).

Diagnostik

der Chloroquin-Retinopathie Bei der Prüfung des Farbensehens mit kleinflächigen Farbfleckpro- ben findet man in den frühen Sta- dien nichts Auffälliges, während bei einer Prüfung mit den meist gebrauchten pseudoisochromati-

schen Tafeln auf dem Boden der parazentralen Skotome in wech- selndem Ausmaße Schwierigkei- ten beim Erkennen der Symbole auftreten. Bei fortgeschrittener Makulopathie ist meist ein deutli- cher gestörtes Farbensehen vor- handen (1).

Die Prüfung der Blendungsemp- findlichkeit bzw. der Readapta- tionszeit nach Blendung ist ein sehr empfindliches Nachweisver- fahren, da bei allen mit über 200 mg Chloroquin pro Tag behandel- ten Patienten eine starke Verlän- gerung der Readaptationszeit ge- genüber einem altersentsprechen- den Normalkollektiv vorhanden ist (6). Es handelt sich hierbei zwar um kein geeignetes Kriterium zur Frühdiagnostik der Retinopathie, man sollte aber daran denken, daß Patienten unter Chloroquinmedi-

kation nur bedingt kraftfahrtaug- lich sind und darauf hingewiesen werden müssen, daß sie mit einer erhöhten Blendungsempfindlich- keit zu rechnen haben.

Besonders wichtig für die Diagno- stik sind die elektrophysiologi-

schen Untersuchungen (13, 4).

Das Elektroretinogramm erwies sich bei entsprechenden Untersu- chungen als statistisch signifikant verändert, es kann aber im Einzel- fall nur in bereits weit fortgeschrit- tenen Stadien Aufschluß über die globale Netzhautdysfunktion ge- ben. Demgegenüber hat das Elek- trookulogramm einen viel höheren Stellenwert in der Frühdiagnostik.

Mittels dieser objektiven Methode wird die relative Größe des okulä- ren Basispotentials gemessen, das

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Abbildung 5a: Gesichtsfeld der betroffenen Patientin. Man beachte die zum Teil absoluten parazentralen Skotome, die vor allem die Lesefähigkeit massiv behindern (siehe auch 5b)

(5)

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nach bisheriger Kenntnis zwi- schen dem retinalen Pigmentepi- thelblatt und der Sinneszellen- schicht aufgebaut ist.

Es wurde nämlich nachgewiesen, daß bei langdauernder Resochin- medikation und Kenntnis der Aus- gangsverhältnisse der Anstieg die- ses Basispotentials durch panreti- nale Belichtung genügender In- tensität geringer wird und diese Abnahme mit der Häufigkeit einer beginnenden Makulopathie mit parazentralen Rotskotomen gut korreliert (6). Bei fortgeschritte- ner Chloroquinretinopathie er- weist sich das Elektrookulogramm immer als pathologisch. Die elek- trophysiologischen Untersuchun- gen haben sich inzwischen als das sicherste Kriterium für die frühe Diagnose der Chloroquinretino- pathie erwiesen.

Vorsorgediagnostik bei Chloroquinmedikation

Bei einer Resochindosierung, wie sie zur Malariaprophylaxe oder aber zur Malariatherapie vorge- nommen wird, scheint eine vorhe- rige ophthalmologische Untersu- chung nur im Falle des begründe- ten Verdachts auf eine bereits exi- stierende zentrale oder periphere Retinaschädigung notwendig, Bei allen Patienten aber, die Chlo- roquin oder Chloroquinderivate in einer Dosierung von mehr als 100 mg pro Tag erhalten, sollte unbe- dingt vor dem Therapiebeginn ei- ne genaue ophthalmologische Un- tersuchung erfolgen (1, 4), näm- lich:

eine exakte Sehschärfenbe- stimmung,

eine genaue Untersuchung des Gesichtsfeldes mit Überprüfung der zentralen und parazentralen Gesichtsfeldanteile durch kleinflä- chige, intensitätsschwache, weiße Reizmarken und — etwas großflä- chigere — rote Testmarken,

(1)

eine Überprüfung des Far- bensehens evtl. unter Verwen- dung zweier verschieden aufge- bauter pseudoisochromatischer Tafeln, also z. B. der Tafeln nach Ishihara und der Am. Optical Com- pany nach Hardy-Hand-Rittler,

(3

ein spaltlampen-mikroskopi- scher Befund der Vorderabschnit- te mit besonderer Berücksichti- gung des Hornhautepithels und der hinteren Linsenanteile,

(i)

eine Messung der Hornhaut- sensibilität,

Abbildung 5b: Gesichtsfeld der betroffenen Patienten. Man beachte die zum Teil absoluten parazentralen Skotome, die vor allem die Lesefähigkeit massiv behindern (siehe auch 5a)

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ein genauer ophthalmoskopi- scher Befund bei erweiterter Pu- pille unter besonderer Berück- sichtigung von Makularegion, Netzhautgefäßen und Papille, am besten mit fotografischer Doku- mentation,

19

Soweit möglich, Anfertigung eines Elektrookulogramms und eventuell eines Elektroretino- gramms, letzteres zweckmäßiger- weise als stäbchenspezifische und zapfenspezifische Ableitungen.

Vor allem das Elektrookulogramm stellt eine objektive Befunddoku- mentation des funktionellen Aus- gangszustandes vor Therapiebe- ginn dar,

() Da es sich zum Teil um ältere Patienten handelt, sollte schließ- lich auch die sonst zur ophthalmo- logischen Routine gehörende Messung des Augeninnendrucks nicht vergessen werden.

Kontrolluntersuchungen bei Chloroquinmedikation

Die Häufigkeit von Kontrollen ist beim Fehlen sonstiger Verdachts- momente auf einen therapiebe- dingten okulotoxischen Schaden in Abhängigkeit von der Dosie- rung festzulegen.

Bei einer Medikation von weniger als 250 mg pro Tag kann etwa ein Jahr gewartet werden, da zu- nächst nur mit den unwesentli- chen Hornhauteinlagerungen und der Sensibilitätsminderung sowie eventuell der Akkommodations- störung zu rechnen ist.

Nach einem Jahr sollte allerdings bei jedem Patienten, unabhängig von subjektiven Beschwerden, ei- ne neuerliche, ausführliche Be- funderhebung durchgeführt und diese dann alle sechs Monate wie- derholt werden.

Bei einer Dosierung zwischen 250 und 500 mg halten wir nach einem halben Jahr eine erste Funktions- und Funduskontrolle für notwen-

dig. Wegen der Häufigkeit der zu erwartenden Hornhauteinlagerun- gen sollte eine Spaltlampenunter- suchung etwa 1 bis 2 Monate nach Therapiebeginn stattfinden. Wei- tere Kontrollen halten wir in halb- jährlichen Abständen für nötig.

Beim Auftreten irgendwelcher Verdachtsmomente sind häufigere Kontrollen, etwa in 2 bis 3monati- gen Abständen erforderlich. Bei einer Dosierung von über 500 mg pro Tag halten wir monatliche Kontrollen des Augenbefundes für notwendig, EOG und ERG sollten in dreimonatigen Abständen abge- leitet werden.

Grundsätzlich sollte eine Reso- chindosierung von mehr als 250 mg pro Tag vermieden werden;

läßt sich damit keine ausreichende therapeutische Wirkung errei- chen, so spricht manches dafür, daß eine Kombination von Chloro- quin (Resochin®) und Hydroxy- chloroquin (Quensyl®) offenbar weniger retinotoxisch wirkt als ei-

ne über 250 mg hohe tägliche, al- leinige Resochinmedikation (12).

Sofort abzusetzen ist Resochin®

bei Patienten bei denen keine Ba- sisdokumentation vorTherapiebe- ginn vorhanden ist, falls folgende Befundkonstellation vorliegt:

normale oder leicht herabge- setzte zentrale Sehschärfe, (1) parazentrale Gesichtsfeldde- fekte für kleine lichtintensitäts- schwache weiße Testmarken,

Schwierigkeiten bei dem Er- kennen einzelner pseudoisochro- matischer Tafeln,

Fehlen des Fovealreflexes,

e)

Pigmentierungsunregelmäßig- keiten im Bereich der Macula lutea,

() subnormales Elektrookulo- gramm.

Unter Beachtung der aufgeführten Kautelen dürfte wohl nur selten

mit dem Auftreten einer massiven Retinopathie mit Funktionseinbu- ßen des Auges zu rechnen sein.

Dies geht auch daraus hervor, daß in den letzten 10 Jahren die Zahl der Berichte über wesentliche Chloroquin-induzierte Augen- schädigungen kleiner geworden ist.

Wesentlich aber zur Vermeidung einer massiven retinalen Neben- wirkung durch Einnahme syntheti- scher Antimalariamittel ist die sub- tile Festlegung eines genauen Au- genbefundes vor Therapiebeginn sowie die Durchführung entspre- chend exakter Kontrollen in von Fall zu Fall dosierungsabhängigen Abständen.

Zusammenfassung

Die synthetischen Antimalariamit- tel, insbesondere Resochin®, sind wirkungsvolle Medikamente zur Behandlung der rheumatoiden Ar- thritis, der Kollagenosen und ver- schiedener anderer dermatologi- scher Erkrankungen.

Gefürchtet sind durch diese Mittel hervorgerufene okuläre Nebenwir- kungen, insbesondere die Reso- chinretinopathie.

Über Resochin-abhängige Neben- wirkungen an verschiedenen Au- genabschnitten wird berichtet;

weiter werden die unerläßlich not- wendigen ophthalmologischen Kontrollen zur Vermeidung der gravierenden Folgeschäden, be- sonders im Bereich der Netzhaut, aufgezeichnet.

Literatur beim Verfasser

Anschrift des Verfassers:

Dr. med. Gerhard Stadler Wissenschaftlicher Assistent an der Universitäts-Augenklinik Marburg/Lahn

Robert-Koch-Straße 4 3550 Marburg/Lahn

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