• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Schwere Augenschäden durch Ethambutol" (23.05.1974)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Schwere Augenschäden durch Ethambutol" (23.05.1974)"

Copied!
3
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

WISSENSCHAFT UND PRAXIS

Der erste Bericht über das Auftre- ten einer retrobulbären Neuritis nach Gaben von Ethambutol (My- ambutol®) erschien 1957; ihm folg- ten bald mehrere Veröffentlichun- gen über ähnliche Befunde. Bis Mitte 1972 war in der Weltliteratur nur über einen einzigen Fall von Optikusatrophie nach Ethambu-

tol-Therapie berichtet worden.

Durch Ethambutol entstandene gravierende Schäden wurden in zu- nehmendem Maße erst ab Mitte 1971 beobachtet, dabei auffallend häufig Optikusatrophien.

Daß bei eingeschränkter Nieren- funktion erhöhte Ethambutol-

Blutspiegel zu toxischen Augen- schäden führen können, ist be- kannt. Da es aber schon vor 1971 nierengeschädigte Tuberkulosepa- tienten gegeben hat, deren Seh- nerven trotz Ethambutol-Medikation nicht schwer geschädigt wurden, ist zu vermuten, daß die Ursache für die aufgetretenen Augenschä- den mit dem Dosierungsschema des Medikaments zusammenhängt.

Als allgemeine Dosierungsregel galt bis 1971: 25 Milligramm pro Ki- logramm Körpergewicht, zwei Mo- nate lang; anschließend 15 Milli- gramm Ethambutol pro Kilogramm Körpergewicht. Man stellte jedoch fest, daß Ethambutol in einer Dosis von 15 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht weder eine Exazer- bation noch die Ausbildung einer bakteriellen Resistenz gegen die jeweils als Partner hinzugegebe-

nen Tuberkulosemittel Isoniazid und Streptomycin verhindern konn- te und also in dieser Dosierung nicht wirksam genug war, weswe- gen empfohlen wurde, für die ge- samte Behandlungsdauer 25 Milli- gramm Ethambutol pro Kilogramm Körpergewicht zu verabreichen.

Da es nach eigenen Beobachtun- gen und Umfrageergebnissen ei- nerseits den Anschein hat, als ob die länger angewandten höheren Dosen direkt mit der Häufung schwerer ophthalmologischer Schä- den zusammenhängen, anderer- seits diese aber meist erst nach Ablauf einer drei- bis viermonati- gen Therapie auftreten, sind wir in der Lungenklinik (Bethanien, Solin- gen-Aufderhöhe) dazu übergegan- gen, in den ersten drei Monaten 25 Milligramm pro Kilogramm Körper- gewicht und anschließend nur noch 20 Milligramm Ethambutol zu verabreichen.

Ophthalmologische Befunde Ophthalmologisch wurden die Pa- tienten des Lungenkrankenhau- ses Bethanien von der Universi- täts-Augenklinik Düsseldorf be- treut. Vom 1. Juli 1970 bis zum 30.

Juni 1971 hatten 318 Patienten zwei

Schwere Augenschäden durch Ethambutol

Hans Pau und Dietrich Reimers

Aus der Universitäts-Augenklinik Düsseldorf (Direktor: Professor Dr. med. Hans Pau)

und dem Lungenkrankenhaus Bethanien, Solingen-Aufderhöhe (Chefarzt: Dr. med. Dietrich Reimers)

In letzter Zeit ist häufiger über schwerere, mitunter sogar irreversi- ble Augenschäden nach Gabe von Ethambutol berichtet worden. Sie stehen möglicherweise mit der Höhe und Anwendungsdauer der täglichen Ethambutol-Dosis in Zusammenhang. Die Augenschädi- gung trat in Form einer retrobulbären Neuritis, seltener als staub- förmige, zentrale-parazentrale Pigmentverschiebung in der Netz- haut auf; mitunter kam es auch zu vorübergehenden Blutungen in der Netzhaut. Es wird eine Ethambutol-Dosierung von 25 Milli- gramm pro Kilogramm Körpergewicht für nur drei Monate und an- schließend eine Reduzierung auf die antimykobakteriell wirksame, aber untoxischere Dosis von 20 Milligramm pro Kilogramm vorge- schlagen. Während dieser Medikation sind die Patienten regelmä- ßig ophthalmologisch zu untersuchen. Außerdem ist die Nierenfunk- tion zu Beginn der Behandlung sowie in vierwöchigen Abständen zu überprüfen.

1544 Heft 21 vom 23. Mai 1974

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

(2)

(z. B. durch Inulin- bzw. Krea- tinin-Clearance) angepaßt werden.

Ophthalmologische Unter- suchungen vor Therapiebe- ginn und Mitgabe der Seh- schärfe- und Farbsinndaten an den behandelnden Arzt, der mindestens monatlich a) den Fernvisus aus 6 m Entfernung, wenn nicht mög- lich, den Nahvisus aus 30 cm Entfernung bei ausreichender Beleuchtung;

b) den Farbsinn mit der Ishi- hara-Tafel, notfalls mit der Tafel nach Velhagen prüfen sollte.

Ferner ist der Patient anzu- halten, selbst auf Sehstörun- gen zu achten. Bei Verdacht auf Verschlechterung der Vorbefunde ist Ethambutol abzusetzen und ein Ophthal- mologe zuzuziehen.

Auch wenn nicht mit Sicher- heit gesagt werden kann, daß frühzeitige Erkennung gele- gentlich beobachtete irrever- sible Sehschäden verhindert, muß eine Weiterbehandlung nach Auftreten einer Sehstö- rung unbedingt vermieden werden.

> Präparate: EM B-„ Fa- tol"Tabl., etibi-inh-Tabl.

(Saarstickstoff-Fatol) Myam- butol-Tabl., Myambutol-INH-I- und -1I-Tabl. (Lederle).

*) siehe auch Beitrag zum Thema auf diesen Seiten.

1

Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Augenschäden durch Ethambutol

Ethambutol ist eine wertvolle Bereicherung der kombinier- ten Chemotherapie der Tu- berkulose. Die Möglichkeit von Augenschäden unter der Therapie wird jedoch immer noch nicht genügend beach- tet.

Diese werden bemerkt als:

0 Zentralskotom

• Farbsinnstörungen, selte- ner

O Gesichtsfeldeinschränkun- gen.

Ophthalmoskopisch kann zu- nächst ein regelrechter Au- genhintergrund gefunden werden. Eventuelle temporale Abblassungen sowie (selte- ner) zentral-parazentrale Pig- mentverschiebungen in der Netzhaut treten einige Wo- chen später auf. Bei einer Tagesdosis von 25 mg/kg Körpergewicht bei Nieren- gesunden, die nach Ansicht der meisten befragten Phthisiologen nicht unter- schritten werden sollte, be- trägt nach Pau*) die Häufig- keit dieser Nebenwirkung

etwa 1 1 /2 Prozent; nach den bisher vorliegenden Ergeb- nissen der Studie des Wis- senschaftlichen Ausschusses für die Therapie der Lungen- tuberkulose (WATL) an etwa 600 Patienten wurden bei etwa der gleichen Dosierung, die 25 mg/kg pro Tag nicht überschritt, nur in weniger als ein Prozent Sehstörungen gefunden. Eine englische Ge- meinschaftsstudie, bei der nur 15 mg/kg/Tag gegeben wurde, ergab bei 6 von 99 Patienten Sehstörungen, von denen 3 ophthalmolo- gisch als präsymptomatische Optikusneuropathie bestätigt wurden.

Alle an der Tuberkulosethe- rapie beteiligten Ärzte kön- nen zur Risikominderung bei- tragen durch

0 Prüfung der zu Behan- delnden auf Einschränkung der Nierenfunktion durch mehrfache Bestimmung des Serumkreatinins. Bei Werten über 1,3 mg/100 ml sollte die Dosierung an die verminderte Ausscheidung an Hand der glomerulären Filtrationsrate DIE ARZNEIMITTELKOMMISSION

DER DEUTSCHEN ÄRZTESCHAFT GIBT BEKANNT:

Sehstörungen

durch Ethambutoltherapie

Monate lang 25 Milligramm Etham- butol pro Kilogramm Körperge- wicht erhalten; anschließend war die tägliche Dosis auf 15 Milli- gramm reduziert worden. Bei kei- nem dieser Patienten traten Augen- schäden auf.

Im folgenden Jahr sind 334 Patien- ten durchgehend mit 25 Milligramm Ethambutol pro Kilogramm Körper- gewicht behandelt worden; fünf (1,6 Prozent) hatten zum Teil schwere Augenschäden, davon ei- ner einen bleibenden Visusverfall

von beiderseits 1,2 auf rechts 0,4 und links 0,15.

An der Düsseldorfer Augenklinik sind insgesamt zehn durchgehend mit 25 Milligramm Ethambutol pro Kilogramm behandelte Patienten

DEUTSCHES ARZTEBLArr Heft 21 vom 23. Mai 1974 1545

(3)

Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

Augenschäden durch Ethambutol

mit Augenschäden beobachtet worden. Diese waren frühestens nach drei-, spätestens nach fünf- zehnmonatiger Behandlung aufge- treten. Subjektiv klagten die Pa- tienten über allgemeine Sehver- schlechterung, Beeinträchtigung beim Lesen oder über Blendung.

Klinisch bestand bei allen Patien- ten ein relatives oder absolutes Zentralskotom mit verschlechter- tem Farbsehen sowie eine Herab- setzung des zentralen Sehens.

Auch nach Absetzen der Ethambu- toi-Medikation und mehrwöchigen therapeutischen Gaben von Korti- kosteroiden (40 Milligramm Urba- son®) nahm das Sehvermögen in sechs Fällen noch mehrere Wo- chen lang ab. Das Sehvermögen lag bei den zehn Patienten zwi- schen 0,5 und 0,03. Nach Ablauf ei- nes Jahres hatte sich in zwei Fäl- len wieder ein volles Sehvermögen (1 ,0), einmal ein gutes (0,8), zwei- mal ein mittleres (0,3) eingestellt;

bei drei Patienten blieb es schlecht (unter 0,15). Eine Patientin war in der Zwischenzeit verstorben, eine andere nicht zur Kontrolluntersu- chung erschienen. Mitunter lagen zwischen einsetzender Verschlech- terung und beginnender Verbesse- rung des Sehvermögens zehn Mo- nate.

Retrobulbäre Neuritis

Die bei drei Patienten anfänglich vorhandene Papillenunschärfe ver-

schwand wieder. Bei acht Patien- ten kam es zu einer temporalen Abblassung der Papillen, die sogar erst acht Monate nach Einsetzen der ersten subjektiven Beschwer- den auftreten konnte; bei vier Pa- tienten war sie aber nur gering ausgeprägt. Dieses Symptom weist darauf hin, daß eine irreversible Sehnervenschädigung eingetreten ist.

Bei den drei Patienten mit weiter- hin sehr schlechtem Sehvermögen blieb das Zentralskotom bestehen; zweimal war es zu einer weißen temporalen Abblassung der Papil- len gekommen, einmal bestand

eine scharf begrenzte Sehnerven- atrophie. Diese drei Kranken hatten über sechs, zwölf und fünfzehn Mo- nate täglich 25 Milligramm Etham- butol pro Kilogramm Körperge- wicht bekommen.

Pigmentverschiebung und Blutung An der Netzhaut wurden in drei Fällen parazentral feinste Pigment- verschiebungen (wie Pigment- staub) festgestellt. ln drei weiteren Fällen waren entweder papillennah oder in der mittleren Peripherie kleine Blutungen aufgetreten. Das Elektroretinagramm war aber nie ausgelöscht. Nach diesen Befun- den (Universitäts-Augenklinik Düs- seldorf) manifestieren sich durch Ethambutol hervorgerufene Schä- digungen am Auge:

..,.. Am Sehnerven meist in Form ei- ner retrobulbären Neuritis axialis (seltener als Neuritis peripherica), die zu Sehverschlechterung, Zen- tralskotom, Papillenunschärfe und temporaler Abblassung der Papil- len führen kann.

..,.. Am Netzhaut-Pigmentepithel in Form feiner, staubförmiger, zentra- ler und parazentraler Pigmentver- schiebungen.

..,.. An den Gefäßen in Form vor- übergehender Netzhautblutungen.

Prognose

Die Prognose bei der Ethambu- tol-bedingten Verschlechterung des Sehvermögens scheint folglich nicht so günstig zu sein, wie bisher angenommen. Es ist daher zu dis- kutieren, die Gabe von Ethambutol nach Ablauf von drei Monaten von täglich 25 Milligramm auf 20 Milli- gramm pro Kilogramm Körperge- wicht zu senken.

Modifizierte

antituberkulöse Medikation

Ethambutol ist ein hervorragend wirksames, erstrangiges Tuberku-

1546 Heft 21 vom 23. Mai 1974 DEUTSCHES ARZTEBLATT

losemittel, dessen Einsatz grund- sätzlich nicht eingeschränkt wer- den sollte. Andererseits darf die Gefahr irreparabler Nebenwirkun- gen am Auge auch nicht ignoriert werden. Deshalb wäre es wün- schenswert, mit einer kontrollierten Studie optimale Wirksamkeit und mindere Toxizität einer täglichen Ethambutoi-Dosis von 20 Milli- gramm pro Kilogramm Körperge- wicht zu überprüfen. Bis dahin liegt es im Ermessen des Therapeuten, wie er dosiert.

Wir verfahren in der Klinik ·häufig wie folgt: Während des initialen Therapie-Regimes, in dem eine Dreifachkombination von Mitteln ersten Ranges indiziert ist, wird an Stelle von Ethambutol Streptomy- cin verabreicht, also lsoniazid/Ri- fampizin/Streptomycin. Vom dritten bis sechsten Behandlungsmonat wird dann Streptomycin gegen Ethambutol ausgetauscht, und zwar in einer Dosierung von täglich 25 Milligramm pro Kilogramm Körper- gewicht, und erst im siebenten Be- handlungsmonat auf 20 Milligramm reduziert.

Dieses Vorgehen ermöglicht in der wichtigen Initialphase eine optima- le antituberkulöse Chemotherapie, ohne mit ihr ein erhöhtes Risiko an Nebenwirkungen eingehen zu müs- sen. Während der gesamten Medi- kation sind die Patienten regel- mäßig in vierwöchigen Abständen ophthalmologisch zu untersuchen;

außerdem ist zu Beginn der Be- handlung sowie in vierwöchigen Abständen die Nierenfunktion zu

kontrollieren.

Literatur bei den Verfassern

Anschriften der Verfasser:

Professor Dr. med. Hans Pau 4 Düsseldorf

Moorenstraße 5

Dr. med. Dietrich Reimers 565 Solingen-Aufderhöhe

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Danach fällt die Sonde in den ersten 10 000m mit einer annähernd gleichbleibenden Geschwindigkeit von 120km/h, wodurch er sich 5min nach dem Platzen bereits wieder unter 25

Verursacht schwere Augenreizung H319 H318 Verursacht schwere Augenschäden. A B Gefährlichkeitsgruppe

Es stellt sich damit die Frage, ab wann ein Umbau einer Maschine als Bau einer neuen Maschine gilt, welche der Maschinenrichtlinie unterliegt. Technik

Ätz-/Reizwirkung auf die Haut; Schwere Augenschädigung/-reizung Verursacht schwere Verätzungen der Haut und schwere Augenschäden. Sensibilisierung der Atemwege/Haut Kann

- Werden Reduktionsmittel verwendet, so ist unbeschadet der Gültigkeit anderer gemeinschaftlicher Rechtsvorschriften für die Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung

Zusätzliche Hinweise : Aufgrund der verfügbaren Daten sind die Einstufungskriterien nicht erfüllt Schwere Augenschädigung/-reizung : Kann vermutlich schwere

· 4.3 Hinweise auf ärztliche Soforthilfe oder Spezialbehandlung Keine weiteren relevanten Informationen verfügbar.. ABSCHNITT 5: Maßnahmen

Ist der Kanton Bern — falls Punkt 3 nicht in absehbarer Zukunft realisiert werden kann — bereit, bei den SBB vorstellig zu werden, damit auf der Achse Biel — La Chaux-de-Fonds via