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Archiv "Caritas und Diakonie: Erfolge in kleinen Schritten" (11.03.2005)

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T H E M E N D E R Z E I T

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A656 Deutsches ÄrzteblattJg. 102Heft 1011. März 2005

Arzt, dass er sehr persönlich ist. Gleich- zeitig muss er große Autorität ausstrah- len, eine Art Vaterfigur sein. Es wird meist vermieden, Schwerkranke über ihren wahren Zustand aufzuklären.

Man spricht eher mit den Angehörigen.

Überhaupt war eine ausführliche Auf- klärung noch vor kurzem in Russland eher unbekannt. Das ist aus russischer Sicht Barmherzigkeit. Ein offenes Ge- spräch, wie es in Deutschland üblich ist, wird deswegen von den meisten Russen als indiskret und „hart“ empfunden.

Dank oder Bestechung?

Ein typisches Bild: Angehörige von russischen Patienten „lauern“ den Ärzten in den Korridoren auf und ver- suchen, ihnen in der Hoffnung auf eine Sonderbehandlung Pralinen oder Sonstiges in die Hände zu drücken.

Dabei übertragen sie vertraute Rituale auf deutsche Realität. Denn russische Ärzte sind unterbezahlt und in der Regel hoffnungslos überarbeitet. Also

„kämpft“ man mit Geschenken und Geld um ihre Gunst. Im heutigen Russland ist das gängige Praxis und wird nicht als peinlich angesehen.

Doch was für einen Menschen mit sowjetischem Hintergrund Ausdruck seiner Dankbarkeit ist, ist für einen Deutschen als Bestechung inakzep- tabel. Die Ablehnung ihrer „Kleinig- keiten“ verstehen die Russen jedoch als Gleichgültigkeit oder sogar als

„Unmenschlichkeit“, und so fühlen sie sich in ihren Vorurteilen gegenüber deutschen Ärzten bestätigt.

Die Problematik der Kommunikati- on mit ausländischen Patienten ist kom- plex. Sie umfasst Aspekte wie das Ver- ständnis von Krankheit, die Einstellung zu psychosomatischen Diagnosen oder das Verhältnis Arzt–Patient. Ärzte, Helferinnen und Krankenhauspersonal können in interkulturellen Seminaren den Umgang mit Einwanderern erler- nen. Dies mindert Stress, spart Zeit und im Endeffekt auch Geld. „Miss- trauen ist ein Zeichen von Schwäche“, sagte Gandhi. Vor diesem Hinter- grund sollte man das Verhalten der russischen Migrantinnen und Migranten deuten. Dann ist der erste Schritt bereits getan. Dr. phil. Daria Boll-Palievskaya

D

ie Kinder und Jugendlichen, die wir hier betreuen, werden wohl kaum irgendwann anfangen, Me- dizin zu studieren und später Arzt wer- den“, sagte Sozialpädagoge Jörg Hans.

Der Leiter des Jugendservicecenters CariCasa in Neubrandenburg gibt sich keinen Illusionen hin: „Für uns sind die ganz kleinen Schritte schon große Er- folge.“ Wenn die Jugendlichen ihm oder seinen beiden Kollegen vertrauen und mit ihnen über ihre Probleme reden, erst dann könne man sie ganz behutsam wieder an einen einigermaßen geregel- ten Tagesablauf gewöhnen. CariCasa wurde vor einem Jahr eröffnet und wen- det sich an Schulverweigerer, Drogen konsumierende und straffällige Jugend- liche. „Schulaversion hat verschiedene Gründe“, so Hans, „CariCasa möchte gemeinsam mit den Jugendlichen diese Hintergründe aufarbeiten und sie wie- der in die Schule zurückführen. Denn Jugendliche ohne Schulbildung haben nur geringe Chancen auf eine Berufs- ausbildung. Somit droht ihnen der Weg in die Perspektivlosigkeit.“ Viele junge Menschen leisten in CariCasa auch Stunden ab, die ihnen von Gerichten auferlegt wurden. Die drei Sozial- pädagogen wüssten, wie man Jugendli- che ansprechen und mit ihnen reden müsse, sagt beispielsweise der 17-jähri- ge Sven*, der wegen Körperverletzung zu 58 Stunden gemeinnütziger Arbeit verurteilt worden war. Die sind inzwi- schen längst abgeleistet, dennoch kommt Sven immer noch täglich in das Jugendzentrum, um dort seine Freizeit zu verbringen.

Die Sozialpädagogen begleiten Jun- gen und Mädchen in Konfliktsituatio- nen, sie wollen ihnen helfen, ein eigen- ständiges Leben zu führen. Dabei wer- den auch die anderen Dienste im Cari-

tas-Haus wie die „Mobile Jugendar- beit“, die „Hilfe zur Arbeit“ und die Drogenberatungsstelle genutzt. Die Möglichkeit, Angebote, Hilfen und Un- terstützung aus einer Hand anzubieten, habe den Vorteil, dass junge Menschen kontinuierlich begleitet und betreut werden könnten, erläuterte Hans. Das Caritasprojekt wird von der „Aktion Mensch“ mitfinanziert, wodurch dieses zusätzliche Angebot der Jugendhilfe in Neubrandenburg geschaffen werden konnte.

CariCasa ist eine von zahlreichen Einrichtungen in den neuen Bundeslän- dern, in denen sich die kirchlichen Wohlfahrtsverbände Caritas und Dia- konie darum bemühen, benachteiligte Familien zu unterstützen. Ein weiteres Beispiel für ihr Engagement ist das Ju- gendhaus Dishley, eine Einrichtung für suchtmittelabhängige und -missbrau- chende Kinder und Jugendliche. Das im Jahr 2001 eröffnete Jugendhaus der Diakonie Stargard befindet sich am

Caritas und Diakonie

Erfolge in kleinen Schritten

Die kirchlichen Wohlfahrtsverbände bemühen sich darum, die Zu- kunftschancen von sozial benachteiligten Kindern zu verbessern.

*Namen von der Redaktion geändert

Die 15-jährige Lara* aus Hiddensee hat im Jugendhaus ihr Zimmer nach eigener Vorstel- lung dekoriert.

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Rande der kleinen Ortschaft Dishley im Landkreis Mecklenburg-Strelitz, sieben Kilometer von der nächstgrößeren Stadt Friedland entfernt. In dem Ju- gendhaus absolvieren zurzeit elf Jungen und zwei Mädchen eine vollstationäre Langzeittherapie.

Zugangsvoraussetzungen sind der vorausgegangene körperliche Entzug, die Akzeptanz der hausinternen Re- geln, wie die Gewalt- und Suchtmittel- freiheit, die Bereitschaft zur Teilnahme an einem Therapie- und Be-

treuungsprogramm sowie die Antragstellung und Bewilli- gung von Hilfeleistung beim zuständigen Jugendamt. Der Hilfeprozess ist in der Regel auf zwei Jahre ausgelegt. Der Leiter des Jugendhauses, Jo- sef Löbke, erläutert die ein- zelnen Phasen: Im Anschluss an eine so genannte Orien-

tierungsphase besuchen die Klienten zunächst den hausinternen Schulunter- richt, später Regelschulen oder berufli- che Ausbildungsstätten; sie müssen außerdem an den Therapien (Sport- und Bewegungstherapie, Entspan- nungstherapie, Ergotherapie und Ge- sprächstherapie) sowie an den täglichen Feedbackrunden teilnehmen. Es wird jedoch nicht nur Wert auf klare Gren- zen und enge Tagesstrukturen gelegt.

Wichtig ist es den Mitarbeitern vor al- lem, den Jugendlichen eine „Gruppen- atmosphäre von Geborgenheit, Wärme, Mitgefühl und vertrauensvollen per- sönlichen Kontakten zu bieten“. Dabei werde vorwiegend mit positiven Sank- tionen gearbeitet, sagte Löbke. Falls dies notwendig sei, könnten die Jugend- lichen im Anschluss an die Therapie in teilstationären Angeboten wie Außen- wohngruppen oder ambulant im El- ternhaus nachbetreut werden. Die me-

dizinische Betreuung sei unter anderem durch eine Kinder- und Jugendpsychia- terin gesichert, die einmal monatlich im Jugendhaus praktiziere. Löbke selbst leitet als Psychologischer Psychothera- peut die Gesprächstherapien. Der Er- folg bleibe nicht aus: Während die Abbruchquote zunächst 50 Prozent betragen habe, liege sie inzwischen bei nur noch 20 Prozent.

Die meisten der Bewohner des Ju- gendhauses Dishley hätten bereits

„starke Negativkarrieren“ mit einem Leben auf der Straße und Gefängnis- aufenthalten hinter sich, berichtete Löbke. Zwar seien durchaus nicht alle Klienten aus Familien in den unteren Einkommensschichten. Dennoch ist die Arbeitslosigkeit und die damit verbun- dene Abwanderung ein besonderes Problem in Mecklenburg-Vorpom- mern. So sind nach Angaben des Stati- stischen Bundesamtes in den Jahren 1990 bis 2003 127 669 Per- sonen aus Mecklenburg- Vorpommern abgewan- dert. Im Jahr 2003 entfie- len 78,1 Prozent aller Wan- derungsverluste auf die Altersgruppe der 15- bis 25-Jährigen, darunter vor allem Mädchen und junge Frauen. Zur Abwande- rung kommt außerdem noch der Geburtenrück-

gang hinzu. So heißt es in der Antwort der Bundesregierung auf eine große Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion zum Thema „Folgen der Abwanderung für die neuen Bundesländer“: „Die Struktur Kinder- und Jugendarbeit in den ostdeutschen Ländern wird in den nächsten Jahren mit dem Geburten- rückgang der ersten Hälfte der 90er- Jahre konfrontiert werden. Der Rück- gang der Zahl der Heranwachsenden wird bis 2009 andauern. Bis zu diesem Jahr wird die Anzahl der Jugendlichen bis auf 40 Prozent des Ausgangswertes zurückgehen.“

Und Hartmut Storrer von der Cari- tas Mecklenburg nannte vor Journali- sten alarmierende Zahlen: „Ein Drittel aller Kinder in Mecklenburg-Vorpom- mern wächst an der unteren Einkom- mensgrenze auf. 20 Prozent aller Elf- bis 14-Jährigen sind psychiatrisch behand- lungsbedürftig, 60 Prozent aller Elf- bis 14-Jährigen haben Rauschmittelerfah- rungen.“ Ein Drittel aller arbeitslosen Jugendlichen sei länger als ein Jahr oh- ne Arbeit. Im Jahr 2003 waren 43 935 Kinder und Jugendliche bis 25 Jahre auf laufende Hilfen zum Lebensunterhalt angewiesen gewesen, das sind 36,52 Prozent der Altersgruppe. „Vielen Fa- milien mit Einkommen steht allerdings noch weniger zur Verfügung als Sozial- hilfeempfängern“, sagte Storrer. Sein Fazit ist letztlich ernüchternd: „Die Per- spektiven der Jugendlichen liegen häu- fig außerhalb des Landes Mecklenburg- Vorpommern.“ Gisela Klinkhammer T H E M E N D E R Z E I T

Deutsches ÄrzteblattJg. 102Heft 1011. März 2005 AA657

Das Jugendhaus Dishley in Mecklenburg ist eine Einrichtung für suchtmittelabhängige und -miss- brauchende Jugendliche (oben). In einem reno- vierten Stallgebäude wurden eine Holzwerk- statt und ein Freizeitraum mit Fitnessgeräten eingerichtet.

Fotos:Karl-H.Prasmo

Entwicklung der Altersstruktur in Mecklenburg-Vorpommern

Jahr

unter 20 20–65 über 65

2001 20,8% 63,2% 16,1%

2005 17,5% 62,6% 19,8%

2010 14,3% 63,8% 21,9%

2015 15,5% 61,9% 22,6%

2020 15,9% 58,2% 25,6%

Quelle: Statistisches Bundesamt Mecklenburg-Vorpommern, Mai 2003

Anteil der Bevölkerung im Alter von . . . bis unter . . . Jahren

Referenzen

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