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Archiv "Streiktag" (07.04.2006)

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Streiks hatte man gelernt, dass es in erster Linie darauf ankam, den Einsatz von vertragsbereiten Ärzten, die die Krankenkassen von außerhalb als „Not- helfer“ verpflichteten, zu verhindern.

Mit den „Cavete-Listen“, die seit 1903 in jeder Ausgabe des „Ärztlichen Vereins- blattes für Deutschland“ veröffentlicht wurden, warnte der Hartmannbund Ärzte vor der Aufnahme einer kassen- ärztlichen Tätigkeit in den Orten, wo es Auseinandersetzungen zwischen Ärzten und Krankenkassen gab. „Möge ande- rerseits jeder deutsche Arzt, der auf seine und seines Standes Ehre hält, ein- gedenk bleiben seiner Pflicht, allen ärzt- lichen Kämpfern nach Kräften beizu- stehen, dass es nicht der Heimtücke rücklings etwa einbrechender Aerzte ge- linge, das Häuflein der Streiter schmäh- lich niederzumachen.“

Die kämpferische Entschlossenheit der Ärzte, die in dieser Textstelle zum Ausdruck kommt, mag mit ein Grund dafür gewesen sein, dass es den Kran- kenkassen in Köln trotz intensiver Bemühungen nicht gelang, für die medizinische Versorgung der Kölner Bevölkerung zu Beginn des Jahres 1904 eine ausreichend große Anzahl von

„Nothelfern“ zu rekrutieren. Ärztliche Streikbrecher hatten sicher mit ernsten Konsequenzen für ihre weitere beruf- liche Laufbahn zu rechnen, sodass die Behauptung der Streikführenden nicht unwahrscheinlich erscheint, dass sich unter den wenigen „Nothelfern“, die für Köln angeworben werden konnten, auch einige zwielichtige Elemente, die nichts zu verlieren hatten, befanden. Da die Krankenkassen die medizinische Versorgung in Köln – anders als zuvor behauptet – zu Beginn des Jahres 1904 nicht sicherstellen konnten und die Kölner Ärzte ihre Drohung wahr mach- ten und nur bei dringenden Notfällen tätig wurden, schritt bereits im Januar die Aufsichtsbehörde in Person des Re- gierungspräsidenten ein und verlangte von den Kölner Krankenkassen, binnen weniger Tage zusätzlich zu den bereits rekrutierten „Nothelfer“-Ärzten, die mit der Versorgung von mehr als 100 000 Versicherten völlig überfordert waren, noch mindestens dreißig weitere Ärzte einzustellen. Dieser Forderung konnten die Krankenkassen nicht nachkommen, und so wurde bereits Ende Januar 1904

auf Druck des Regierungspräsidenten ein Vertrag zwischen den Kölner Ärz- ten und den Krankenkassen abge- schlossen, mit dem die Forderungen der Streikenden weitestgehend erfüllt wurden: Alle in Köln niedergelassenen Ärzte, die Mitglied des Allgemeinen ärztlichen Vereins waren und sich des- sen Vorschriften über kassenärztliche Tätigkeit unterwarfen, wurden als Kas- senarzt zugelassen; das pauschale Ho-

norar pro Kassenmitglied wurde auf fünf Mark, bei Familienversicherung auf 15 Mark erhöht. Die ärztlichen „Not- helfer“ wurden aus ihren Dienstverträ- gen mit den Krankenkassen entlassen;

allerdings – und das bedeutete einen Wermutstropfen für die erfolgreichen Ärzte – musste der Allgemeine ärztliche Verein eine nicht geringe Abfindungs- summe über einen Zeitraum von fünf Jahren aufbringen. Thomas Gerst P O L I T I K

Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 14⏐⏐7. April 2006 AA893

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achdem auch ich mich dem Streiken hingegeben habe, nutze ich den späten Abend dazu, die Praxis aufzuräumen, liegen gebliebene Anfra- gen zu beantworten, überfällige exotische Diagnosen zu stellen. Weit komme ich nicht, es klingelt an der Praxistür; obwohl keine Sprechstunde ist, mache ich auf. Es könnte ja ein verantwortungsvoller Politiker vor mir stehen, frohe Kunde über Bürokratieabbau und wirtschaftliche Entlastung verbreitend. Aber es sind nur die frechen Neffen, die wissen wollen, warum ich streike. Etwas pikiert entgegne ich ihnen, dass Ärzte mittlerweile nicht mehr so viel verdienen wie Grundschullehrer, und das sei in Anbetracht der Verantwortung . . . „Wenn du so jemanden wie mich unterrichten müsstest, könnte das Schmerzensgeld gar nicht hoch genug sein“, kräht der jüngere Neffe. Ich sehe ein, dass diese Erklärung therapeutisch zwecklos ist und er- läutere ihnen, dass das Ansehen der niedergelassenen Ärzte unter das von Müllwerkern gesunken ist, dass wir . . . „Das geschieht euch ganz recht“, meint der ältere Neffe, „was glaubst du, wie oft ich nachts schon meinen

vollen Müllbeutel hinter eurem Tatütata hinterherwerfen wollte.“ – Das war wohl auch ein schräger Vergleich, der wenig geeignet war, der Jugend den ärztlichen Verdruss zu vermitteln. Also erkläre ich den Neffen, dass wir Ärzte am Wochenende für einen Notdiensteinsatz nur zehn Euro bekom- men würden, während andere, wie Sanitärinstallateure oder Fernsehrepa- rateure, für 50 Euro pro Stunde nicht mal mit den Füßen scharren würden.

„Der Fernsehmonteur kriegt meine Kiste wenigstens zum Laufen, Onkel Thomas. Und ehrlich gesagt: Wenn ihr so wenig Geld verdient, kann das, was ihr da macht, eigentlich auch gar nichts mehr taugen, hab’ ich Recht?

Oder willst du mir weismachen, ihr könntet von dem wenigen Geld noch EKGs oder Ultraschalls bezahlen?“ Jetzt reicht’s, ich habe die Schnauze voll und mache mit den Neffen das, was ich mit all den anderen, die mir das Leben schwer machen, nicht ma- chen darf: Ich schmeiße sie hochkant hinaus. Als die beiden die Praxis verlassen, ruft mir der Ältere hinter- her: „Hey, Onkel Thomas, hier steht ein Politiker, der will dich für deine Arbeit bezahlen und dir alle Geräte schenken, die du so brauchst!“

RAUS! Verarschen tu’ ich mich schon selbst.

Dr. med. Thomas Böhmeke

Streiktag

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