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Archiv "Neurologische Rehabilitation: Ausufernde Bürokratie" (04.08.2014)

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A 1366 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 111

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Heft 31–32

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4. August 2014

KOMMENTAR

Bettina Funke, Ärztin in Weiterbildung zur Allgemeinmedizinerin, Neuwied

A

uf dem Weg zur Fachärztin für Allgemeinmedizin habe ich nach fast dreijähriger Berufstätigkeit in Akuthäusern einen Teil der Weiterbil- dung in einer neurologischen Rehabili- tationsklinik absolviert. Dort wird nach dem Phasenmodell der neurologischen Rehabilitation vorgegangen: Jeder Pa- tient wird mit Hilfe einer Punkteskala in eine der Phasen Frühreha, B, C oder D eingestuft. Frühreha-Patienten kön- nen beispielsweise noch beatmet sein;

Frühreha und Phase B gelten abrech- nungstechnisch als Krankenhausbe-

handlung. Patienten der Phase C kön- nen sich überwiegend selbst versor- gen; Patienten der Phase D streben eventuell sogar wieder eine Berufstä- tigkeit an. Jeder Patient wird wöchent- lich erneut eingestuft und kann bei Verbesserung seines Zustandes einen

„Phasenwechsel“ erreichen.

Nach der Einarbeitung wurde ich zunächst auf einer „Phase C-D-Stati- on“ eingesetzt, lernte dort die Rehame- dizin und insbesondere die Rehabüro- kratie kennen. Letztere wurde während meines Einsatzes auf einer Phase- B-Station leider nicht weniger. Dort sind die Patienten beispielsweise noch stark durch Dysarthrien, Dysphagien, Plegien, Paresen, Kalottenentfernun- gen, vegetative Entgleisungen, Harn- und Stuhlinkontinenz beeinträchtigt.

Fachlich konnte ich viel lernen und sehr von der Zusammenarbeit mit den Physio- und Ergotherapeuten, den Lo- gopäden, Neuropsychologen und dem Sozialdienst profitieren.

Leider ist die Bürokratie aber auf ein malignes Maß ausgeufert. Zum bürokratischen GAU kommt es, wenn eine kurzzeitige Verlegung ins Akut- haus, die Rückübernahme in die Re- haklinik und der Phasenwechsel von B nach C zeitlich kurz aufeinander fol- gen. Dann diktiert man in kürzester

Zeit: Entlassungsbrief aus Phase B;

Aufnahmebrief, wenn der Patient aus dem Akuthaus zurückkommt; Entlas- sungsbrief aus der Phase B; Aufnah- mebrief für Phase C.

Aber schon der alleinige Phasen- wechsel von B nach C ist ein bürokra- tischer Gewaltakt, der alle Berufsspar- ten belästigt. Die Therapeuten müssen einen Abschlussbericht für Phase B und einen Aufnahmebefund für Phase C schreiben. Die Krankenpfleger legen eine neue Akte an. Die Patientenver- waltung legt einen neuen Fall im PC

an. Als Arzt fertigt man besagte Dikta- te an, muss eine neue Medikamenten- anordnung schreiben sowie ein erneu- tes Aufnahme-EKG und Aufnahme-La- bor anordnen. Bei zuvor unauffälligen Laborwerten habe ich Letzteres je- doch unterlassen.

Je nach Krankenkasse muss noch ein Antrag auf Verlängerung des Auf- enthaltes in Phase C gestellt werden.

Für noch nicht berentete Patienten im erwerbsfähigen Alter muss beim Eintritt in Phase C außerdem ein Reha-As- sessment erhoben werden, in welchem die Prognose für den Wiedereinstieg in den Beruf in den nächsten sechs Mo- naten abgegeben wird. Fällt das Reha- Assessment positiv aus, werden die weiteren Behandlungskosten von der Rentenversicherung getragen, so dass ein Kostenträgerwechsel erfolgt, der das Ausfüllen weiterer Formulare erfor- derlich macht.

Durch das Anlegen von neuen Fäl- len während des Aufenthaltes ein- und desselben Patienten wird dessen Akte im PC absolut unübersichtlich. Wichti- ge Dokumente, die zu Beginn des Auf- enthaltes eingescannt wurden, wie beispielsweise eine Betreuungsurkun- de oder eine Patientenverfügung, sind nur in der ersten Akte auffindbar. Will man die Einträge der Therapeuten zu-

rückverfolgen, um sich Fortschritte des Patienten zu vergegenwärtigen, muss man sich durch mehrere elek- tronische Akten klicken. Möchte man bei der Visite einen Blick in den Ver- lauf der angeordneten Medikamente werfen, so ist dies nicht möglich, da die erste Akte ja schon im Archiv liegt.

Vor dem Archivieren lief sie selbstver- ständlich durch die Dokumentations- kontrolle, in welcher die Einträge des Pflegepersonals spitzfindig auf mögli- cherweise fehlende Schlagworte, die im herrschenden Dokumentations-

wahn zwingend genannt werden müs- sen, durchsucht werden.

Die Behandlung in der Rehabilitati- onsklinik, in der ich gearbeitet habe, wird nach Tagessätzen abgerechnet.

Erscheint die Verlängerung des Auf- enthaltes für einen Patienten sinnvoll, so ist es ärztliche Aufgabe, eine Ver- längerung der Kostenzusage beim entsprechenden Kostenträger zu be- antragen. Obwohl ein Verlängerungs- antrag trotz der umfangreichen Anga- ben, die gefordert werden, für den

„Standard-Phase-B-Kassenpatienten“

schnell diktiert ist, gibt es je nach zu- ständiger Krankenkasse/Rentenversi- cherung doch wieder so viele Beson- derheiten, dass man auch bei den Ver- längerungsanträgen durchaus im Di- ckicht des bürokratischen Wahnsinns versacken kann.

Die Arbeit mit den schwerkranken Patienten hat mir Spaß gemacht. Lei- der bestand meine Arbeit jedoch zu einem so großen Teil aus sinnentleer- ter Bürokratie, dass für mich nach neun Monaten feststand, das System nicht mehr unterstützen zu wollen. Ob mein berufliches Ziel tatsächlich wei- terhin die Allgemeinmedizin sein kann, bleibt extrem kritisch zu hinterfragen, denn auch dort scheint die Bürokratie auszuufern.

NEUROLOGISCHE REHABILITATION

Ausufernde Bürokratie

T H E M E N D E R Z E I T

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