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Archiv "Rehabilitation/Behindertenrecht Flexibilisierung und weniger Bürokratie" (16.02.2001)

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ie Bundesregierung und die Spit- zenverbände der Träger der medi- zinischen und beruflichen Rehabi- litation erwarten einen wesentlichen Fortschritt in der Behinderten- und Re- habilitationspolitik im Zusammenhang mit der Neukodifizierung des gesamten Rehabilitations- und Behindertenrech- tes im Sozialgesetzbuch IX (SGB IX).

Hinzu kommt: Bei allen Rentenversiche- rungsträgern haben die Anträge, die Bewilligungen und die durchgeführten Maßnahmen der medizinischen Rehabi- litation seit dem dramatischen Einbruch nach In-Kraft-Treten der Seehofer-

„Spargesetze“ von 1996 wieder spür- bar zugenommen

und fast „Normal- rhythmus“ erreicht.

Obwohl die Re- geldauer bei der Durchführung der medizinischen Re- habilitationsmaß- nahmen zurückge- gangen ist, dürf- te nach den Pro- gnosen der Bun- desversicherungs- anstalt für Ange- stellte (BfA), Ber-

lin, die Zahl der Bewilligungsanträge auf Anschluss-Reha-Maßnahmen bis zum Jahr 2006 stetig wachsen, und zwar von 630 000 im Jahr 2000 auf rund 720 000 Maßnahmen im Bereich der BfA im Jahr 2006 (Grafik 1). Bei den LVAs lau- fen die Trends parallel.

Trotz zum Teil noch widriger finanzi- eller Rahmenbedingungen (Budgets!) bleiben die Experten der Bundesversi- cherungsanstalt für Angestellte für die

Zukunft verhalten optimistisch: Auf dem Gebiet der Rehabilitation kann sich das deutsche System im internationalen Ver- gleich dank seiner hohen Versorgungs- dichte, seines Spezialisierungsgrades und der engen Verknüpfung von medizini- scher und beruflicher Rehabilitation se- hen lassen. Der Präsident der BfA, Dr.

jur. Herbert Rische, Berlin, sagte anläss- lich des von 480 Rehabilitations-Medizi- nern, Klinikträgern, Verbands- und Ver- waltungsexperten sowie Ministerialbe- amten besuchten Rehabilitationsforums (am 1./2. Februar in Berlin): Einzelne Verfahren, die Zugangswege, die Trans- parenz und das Tempo der Leistungser-

bringung könnten mit vereinten Kräften verbessert werden. Allerdings müsse dies behutsam, kostenneutral und im Hin- blick auf die Beitragsstabilität mit Au- genmaß geschehen, eine unangenehme Nebenbedingung, wie Rische einräumte.

Schon in Vergessenheit geraten zu sein scheinen die dramatischen Auswir- kungen der Spargesetze von 1996 – des Wachstums- und Beschäftigungs-För- derungsgesetzes ebenso wie des Bei-

tragsentlastungsgesetzes –, als 30 Pro- zent des Marktanteils der Rehabilitati- onskliniken und -einrichtungen weg- brachen. Bis Ende 1997 betrugen die Belegungsrückgänge in den Rehabilita- tionseinrichtungen bereits mehr als 50 Prozent, wie Umfragen des Bundes- verbandes Deutscher Privatkrankenan- stalten e.V., Bonn, der BfA und der Landesversicherungsanstalt Westfalen, Münster, übereinstimmend ergaben (dazu DÄ 33/1998, „Politik“).

Dass die Zusammenführung des Rehabilitations- und Behindertenrechts im SGB IX auch materiell-rechtlichen Tiefgang und zum Teil strukturelle Än- derungen bewirken wird, verdeutlichte Bundesarbeitsminister Walter Riester (SPD). Vor dem BfA-Reha-Forum er- läuterte er die Ziele: Es soll die Selbstbe- stimmung und gleichberechtigte Teilha- be behinderter und von Behinderung be- drohter Menschen gefördert werden. An den bisher geltenden Grundsätzen der Rehabilitationspolitik soll nicht gerüttelt werden. Mit Flexibilisierung und einer Erweiterung der Träger soll der Verbund trägerübergreifend verdichtet werden (DÄ 6/2001, „Seite eins“). Im Mittel- punkt müsse die Selbstbestimmung und Hilfe zur Selbsthilfe stehen. Ziel sei es, dem seit 1994 im Grundgesetz Art. 3 Abs. 3 Satz 2 verankerten Benachteili- gungsverbot für behinderte Menschen nun endlich Geltung zu verschaffen.

Schlussgalopp

Herkules-Arbeit steht noch anlässlich der parlamentarischen Beratung von SGB IX bevor, dessen Entwurf am 19.

Januar in erster Lesung im Bundestag behandelt wurde; Ziel ist es, das Gesetz zum 1. Juli 2001 in Kraft zu setzen. Mit der Neukodifizierung des Rehabilitati- ons- und Behindertenrechts von SGB IX sollen die bisherige Unübersichtlich- keit der Vorschriften beendet und für mehrere Sozialleistungsbereiche ein- heitlich geltende Vorschriften in einem Gesetzbuch zusammengefasst werden.

So soll die bereichsübergreifende Gel- tung der bisher im ersten, im vierten und im zehnten Buch des SGB enthalte- nen Regelungen mehr Durchschlags- kraft und Transparenz erhalten. Um si- cherzustellen, dass neben der medizini- P O L I T I K

A

A368 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 7½½½½16. Februar 2001

Grafik 1

Medizinische Rehabilitation – Anträge und Bewilligungen

700 000————————————————————————————

600 000————————————————————————————

500 000————————————————————————————

400 000————————————————————————————

300 000————————————————————————————

200 000————————————————————————————

100 000————————————————————————————

0————————————————————————————

1995 1996 1997 1998 1999 2000

Quelle: A + E-Statistik der BfA, INFOSYS

– –GG Anträge – –GG Bewilligungen

Rehabilitation/Behindertenrecht

Flexibilisierung und weniger Bürokratie

Die Bundesregierung setzt mit der Neukodifizierung

des Rehabilitations- und Behindertenrechtes auf

mehr Flexibilisierung, Teilhabe und Selbstbestimmung

der Behinderten in Beruf und Gesellschaft.

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schen und beruflichen Rehabilitation ei- ne volle Teilhabe am beruflichen und gesellschaftlichen Leben für alle Betrof- fenen gewährleistet wird, werden erst- mals die Sozialhilfe und die öffentliche Jugendhilfe in den Kreis der Reha-Trä- ger einbezogen. Trotz dieser institutio- nellen Änderung bleibt es dort beim Grundsatz der Nachrangigkeit der Lei- stungen der Sozialhilfe, wo andere Sozi- alleistungsträger zuerst einspringen müssen. Hingegen soll nach dem Gesetz auf die Bedürftigkeitsprüfungen bei Leistungen der Sozialhilfe zur medizini- schen Rehabilitation und zur Teilhabe am Arbeitsleben verzichtet werden.

Künftig sollen auch mehr Wunsch- und Wahlrechte von Behinderten zum Zuge kommen. Dadurch sollen Eigen- verantwortlichkeit und Selbstbestim- mung gestärkt wer-

den. So werden sich die Rehabilitati- onsträger darauf einstellen müssen, dass die Rehabili- tanden und Behin- derten die Mög- lichkeit haben, als Leistungsberech- tigte künftig eine Geldleistung an- stelle der Sachlei- stung zu beanspru- chen. Allerdings ist

Voraussetzung, dass die Leistung eben- so wirksam und wirtschaftlich erbracht wird. Für Leistungen, die in Reha-Ein- richtungen erbracht werden müssen, besteht dieses Wahlrecht jedoch nur eingeschränkt.

Ein Novum ist auch die Einführung ei- nes persönlichen Budgets. Dieses ist eine Form der Ausführung als Geldleistung.

Da bisher nur wenig Erfahrung mit per- sönlichen Budgets gesammelt wurde, sollen die Rehabilitationsträger Modell- projekte entwickeln, um zu prüfen, ob sich solche Budgets eignen, und um fest- zustellen, wie die Budgets bemessen sein müssen. Flexibilisierung soll auch das neue Zuständigkeits-Erklärungsverfah- ren bringen, um die Leistungen ziel- und zeitgerecht zu erbringen – ohne dass der Betroffene in ein Kompetenz- und Ko- stengerangel der Träger gerät. Erfordert die Klärung der Zuständigkeit mehr Zeit, soll dies während der Rehabilitati-

onsphase erfolgen – nach dem Motto:

„Wer rasch hilft, hilft doppelt“, so Rie- ster. Hieran haperte es in der Vergangen- heit. Durch eine rasche Intervention und die Gewährleistung der Maßnahmen sol- len Folgekosten wegen Krankheit oder Behinderung abgewendet oder gemin- dert werden.

Ein bisheriger Streitpunkt zwischen den Verbänden der Kranken- und Ren- tenversicherungsträger waren die ge- planten gemeinsamen Servicestellen.

Den Reha-Trägern wird künftig ein Höchstmaß an Servicebereitschaft, Ko- operations- und Koordination abver- langt. Riester beschwichtigte: Es sollen dadurch keine neuen Verwaltungs- strukturen und Institutionen geschaffen werden. Es sei nicht beabsichtigt, neue Behörden und Strukturen aufzubauen.

Servicestellen seien lediglich ein zusätz- liches Angebot für die Betroffenen, um mühsame Behördengänge auszuschal- ten und mehr Transparenz zu schaffen.

Eine wohnortnahe ambulante Reha- bilitation sei der wohnortfernen und stationären Reha vorzuziehen. Dies er- fordert ein adäquates, gestuftes Versor- gungssystem der Rehabilitation nach folgenden Prioritäten: ambulant – teil- stationär – stationär. Riester bemängel- te, dass der Anteil der ambulanten Re- habilitation noch zu gering sei. Noch immer seien die Widerstände und Vor- behalte gegen eine fachübergreifende Frührehabilitation im Krankenhaus groß. Das Akutkrankenhaus müsse das erste Glied in der Rehabilitationskette bleiben. Die Rehabilitation sei keine Behandlungphase, die erst nach Ab- schluss der Akutbehandlung einsetzt.

So stelle denn auch das SGB IX sicher, dass die akut-stationäre Krankenhaus-

behandlung auch die erforderlichen frührehabilitativen Leistungen umfasst.

Die Bundesversicherungsanstalt hat sich offenbar weitgehend mit den politi- schen Absichten arrangiert. Alle müss- ten jetzt an einem Strang ziehen, dass das Projekt schnell wirksam umgesetzt wird, fordert der BfA-Präsident. Die Zu- gangswege müssten verkürzt werden, ohne neue Strukturen und Institutionen einzuführen. Für die Rentenversiche- rungsträger ist es ein Qualitätskriterium, dass die Rehabilitationsleistungen bür- gernah und effizient erbracht werden.

BfA hat sich arrangiert

Die Rentenversicherungsträger und die Krankenkassen beanspruchen ihre Ge- staltungs- und Entscheidungsspielräume ebenso wie die Rechte der Selbstverwal- tung bei der Planung und Koordinierung der Leistungen. Skeptisch beurteilt die BfA die Einbeziehung der Länder und der Wohlfahrtsverbände in die Versor- gungsplanung. Rische zum Deutschen Ärzteblatt: „Dies ist ein eher kritischer Punkt des gesamten Gesetzesvorhabens von Bundesarbeitsminister Riester.“

Nach Einschätzung der Leitenden Ärztin der BfA, Dr. med. Christiane Korsukéwitz, hat das seit 1. Januar 2001 geltende Erwerbsminderungsrecht kei- ne gravierenden Auswirkungen auf die Rehabilitation. Allerdings ist es ein No- vum, dass die bisher vierstufige Beurtei- lung des Leistungsvermögens jetzt durch eine dreistufige Einteilung ersetzt wird und sich hinsichtlich der Erwerbsminde- rung grundsätzlich auf den allgemeinen Arbeitsmarkt bezieht. Es gilt allerdings ein Bestandsrecht für den Berufsschutz aller Versicherten, die vor dem 2. Januar 1961 geboren sind. Die Sozialmediziner und Reha-Experten berichteten, dass sich das vor zwei Jahren von der BfA gestartete Programm zur intensivierten Rehabilitationsnachsorge inzwischen bewährt hat. Seit Anfang 2001 hat die BfA das Nachsorgeprogramm auch für Stoffwechselerkrankungen einschließ- lich Diabetes mellitus erweitert. Das bisher auf somatische Indikationsberei- che beschränkte Nachsorgeprogramm ist inzwischen auch auf die Rehabilitan- den mit psychischen Störungen erwei- tert worden. Dr. rer. pol. Harald Clade P O L I T I K

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A370 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 7½½½½16. Februar 2001

Grafik 2

Indikationen in der medizinischen Rehabilitation 1997 und 2000

60 % ——————————————————————————————

40 % ——————————————————————————————

20 % ——————————————————————————————

0 % ——————————————————————————————

Muskeln, Skelett, Neubildungen Herz-Kreislauf- Psychische Bindegewebe Erkrankungen Erkrankungen

Quelle: A + E-Statistik der BfA, INFOSYS

I I1997 I I 2000 42

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18 17

14 10 11 12

Referenzen

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