Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 25⏐⏐22. Juni 2007 A1785
A K T U E L L
Dass die Placebo-Wirkung bei der Therapie von Krankheiten oft so er- folgreich sei, liege sicherlich an der damit verbundenen menschlichen Zuwendung, sagte der Arzt und Ka- barettist Eckart von Hirschhausen beim 31. Deutschen Evangelischen Kirchentag in Köln. Und damit hatte er den Bogen von der Kirche zur
Gesundheitspolitik geschlagen. Der Kranke bleibe ein Mensch, der Hilfe, Pflege und Zuwendung brauche, meinte auch der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Bischof Wolfgang Hu- ber. Er konnte sich noch erinnern,
„wie evangelische Krankenhäuser ein unverkennbares Profil hatten“.
Doch heutzutage werde Geld zu- nehmend zum Medium der Nächs- tenliebe. Huber äußerte die Auffas- sung, dass die Rationalisierung im Krankenhaus nach dem Muster der diagnoseorientierten Fallpauschalen nicht das letzte Wort haben dürfte.
„Ist es noch hinzunehmen, wenn wir von blutigen Entlassungen reden?“, fragte er. Der Ratsvorsitzende kriti- sierte in diesem Zusammenhang auch die häufig fehlende Zuwen- dung zu Kindern und dass Ge- spräche mit Sterbenden nicht mehr in die Fallkalkulation aufgenommen würden. Er fragte aber auch, ob Ärz- te und Pflegepersonal durch zu schlechte Bezahlung und zu viele Überstunden nicht demotiviert wür- den. Letztendlich werde der Patient zunehmend als Kunde betrachtet, der eine Leistung in Anspruch neh- me. Dabei sei er nicht nur Kunde, sondern benötige in erster Linie Zu- wendung. Ob die Politik die mah- nenden Worte des Bischofs um- setzt, bleibt fraglich. Immerhin for- derte der Staatssekretär im Bun- desgesundheitsministerium, Klaus Theo Schröder, ebenfalls mehr „Mit- menschlichkeit und Nächstenliebe“.
RANDNOTIZ
Gisela Klinkhammer
Menschliche Zuwendung
HARTMANNBUND
Protesttag für die PJ-Vergütung
Eine Vergütung in Höhe von min- destens 400 Euro monatlich fordern die Medizinstudenten im Hartmann- bund für die Tätigkeit im praktischen Jahr (PJ). Die Zeiten der Ausnutzung
von PJlern als „biologische Haken- halter“ oder „Blutzapfmaschinen“
müssten endgültig vorbei sein, hieß es beim Protesttag am 13. Juni vor der Charité in Berlin. Die PJler, Kli- niker und Vorkliniker sammelten dort mehr als 100 Unterschriften für ihr Anliegen.
Die Universitätskliniken und aka- demischen Lehrkrankenhäuser soll- ten sich ein Beispiel am privaten Kli- nikkonzern Helios nehmen, betonte Fabian Spies, Medizinstudent im Hartmannbund. Helios zahlt Medi- zinstudierenden im praktischen Jahr seit Ende 2006 eine monatliche Auf- wandsentschädigung in Höhe von 400 Euro. Priv.-Doz. Dr. med. Parwis Fotuhi, Leiter der Helios-Akademie, berichtete, dass die Nachfrage nach PJ-Plätzen im Konzern seitdem zuge- nommen habe. Da die Vergabe der PJ- Plätze jedoch durch die Universitäten gesteuert werde, sei die Zahl der PJler im Konzern allerdings konstant. JF
Verbraucher und Umwelt besser vor gefährlichen Stoffen und Zuberei- tungen zu schützen, ist das Ziel der neuen europäischen Chemikalien- verordnung „Reach“. Sie ist am 1. Juni in Kraft getreten. Darauf hat das Bundesinstitut für Risikobewer- tung hingewiesen.
„Reach“ steht für die Regis- trierung, Bewertung und Zu- lassung von Chemikalien. Bis zum Jahr 2018 müssen Her- steller und Importeure stufen- weise rund 30 000 auf dem Markt befindliche Chemikali- en und deren Verwendungsbe- reiche bei einer neuen eu- ropäischen Agentur registrie- ren lassen. Besonders gefähr- liche Stoffe unterliegen einem Zulassungsverfahren.
Außerdem müssen Hersteller künftig nachweisen, dass die von ih- nen verwendeten Stoffe die Ge- sundheit von Verbrauchern nicht ge- fährden. Die Pflicht zur Information sei zwar deutlich erweitert worden, greife aber nicht in allen Fällen, er- läuterte das Bundesinstitut. „Auch
die Kontrolle von Importprodukten auf mögliche Risiken wird lücken- haft bleiben.“
Die Bundesärztekammer hatte sich 2005 dafür ausgesprochen, die neue Chemikalienverordnung nicht mit Rücksicht auf die Industrie zu stark zu verwässern. Der damalige
Vorsitzende des Ausschusses für Umwelt und Gesundheit, Prof. Dr.
med. Heyo Eckel, hatte darauf ver- wiesen, dass von vielen Fertiger- zeugnissen wie Textilien, Lacken oder Spielwaren gesundheitliche Risiken ausgingen. Eckel hatte da- mals ein einfaches Kennzeich- nungssystem gefordert. Rie CHEMIKALIENVERORDNUNG
Neue Zulassungsvorschriften in der EU
Foto:Jürgen Gebhardt Foto:Vario Images