A 314 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 108|
Heft 7|
18. Februar 2011H
ausbesuche sind arbeits- und zeitintensiv und verlangen insbesondere in der Einzelpraxis von Ärztinnen und Ärzten beträcht- liches Organisationstalent. Vergütet wurde dieser Einsatz in Alten- und Pflegeheimen oder bei den Patien- ten zu Hause bisher mit 15,42 Euro – viel zu wenig, wie die meisten be- troffenen Ärzte fanden.Jetzt haben sich die Kassenärztli- che Bundesvereinigung (KBV) und die Krankenkassen darauf geeinigt, die Vergütung für Heim- und Haus- besuche deutlich anzuheben. Künf- tig gibt es für jeden ersten Besuch 21 Euro und für einen Mitbesuch 10,51 Euro statt bisher 7,54 Euro.
Zudem wird das Honorar für die Haus- und Heimbesuche aus den Regelleistungsvolumina herausge- löst und zum vollen Preis der Euro- Gebührenordnung erstattet.
„Fürs Erste können wir mit die- sem Ergebnis zufrieden sein. Das ist eine deutliche Anhebung um mehr als 40 Prozent“, meint KBV-Vor- stand Dr. med. Carl-Heinz Müller.
Angesichts der demografischen Ent- wicklung und der Zunahme von
Singlehaushalten sei es wichtig, die Hausbesuche zu fördern. Langfristig rechne sich das sogar für die Kran- kenkassen, weil durch eine umfas- sende und kontinuierliche ambulante Betreuung der Patienten die Zahl der Krankenhauseinweisungen sinke.
Das gelte insbesondere auch für Pa- tienten in Alten- und Pflegeheimen.
Leistung muss sich lohnen Die Freude über die Honorarsteige- rung ist allerdings nicht ungetrübt.
Kritik kam unter anderem vom Be- rufsverband der Deutschen Urologen (BDU), der Kassenärztlichen Verei- nigung (KV) Hamburg und der KV Berlin. Die KV Hamburg bezeichne- te den Beschluss von KBV und Kas- sen als Mogelpackung. Die Hausärz- te müssten die Honorarverbesserun- gen aus eigener Tasche finanzieren, weil das Regelleistungsvolumen ent- sprechend gesenkt werde, um die Haus- und Heimbesuche zu fördern.
„Wenn freie Leistungen im Vorweg- abzug die Regelleistungsvolumina schmälern, machen sie keinen Sinn“, sagt auch BDU-Präsident Dr. med.
Axel Schroeder. Aus demselben
Grund bezeichnet die Vorsitzende der KV Berlin das Verhandlungser- gebnis als enttäuschend. Seit Jahren verlange die KV Berlin, die Hono- rierung der Haus- und Heimbesuche zu verbessern – und zwar mit zusätz- lichen Mitteln, erklärte Dr. med. An- gelika Prehn, „nicht durch die Ver- schiebung bereits vorhandener Ver- gütungssummen“.
„Es ist richtig, dass sich die Stei- gerung auf die Regelleistungsvolu- mina auswirkt“, räumt KBV-Vor- stand Müller ein. Man dürfe jedoch nicht vergessen, dass das Regelleis- tungsvolumen nicht gleichbedeu- tend sei mit dem Umsatz der Praxis.
In einer Hausarztpraxis liege der durchschnittliche Fallwert bei etwa 50 Euro. Bei älteren Patienten könne dieser sogar zwischen 70 und 200 Euro betragen, je nachdem, wie in- tensiv der Patient betreut werden müsse. Zugleich verteidigt Müller den Beschluss von KBV und Kas- sen: „Wir wollen und werden diffe- renzieren zwischen Praxen, die die intensiven Haus- und Heimbesuche tätigen und Praxen, die das nicht tun.“ Es sei wichtig, dass diejenigen, die solch aufwendige Leistungen er- bringen, bessergestellt würden.
Allerdings ist die finanzielle För- derung der Haus- und Heimbesuche nach Ansicht von Müller nur ein erster Schritt: „Wenn man eine kon- tinuierliche Betreuung haben will, auch nachts und an den Wochenen- den, dann muss man ein Netzwerk aufbauen.“ Hier eröffne sich ein Feld für Add-on-Verträge zwischen KVen und Krankenkassen. Ein sol- cher Vertrag existiere aber bislang nur in Bayern.
Ohne die KV ist in Baden-Würt- temberg der Vertrag „Integrierte Ver- sorgung Pflegeheim“ gestartet. Er setzt auf dem Hausarztvertrag von AOK, Medi-Verbund und Hausärz- teverband auf. Ziel ist es, Versor- gungsnetzwerke zwischen Ärzten und Pflegeeinrichtungen zu bilden, um die medizinische Betreuung zu verbessern und unnötige Kranken- hauseinweisungen zu vermeiden.
Der AOK zufolge erhalten die Ärzte für ihre Leistungen gesonderte Pau- schalen von durchschnittlich 80 Euro je Versicherten und Quartal. ■
Heike Korzilius
VERTRAGSÄRZTLICHE VERGÜTUNG
Mehr Geld für Hausbesuche
Hausbesuche und Besuche in Alten- und Pflegeheimen werden vom 1. April an deutlich besser vergütet. Kritiker monieren allerdings, dass das Honorarplus aus der Gesamtvergütung finanziert werden muss.
Foto: ddp