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Archiv "Gesundheitliche Risiken bei der NMR-Tomographie?" (19.03.1986)

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Gesundheitliche Risiken

bei der NMR-Tomographie?

Helmut Gremmel, Henning Wendhausen und Frauke Wunsch

Aus der Radiologischen Klinik

(Direktor: Professor Dr. med. Helmut Gremmel) der Christian-Albrecht-Universität zu Kiel

Bei Menschen und Tieren sind im statischen Magnetfeld Temperatur- und Durchblutungsänderungen festgestellt worden. Über eine poten- tielle Gefährlichkeit für den Menschen kann man allerdings auf- grund der bisherigen Ergebnisse noch keine Aussage treffen. Eine weitere Erforschung biologischer Effekte ist deshalb notwendig.

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Aktuelle Medizin

Zur Fortbildung

N

ach dem Erscheinen unserer Mitteilung über Temperatur- veränderungen in statischen Ma- gnetfeldern hat es verschiedent- lich kontroverse Diskussionen über biologische Effekte bei der Kernspinresonanz-Tomographie in Zeitschriften und Zeitungen ge- geben.

Obwohl unsere Untersuchungen zu diesem Themenkreis noch nicht abgeschlossen sind und ein- deutige Endergebnisse noch nicht vorliegen, möchten wir trotzdem über bisherige Zwischenergebnis- se berichten.

Die heute verfügbaren Informatio- nen über biologische Reaktionen in statischen Magnetfeldern, wie sie bei der NMR-Tomographie An- wendung finden, erlauben dem Arzt eine individuelle Risiko-Nut- zen-Abschätzung bei der Anwen- dung dieses neuen und vielver- sprechenden bildgebenden Ver- fahrens.

Temperaturveränderungen in statischen Magnetfeldern In Magnetfeldern ab 0,3 Tesla las- sen sich Änderungen der mensch- lichen Hauttemperatur um einige Grad Celsius deutlich nachweisen (1, 2). Beobachtet werden Tempe- raturabnahmen über Hautbezir- ken, bevorzugt über Muskeln, und manchmal die Erwärmung ober- flächennaher Venen.

Diese Reaktionen treten einige Mi- nuten nach Einwirken des Feldes auf, erreichen dann innerhalb von etwa 15 bis 20 Minuten eine Sätti- gung und sind nicht immer direkt reversibel. Temperaturänderun- gen der beobachteten Art und Größe sind an sich nicht unge- wöhnlich oder gefährlich und kön- nen auch durch vielfältige andere äußere Einflüsse (zum Beispiel Zugfluft) erzeugt werden.

Interessanter und aufschlußrei- cher ist der Mechanismus, der die- Die Kernspinresonanzto-

mographie (NMR) gilt als nicht-invasive Methode, die, lege artis angewandt, mit kei- nerlei Schäden für den Men- schen verbunden ist. Nur ver- einzelt wird im Schrifttum (Graul: Kernspinresonanzto- mographie quo vadis, DEUT- SCHES ÄRZTEBLATT 1984;

Gremmel: verschiedene Mit- teilungen) darauf aufmerk- sam gemacht, daß bisher fundierte Untersuchungen fehlen, die Schäden aus- schließen. Theoretisch kann man sich durchaus vorstel- len, daß besonders bei ho- hen Feldstärken biologische Veränderungen im Gewebe auftreten.

In diesem Zusammenhang ist interessant, daß das Bun- desgesundheitsamt (BGA) Feldstärken bis 2 Tesla zu- läßt. Offenbar ist das BGA der Meinung, daß Schädi- gungsmöglichkeiten über 2 Tesla hinaus zur Zeit noch nicht ausgeschlossen wer- den können. Die bislang im Betrieb befindlichen MR-To- mographen arbeiten mit Stärken des (statischen) Ma- gnetfeldes um 0,3 Tesla. Die neue Generation der NMR-Tomographen, als Kryomagneten betrieben, ar- beiten mit 0,5 bis 1,5 Tesla.

Der Trend geht aber zu noch höheren Feldstärken. Grem- mel und Mitarbeiter haben wiederholt auf die gesund- heitlichen Risiken bei der MR-Tomographie hingewie- sen und um Veröffentlichung der nachfolgenden Arbeit ge- beten, die hiermit zur Diskus- sion gestellt wird.

Rudolf Gross

Ausgabe A 83. Jahrgang Heft 12 vom 19. März 1986 (45) 789

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

NMR-Tomographie

se Änderungen verursacht. Die Langzeiteinwirkung des Feldes (einige Stunden) verursacht bei Mäusen, abhängig von ihrer Lage im Feldgradienten, reversible Än- derungen der Temperatur der Haut, des subkutanen Gewebes und der Kerntempertur (3). Auch bei Tauben lassen sich ähnliche Effekte nachweisen (4).

Prinzipiell sind Temperaturände- rungen entweder durch Durchblu- tungs- oder Stoffwechseländerun- gen zu erklären. Für letztere fan- den sich keine Hinweise, so daß wir in der Folge die Durchblutung mit und ohne Magnetfeld der Be- obachtung unterzogen.

Durchblutungsänderungen in statischen Magnetfeldern Experimentell einfach zugänglich sind die Gefäße in der Schwimm-

haut des Frosches. Bei noch nicht abgeschlossenen Untersuchun- gen (5) zeigen sich dort in Arterio- len im 0,4 Tesla Feld erhebliche Durchblutungsänderungen. In den Arteriolen senkrecht zum Magnet- feld verringert sich der Blutfluß; es

kommt oft zu einer Anlagerung der Erythrozyten in Form einer Geldrolle mit nachfolgendem Ge- fäßverschluß, der während der Un- tersuchungsdauer (20 bis 30 Minu- ten) nicht reversibel ist. Parallel zum Feld beschleunigt sich der Blutfluß.

Dieses Verhalten ist auf kleine pul- sierende Arteriolen mit einem Durchmesser von 1 bis 3 Erythro- zyten beschränkt. Dabei bildet die Magnetflußdichte von 0,32 Tesla die Grenze für Gefäßverschlüsse.

Bei geringerem Feld bis um 0,3 Tesla tritt nur eine reversible Ver- langsamung des Flusses auf und unterhalb von 0,3 Tesla ist dieser Effekt — ähnlich wie die Hauttem- peraturänderungen beim Men- schen — nicht mehr bei allen Frö- schen zu beobachten.

Selektive Durchblutungsänderun- gen können wiederum zwei Ursa- chen haben: Eine Veränderung

der Gefäßdurchmesser oder direk- te physikalische Einwirkungen des Magnetfeldes auf das Blut oder dessen Bestandteile. Der Durch- messer der Gefäße in der Frosch- schwimmhaut ändert sich inner- halb der Meßgenauigkeit (10 Pro- zent) nicht. Dies spricht für eine direkte physikalische Feldeinwir- kung. Magnetische Flußdichten von 0,3 bis 0,4 Tesla scheinen Quasigrenzen für das Auftreten verschiedener Effekte zu sein, was für eine nichtlineare Wirkung der Felder spricht.

Nichtlinear, nämlich dem Quadrat der Magnetfeldstärke proportio- nal, sind die Kräfte, die ein Ma- gnetfeld auf Moleküle oder Mole- külgruppen mit magnetischer Anisotropie ausübt. Die Nichtli- nearität ist also ein weiteres Indiz für eine direkte Feldwirkung auf das Blut.

Hinweise auf Wirkungen dieser Art findet man in einer älteren Arbeit (6), die das Ausrichten mensch- licher Sichelzellerythrozyten im 0,35 Tesla Magnetfeld beschreibt.

Eine Ausrichtung dieser Art könn- te zum Beispiel zu Viskositätsän- derungen in kleinen Gefäßen füh- ren. Bereits 1940 fand man eine Änderung der Senkungsgeschwin- digkeit des Blutes im Magnetfeld und schreibt den geldrollenartig angelagerten Erythrozyten ein re- sultierendes magnetisches Mo- ment in Rollenrichtung zu (7).

Die Orientierung von Makromole- külen und Molekülgruppen mit räumlich ungleich verteilter ma- gnetischer Suszeptibilität, wie zum Beispiel bei Nukleinsäuren, ist seit längerer Zeit bekannt (8). In diesen Fällen waren die Magnet- felder jedoch größer als 1 Tesla und bewirkten nur eine Teilaus- richtung.

Bei Feldern ab 0,4 Tesla potentielle Gefährdungen?

Der Mensch hat für magnetische Felder, ähnlich wie für ionisieren- de Strahlen, kein Empfangsorgan

und spürt momentan in der Regel keine Feldwirkung. Das beweist al- lerdings nicht, daß es keine biolo- gischen Wirkungen statischer Ma- gnetfelder gibt.

Die beim Frosch ab 0,4 Tesla be- obachteten massiven Durchblu- tungsänderungen könnten, wären sie auf den Menschen übertrag- bar, durchaus mittel- oder langfri- stig zu unerwünschten Nebenwir- kungen führen. Falls solche Wir- kungen zeitlich versetzt sichtbar werden oder wurden, ist ihre ur- sächliche Zuordnung zum Ma- gnetfeld problematisch und bisher wenig wahrscheinlich.

Die Übertragbarkeit der Ergebnis- se am Frosch auf den Menschen ist wegen der großen Unterschie- de zum Beispiel bei den Erythro- zyten fraglich; die beim Men- schen und bei Tieren beobachte- ten Temperaturänderungen wür- den sich jedoch dadurch erklären lassen.

Nach unserem heutigen Wissen scheinen statische Magnetfelder unter 0,3 Tesla keine potentiell ge- fährlichen biologischen Wirkun- gen zu verursachen, während sie bei Feldern ab 0,4 Tesla nicht aus- zuschließen sind.

Eine relative Kontraindikation

Schon bekannte Durchblutungs- störungen bei einem Patienten sollten daher eine Kontraindika- tion für eine Kernspinresonanzto- mographie mit Magnetfeldern über 0,3 Tesla darstellen, wenn die Klärung eines Krankheitsbildes mit anderen bildgebenden Verfah- ren gestellt werden kann.

Auch das Personal sollte — bis zu einer weiteren Klärung der offe- nen Fragen — die direkte Nachbar- schaft eines Hochfeldmagneten meiden. Bei normaler Lagerung eines Patienten kann im Bereich der Magnetöffnung ein Gradien- tenfeld bis zur Hälfte des Betriebs- feldes auftreten.

790 (46) Heft 12 vom 19. März 1986 83. Jahrgang Ausgabe A

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

NMR-Tomographie

Grundlagenforschung noch nicht intensiv genug Es ist nicht unser Ziel, unbegrün- dete Angst vor der Anwendung ei- nes nützlichen neuen bildgeben- den Verfahrens zu erzeugen. Bei Weichteilkontrasten, die teilweise gegenüber dem Computertomo- graphen um 70- bis 700fach höher sind, sind schon jetzt und werden sicherlich in Zukunft noch weitere diagnostische Fragen nur mit Hilfe der NMR-Tomographie beantwort- bar sein (9).

Andererseits beweisen die Experi- mente unserer und anderer Ar- beitsgruppen, daß mit der Kern- spinresonanztomographie eine hochentwickelte Medizintechnik am Patienten zur Anwendung ge- langt, bevor alle notwendigen bio- logischen Untersuchungen über

potentielle Auswirkungen dieser Technik durchgeführt worden sind. So hat das Bundesministeri- um für Forschung und Technolo- gie die Entwicklung der NMR- Technik mit erheblichen finanziel- len Mitteln unterstützt, was in eini- gen Fällen auch zu technischen beziehungsweise diagnostischen Innovationen führte. Die primär wichtige Grundlagenforschung, wie weit diese Technik überhaupt gefahrlos angewendet werden kann, ist lange nicht intensiv ge- nug unterstützt worden, oder hat, falls doch ausreichende Mittel ver- geben wurden, bisher keine klä- renden Ergebnisse erbracht.

Literaturauswahl

(1) Gremmel, H.; Wendhausen, H.; Wunsch, F.: Biologische Effekte statischer Magnetfel- der bei NMR-Tomographie am Menschen.

Wissenschaftliche Mitteilung der Christian-Al- brecht-Universität Kiel, Radiologische Klinik,

August 1983 (2) Wunsch, F.: Untersuchun- gen thermischer Änderungen durch statische Magnetfelder auf den lebenden Organismus.

Diplomarbeit der Mathematisch-Naturwissen- schaftlichen Fakultät der Universität Kiel, De- zember 1984 (3) Sperber, D.; Oldenbourg, R.; Dransfeld, K.: Magnetic field induced tem- perature change in mice. Naturwissenschaften 71 (1984) 100-101 – (4) Maret, G.: Max-Planck- Institut für Festkörperforschung Grenoble, noch unveröffentlicht – (5) Grohmann, J.;

Tesch, C.: Dissertationen der Medizinischen Fakultät der Universität Kiel in Arbeit– (6) Mu- rayama, M.: Orientation of sickled erythrocytes in a magnetic field. Nature 206 (1965) 420-422 – (7) Lenzi, M.: Biologische Wirkungen ma- gnetischer Felder. Strahlentherapie 67 (1940) 219-250 – (8) Maret, G.; v. Schickfus, M.;

Mayer, A.; Dransfeld, K.: Orientation of nucleic acids in high magnetic fields. Phys. Rev. Lett.

35 (1975) 397-400 – (9) Gremmel, H.: NMR- Diagnostik, in der Strahlentherapie. Strahlen- therapie 161 (1985) 506-510.

Anschrift für die Verfasser:

Professor Dr. med.

Helmut Gremmel Radiologische Klinik der Universität Kiel Arnold-Heller-Straße 9 2300 Kiel 1

ÜBERSICHTSAUFSATZ

D

er Mensch ist wie alle Lebe- t...! wesen und sonstigen biologi- schen Systeme in seiner Umwelt dem Einfluß elektrischer, magne- tischer und elektromagnetischer Felder ausgesetzt. Diese Felder sind natürlichen oder techni- schen Ursprungs. Sie können ei- ne fördernde, hemmende oder schädigende Wirkung ausüben oder indifferent bleiben. Ent- scheidend für eine biologische Wirkung sind Frequenz, Intensität und Einwirkungszeit. Mit Ausnah- me des sichtbaren Lichts hat der Mensch kein Organ zur spezifi- schen Wahrnehmung dieser Fel- der.

Natürliche und technische elektromagnetische Felder Die natürlichen elektromagneti- schen Felder sind zurückzuführen auf meteorologische, atmosphäri- sche und kosmische Vorgänge.

Das Magnetfeld der Erde ist ein Gleichfeld in der Größenordnung von 0,04 mT, das durch meteorolo- gische Aktivitäten und Einflüsse aus dem Weltall Schwankungen unterliegt.

Das elektrische Feld der Erde ist örtlichen und räumlichen Schwan- kungen unterworfen und beträgt als Schönwetterfeld etwa 0,1

Da der elektrische Strom als wich- tigste, sicherste und sauberste Energiequelle in unserem Leben und unserer Umwelt nicht verzicht- bar ist, wird ein Überblick über die biologische Wirkung der von der elektrischen Energieversorgung ausgehenden Felder gegeben.

kV/m. Durch Niederschläge und Schlechtwetter kann es von den Schönwetterwerten um 4 kV/m ab- weichen. Bei Gewitterstörungen können Feldstärken zwischen 3 und 30 kV/m auftreten. Es gesche- hen weltweit pro Sekunde etwa 100 bis 200 Blitzentladungen, die von Gewittern irgendwo auf der Erde ausgehen.

Die elektromagnetischen Signale (Atmospherics genannt) bedingen im wesentlichen die Schwankun- gen der natürlichen elektroma- gnetischen Felder. Es gibt nach dem derzeitigen Stand unseres Wissens keine biologischen Reak-

Elektromagnetische Felder:

Eine unsichtbare Gefahr?

Rudolf Hauf

Aus der Forschungsstelle für Elektropathologie, Freiburg (wissenschaftlicher Leiter: Professor Dr. med. Rudolf Hauf)

Ausgabe A 83. Jahrgang Heft 12 vom 19. März 1986 (49) 791

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