DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
AUSSPRACHE
Stellungnahme
Das hohe diagnostische Potential der Kernspintomographie (MRI) und der In-vitro-Spektroskopie be- dingt eine rasche Verbreitung der- artiger Anlagen. Dennoch erzwin- gen die hohen Anforderungen an die Zuverlässigkeit, Sicherheit und Risikofreiheit medizinisch-techni- scher Anlagen profunde Kenntnis- se über die Wirkung magnetischer und elektromagnetischer Felder auf den menschlichen Organis- mus. Von Interesse sind dabei sta- tische und dynamische Magnetfel- der sowie hochfrequente elektro- magnetische Felder unter den Be- dingungen der Teil- und Ganzkör- perexposition. Sieht man von der Wirkung auf Metallprothesen, chirurgische Clips und Schrittma- cher ab, so sind bei den zur Zeit verwendeten Feldstärken und Hochfrequenzenergien keine ge- sundheitlichen nachteiligen Wir- kungen nachweisbar. Neben mög- lichen biologischen Effekten, wie visuelle Sensationen sowie rever- siblen EKG-Veränderungen, wur- de in unseren Experimenten der Frage nachgegangen, ob die ver- schiedenen Feldarten bei der Kernspintomographie Änderun- gen der Temperaturverteilung im menschlichen Körper hervorrufen können.
Mittels eines fluoroptischen Test- verfahrens wurde unter ln-vitro- und In-vivo-Bedingungen die Kör- perkern- und Oberflächentempe- ratur bei 30 Patienten und Proban- den im Verlauf einer kernspinto- mographischen Untersuchung an einem 0,35-Tesla- und einem 1,5- Tesla-Gerät gemessen.
Im Vergleich zu anderen Tempera- turmeßverfahren zeichnet sich das von uns verwendete fluoroptische Meßprinzip dadurch aus, daß ei- nerseits die MR-Bildgebung nicht beeinflußt wird und andererseits statische Magnetfelder und Hoch- frequenzfelder keinen Einfluß auf die Temperaturmessung ausüben.
Lediglich das statische Magnet- feld führt über eine Aufspaltung des optischen Energieniveaus durch den Zeeman-Effekt zu einer konstanten und reproduzierbaren Anhebung des Meßwertes in Ab- hängigkeit von der Feldstärke des Magneten. Unsere Temperatur- messungen am Menschen bezie- hen sich zum einen auf den Kör- perkern (ösophageale und rektale Messungen) sowie auf die Körper- peripherie (intravasale Messun- gen). Diese In-vivo-Experimente an 30 Versuchspersonen mit öso- phagealer und rektaler Messung der Kerntemperatur sowie der pe- ripheren Temperatur am Arm er- gaben keinen signifikanten Ein- fluß durch das statische Magnet- feld, wie auch durch die übrigen verwendeten Feldarten. Dies ist gültig für alle Experimentalreihen vor und nach der kernspintomo- graphischen Untersuchung.
Bereits mehrere Arbeitsgruppen versuchen die Frage einer mög- lichen Temperaturveränderung durch eine theoretische und expe- rimentelle Abschätzung der im menschlichen Körper deponierten Energie zu beantworten. Für die teils widersprüchlichen Ergebnis- se sind insbesondere die man- gelnde Standardisierung der Un- tersuchungsbedingungen sowie die Unkenntnis der verschiedenen
Einflußgrößen verantwortlich. Bis- lang ist festzuhalten, daß bei den Gerätedaten für Kernspintomogra- phie bis 1,5 Tesla keine gesund- heitlich nachteiligen Wirkungen auf Patienten und Personal festzu- stellen waren. Die Tendenz zum Einsatz noch höherer magneti- scher Feldstärken und Hochfre- quenzleistungen machen weitere Untersuchungen notwendig.
Professor
Dr. med. Josef Lissner Radiologische Klinik und Poliklinik, Klinikum Großhadern Marchioninistraße 15 8000 München 70
Schlußwort
Die von Herrn Lissner gefundenen Ergebnisse kann ich voll bestäti- gen. Auch wir fanden im 0,28-T- Feld keine Änderungen der rektal gemessenen Kerntemperatur beim Menschen. Bei Katzen ergaben sich unter der Haut — was etwa in- travasalen Messungen äquivalent wäre — keine Temperaturänderun- gen im statischen Magnetfeld. Die von anderen Arbeitsgruppen im Tierexperiment gefundenen Tem- peraturänderungen in sehr hohen Feldern (einige Tesla) haben sich inzwischen als physikalische Ef- fekte, die nicht biologisch bedingt sind, herausgestellt. Ungeklärt bleiben bisher die von uns gefun- denen Temperaturänderungen der Hautoberfläche des Menschen in Feldern unter 1 T und die Durchblu- tungsänderungen beim Frosch.
Letztere sind eventuell durch eine magnetfeldinduzierte Viskosität- sänderung des Blutes in kleinen Gefäßen und bei sehr geringen Scherkräften verursacht.
Mit Herrn Lissner bin ich der Mei- nung, daß weitere Untersuchun- gen durchgeführt werden müssen.
Professor Dr. med.
Helmut Gremmel Radiologische Klinik der Universität Kiel
Arnold-Heller-Straße 9, 2300 Kiel 1
Gesundheitliche Risiken
bei der NMR-Tomographie?
Zu dem Beitrag von Professor Dr. med. Helmut Gremmel und Mitarbeitern in Heft 12/1986, Seiten 789 bis 791
2238 (48) Heft 33 vom 13. August 1986 83. Jahrgang Ausgabe A