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Liebe Leserin, lieber Leser

Die Gründe für die Ablehnung des Reformpakets im November 2002, das zum Ziel hatte, eine umfassende Erneuerung des Zürcher Volksschulwesens in Gang zu setzen, sind breit diskutiert worden. Bildung, das hat der Ab- stimmungskampf um die Volksschulreform gezeigt, ist ein Thema, das bewegt.

Alle wollen eine gute Bildung – doch für ein gemeinsames Bildungsver- ständnis ist die Weiterführung des Dialogs auf allen Ebenen nötig. ph akzente will zu diesem Dialog beitragen. In dieser Nummer widmet sie der Neuaus- richtung der Volksschule nach dem Nein des Volkes einen Schwerpunkt. Das Resultat ist eine vielstimmige Momentaufnahme.

Eine – zugegeben viel bescheidenere – Reform, die umgesetzt werden konnte, betrifft das Heft, das Sie in Händen halten. Nach neun Jahren, in denen die vom Pestalozzianum herausgegebene Zeitschriftinfos und akzenteüber eine breite Palette von bildungspolitischen und pädagogischen Themen berich- tete, erscheint sie künftig unter dem Namen ph akzente. Herausgegeben wird sie von den Prorektoraten «Forschung/Dienstleistungen/Wissensmanagement»

und «Weiterbildung und Beratung» der Pädagogischen Hochschule Zürich (PHZH) sowie von der neuen Stiftung Pestalozzianum, die mit der PHZH ver- bunden ist (s. Seite 42). Als interdisziplinäre Zeitschrift strebt sie einen fachlich hochstehenden Austausch zwischen den Partnern im Bildungswesen an: Forschung, Lehrerbildung, Schule, Bildungspolitik, Bildungsplanung und Behörden.

Eine erweiterte Redaktion, ein überarbeitetes Rubrikenkonzept und eine neue Gestaltung schaffen die Basis für die Weiterentwicklung. So bietet die Rubrik «Standpunkt» ein Forum für qualifizierte, aber auch subjektive Mei- nungen, und die Rubrik «Bildungsforschung» schafft einen Überblick

über aktuelle Forschungsprojekte in der Schweiz. Daneben findet sich Bewähr- tes in alter oder aufgefrischter Form wieder, etwa die Illustrationen von Daniel Lienhard, die weiterhin augenzwinkernd einen eigenständigen Kommentar zum Schwerpunkt abgeben. Wir wünschen Ihnen eine anre- gende Lektüre und lustvolles Blättern in ph akzente.

Thomas Hermann

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2 schwerpunkt

2 Einführung in den Schwerpunkt 3 Gewinner von rechts:

Oskar Bachmann, Kantonsrat, SVP 5 Gewinner von links:

Hans Bernet, linkes Nein-Komitee 6 Vorwärts denkende Verlierer:

Jean-Jacques Bertschi, Kantonsrat FDP 8 Der Reform-Promotor:

Ernst Buschor im Gespräch 14 QUIMS – Ein Schulversuch der

weitergeht

18 Reformprojekt Neue Schulaufsicht 19 Rückschlag für RESA

20 TaV: Die Volksschule hat sich schon verändert

22 Aus der Ferne und doch ganz nah:

Rolf Dubs zum Zürcher Nein

24 standpunkt

Werner Heller über die

Professionalität in der Volksschule

26 aktuell

26 Thesen zur Berufswahl

30 Einstellungen gegenüber Anders- sprachigen in einem zweisprachigen Kontext

34 bildungsforschung 36 rezensionen 38 phzh

38 Was Kinder beweglich macht 40 Nachhaltige Entwicklung in der

Schule

41 Nachdiplomkurse und -studien 42 Anstiftung zum Dialog

43 verschiedenes

43 NONAM: Wiedereröffnung unter neuem Namen

44 mediensplitter

Medienkunde

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V o l k s s c h u l r e f o r m n e i n ! - W a s k o m m t d a n a c h ?

E i n f ü h r u n g i n d e n S c h w e r p u n k t

Das Nein zur Volkschulreform kam für die einen über- raschend, für die andern wiederum war es eine Genug- tuung. Zu den Überraschten gehörte sicherlich der Ver- band der Zürcher Lehrerinnen und Lehrer (ZLV), der sich mit seiner Ja-Parole als Vertreter des Lehrkörpers wähnte; Genugtuung verspürten eben diese Lehrpersonen, die das Reformpaket ablehnten und sich – gegen die offiziellen Meinung des ZLV – auch offen dagegen ein- setzten. Diese Diskrepanz in der Wahrnehmung von Mei- nungen und Ansichten veranlasste den ZLV, seine Mitglieder zu ihrem Abstimmungsverhalten und den Gründen für die Ablehnung zu befragen. Insgesamt wurden 3603 Fragebogen verschickt, die Rücklaufquote beträgt akzeptable 46% und die Antworten sind ein- deutig: 62% der Befragten haben das Volksschulgesetz abgelehnt.

Als Hauptgründe für die Ablehnung kristallisieren sich zum einen der Umfang der Reform, welche mit ihren 14 Teilelementen vielen zu überladen war, sowie die konkrete Absicht, die Grundstufe zu verhindern, heraus.

Von den Reformvorschlägen selber fallen bei der Lehrer- schaft nur deren drei durch: die bereits erwähnte Grundstufe, Englisch ab der Unterstufe, sowie die Reor- ganisation des sonderpädagogischen Angebots (RESA).

Die restlichen elf Reformpunkte sind breit akzeptiert, z.T. ausserordentlich deutlich: TaV und die ausserschuli- schen Betreuungsformen scheinen mit 80% Zustimmung völlig unbestritten. Aber auch computergestützte Lern- formen, Blockzeiten und QUIMS finden Gehör.

Die Tatsache, dass die Schulreform trotz der Akzeptanz der meisten Reformelemente als Ganzes verworfen wurde, zeigt eine gewisse Radikalität und Konsequenz im Denken der Lehrerschaft. Aus den Resultaten der Umfrage wird auch ersichtlich, dass v.a. die grosse Zahl der Reform- punkte der Lehrerschaft Mühe bereitet und dass sie grund- legenden Neuerungen selbst im Rahmen einer Gesetzesvor- lage ablehnend gegenüberstehen. Der Vorwurf einer undifferenzierten Abkanzlung der Reform um der Reform Willen kann allerdings nicht geltend gemacht werden, Reformen sind erwünscht, bereits Erprobtes gar

unbestritten und gefordert. Das Resultat der Abstimmung hat aber auch für diese unbestrittenen Projekte Folgen.

Juristisch gesehen bleiben auch die erwünschten Reformen vage und in jedem Fall zeitlich begrenzt, da sie nur als Versuch weitergeführt werden können. Die vor- liegende Nummer derph akzentewill an diesem Punkte anknüpfen.

In einer Zusammenschau wollen wir politische, sowie bildungs- und schulpolitische, strukturelle und persönliche Sichtweisen auf die Situation nach der Abstimmung vom 24. November 2002 vorstellen.

Den Anfang machen die politischen Stimmen, welche ein- erseits als Gewinner (Oskar Bachmann, Hans Bernet) und andererseits als Verlierer (Jean-Jacques Bertschi) ihre Positionen vertreten.

Regierungsrat Buschor, der Promotor der Reform, legt in einem Gespräch mit zwei Redaktionsmitgliedern dar, was die Volksschule mit dem negativen Abstimmungsresul- tatbildungspolitisch verliert. Er zeigt auf, dass es

unumgänglich ist, das Schweizer Bildungssystem im Rah- men der europäischen Bildungslandschaft zu betrachten.

Es wird deutlich, welche Schwächen und Stärken diese Landschaft ausmachen und welche Veränderungen in Zukunft unabdingbar sein werden, um sowohl die Qua- lität als auch die Leistungsfähigkeit der Systeme aufrecht zu erhalten, respektive zu verbessern.

Laut dem Regierungsratsentscheid vom 31.1.03 wird die Versuchsphase für drei Reformprojekte um ein Jahr (Schuljahr 2003/04) verlängert. Zwei dieser Projekte wer- den in dieser Ausgabe von ph akzentevorgestellt – QUIMS und die Neue Schulaufsicht. Markus Truniger erläutert das Projekt QUIMS und Hans-Martin Binder gibt Einblick in dessen wenig bekannte Evaluation. Christian Ganten- bein zeigt auf, unter welchen Bedingungen die Neue Schulaufsicht als Projekt weitergeführt wird.

Als grosse Verliererin der Abstimmung muss wohl das Projekt RESA angesehen werden, einmal, weil es schon im Vorfeld nur wenig Unterstützung erfahren hat, und zwei- tens, weil es die Regierung in ihrem Entscheid vom 31.01.03 nicht berücksichtigt hat. Markus Zwicker zeigt auf, welche integrativen sonderpädagogischen Mass- nahmen mit der Ablehnung verunmöglicht werden und welche Entwicklungschancen dennoch bestehen.

Die 187 Teilautonomen Volksschulen (TaV) im Kanton Zürich gelten als das unbestrittenste Reformprojekt. Es ist nicht nur breit erprobt, sondern auch mehrfach evaluiert.

Die Ergebnisse sind höchst erfreulich: Sowohl die Lehr- personen als auch die Eltern wissen diese Form der Schulorganisation zu schätzen. Wir geben Einblick in den Alltag eines langjährigen Schulleiters (Ueli Landis) und eines Schulleiters in spe (Urs Meier).

Zum Schluss nimmt Rolf Dubs Stellung zum Ausgang der Volksabstimmung. Seine Aussensicht zeigt Unverständnis für die Ablehnung der Reform, sie zeigt aber auch deren Schwachstellen auf und leitet uns gedanklich hin zu Aspekten einer künftigen Bildungsdiskussion.

Bettina Diethelm und Marianne Sigg

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Für den aus dem Abstimmungskampf siegreich hervorgegangenen Vertreter der überparteilichen Gegnerschaft, Oskar Bachmann, sollen künftig nicht mehr strukturelle Reformen im Zentrum stehen, sondern vermehrt Gewicht auf Qualität des Unterrichts und damit die Ausbildung der Lehrperson gelegt werden.

«Organisatorische Strukturänderungen allein haben die Qualität im Bildungswesen noch nie verbessert!» Dieses geflügelte Wort des Ökonomie- und Pädagogikprofessors Rolf Dubs mag in vielen Köpfen unbewusst mitgespielt ha- ben, am 24. November ein Nein in die Urnen zu legen. In der Tat, noch während des ganzen Abstimmungskampfes beleuchteten Fachleute an der Front Mängel an den ein- zelnen, leider bei allen noch zu wenig gefestigten Reform- Elementen. Ausser der neuen Kostenrechnung mit Schüler- pauschalen war jedes Reformelement harscher Kritik ausgesetzt. Es mag deshalb nicht verwundern, wenn die Hauptakteure auf gegnerischer Seite nicht die Politiker, sondern diejenigen waren, die diese Reformen mit den ih- nen anvertrauten Schülerinnen und Schülern auch durch- setzen müssten, die Lehrkräfte!

Wir haben tatsächlich ein Problem an unserer Volks- schule: Die Schulabgänger haben nicht die vom Lehrplan,

von den Lehrmeistern, von den Mittelschulen verlangten gefestigten Kenntnisse! Trotz enormer Anstrengung, neuen Lehr- und Lernformen gelingt es den Lehrkräften in zu vie- len Klassen und Schulen nicht mehr, die notwendige Qua- lität – sprich Zweck-Eignung (seinen Fähigkeiten und Nei- gungen entsprechende Beschäftigung zu finden) – zu erreichen. Allererste Zielsetzung müssen deshalb nicht Strukturänderungen sein, sondern alle personellen und fi- nanziellen Mittel auf eine Qualitätssteigerung im Unter- richt zu fokussieren. Neben der Verantwortlichkeit der Eltern ist dies in erster Linie eine Frage der Qualitätsaus- bildung der Lehrkräfte. Eine gute Schule ist das Resultat von bestens ausgebildeten, motivierten, als Vorbild ge- achteten Lehrkräften. Die Bedeutung der Klassenlehrkraft als Bezugsperson für die Jugendlichen ist in der heutigen Zeit wichtiger denn je.

Unbestrittene Projekte mit Mängeln

Von den hochgepriesenen zwölf Reform-Elementen sind denn auch einige, die gar kein neues Gesetz benötigen:

• Englisch an der Unterstufe (bringt aber nur Erfolg, wenn zuerst ein klares Fremdsprachenkonzept für die Primar- und Oberstufenschule vorliegt);

• Computergestützte Lernformen (erweist sich immer mehr als Flop, weil weder genug ausgebildete Lehrkäfte noch brauchbare Lehrmittel vorliegen!);

• QUIMS (Qualität in multikulturellen Schulen). Hier spricht

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G e w i n n e r v o n r e c h t s

S c h u l r e f o r m e n : W i e w e i t e r ?

Von Oskar Bachmann

Kantonsrat SVP, Mitglied des überparteilichen Komitees gegen das Volksschulgesetz

Fotomontagen: Daniel Lienhard, Zürich

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der Evaluationsbericht ganz klar von einer fehlenden Konzentrierung auf die deutsche Sprache als wichtigste Grundlage gegenseitigen Verständnisses!);

• Ausserschulische Betreuungsformen (werden nämlich schon längstens angewandt!).

Wenn alle Beteiligten sich bei diesen Reform-Ele- menten auf die Behebung der genannten Mängel kon- zentrieren, die Qualität vor Quantität setzen und von der Forderung nach flächendeckender Bezahlung über Steuer- gelder abrücken, steht einer verbesserten Weiterführung überhaupt nichts im Wege. Gefordert sind der Bildungsrat für den Erlass der Grundlagen und die Schulpflegen für ei- ne geordnete, der Qualität verschriebene Einführung.

Geleitete Schulen als bewährtes Reformprojekt

Das Projekt Geleitete Schulen ist schon weit fortgeschrit- ten. Wurde uns seitens der Verbände der Schulpräsidenten und demjenigen der Schulleiter versichert, dass hier alles tipptopp verlaufe, werden nun Stimmen laut, die infolge der zu ungenau definierten Schnittstellen zwischen Schul- pflegen, Sekretariaten einerseits und den ebenso unpräzi- sen Kompetenzen und Verantwortlichkeiten andererseits, verlangen, dass auch hier ein Marschhalt für die Quali- tätsdefinition eingeschaltet werden müsse. Dabei verlangt niemand den Abbruch der Übung, die bisher ausgebilde- ten und gewählten Schulleiter sind in ihrem sehr wichti- gen Amt zu unterstützen. Der Kredit für die Weiterführung des bisher Erreichten ist zu sprechen. Vor einer gesetzlich verankerten Ausdehnung auf alle Schulen sind aber die unterschiedlichen Vorstellungen der Gemeinden und die Definition dieser neuen Hierarchie-Ebene betreffend Auf- gaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten klarer fest- zulegen. Insbesondere die Neuordnung der Schulaufsicht ist in dieses Projekt hineinzunehmen, weil doch der Schulleiter für die Schulpflege eine sehr wichtige Rolle in der Qualitätsbeurteilung haben muss.

RESA und Grundstufe: die Schwachstellen

Entgegen unseren Annahmen in der Gesetzes-Diskussion entpuppte sich der Widerstand gegen das schul- und klas- senintegrierte sonderpädagogische Angebot (RESA) als enorm. Die verfehlte Annahme, mit Integration aller mög- lichen sonderpädagogisch zu Betreuenden in die Regel- klassen seien die Probleme weniger zahlreich, könnten kostenmässig besser aufgefangen werden, straffe die Nachfrage psychologischer und psychiatrischer Behand- lungen, wurde von den Lehrkräften vehement als völlig unrealistisch gegeisselt. Diese Reform sei grundlegend neu zu überdenken und vor allem mit dem Einbezug jener, die in der Schule diese Probleme lösen müssen, anzugehen.

Das für die Niederlage der Vorlage am meisten ver- antwortliche Reform-Element, die Einführung einer Grundstufe, ist nach dem klaren Verdikt des Souveräns zu

stoppen. Der Kindergarten in moderner Form, offen auch für die Kulturtechniken Lesen, Schreiben, Rechnen, in der Hinführung zur Volksschule mit der Kantonalisierung, aber unter Bewahrung der Rücksicht auf die sozialisieren- den, musischen, integrativen Stärken, ist überhaupt nicht geprüft worden. Diesem so genannten «Kindergarten plus»

sind jetzt die Grundlagen zu schaffen. Die Weiterbildung der Kindergärtnerinnen dazu ist sofort an die Hand zu nehmen, denn für die zehnjährige Erprobung der Grund- stufe sind ja anscheinend die entsprechenden Ausbil- dungsmodule vorhanden. Nur wenn im selben Schulkreis Versuche mit «Kindergarten plus» und Basisstufe gemacht werden, sind sie in ihrer Qualität aussagekräftig und legen die Grundlage für eine definitive Neuordnung. Nicht zu vergessen dabei ist, dass in Genf und im Tessin eine Ba- sisstufe geführt wird, die von anderen Kantonen als weg- weisender angesehen wird als die Neukonstruktion «Zür- cher Grundstufe». Die Meldungen aus vielen anderen Kantonen waren denn diesbezüglich auch sehr klar und begrüssten den Entscheid des zürcherischen Souveräns als wegleitend.

An dieser Stelle muss klar festgehalten werden, dass diejenigen, die nun partout nicht akzeptieren wollen, dass der Souverän diese Sache gestoppt hat, endlich zu de- mokratischen Gepflogenheiten zurückfinden sollten. Es geht nicht an, jetzt einfach massenhaft Erprobungen zu verlangen, die die Grundlage der Abstimmungsniederlage gewesen sind. Wir sollten auch nicht vergessen, weiterhin über die Kantonsgrenzen hinaus zu verfolgen, was in an- deren Kantonen geschieht und geschah. Das Fiasko der Basler Reform sollte doch etwas Ernüchterung in die gan- ze Reformhektik bringen.

Die nun immer wieder beklagte fehlende Chancen- gleichheit unter den Schulgemeinden war schon immer da, wird auch immer bleiben. Eine tränentriefend herauf- dräuende Zweiklassen-Volksschule zu beschwören kann mit den Worten des Stäfner Schulpräsidenten ad acta ge- legt werden: «Am 25. November wird die Schule weder sterben noch keine Probleme mehr haben. Wir sind gefor- dert, Lösungen zu erarbeiten, die vom Souverän angenom- men werden und die vor allem einem dienen: bessere Qualität im Unterricht.»

Unsere Arbeitsgruppe mit vielen Fachleuten «von der Front» für eine bessere Reform steht. Wir beginnen anfangs Jahr mit einer sauberen Auslegeordnung der Prob- leme. Daraus wollen wir weiter die verschiedenen geplan- ten Vorstösse koordinieren und in einem Prioritäten-Fahr- plan ohne Hektik die Anforderungen an eine gute Schule formulieren.

Dieser Beitrag ist am 21.12.2002 im Zürcher Oberländererschie- nen.

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Die «linkskonservativen» Reformgegner sa- hen in der Volksschulreform ihr Ideal einer starken staatlichen Volksschule, die Kinder aus bildungsfernen Schichten besonders för- dert, gefährdet. Die Einflussnahme aus der Wirtschaftauf gewisse Teilprojekte wird an- geprangert, und im marktorientierten Den- ken von teilautonomen Schulen wird die Gefahr eines Konkurrenzkampfes gesehen, bei dem die ärmeren Gemeinden den Kür- zeren gezogen hätten.

Der Wirtschaftsprofessor auf dem Stuhl des zürcheri- schen Bildungsdirektors zielte von Beginn weg auf die Marktöffnung der Bildungsinstitutionen. Sein unverblümt geäussertes Ziel kurz nach seinem Amts- antritt 1995 hiess: «...das zürcherische Schulsystem vom hohen pädagogischen Ross herunterzuholen und zu einem Dienstleistungsunternehmen umzuformen».

«New Public Management» (NPM) heisst der Zauberstab.

Mit stark hierarchisierten «teilautonomen Schulen» soll die Schulhaus-Chefetage ihren Laden nach privatwirtschaft- lichen Grundsätzen führen. Wo Bildung zur Ausbildung verkommt, wo Schülerinnen und Schüler zu zukünftigen Wirtschaftssubjekten degradiert werden, ist Pädagogik in der Tat nur ein störender Unkostenfaktor.

Die gezielt herbeigeführte Ebbe in der Staatskasse schreit nach «Bildungs»-Sponsoren. Und sie kommen in Scharen, denn sie wittern das künftige grosse Geschäft.

Fürs Projekt 21 (Computer und Englisch an der Primarschu- le) werfen Apple, Microsoft und Co. allein 6 Millionen Franken auf. Der deutsche Medienkonzern Bertelsmann sponsert an drei Zürcher Schulen ein internationales Quali- tätsentwicklungsprojekt – und die betreffenden Schul- leiterinnen und -leiter fliegen auf Kosten des deutschen Medienimperiums an internationale Kongresse (unser Noch-Bildungsdirektor sitzt als Kurator im leitenden Aus- schuss der Bertelsmann-Stiftung). Um Skeptiker zu beruhi- gen liess ein treuherziger Regierungsrat Buschor ins Gesetz schreiben: «Sponsoren dürfen keinen Einfluss auf den Schulbetrieb nehmen.» Honi soit qui mal y pense.

Zudem haben die so genannten Reformen die Kluft zwi- schen armen und reichen Gemeinden verschärft, hier skiz- zenhaft dargelegt am Beispiel des Finanzierungsmodells Schülerpauschale: Viele Schülerinnen und Schüler spülen viel Geld in die Kasse und damit lässt sich ein gutes An- gebot finanzieren. Dank dem TaV-Konkurrenzkampf (Teil- autonome Volksschule) unter den Schulhäusern hätten ge- mäss Regierungsrat Buschor die Schulen «mit attraktiven und qualitativ hoch stehenden Bildungsprogrammen stets genügend Interessierte und damit auch genügend Erträge aus der Schülerpauschale». Finanzschwache oder kleine Gemeinden müssten wohl Schulhäuser schliessen. Der an- visierte bedingungslose Wettbewerb kann halt keine Rücksichten nehmen.

Unser «linkskonservatives» Ideal ist eine pädago- gisch hochwertige sowie bildungs- und leistungsstarke staatliche Volksschule, die Kinder aus bildungsfernen Schichten besonders fördert. Primär marktwirtschaftlich orientierte Pseudoreformen, die unsere staatliche Volks- schule unterhöhlen, lehnen wir ab.

G e w i n n e r v o n l i n k s

W a h r e n v o n l i n k e n I d e a l e n

Von Hans Bernet

Sekundarlehrer und Mitglied des linken Komitees

«Bildungsvorlagen Nein»

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Den Scherbenhaufen möglichst rasch abtragen wollen die Befürworter des Volksschulgesetzes.

Welche Konzessionen dabei gemacht werden und warum ein rasches und entschlossenes Handeln nach dem Nein nötig ist, um eine Orientierung der Schule an der lebensweltli- chen Realität der Kinder zu gewährleisten, führt Jean-Jeacques Bertschi aus.

Genügen die Rezepte von 1899? Natürlich nicht. Eigentlich bestreitet das niemand. Aber es braucht echte Lösungen, um dem akuten Handlungsbedarf in unserer Volksschule gerecht zu werden. Denn wir befinden uns in Rücklage.

Leider ist es knapp misslungen, beim Zürcher Volk mit dem lange diskutierten und breit abgestützten Gesamtkonzept durchzudringen. Immerhin erlaubt das am 24. November bejahte Bildungs-Dachgesetz eine offene Haltung gegen- über Erprobungen.

Tatsächlich stehen wir nach der Verwerfung dieser

«Jahrhundertvorlage» in mehrerer Hinsicht vor einem Scherbenhaufen. Die Befürworter haben mehrfach davor gewarnt. Offenbar waren unzählige ablehnende Lehrkräf- te der Meinung, man könne sich in der eigenen Schulstu- be problemlos herauspicken, was einem persönlich an den Reformen passt. Die Gefährdung vieler breit erprobter und in Langzeitversuchen bewährter Reformschritte wurde nicht erkannt oder geleugnet. Aber ein Nein bedeutet – im Gegensatz zu den beschwichtigenden Ausführungen der Gegner – in der Demokratie nicht einfach einen kurzen

«Sockenhalt» auf einem langen Marsch nach dem Motto

«Es geht gleich weiter!», sondern das Nein belegt sämtliche vorgeschlagenen Gesetzesänderungen zunächst einmal mit negativen Vorzeichen – alles andere ist unerlaubte Interpretation. Es ist für das Parlament sehr problema- tisch, Kredite für laufende Versuche aus dem Reformkorb des Volkschulgesetzes zu verlängern. Trotzdem versuchen die Befürworter – z.B. mit einem Dringlichen Postulat zur Weiterführung der geleiteten Schulen – irreversible Schä- den für die Zürcher Volksschule (sprich: Abbruch der Ver- suche und Abwerbung der Schulleiter) zu vermeiden. Es bleibt dabei: Mit dem Nein auf die sinngemässe Frage

«Wollt Ihr ein neues Volksschulgesetz?» hat uns die knap- pe Mehrheit der Zürcher Bevölkerung auf den Stand von 1899 zurückgeworfen.

Stillstand nicht mit Stabilität verwechseln!

Vor einigen Jahren ist es cleveren Ingenieuren gelungen, den schiefen Turm von Pisa dank modernster Technik im Bereich der Fundamente zu stabilisieren. So weit sind wir in der Zürcher Volksschule noch nicht! Unser PISA-Problem wird sich nämlich auch nicht von selbst lösen. Im Gegen- teil: Während wir – in demokratischer Würdigung des ne- gativen Volksentscheids – die ganze Diskussion ohne Aus- sicht auf neue Erkenntnisse (!) von vorne beginnen, wird die Schieflage der tragenden Säule unseres Zürcher Bil- dungswesens immer bedrohlicher. Tag für Tag verlieren wir an Boden. Das kann niemanden freuen, der sich um die Zukunftschancen unserer Kinder sorgt. Gerade die

«teuren» Reformelemente gaben Antwort auf akuten ge- sellschaftlichen Handlungsbedarf. Es ist nicht der Fehler der Schule, dass sich das gesellschaftliche Umfeld in den 90er-Jahren dramatisch verändert hat (Werthaltungen, Fa- milienstrukturen, Migration), aber es geht nicht an, die Schule von morgen an etwas anderem als an der Realität unserer Kinder zu orientieren. Dieser hätte man mit teilauto- nomen Schulen, Blockzeiten, Tagesstrukturen, Aufgaben- hilfe, QUIMS (Qualität in multikulturellen Schulen), Eltern- mitwirkung (auch Elternpflichten!) wesentlich besser entsprochen als heute. Indem wir nichts tun (und die Sie- ger der Abstimmung vom 24.11.2002 geben sich wenig ta- tendurstig), verschlechtert sich die Situation: Auf dem Lehrstellenmarkt und später auf dem Arbeitsmarkt wird sich unsere Gesellschaft immer häufiger mit jungen Men- schen auseinandersetzen müssen, die für den hoch ent- wickelten Dienstleistungs-Standort bereits in jungen Jah- ren nicht mehr genügen. Dieser Verantwortung hat sich die Politik heute zu stellen!

Mehrheitsfähige Lösung – ein Ausweg aus der Sackgasse

Wer den Handlungsbedarf bejaht (er ist nach PISA, TIMMS, AVO usw. wirklich mit Händen zu greifen) und die lange Inkubationszeit bildungspolitischer Korrekturen kennt, kann nicht mit einem weiteren Zeitverlust von rund fünf Jahren leben. Deshalb haben sich die Befürworter schwe- ren Herzens entschlossen, die einzige bedeutende Neu- schöpfung, die noch nicht breit erprobte und evaluierte Grundstufe, also den dominierenden Stein des Anstosses im Vorfeld wie in der Nachbearbeitung der Volks- abstimmung, im Sinne des (gesicherten) Volkswillens aus dem Gesamtkonzept herauszubrechen und auf den Ver-

V o r w ä r t s d e n k e n d e V e r l i e r e r

Z w e i t e C h a n c e n a c h 1 8 9 9 r a s c h e r g r e i f e n

Von Jean-Jacques Bertschi

FDP-Kantonsrat, Vizepräsident der ständigen Kommission für Bildung und Kultur sowie Co-Präsident des Befürworter- Komitees «Ja zu unserer Schule»

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suchsweg zu verweisen. Die- ser ist dank dem Bildungsge- setz gegeben. Wir vertrauen darauf, dass ein umfassender Zürcher Versuch sowie der Austausch mit anderen Kan- tonen, die im selben Boot sit-

zen, die geschürten Ängste rasch als gezielte Stimmungs- mache entlarven wird. Eine Analyse der Mehrheits- verhältnisse am 24. November lässt wenig Raum für ra- sches Handeln – ausser man beseitige die anerkannter- weise höchste Hürde der Vorlage, die zum knappen Nein geführt hat. Im gleichen Atemzug sollte man jedoch darauf verzichten, bei den anderen Elementen willkürliche Ände- rungen anzubringen. Es ist nicht entscheidend, ob alle zu- stimmen können (dann sind wir in 500 Jahren noch an der Arbeit), sondern dass der mehrheitsfähige, von weiten Tei- len der Bevölkerung unbestrittene Teil der Vorlage im Inter- esse unserer Volksschule rasch greifen kann.

Wie und wo entsteht Qualität?

Altes wie neues Volksschulgesetz verfügen über einen kla- ren (unveränderten) Zweckartikel. Dieser bildet die Basis der Qualitätssicherung. Heute wissen wir, dass wir inter- national in zentralen Bereichen mittelmässig abschneiden – trotz eines absoluten Spitzenplatzes bei den Kosten pro Schüler. Die Verstärkung der Fachaufsicht und weiterer Ele- mente der Qualitätssicherung ist überfällig. Wie man sich bei dieser Ausgangslage ausgerechnet gegen das in zahl- reichen Feldversuchen bewährte und von den betroffenen Lehrkräften wie ihren Schulbehörden begrüsste Modell wehren kann, bleibt das Geheimnis der Gegner. Ausge- rechnet sie, welche ein Volksschulgesetz fordern, das «sich wirklich auf die Qualität des Unterrichts auswirkt». Natür- lich wirkt sich der Verbund an stützenden, ergänzenden, entlastenden und klärenden Massnahmen des Volksschul- gesetzes nur indirekt (aber spürbar) auf die Unterrichts- qualität aus. Etwas anderes ist auch nicht beabsichtigt.

Nach dem aktuellen Wissensstand verfügt die Lehrperson nach wie vor über den stärksten Einfluss. Dies ist weder neu noch ein Argument gegen die Erneuerung der Volks- schule. Es ist ja gerade die Aufgabe der neu gegründeten Pädagogischen Hochschule, also der Lehrerinnen- und Lehrerbildung, hier Akzente zu setzen und geeignete Per- sönlichkeiten für die Schule von morgen zu formen. Lösen wir die Probleme dort, wo sie hingehören!

Stillstand ist kein Synonym für Zürich!

Am 3. Februar sind gleich zwei Parlamentarische Initiati- ven eingereicht worden, die die Neuregelung der Volks- schule als Ganzes wieder aufnehmen. Man mag die Befür- worter als Turbos bezeichnen (trotz jahrelanger Erarbei- tungen und Evaluationen). Auch im solothurnischen Jura hielt man einstmals an der Anker-Uhr fest und belächelte die Warner. Rückblickend ist selbstverständlich niemand dabei gewesen. Dazu sollte es beim liebsten Kind des Zür- cher Volkes nicht kommen. Wenn wir nur einen winzigen Funken des Muts und der Zuversicht der Gründergeneratio- nen der Volksschule aufleben lassen könnten, wäre unse- ren Kindern gedient. Wenn man dereinst – sofern die Ver- suche die erwünschten Erfolge zeitigen – den Kindergarten durch die Grundstufe ablösen sollte, heisst das ja nicht, dass man die Pflänzchen nicht mehr sorgfältig betreut und wachsen lässt. Im Gegenteil: Sie dürfen sich vermehrt so entfalten, wie es ihren aktuellen Möglichkeiten ent- spricht. Ich bin dezidiert der Auffassung, dass sich sowohl Befürworter wie Gegner in der Bildungskommission jetzt rasch und entschlossen an die Arbeit machen sollen. Trotz Wahlen im April und im Oktober.

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Ernst Buschor, Regierungspräsident und schei- dender Bildungsdirektor, gewährt in einem Ge- spräch Einblick in die Beweggründe seiner Bil- dungspolitik. Er fokussiert dabei nicht die Schweiz – oder gar den Kanton Zürich –, er bettet seine Reformvorhaben in einen internationa- len Kontext und stellt klärende Zusammenhän- ge her.

Wie würden Sie sich selbst beschreiben – als pragmati- schen Politiker, als visionären Politiker oder als etwas Drittes? Und – haben Sie sich während der Zeit des Exeku- tivamtes verändert?

Ich würde mich als einen Politiker beschreiben, der aus einer wissenschaftlichen Theorie heraus den politi- schen Alltag zu gestalten sucht. Ein wissenschaftliches Modell, das meines Erachtens tatsächlich ermöglicht, sich in einer rasch innovierenden Gesellschaft zu bewähren und sich auf die sich wandelnden Bedürfnisse dieser Ge- sellschaft auszurichten.

Können Sie diese Theorie prägnant umschreiben?

Im Wesentlichen ist es das New Public Management, NPM. Das ist ein sehr offenes Modell. Es gibt vielfältige For- men, die englische, die kanadische, die australische, deut- sche, schweizerische, und andere.

Gemeinsam ist diesen Modellen, dass sie erstens sehr viel auf die Kompetenz und Handlungsfähigkeit der Grundeinheiten setzen, also der untersten Einheiten wie Schulen oder Spitäler; dass sie diese Leistungen messen und kontrollieren und dass sie im Zusammenwirken die- ser Basiseinheiten mit den übergeordneten Instanzen ei- nen gemeinsamen Innovationsprozess fördern, der die An- passung und Entwicklung, auch die prospektive oder pro-aktive Anpassung an die gesellschaftlichen, wirt- schaftlichen und sozialen Entwicklungen ermöglicht. Das ist im Kern New Public Management. Je nach Modell spielt die Methodik des Managements oder der Wettbewerb eine wichtige Rolle. Diesbezüglich variieren die einzelnen An- sätze sehr stark.

Sie haben am 16.3.99 vor der CVP ein Referat mit dem Ti- tel «Bildung für die Zukunft» gehalten und haben dort vier Herausforderungen für die Zürcher Bildungspolitik formu-

liert. Drei davon betreffen die Volksschule: Migrations- druck, Technologisierung der Berufswelt, neue Erwerbs- strukturen. Die Vernetzung zwischen Wirtschaft und Schule so direkt herzustellen würde eigentlich einem Freisinni- gen gut anstehen: Die Schule hat auf die gesellschaftlichen Veränderungen zu reagieren, sie ist ein Mittel, um gesell- schaftliche Entwicklungen angemessen zu unterstützen.

Ein Gegenentwurf im Sinne eines gesellschaftlichen Kor- rektivs – wie die Erhaltung oder die Entwicklung eines ge- meinschaftsfähigen Individuums – ist da nicht gefragt. Ist das die tatsächliche Auffassung des christlich inspirierten Politikers?

Ich bin überzeugt, dass die Schule nicht unmittelbar zum gesellschaftsverändernden Element werden soll. Sie soll aber pro-aktiv auf gesellschaftliche und wirtschaftli- che Prozesse reagieren. So muss sie sich dem Wandel der Familienstrukturen anpassen. Wir haben einen steigen- den Anteil erwerbstätiger Frauen, 40% der Kinder unter 15 Jahren sind tagsüber nicht mehr betreut. Kinder bildungs- ferner Schichten werden faktisch diskriminiert. Diese Din- ge können als wirtschaftlich, als gesellschaftlich als mi- grationsbedingt bezeichnet werden. Die Schule muss so oder so geeignete Antworten darauf finden. Deshalb bin ich der Meinung, dass schulbegleitende Strukturen zuneh- mend wichtig sind. Auch die Volksschulabstimmungskam- pagne hat gezeigt, dass unser Schulsystem eine zu scharfe Trennung zwischen Lektion und Nicht-Lektion macht. In- folge dieser extremen Lektionenorientierung kann unsere Schule viele Probleme nicht mehr lösen.

Es gibt zwei Modelle: erstens das nordische Modell der Tagesbetreuung, welches das Kind den ganzen Tag – auch während der Ferien und ab dem vierten Lebensjahr – betreut. Dieses Gesellschaftsmodell entspricht kaum un- serer traditionellen Entwicklung; zweitens das anglo- amerikanische Modell, das schulbegleitende Strukturen ausbaut, um Familien bei den Betreuungsaufgaben, die sie nicht mehr leisten können, zu unterstützen. Das ent- spricht eher unserer Kultur. Und in diesem Sinne ist unser Schweizer Schulsystem unterentwickelt.

Wurde deshalb so viel Polemik gegen die Grundstufe sicht- und spürbar und hat nur dieser Punkt allein die Abstim- mung zu Fall gebracht?

Nach der Isopublic-Abstimmungsanalyse stellt dieser Punkt zusammen mit den Kosten den Hauptpunkt dar, der zum Nein geführt hat. Zudem zeigt die Analyse, dass we-

D e r R e f o r m - P r o m o t o r

E r n s t B u s c h o r i m G e s p r ä c h

Regierungspräsident Ernst Buschorinterviewt von Marianne Sigg und Paul Kim, Redaktionph akzente, Pädagogische Hochschule Zürich

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gen der Asylinitiative mehr ältere Stimmberechtigte an die Urnen gegangen sind. Diejenigen, die zur Asylinitiative Ja gesagt haben, haben zu 80–90% zum Volksschulgesetz Nein gesagt. Nach dieser Analyse ist das Volksschulgesetz das Opfer der Asylinitiative geworden.

Wie erklären Sie sich in diesem Zusammenhang, dass mehr Frauen als Männer das Volksschulgesetz abgelehnt haben?

Es ist interessant, dass Jüngere eher Ja und Ältere eher Nein gestimmt haben. Dass Frauen eher Nein ge- stimmt haben, hat wahrscheinlich mit der illegalen Kam- pagne gewisser Lehrpersonen zu tun. Deren Argumente scheinen bei den älteren Frauen stärker gewirkt zu haben als bei den Männern.

Haben Sie Kenntnis von politischen Aktivitäten in Lehrer- kreisen, die sich am Rande der Legalität bewegen?

Wir haben eine Sammlung von Flugblättern, die die Grenzen der Loyalität und Fairness gegenüber dem Arbeit- geber, und ich meine hier auch die Schulpflegen, klar überschreiten.

Wie schätzen Sie das rechtlich ein?

Rechtlich sind die Lehrer/innen genauso wie alle An- gestellten des Staates zu Neutralität und Objektivität ver- pflichtet, soweit sie als Personen in Ausübung ihres Beru- fes handeln. Eine Lehrperson ist in Ausübung ihres Berufes zur politischen Neutralität verpflichtet, sie ist aber berechtigt, als Bürger oder Bürgerin ohne Verwendung des Amtstitels und ohne Verwendung der Attribute des Amtes eine abweichende Meinung zu äussern. In einigen Fällen wurden diese Grenzen überschritten.

Das war für Sie kein Grund, das Abstimmungsergebnis an- zufechten? Es geht ja um viel, auch für Sie.

Erstens einmal würde das aufwändige Rechtsverfah- ren nach sich ziehen. Wir müssten beweisen, dass Lehr- personen und andere Amtsträger das in ihrer Amtsfunk- tion gemacht haben. Ich habe deshalb die Schulpräsi- denten darauf hingewiesen, dass dieses Handeln illegal und staatsbürgerlich bedenklich war. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dürfen sich als Bürgerinnen und Bürger frei äussern, sie dürfen aber ihre amtliche Stellung nicht für politische Propaganda missbrauchen.

Könnte der unerwartet grosse Widerstand innerhalb der Lehrerschaft nicht auch darauf zurückzuführen sein, dass man die gut ver- und staatsdienenden Lehrerinnen und Lehrer zu lange nach dem Motto «Wir tun das Beste für die nächste Generation» gewähren liess? Plötzlich sind sie un- erwartet mit vielen Veränderungsanträgen und -vorstel- lungen konfrontiert, die vor den Klassenzimmern nicht Halt machen.

Es ist sicher so, dass viele Lehrpersonen mit einem Paradigmenwechsel grosse Mühe haben. Der Schritt vom Einzelkämpfer zum Mitglied der Teamschule, die guten Unterricht und andere Leistungen nach gemeinsamen Standards nach Mass für das jeweilige Umfeld der Schule erbringt, ist nicht von heute auf morgen zu bewältigen.

Dieser Prozess war auch in den erfolgreichen PISA-Ländern nicht einfach. Die Schule war sehr lange ein Reservat der Lehrperson, welches sie praktisch selber gestaltete und verwaltete. In diesem Zusammenhang hat die Lehrerschaft teilweise ein Ausschliesslichkeitsrecht für Innovationen beansprucht. Die Umsetzung von Reformen ist in den

Fotos Interview:Karl Diethelm

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Mittel- und Berufsschulen besser gelungen. Für diesen Be- reich waren Schulleitungen nichts Neues. Geleitete Schu- len sind für die Volksschule aber neu.

In den letzten fünf Jahren hat die Bildungsdirektion wohl um die 1000 Veranstaltungen mitgestaltet. Ich selber habe sicher auch über 100 absolviert. Kurz, wir haben viel getan. Wir hatten aufgrund der Vernehmlassung zudem den Eindruck, dass die Abstimmung zu gewinnen wäre.

Wir haben ja bis jetzt auch 187 teilautonome Schu- len, keine einzige ist ausgestiegen. Beim Frühenglisch, bei dem wir vorerst auf grösste Widerstände stiessen, beste- hen heute Wartelisten.

Während der Abstimmungsphase hat sich eine Oppo- sition herausgebildet, die den Reformprozess – entgegen des nationalen wie auch des kantonalen Lehrerverbandes – abgelehnt hat. Aber damit muss man leben. Der ganze Reformprozess wird sich verlangsamen, aber ich bin über- zeugt, dass das Resultat ähnlich aussehen wird, wie es durch das nun abgelehnte Gesetz vorgezeichnet war.

Das NPM hat aber durchaus die Tendenz, gerade da die kantonale Verwaltung so weit weg von Bäretswil, Rafz oder so ist, Distanz zum Personal vor Ort zu haben. Die Ge- fahr, dass bei NPM-Konzeptionen die differenzierte Perso- nalentwicklung zu kurz kommt, diesen Vorwurf müssen Sie sich vielleicht gefallen lassen.

Das zentrale Wort hierfür im NPM ist Devolution. Das ist mehr als Delegation, es ist eine Art Verselbstständi- gung. Wir verselbstständigen die Schulen. Devolution schliesst auch den Aspekt der Kontrolle, der Aufsicht ein, auch die Aufsicht über die Ergebnisse wie PISA-Tests. Ob- wohl wir für die Ausbildung der Schulleiter viel getan ha- ben, hätten wir hier vielleicht noch mehr tun müssen.

Nehmen wir die PISA-Studien. Es gibt die asiatische Pauk- schule. Sie ist für den Kulturraum Asien erfolgreich, für uns sicher kein Thema. Dann haben wir die nordische, hoch integrierte Schule, die sehr viel Wert auf Gemein- schaftsbildung legt und bereits ab dem vierten Lebensjahr auch Erziehungsaufgaben übernimmt und dann via Grundstufe in die Schule übergeht. Als drittes Modell ha- ben wir die Schulen des angloamerikanischen Raums, die zwar nicht so weit gehen wie die nordischen Länder, jedoch ebenfalls Spitzenergebnisse erzielen. Schliesslich haben wir die hoch regulierte kontinentaleuropäische Schule – Frankreich, Deutschland, Schweiz, Spanien –, die schlechter abschneidet. Ein Schulsystem, das durch hohe Regulierung, hohe Aussenbestimmtheit und hohe Regel- dichte versucht, eine chancen-ausgleichende Bildung zu erzeugen, schneidet am schlechtesten ab und da sind wir mit dabei!

Könnte der Widerstand auch damit zu tun haben, dass die Lehrpersonen sich nicht gewohnt sind, untereinander in

eine positive Konkurrenz zu treten? Wäre das Modell der freien Schulwahl im öffentlichen Bereich ein sinnvoller Schritt in diese Richtung?

Es ist interessant, dass die nordischen Länder die freie Schulwahl haben. Und sie haben kein Problem da- mit. Wenn sich die Zürcherische Volksschule zügig refor- miert, dann kann sie in einem Land mit hohem Migra- tionsanteil verstärkt ihrem gemeinschaftsbildenden und integrierenden Auftrag gerecht werden. Eine durch die Be- hörden geregelte Schülerzuteilung wirkt der sozialen Ent- mischung entgegen. Die freie Schulwahl würde meines Er- achtens die gesellschaftliche Desagreation unseres Landes tendenziell begünstigen. Die Gesellschaften sind in den nordischen Ländern etwas homogener als bei uns. Wenn unsere Schule nicht bereit ist, diese Integrationsleistung zu erbringen, wird in 5 bis 10 Jahren der Wettbewerb un- ter den Schulen verstärkt spürbar werden.

Auch an der OECD-Tagung in Paris hat der Präsident der eu- ropäischen Elternvereinigung klar gesagt, dass sich die El- tern für jene Schulen engagieren werden, die sie für ihre Kinder für die richtigen halten – mit oder ohne Unterstüt- zung des Staates. Ich weiss auch nicht, wie es nach der Abstimmung weitergeht, aber eines ist klar: Die Eltern werden auf einer modernisierten, familiengerechten und ihren Kindern Lebenstüchtigkeit vermittelnden Schule be- stehen. An einer Veranstaltung über die Zukunft des Gym- nasiums mit Wirtschaftsvertretern wurde die mangelnde Sozialkompetenz sowie das mangelnde Wettbewerbsbe- wusstsein der Schulabgängerinnen und -abgänger mo- niert. Dazu bleibt mir nur zu sagen: Wenn Einzelkämpfer Einzelkämpfer erziehen, dann entstehen Einzelkämpfer.

Hat die Bildungsdirektion im Vorfeld der Abstimmung die von Angst besetzten Bilder eines Teils der Bevölkerung nicht zu wenig ernst genommen? Wir hatten den Ein- druck, dass es der Gegnerschaft leicht gemacht worden ist, aus diesen Ängsten Profit zu schlagen. Weshalb haben Sie den Eltern nicht vermehrt gesagt, dass ihre Kinder in einer nicht reformierten Schule weniger Erfolgschancen haben werden?

Wir haben das ja versucht. Ich habe die Gegner nie unsachlich behandelt. Fairplay gehört zur politischen Kul- tur und ist ein ethischer Wert. Die Grundstufe war sehr schwierig zu kommunizieren; aufgrund der Isopublic-Ana- lyse war die Grundstufe sowohl einer der Hauptgründe der Ablehnung als auch der Befürwortung.

Bedeutet das, dass Sie es nicht bedauern, dass das Parla- ment 14 Reformpunkte ins Gesetz eingebaut hat?

Ich bedaure es nicht, da diese politische Debatte oh- nehin einmal geführt werden musste. Nun wurde sie ge- führt, wenn auch nicht mit dem von mir gewünschten Er- folg. In der Schweiz braucht es – wie beispielsweise beim

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Frauenstimmrecht – oft mehrere Anläufe zum Durchbruch.

Die Debatte wurde auch national geführt und ist jetzt auch national etwas blockiert.

Ist die Vorreiterrolle des Kantons Zürich, die er in der EDK bislang innehatte, nun geschwächt?

Die ist klar geschwächt.

Verlieren andere Kantone nun auch an Tempo?

Ja. Das Zürcher Abstimmungsresultat hat den Prozess wohl generell verlangsamt. Positiv ist, dass die von uns ge- setzten inhaltlichen Impulse so stark sind, dass es auch oh- ne Zürich andernorts in dieser Richtung weitergehen wird.

Wenn Sie weitere vier Jahre im Amt bleiben würden, wel- che Reformprojekte würden Sie besonders stützen?

Ich möchte mich zur Frage, wie es wäre, wenn ich bliebe, nicht gross äussern und kann auch die politische Verantwortung für das weitere Vorgehen nicht überneh- men. Für mich ist klar, dass die eingeschlagene Richtung stimmt.

Denn wir haben meines Erachtens nur die Wahl zwi- schen dem angloamerikanischen Modell der geleiteten autonomen Schule, die Stütz- und Begleitfunktionen über- nimmt und dem nordischen Modell, der hochintegrierten Schule, die aber nicht unserer Kultur entspricht und auch finanziell wahrscheinlich eher scheitern würde. Was auf jeden Fall feststeht: Das kontinentaleuropäische, hochre- gulierte Modell der Einzellehrperson, die aufgrund ihrer Ausbildung guten Unterricht erteilt und mehr oder weni- ger ohne Wirkungskontrolle tätig ist – dieses Modell hat in der PISA-Studie beunruhigend schlecht abgeschnitten.

Wie kann die neu gegründete und noch nicht ganz konso- lidierte Pädagogische Hochschule den Reformprozess unterstützen?

Man muss sehen, dass die Einstellung vieler Lehrper- sonen nicht nur eine persönliche Angelegenheit ist, son- dern auch eine Folge der früheren Lehrerbildung. Mir hat ein finnischer Professor, der die Schweiz kennt und lange in Bern lebte, kürzlich gesagt: «Mit eurer Lehrerbildung werdet ihr nie aufholen.» Die Lehrerbildung spielt eine Schlüsselrolle im ganzen Prozess und wird daher auch modernisiert. Elemente wie zum Beipiel die Selbstevalua- tion oder Teamkultur müssen vermehrt in die Aus- und Weiterbildung einfliessen.

Wenn Sie das Ganze weltweit betrachten, ist ein wei- terer viel diskutierter Aspekt von Bedeutung: Man kann nicht von einer Überlegenheit zentralistischer oder födera- listischer Systeme sprechen; Australien und Kanada sind föderalistische Systeme, Neuseeland und Finnland sind zentralistische, und alle erreichen in der PISA-Studie prak- tisch identische Ergebnisse. Die Frage Föderalismus oder Zentralismus ist nicht zentral. Es geht vielmehr um die Frage, ob es gelingt, aus der Schule der Einzelkämpfer klar definierte und selbst verantwortliche Handlungseinheiten im Sinne der TaV zu entwickeln.

Wie könnte der Kanton als Arbeitgeber der Lehrpersonen darauf einwirken, dass diese sich gerne weiterbilden?

Heute wird die Weiterbildung noch von allzu vielen,wenn auch nicht von allen, als – lästige – Pflicht wahrgenommen.

Wenn Sie die internationalen Statistiken betrachten, bilden sich die Schweizer im Vergleich zu andern Ländern wesentlich weniger weiter. Dahinter stehen Werthaltun-

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gen, die über die Schule hinausgehen. Man kann auch in dieser Frage nicht alles den Schulen anlasten.

Die Weiterbildung wird im wirtschaftlichen Bereich sehr stark an Aufstiegsmöglichkeiten gekoppelt. Und die priva- ten Institute haben einen grossen Zulauf. Welche Möglich- keit hat denn die Lehrperson, innerhalb des Schulsystems eine kleine bescheidene Karriere zu machen?

Schulleiter ist ein neues Karriereprofil, das es bisher in der Volksschule nicht gab. Das ist sicher attraktiv. Eine grosse Schwierigkeit des Lehrerberufs ist, dass sich die Le- benswelten der Kinder und Jugendlichen in den letzten Jahrzehnten im Schnellzugstempo verändert haben. Das macht den Beruf schwierig und zugleich spannend. Dieses Phänomen habe ich auch bei meinen eigenen vier Kin- dern beobachtet: Zwischen der ältesten und der jüngsten Tochter – ihr Altersunterschied beträgt 12 Jahre – spiegelt sich der Wandel der Zeit deutlich.

Man muss einräumen, dass die Weiterbildung bisher zu wenig auf diesen raschen sozialen, mentalen und ent- wicklungspsychologischen Wandel der Schülerinnen und Schüler reagiert hat. In den nordischen Ländern wird dar- auf bereits in der Ausbildung Rücksicht genommen. Die Lehrpersonen setzen sich in der Ausbildung sehr intensiv mit heilpädagogischen Themen auseinander. So sind sie besser in der Lage, differenziert auf neue Anforderungen zu reagieren. Wenn ich die Curricula des Fachunterrichts betrachte, unterscheiden sich diese kaum von den unsri- gen. Der Unterschied besteht darin, dass die Lehrerbildung deutlich mehr Gewicht auf heilpädagogische und entwick- lungspsychologische Inhalte legt. Zudem schliesst die Aus- bildung mit einem «Masters Degree» ab.

Es ist unbestritten, dass die Zürcherische Volksschule im- mense Summen für wirkungsarme sonderpädagogische Massnahmen aufwendet. Bedauern Sie in diesem Zu- sammenhang, dass die Reorganisation des sonderpädago- gischen Angebots, RESA, in weite Ferne gerückt ist?

Die Kanadier und die Finnen bringen deshalb besse- re und homogenere Schulleistungen zustande, weil sie sehr früh – eben ab dem vierten Lebensjahr – Entwick- lungsauffälligkeiten, zum Beispiel in der Feinmotorik oder Logopädie, angehen. Wir intervenieren in der Regel erst in der Unterstufe. Das ist offensichtlich viel zu spät und erst noch teurer. RESA wäre ein wichtiger Schritt in diese Rich- tung gewesen.

Ein weiterer Einflussfaktor könnte der in unserer Kultur verbreitete Umgang mit Fehlern sein. Fehler sind zu häu- fig Scham besetzt und je älter man wird, desto stärker wir- ken sie sich auf Psyche und Motivation aus. Das wiederum kann die Gemeinschaft auch teuer zu stehen kommen.

Wir waren kürzlich mit der EDK, der Schweizerischen Die ph akzenteRedakteure

Marianne Sigg und Paul Kim im Gespräch mit Bildungsdirektor Ernst Buschor

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Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren, in Finn- land. Dort sind die Leiterinnen von Kinderkrippen heilpä- dagogisch geschult. Differenzialdiagnostische Ressourcen sind dort vor Ort. Man kann nicht einfach einen Schulpsy- chologen vorbeischicken, der das defizitäre Kind eine hal- be Stunde betrachtet und dann allenfalls eine Massnahme vorschlägt. Die Forschungsergebnisse in diesem Bereich zeigen: Je früher Defizite therapiert werden, um so kosten- günstiger und besser halten Kinder in der normalen Grup- pe mit. Wir machen das zu spät, wir gehen zu spät in die Schule, wir therapieren zu spät und selektieren früher und abschliessender als andere.

Es ist ein bekanntes Phänomen, dass immer einsamer wird, wer sich weiterbildet: Lehrerinnen und Lehrer, die in unseren Schulen Neues ausprobieren wollen, beissen oft auf Granit.

Es ist so, dass es glücklicherweise sehr innovative Lehrkräfte gibt. Ich kenne solche, die mir gesagt haben, dass sie es in einem Reservat von Einzelkämpfern nicht mehr aushielten. Das gibt es leider. Im besseren Fall wech- seln sie an eine innovative Schule.

Zum Zeitpunkt des Erscheinens dieses Gespräches ist Ihre Amtszeit beinahe zu Ende. Was für ein Fazit ziehen Sie aus Ihren acht Jahren als Bildungsdirektor?

Es ist trotz der Abstimmungsniederlage sehr viel ge- lungen. Der Paradigmenwechsel ist in den Gymnasien und Berufsschulen bisher besser bewältigt worden. In der Volksschule ist es zur Zeit etwas schwieriger. Auch in den anderen Bereichen der Verwaltungsreform ziehe ich eine positive Bilanz. Es gibt kaum mehr einen Weg zurück.

In den anderen Direktionen ist die Devolution auch auf guten Wegen. Wir werden demnächst die Spitalverselb- ständigung publizieren und auch bei den Strafanstalten ist einiges in diese Richtung gelaufen.

Generell muss ich jedoch festhalten, dass es Refor- men zur Zeit schwer haben. Die Tendenz des Rückzugs ins geistige Reduit ist deutlich spürbar. Die Zeit ist weniger in- novationsfreudig als vor acht Jahren. Das wird für unser Land dann heikel, wenn wir in Richtung eines deutschen Reformstaus marschieren. Ich hoffe, dass sowohl die men- tale als auch die gesellschaftliche Haltung in der Schweiz bald wieder offener und mutiger wird.

Welche Wünsche würden Sie an eine Bildungsfee richten?

Ich hoffe, dass der Wille, Bildung zu modernisieren, gesellschaftlich und politisch aktuell bleibt. Durch den internationalen schulpolitischen Diskurs sind auch sehr viele nationale Defizite offensichtlich geworden. Ich hoffe, dass es uns gelingt, noch rechtzeitig pro-aktiv auf die An- forderungen der Zeit zu reagieren. Das sind wir unserer Ju- gend und unseren Kindern schuldig. Es bleibt noch vieles zu tun. Man kann nur Probleme lösen, wenn man sie er- kennt und beim Namen nennt. Es ist wichtig, dass wir das Erkennen nicht verdrängen.

Herr Regierungspräsident Buschor, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

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Der Regierungsrat hat die Teilinkraftsetzung des neuen Bildungsgesetzes beschlossen und ver- längert die drei Schulprojekte Teilautonome Volksschule (TaV), Neue Schulaufsicht und Qua- lität in multikulturellen Schulen (QUIMS) um ein Jahr (bis zum 15.8.2004). Ziel der Verlänge- rung ist die Aufrechterhaltung des Status quo und das Verhindern von Know-how-Verlust. Im Folgenden wird QUIMS aus der Sicht eines Gut- achters und des Projektleiters dargestellt.

Die vom Interface Institut für Politikstudien Luzern in Zu- sammenarbeit mit Dorothea Tuggener (PH Zürich) und Ernst Trachsler (PH Thurgau) durchgeführte wissenschaftliche Evaluation hatte zum Ziel, auf der konzeptionellen und strukturellen Ebene des Projektes die Grundlagen dafür zu liefern, die konzeptionelle Eignung des Projektes – auch im Hinblick auf eine kantonsweite Institutionalisierung – zu beurteilen sowie Einschätzungen bezüglich der für die Umsetzung der Massnahmen notwendigen Rahmenbedin- gungen und Unterstützungen der einzelnen Schulen zu machen. Im pädagogischen Bereich sollte geprüft werden, ob die realisierten Schulprojekte zu Verbesserungen des Lernsettings der Kinder im Unterricht und im Schulumfeld führen und ob die Projekte so angelegt sind, dass sie in Beziehung stehen zur Problemanalyse der jeweiligen Schule und in ihren Wirkungen nachhaltig sind.

Unter dem Aspekt der Schulentwicklung schliesslich sollten Fragen der schulinternen Zusammenarbeit, der Selbstorganisation und der Verbindlichkeit geprüft werden.

In einer Gesamtsicht schliesslich hatte die Evaluation darüber Auskunft zu geben, ob der Ansatz von QUIMS eine adäquate Antwort auf die pädagogische Problemstellung der Heterogenität darstellt.

Konzeption und Umsetzung

Die Grundkonzeption von QUIMS – wie sie im Beitrag von Markus Truniger beschrieben ist (s. Kasten) – wird von al- len beteiligten Lehrpersonen und Kindergärtnerinnen so- wie von den Vertreterinnen und Vertretern der kommuna- len Schulbehörden und den Mitgliedern der kantonalen Projektgruppe als zielgerichtet, wirkungsorientiert, situa- tionsgerecht und weitgehend unbürokratisch beurteilt. So-

wohl die Gesamtheit der schriftlich befragten Lehrperso- nen und Kindergärtnerinnen als auch die im Rahmen von Fallstudien per Leitfrageninterview befragten Projektver- antwortlichen einzelner Schulen erachten QUIMS als geeig- netes Projekt, um den heterogenitätsbezogenen Problemen an ihren Schulen begegnen zu können.

Aus einer Nutzenperspektive werden von den Lehr- personen und Kindergärtnerinnen in erster Linie die ver- schiedenen Formen der finanziellen Unterstützung (Ent- lastungen, Aus- und Fortbildungen, Sachmittel) durch QUIMS begrüsst. Aber auch der Umstand, dass mithilfe der Schulbegleiterinnen und -begleiter im Rahmen der QUIMS- Projektarbeit eine gemeinsame Auseinandersetzung im Team und eine pädagogische Entwicklung in der Schule eingeleitet werden kann, wird von den Beteiligten positiv gewertet. Allerdings muss in diesem Zusammenhang kri- tisch auf den Punkt hingewiesen werden, dass die mit der Planung und Realisierung der Schulprojekte betrauten Ar- beitsgruppen sowohl in ihrer inhaltlichen Arbeit als auch in der zeitlichen Belastung stark gefordert – in verschiede- nen Fällen zeitweilig auch überfordert – wurden. Gründe für diese Tatsache liegen einerseits in schulinternen Team- prozessen und -konstellationen: An verschiedenen Schu- len haben zum Teil schwierige und kräfteraubende Ent- scheidungsprozesse stattgefunden. Und als das Projekt startete, wurde es meist von einer kleinen Zahl von Mit- gliedern des Schulkollegiums bearbeitet und getragen. An- dererseits hat sich an den meisten Schulen gezeigt, dass noch wenig Erfahrung und nur ein eingeschränktes Hand- lungsrepertoire im Bereich der Planung und des Manage- ments teamverbindlicher Projektarbeit besteht. Die von der kantonalen Projektleitung aufgrund dieser Erkenntnis angebotene Weiterbildung in Projektmanagement für Steu- ergruppenmitglieder der Schulen ist deshalb auf breites Echo gestossen und hat einen entscheidenden Beitrag zur Verbesserung der Projektführung in den Schulen geliefert.

Vor allem in den qualitativen Erhebungen im Rah- men der verschiedenen Fallstudien ist zum Ausdruck ge- kommen, dass eine der grossen Stärken des QUIMS-Projek- tes in der Verbindung von schul- und unterrichtsnaher Entwicklungsarbeit mit wissenschaftlichen Erkenntnissen der (interkulturellen) Pädagogik liegt. Diese doppelte Orientierung stellt allerdings Schulen, die noch über wenig Erfahrung in der Planung und Realisierung von schuli- schen Entwicklungsprojekten verfügen, vor grosse Heraus- forderungen. Dabei hat sich gezeigt, dass TaV-Schulen, die

Q U I M S – E i n S c h u l v e r s u c h d e r w e i t e r g e h t

E r g e b n i s s e d e r E v a l u a t i o n 2 0 0 0 – 2 0 0 2

Von Hans-Martin Binderund Markus Truniger

Hans-Martin Binder ist Politologe am Interface Institut für Politik- studien Luzern und hat QUIMS evaluiert. Markus Truniger ist QUIMS- Projektleiter an der Bildungsdirektion des Kantons Zürich

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bereits über ein Repertoire von Führungs- und Planungs- kompetenz sowie über Erfahrungen und eine institutiona- lisierte «Kultur» schulinterner Projektkooperation verfü- gen, einen klaren Vorteil aufweisen.

Erkennbare Wirkungen und Nachhaltigkeit

Die Evaluation setzte mit ihrer Wirkungsbeurteilung der verschiedenen Schulprojekte im Herbst 2001 zu einem sehr frühen Zeitpunkt im Umsetzungsprozess der Schulen an. Aus diesem Grund konnten in vielen Projekten – vor allem im Bereich der Sprachförderung sowie der Lern- und Leistungsförderung – die Wirkungen im Zielbereich von QUIMS noch nicht oder erst in Ansätzen erkannt werden.

Die beteiligten Lehrpersonen und Kindergärtnerinnen ka- men aber übereinstimmend (je nach Modul zwischen 60 und 80 Prozent Zustimmung) zur Beurteilung, dass die re- alisierten bzw. in Umsetzung begriffenen Schulprojekte präzise auf die schulhausspezifischen Probleme im Bereich der Heterogenität ausgerichtet seien. Insbesondere die Pro- jekte in den unterrichtsbezogenen Modulen «Sprachförde- rung» und «Lern- und Leistungsförderung» fokussieren auf den Aspekt der Heterogenität, wie sie sich sowohl aus der kulturellen und sprachlichen Vielfalt als auch aus dem unterschiedlichen individuellen Leistungsstand der Schü- ler/innen heraus ergibt. Insofern beschränkt sich die The- matik der Heterogenität in den QUIMS-Projekten an den Schulen nicht auf die Dimension der Multikulturalität und reduziert damit die Problematik auch nicht auf die Glei- chung «Ausländerkinder = Heterogenität in der Klasse bzw. Schule», sondern führt zu Lösungsansätzen, bei de- nen alle Schüler/innen einer Klasse bzw. einer Schule mit eingeschlossen werden.

Im Hinblick auf die Nachhaltigkeit der Schulprojekte hat sich gezeigt, dass der Sicherung von erworbenem Know-how und von Erfahrung in den einzelnen Schulen – über entsprechende Dokumentationen sowie über den re- gelmässigen Erfahrungsaustausch im ganzen Schulhaus- team – grosses Gewicht beigemessen werden muss. Gerade der Umstand, dass die Projekte häufig von einzelnen Te- ammitgliedern oder kleinen Arbeitsgruppen entwickelt werden, weist auf diesen Bedarf hin. Der Wissens- und Er- fahrungsbestand an einer Schule muss gesichert und die Projekte schulhausintern institutionalisiert und verankert werden. Auch in diesem Zusammenhang hat sich gezeigt, dass TaV-Schulen dank klar definierten und zugewiesenen Verantwortlichkeiten mit dieser Frage bewusster umgehen.

Ein anderer Aspekt der Nachhaltigkeit kommt darin zum Ausdruck, dass sich seit Beginn des QUIMS-Projektes die kantonale Projektleitung intensiv der Frage der Vernet- zung und des Informationsaustausches gewidmet hat:

Schulen müssen einander über ihre Projekte informieren sowie Erfahrungen und Materialien weitergeben können, damit nicht allerorten Pionierarbeit im gleichen aufwän- digen Massstab geleistet werden muss. Noch gezielter und effizienter wäre in diesem Zusammenhang der Einsatz und die Förderung von Multiplikatoren, in dem Sinne, dass Lehrpersonen aus QUIMS-Schulen ihr Wissen und ihre Er- fahrungen aus einem bestimmten Projekt an andere Schu- len weitergeben.

Die bereits zum Zeitpunkt der Untersuchung wohl am deutlichsten erkennbare Wirkung von QUIMS liegt darin, dass im Rahmen der Projektarbeit an den einzelnen Schu- len ein Teambildungsprozess und eine Entwicklung hin zur Etablierung einer gemeinsamen Problemlösekultur

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stattgefunden hat. Vor allem in Schulen, die im Modul

«Sprachförderung» aktiv geworden sind, stellen die befrag- ten Lehrpersonen und Kindergärtnerinnen mit überwie- gender Mehrheit positiv fest, dass durch die QUIMS-Arbeit eine gemeinsame Schulhauskultur entstanden sei und dass einzelne Lehrpersonen vermehrt zusammenarbeiten würden. Diese sehr positive Einschätzung durch die Grundgesamtheit der involvierten Lehrpersonen und Kin- dergärtnerinnen wurde in den Fallstudien insofern etwas relativiert, als in den Interviews mit den Projektverant- wortlichen immer wieder zum Ausdruck kam, dass die Mitglieder in den einzelnen Schulhausteams sich in sehr unterschiedlichem Mass und mit unterschiedlicher Über- zeugung an den QUIMS-Projekten beteiligten. Dieser Um- stand hat in einzelnen Schulen auch zu erheblichen inter- nen Spannungen geführt. Aber auch zu einem Pragma- tismus in der Schulprojektarbeit: Viele QUIMS-Projekte wurden von einer kleinen Gruppe innovationswilliger und reformbereiter Lehrpersonen mit viel Energie und Durchhaltewillen angepackt und realisiert. Häufig haben sich dann anfänglich zurückhaltende Teammitglieder «an- stecken» und sich von der positiven Wirkungsperspektive eines QUIMS-Projektes überzeugen lassen.

Ressourcen und Rahmenbedingungen

Das QUIMS-Projekt gewährt den Schulen verschiedene Unterstützungsleistungen. Insbesondere die Möglichkeit der finanziellen Mittel wird von den befragten Lehrperso- nen und Projektverantwortlichen positiv bewertet. Die be- teiligten Schulen erachten die für die Projektarbeit zur Ver- fügung gestellten Mittel auch als ausreichend. Bei dieser positiven Einschätzung muss aber auch mit berücksichtigt werden, dass ein grosser Teil der aufwändigen Arbeit von den Projektverantwortlichen unentgeltlich und in der unterrichtsfreien Zeit geleistet wird.

Die kantonale Projektleitung stellt jeder QUIMS-Schu- le eine Schulbegleiterin bzw. einen Schulbegleiter aus dem kantonalen Projektteam zur Verfügung. Insbesondere in der Einstiegsphase – schulspezifische Problemanalyse, Fest- legung der Module, Erarbeitung der Projektkonzeptionen, Aufbau einer Projektstruktur und -organisation – scheint eine solche Schulbegleitung einem grossen Bedarf zu ent- sprechen. Die befragten Lehrpersonen und Kindergärtne- rinnen beurteilen die Wichtigkeit der Schulbegleitung je- denfalls grundsätzlich positiv. In verschiedenen Fällen hat sich aber gezeigt, dass der Beratungsbedarf an den einzel- nen Schulen sehr unterschiedlich ist. So geht es z.B. an ei- ner Schule vor allem um die Begleitung und Unterstützung in einem schwierigen Teambildungsprozess, an einer an- deren Schule aber vor allem um die pädagogisch-inhaltli- che Beratung oder die Unterstützung der Steuergruppen im Bereich Projektmanagement. Die fachliche Kompetenz der Schulbegleiter/innen deckt aber nicht in jedem Fall die

ganze Palette unterschiedlicher Beratungsleistungen ab, und so beurteilen die befragten Projektverantwortlichen an den Schulen die Nützlichkeit und Qualität der gebote- nen Unterstützung zum Teil unterschiedlich.

Wie bereits erwähnt zeichnet sich in vielen Fällen die QUIMS-Projektarbeit an den Schulen dadurch aus, dass sie von wenigen Personen mit einem zum Teil enormen Engagement und Zeiteinsatz geleistet wird. Eine mögliche Verbesserung dieser Situation könnte darin bestehen, dass schulhausintern eine explizite Rollen- und Funktionsdif- ferenzierung erfolgt. Einzelne Teammitglieder oder Arbeits- gruppen würden dabei – versehen mit den notwendigen Zeitressourcen durch Stundenentlastung – gezielt Aufgaben und Funktionen im Rahmen der Schulprojekte als defi- nierten Verantwortungsbereich übernehmen und sich zu- sätzlich für diese Spezialaufgaben qualifizieren. Eine sol- che funktionale Binnendifferenzierung könnte Klarheit in der inhaltlichen Verantwortung bei gleichzeitiger Entlas- tung eines Grossteils des Kollegiums schaffen. In Bezug auf die Nachhaltigkeit der verschiedenen QUIMS-Projekte weisen alle befragten Personen – ob beteiligte Lehrperso- nen und Kindergärtnerinnen, ob Projektverantwortliche und Mitglieder von Steuergruppen an einzelnen Schulen oder Vertreter/innen der lokalen Schulbehörden – darauf hin, dass das Gelingen vor allem der langfristig angeleg- ten Projekte von der Gewährleistung einer dauerhaften Fi- nanzierung abhängt. Insbesondere in Projekten, die auf den regelmässigen Einsatz zusätzlicher Fachpersonen im Unterricht aufbauen, ist diese Kontinuität in der Finanzie- rung entscheidend.

Fazit

• Das QUIMS-Projekt bildet in seiner inhaltlichen wie in- strumentellen Konzeption einen zweckmässigen, ent- wicklungsorientierten und unbürokratischen Rahmen, damit die Schulen eigenverantwortlich situations- und problemadäquate Schulprojekte im Bereich des Umgangs mit Heterogenität entwickeln und realisieren können.

• Das notwendige Know-how für die Entwicklung und die Realisierung von Schulprojekten muss an vielen Schulen zuerst aufgebaut werden. Dies erfordert von den Beteilig- ten einen hohen Aufwand an Arbeitszeit und Engage- ment. Die Start- und Entwicklungsphase ist deshalb an den meisten Schulen aufwändig und kräftezehrend. TaV- Schulen haben in diesem Bereich Vorteile, weil sie über geeignete und bereits eingespielte Strukturen, Verfahren und Verantwortlichkeiten verfügen.

• Viele QUIMS-Projekte sind unmittelbar oder mittelbar unterrichts- und/oder lernwirksam. Sie orientieren sich an föderativen und integrativen pädagogischen Ansätzen.

• Die meisten Projekte verfolgen nachhaltige Zielsetzungen in den Bereichen Sprachförderung sowie Lern- und Leis- tungsförderung. Messbare Erfolge werden aber erst län-

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gerfristig feststellbar sein.

• Die vom Kanton eingesetzten Finanzmittel ermöglichen ei- ne zielführende Projektarbeit an den einzelnen Schulen.

• Ein sehr grosser Ressourcen- bedarf – zeitlich wie perso-

nell – wird durch einen überdurchschnittlichen Einsatz der an den Projekten direkt beteiligten Lehrpersonen und Kindergärtnerinnen gedeckt.

Der vollständige Bericht kann als PDF-File unter http://www.interface-politikstudien.ch oder unter http://www.quims.ch heruntergeladen werden.

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QUIMS – Projektbeschrieb

Schulen in Quartieren mit schwieriger sozialer Zu- sammensetzung brauchen Engagement und Unterstüt- zung, um gute Lernleistungen und gute Bildungschancen der Kinder – schweizerischer und ausländischer Herkunft – zu gewährleisten. Dass hier ein grosser Handlungsbe- darf besteht, wissen nicht nur die Praktiker/innen, son- dern bestätigen auch die Zürcher Schulleistungsuntersu- chungen und die PISA-Studien.

Das Projekt QUIMS beinhaltet pädagogische Schul- entwicklung. Es bezweckt, in Schulen mit sehr hohen An- teilen an Kindern aus bildungsfernen und anderssprachi- gen Familien die Qualität zu sichern. Die Chancen aller Kinder in diesen Schulen sollen nicht schlechter sein als anderswo. Jugendliche mit Migrationshintergrund sollen ihr Bildungsniveau, das heute unterdurchschnittlich ist, erhöhen können. Die beteiligten Schulen entwickeln da- zu Massnahmen, setzen sie um und werten sie aus. Im Zentrum stehen unterrichtsbezogene Massnahmen sowie der Einbezug der Eltern, wie beispielsweise intensive Le- se- und Schreibförderung, Sprachförderung im Teamtea- ching, Arbeit mit Lerntagebuch und Portfolio, erweiterte Lernformen, niederschwellige Elterninformation und -bil- dung, Einsatz von Kulturvermittler/innen. Flankierend dazu bilden sich die Lehrpersonen weiter. Der Kanton leistet beratende und finanzielle Unterstützung. Die Er- fahrungen werden so ausgewertet, dass sie interessierten Schulen zur Verfügung stehen (Handbuch, Website). Das Projekt ist auf die Schulprogrammarbeit im Rahmen der schulischen Teilautonomie abgestimmt. Es ergänzt ein gut ausgebautes und möglichst integrativ ausgerichtetes son- derpädagogisches Angebot.

Das Projekt QUIMS läuft im Auftrag des kantonalen Bil- dungsrats seit 1997. Die Zahl der beteiligten Schulen er- weiterte sich jährlich. Anfangs 2003 sind 21 Schulen mit rund 4500 Schulkindern in Zürich, Winterthur, Dietikon, Schlieren, Regensdorf, Dübendorf und Horgen beteiligt.

Der Regierungsrat und der Kantonsrat haben die erforder- lichen Kredite bewilligt. Ein nächster Kredit ist bis Ende Schuljahr 2003/04 befristet. Die Weiterführung des Pro- jekts erfolgt ab 2003 als ein Schulversuch gemäss dem neuen Bildungsgesetz.

Im Volksschulgesetz, das in der Volksabstimmung im November 2002 verworfen wurde, waren eine zukünftige Verankerung der Qualitätsförderung in multikulturellen Schulen und kantonale finanzielle Beiträge dafür vorgese- hen. Die entsprechenden Paragrafen waren im Vorfeld der Abstimmung unbestritten. Unterdessen liegen im Kan- tonsrat erneut zwei Gesetzesvorschläge vor, die beide die- se Paragrafen wieder enthalten. Für die Lernförderung der Kinder aus den sozial benachteiligten Kreisen ist zukünf- tig auch eine frühe Förderung in einer Grundstufe und ei- ne integrative sonderpädagogische Förderung dringlich zu wünschen. Der Kantonsrat und das Volk werden darüber neu zu entscheiden haben.

Markus Truniger

Literaturhinweis:

Mächler u.a. (2001). Schulerfolg: kein Zufall. Ein Ideenbuch zur Schulentwicklung im multikulturellen Umfeld. Lehrmittelverlag des Kantons Zürich (Handbuch zum QUIMS-Projekt).

Website www.quims.ch

Referenzen

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