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Liebe Leserin, lieber Leser

Auf die Lehrerinnen- und Lehrerbildung an Pädagogischen Hochschulen warten zusätzlicher Aufgaben. Eine dieser Neuerungen betrifft den Auf- und Ausbau von anwendungs- orientierter Forschung und Entwicklung (F&E).

Diese Forderung ist zwar unmissverständlich formuliert, lässt aber in der konkreten Umsetzung viel Spielraum offen. Das gilt auch für die Integration von F&E in die Ausbildungslehrgänge für künftige Lehrpersonen sowie die Weiterbildungsangebote.

Unter dem Aspekt des forschenden Lernens werden in drei Beiträgen dieses Schwerpunkts Projekte und Methoden vorgestellt, die aufzeigen, wie der Transfer zwischen Forschung und Praxis gelingt. Diesen drei Bei- spielen aus Deutschland folgen zwei Beiträge aus der Pädagogischen Hoch- schule Zürich (PHZH).

Dabei wird einerseits das Konzept für die F&E-Angebote in der Ausbildung vorgestellt, andererseits wird an einem aktuellen Beispiel erläutert, wie das Zusammenspiel von wissenschaftlichem Forschen, Bildungspolitik und schulischem Alltag funktionieren kann.

Neben einem Überblick über verschiedene schweizerische Bildungsforschungs- projekte in der Rubrik «Bildungsforschung» erhalten Sie in der Rubrik

«PHZH» vertieften Einblick in Forschungsfelder, die an der PHZH bearbeitet werden, wie die Lehrplanforschung und die historische Bildungs- forschung. Ausserdem wird im «Standpunkt» ein Fragezeichen hinter die Aussagekraft der PISA-Resultate gesetzt.

Dass die anhaltend schwache Wirtschaftslage auch eine Lehrstellenknappheit zur Folge hat, ist eine Tatsache, die unter anderem die Berufsbe-

ratung vor neue Herausforderungen stellt. Sie steht im Zentrum des zweiten Beitrags in unserer Serie über Fragen der Berufsberatung, die wir aus Anlass des 100. Geburtstags des Schweizerischen Verbands für Berufsberatung veröffentlichen. Diese und weitere Akzente finden Sie in der vorliegenden Nummer von ph akzente.

Thomas Hermann

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2 schwerpunkt

2 Peter Sieber. Einführung in den Schwerpunkt:

Forschendes Lernen

3 Hilbert Meyer, Ulf Gebken. Oldenburger Teamforschung: Wiederbelebung der

Aktionsforschung in der Lehrer/innenbildung 8 Wilfried Hansmann, Una Dirks. Forschendes

Lernen im Schulpraktikum: Die Perspektive der praxeologischen Kulturheuristik

11 Heinz Moser. Forschendes Lernen im Nachdiplomstudium: Erfahrungen aus der Sozialpädagogik

15 Alex Buff und Markus Brandenberg im Gespräch. «F & E» in de Lehrer/innenbildung.

Neue Wege an der PHZH

19 Judith Hollenweger. Chancengleichheit an Schweizer Schulen? PISA – zwischen Forschung, Praxis und Lehre

24 standpunkt

Daniel Tröhler über PISA und Demokratie

26 aktuell

26 Bruno Kägi. Berufsfindung in wirtschaftlich härterem Umfeld: Zur Kooperation von Schule und Berufsberatung

30 Eva Schumacher. Das Lehrstellenprojekt 16+:

Projekte und Unterlage für eine offene Berufswahl

32 bildungsforschung 34 rezensionen 37 phzh

37 Anna-Verena Fries. Das A und O der Schule:

Der Lehrplan

40 Rebekka Horlacher. Briefe an Pestalozzi:

Eine Edition im Lichte neuer historischer Forschungsansätze

41 Matthias Fuchs. Ist die PHZH bald eine Notebook-Hochschule?

42 Web-Quest – Eine Datenbank für Internet- Projekte

43 Marianne Frei. Schweiz-Bhutan.

Entwicklungsorientierte Partnerschaft im Bereich der Lehrer/innenbildung

44 Mediensplitter

Daniel Ammann. Chat-Travestie

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F o r s c h e n d e s L e r n e n

E i n f ü h r u n g i n d e n S c h w e r p u n k t

Forschung und Entwicklung (F&E) sowie forschendes Lernen gelten in der Lehrerbildung als neue und heraus- fordernde Aufgaben. Forschendes Lernen ist eine hervorragende Möglichkeit, einen engen Bezug zwischen Theorie und Praxis herzustellen, und es ist gleichzeitig eine Voraussetzung für wissenschaftliches Tun. Dabei gilt es, den angestrebten Aufbau einer forschenden Haltung der zukünftigen Lehrer/innen als Merkmal ihrer Pro- fessionalität von den Tätigkeiten des wissenschaftlichen Forschens zu unterscheiden. Heinz Moser bringt das in seinem Beitrag zum forschenden Lernen (vgl. S. 11) auf den Punkt: Beim forschenden Lernen wird Wissen nicht allein aus Büchern, «sondern in einer

methodisch angeleiteten Auseinandersetzung mit dem Praxisfeld erworben. Allerdings bedeutet dies nicht, forschendes Lernen mit wissenschaftlichem Forschen gleichzusetzen; vielmehr geht es um eine erste Einfüh- rung in die Techniken und Instrumente des forschenden Handelns, die dem Praxis- bzw. dem Ausbildungs- system zugehört und nicht der Wissenschaft. Ziel ist also nicht die Generierung von wahren Aussagen oder Theorien, die dem Anspruch ‹wissenschaftlicher Wahr- heit› genügen. Vielmehr steht der Umgang mit brauch- barem Wissen, das über Forschungsprozesse entwickelt und reflektiert wird, im Mittelpunkt.» (S.11).

Forschendes Lernen will also einen wichtigen Bei- trag zur Professionalisierung des Lehrerberufs leisten, indem es die Fähigkeit zum Perspektivenwechsel ausbil- det. Diese ist, wie Hilbert Meyer und Ulf Gebken in ihrem Beitrag zur Teamforschung erläutern, ein wesentlicher Baustein professionellen Handelns. Mit Elementen des forschenden Lernens, der Beteiligung an Forschungs- und Entwicklungsprojekten können von den Studierenden Praxissituationen, wie sie in der berufspraktischen Aus- bildung in grosser Zahl erlebt werden, unter verschie- denen Perspektiven bearbeitet werden: Unter der Perspek- tive der Nützlichkeit erwächst aus dem Praxissystem heraus die Frage: Welches Know-how ist nötig, um in ei- ner konkreten Situation zu handeln? Aus dem

Wissenschaftssystem heraus, das unter der Perspektive der Wahrheit steht, ergeben sich Fragen wie: Was läuft in Praxissituationen wirklich ab? Mit welchen Methoden kann das beobachtet werden? Wie ist das, was wir beo- bachten können, in einen Orientierungsrahmen einzu- passen, der den Spielraum der Handlungsmöglichkeiten erweitert?

Aus diesem Wechselspiel der Perspektiven lässt sich ein Professionalisierungsprozess gestalten, der eine Erweiterung und Erneuerung bestehender Wissens- und Handlungsstrukturen zur Folge hat. Was dies konkret bedeutet und wie es an verschiedenen Hochschulen und in unterschiedlichen Projekten angegangen wird, ist

Thema der folgenden Beiträge. Sie machen deutlich, wie spannend und facettenreich die Realisierung des An- spruchs auf forschendes Lernen ist und wie viel verspre- chend bereits gemachte Erfahrungen sind.

Zwei Beiträge von deutschen Kolleg/innen zeigen, wie forschendes Lernen mit Unterrichtspraxis ver- knüpft werden kann: Die «Oldenburger Teamforschung»

ist ein Modellversuch, der Hochschulangehörige, Lehr- personen und ganze Schulteams in gemeinsame Lernpro- zesse einbindet (S. 3). Einen speziellen Teil der Ausbil- dung greifen Wilfried Hansmann und Una Dirks heraus, um daran forschendes Lernen zu zeigen: Aus ei- ner kulturtheoretischen Perspektive werden Vorbereitung, Durchführung und Auswertung des «allgemeinen Schulpraktikums» sowohl diskutiert wie organisiert. Dies soll helfen, nebst dem nötigen Praxiswissen auch das für die Profession ebenso entscheidende Reflexionswissen aufzubauen (S. 8).

Die Vermittlung des Professionswissens mit Aspekten des Praxishandelns steht auch im Mittelpunkt des Bei- trags von Heinz Moser. Er zeigt dies an einem praktischen Beispiel aus einem Nachdiplomstudiengang in Sozial- pädagogik: Praxisforschung im Kindergarten (vgl. S. 11).

Die Vorbereitungen für entsprechende Angebote der PHZH sind gegenwärtig in vollem Gang. Die Studieren- den werden sich erstmals im kommenden Winter für ein Forschungs- und Entwicklungsprojekt (F&E-Projekt) ein- schreiben können; im Sommersemester 04 finden dann die Vorbereitungsseminare statt und im Winter 04/05 werden die ersten F&E-Projekte durchgeführt. Welche Überlegungen hinter diesen Vorbereitungen stehen, wird im Interview mit Markus Brandenberg und Alex Buff, den beiden Verantwortlichen für F&E in der Ausbildung an der PHZH, erläutert (vgl. S. 15).

Forschendes Lernen ist nicht allein auf einen engen Kontakt mit dem Praxisfeld angewiesen. Ebenso wichtig ist die Verknüpfung mit aktuellen Forschungsak- tivitäten. Den Abschluss des thematischen Schwer- punkts macht deshalb ein Beitrag aus der Forschung der PHZH. Judith Hollenweger erläutert den Prozess von Forschung, Diskurs und Umsetzung in Praxis am Beispiel einer PISA-Vertiefungsstudie (S. 19).

Es ist ein weiter Weg von den Konzeptdiskussionen bis zur Realisierung. Wir sind an der PHZH mitten auf diesem Weg. Da kommt es gelegen, dass wir auch von andern lernen können. Beides soll mit dieser Num- mer von ph-akzenteerreicht werden: Information und Austausch über Entwicklungen an der PHZH und die Erweiterung des Blicks über den eigenen Horizont hinaus.

Peter Sieber, Prorektor Forschung und Innovation, Pädagogische Hochschule Zürich

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Die an der Oldenburger Universität gemeinsam mit mehreren Schulen und Lehrerfortbildungs- institutionen entwickelte «Oldenburger Team- forschung» stellt den Versuch dar, Studierende und berufserfahrene Lehrer/innen zu kleinen Teams zusammenzuführen und sie selbststän- dig an einer schulpraktisch wichtigen For- schungsfrage empirisch forschen zu lassen. Wir versprechen uns davon nicht nur wissen- schaftliche Erkenntnisproduktion, sondern auch eine qualitative Verbesserung der Lehrer- bildung, die auch in Oldenburg durch curricu- lare Unverbindlichkeit und Abspeisungen in Massenveranstaltungen gekennzeichnet ist.

Unser Ansatz

1996 haben wir an der Universität Oldenburg eine kleine

«Forschungswerkstatt Schule und Lehrer/innenbildung»

eingerichtet, die Schritt für Schritt ein Stützsystem für die Teams aufgebaut hat. Seit 2000 ist unser Ansatz Gegen- stand eines Modellversuchs der deutschen Bund-Länder- Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförde- rung, an dem Studierende, Referendar/innen und Lehrer/-

innen aller Schulformen des allgemeinbildenden Schulwe- sens beteiligt sind. Die ersten Ergebnisse sind vielverspre- chend: Teamforschung hilft den beteiligten Schulen, sich auf wissenschaftlicher Basis weiterzuentwickeln; sie hilft Studierenden und Lehrer/innen, eine dauerhafte forschen- de Haltung zu entwickeln. Sie liefert günstige Bedingun- gen für situiertes Lernen (vgl. Altrichter 2002).

Wesentlicher theoretischer Bezugspunkt ist die inter- nationale Aktionsforschung (vgl. Elliott 1991; Moser 1995;

Dick 2003). Dabei haben wir uns zunächst an das an der Universität Klagenfurt von Peter Posch und Herbert Alt- richter entwickelte Konzept angelehnt (Altrichter/Posch 1990/3. Aufl. 1998), den Ansatz dann aber weiterentwi- ckelt: Nicht eine einzelne Lehrerin, die als «Einzelkämpfe- rin» ihren eigenen Unterricht durch Forschung zu verbes- sern versucht, steht im Mittelpunkt, sondern das genera- tionsübergreifend zusammengesetzte Team. Wegen dieser Abweichung von einem wichtigen Grundsatz der interna- tionalen Aktionsforschung («Erforsche Deinen eigenen Unterricht!») haben wir uns den Namen Teamforschung neu ausgedacht.

Einmal jährlich bilden wir – jeweils im März – acht bis neun neue Forschungsteams, die dann als «Kohorte 1»,

«Kohorte 2» usw. bezeichnet werden und für zehn bis elf Monate zusammenarbeiten. Die Teams treffen sich in die- sem Zeitraum circa acht- bis zwanzigmal zu Einzelsitzun- gen. Sie kooperieren mit den Wissenschaftlern aus der For-

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Von Hilbert Meyerund Ulf Gebken

Hilbert Meyer ist Professor für Schulpädagogik und Ulf Gebken ist wissen- schaftlicher Mitarbeiter an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg

Fotomontagen: Daniel Lienhard, Zürich

O l d e n b u r g e r T e a m f o r s c h u n g

W i e d e r b e l e b u n g d e r A k t i o n s f o r s c h u n g

i n d e r L e h r e r/i n n e n b i l d u n g

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schungswerkstatt und auch mit den anderen Teams ihrer Kohorte, indem sie z.B. befristet die Rollen «kritischer Freunde» übernehmen.

Es wäre unseres Erachtens ganz falsch, die erzie- hungswissenschaftliche Grundlagenforschung in den Uni- versitäten zu kasernieren und anwendungsbezogene For- schung den Pädagogischen Hochschulen zuzuschieben (vgl. Dick 2003, S. 38–40). Angewandte Forschung und Grundlagenforschung gehören zusammen. Wir halten die diversen neu konturierten Ansätze der Aktions-, Hand- lungs- oder Praxisforschung für gut geeignet, Lehramtsstu- dierenden Pädagogischer Hochschulen und Universitäten einen unverfälschten und bildenden Zugang zur empiri- schen Forschung zu vermitteln.

Ein Beispiel

Eine neu an einer Oldenburger Sekundarschule eingestell- te Lehrerin klagt darüber, dass sie sich häufig gezwungen sieht, störende Schüler aus ihrem Unterricht herauszu- schmeissen. Sie empfindet dies immer wieder als pädago- gische Niederlage. Aber Hilfestellungen von den Kolleg/in- nen ihrer Schule gibt es nicht. Das Thema ist tabuisiert, obwohl oder gerade weil sich hinterher herausstellt, dass sämtliche Kolleg/innen das Gleiche tun. Die Lehrerin nimmt mit uns Kontakt auf. Sie erklärt sich bereit, sich mit zwei Unterrichtsstunden als so genannte «Mitwirkende Lehrerin» an die Uni abordnen zu lassen, in ein kleines Forschungsteam einzusteigen und ihr Problem zu bearbei- ten. Zunächst wird ein Analysegespräch (nach Altrich- ter/Posch 1998, S. 81–85) geführt; danach wird die For- schungsfrage «kleingearbeitet». Sie lautet nach drei Teamsitzungen: «Wie nehmen die Schüler/innen und die Lehrer/innen unserer Schule den Rauswurf emotional wahr?» Ein Exposé wird geschrieben, in dem ein For- schungsplan enthalten ist. Die Frage soll mithilfe von Schülerbefragungen, Unterrichtsbeobachtungen und Leh- rerinterviews bearbeitet werden. Es soll also «Methoden- triangulation» praktiziert werden. Mit viel Arbeitseinsatz und methodologischer Beratung durch die Forschungs- werkstatt wird in drei Schritten eine methodisch kontrol- lierte Datenerhebung, Datenaufbereitung und -auswertung durchgeführt. Nach neun Monaten liegt ein differenzierter Forschungsbericht vor. Nur: Das Kollegium, das zu Beginn der Forschung sehr deutliches Interesse an der Bearbeitung formuliert hatte, will von den Ergebnissen nichts wissen.

Die Lehrerin und «ihre» Student/innen sind frustriert. Aber sie forschen – unterstützt von der Schulleiterin – noch ei- ne zweite Runde weiter. Diesmal geht es um die Suche nach konstruktiven Lösungen. Eine «Konzentrationsinsel»

im Klassenzimmer wird konzipiert, in der Klasse der Leh- rerin eingerichtet und erprobt. Eine neuerliche Schülerbe- fragung ergibt grosse Zufriedenheit. Von mehreren anderen Schulen kommen Rückfragen; die Idee der «Konzentra-

tionsinsel im Klassenzimmer» beginnt sich auszubreiten (vgl. Blaser 2002).

Arbeitsdefinition und Ziele

Teamforschung verfolgt mehrere eng miteinander ver- knüpfte Ziele, die in der folgenden Arbeitsdefinition ange- sprochen werden:

Teamforschungist ein aus der internationalen Aktionsfor- schung hergeleiteter Forschungsansatz, bei dem kleine, ge- nerationenübergreifend zusammengesetzte Teams die an- fänglich zumeist viel zu pauschale Forschungsfrage

«kleinarbeiten» und sie dann mit leicht zu handhabenden und im Zeitaufwand nicht überfordernden Methoden mit dem Ziel untersuchen,

1) «lokales», wissenschaftlichen Gütekriterien genügen- des Wissen zu produzieren;

2) durch reflexive Distanz zum Unterrichtsalltag die eige- ne Berufspraxis bzw. bei Studierenden den zukünfti- gen Arbeitsplatz kritisch zu durchleuchten;

3) und die Untersuchungsergebnisse für die Weiterent- wicklung des eigenen Unterrichts bzw. des Lehrbe- triebs der Universität zu nutzen.

Die Ziele im Einzelnen:

1) Wir wollen neue wissenschaftliche Erkenntnisse (= lo- kales Wissen) über die Praxisfelder «Schule/Unterricht»

und «Lehrerbildung» gewinnen und für die Wissensge- meinschaft zur Verfügung stellen.

2) Wir hoffen, dass durch die Arbeit im Team bei berufs- erfahrenen Lehrer/innen ebenso wie bei Lehramtsstu- dierenden ein Professionalisierungsschub ausgelöst wird, der zum Aufbau einer dauerhaften forschenden Haltung gegenüber der Berufspraxis beiträgt.

3) Wir hoffen, dass durch die Implementation der in der Teamforschung gewonnenen Erkenntnisse an den Schulen, in denen die Erkenntnisse gesammelt wur- den, Unterrichts- und Schulentwicklung durch Selbst- evaluation angeregt werden. Deshalb haben wir die am Modellversuch beteiligten Schulen verpflichtet, selbst die Verantwortung für die zu bearbeitende For- schungsfrage zu übernehmen.

Wir betonen, dass es bei der Teamforschung um ernst zu nehmende Forschung und nicht nur um «Probeforschen zu Lehrzwecken» geht. Gütekriterien, die für die qualitative Forschung ausformuliert worden sind, gelten also auch für uns (vgl. Fichten u.a. 2002).

Die Forschungswerkstatt als «Basislager»

In der Skizze (Abb. 1) haben wir die Struktur der Teamfor- schung in ein Prozessmodell übertragen. Wir deuten die selbstständige Forschungsarbeit der norddeutschen Küs-

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tenbewohner als «Bergtour», die uns in ungewohnte Hö- hen führt, in denen die Luft dünner wird. Und wir be- schreiben das Stützsystem, das wir zwischenzeitlich auf- gebaut haben, um die Arbeit in den Teams zu stabilisieren, als «Basislager», in dem Proviant bereitge- halten, gute Ratschläge gegeben, Rituale und Routinen des Forschens vermittelt werden.

Arbeit im Team

Das Besondere unseres Oldenburger Ansatzes ist die Struk- tur der Teams. Wir arbeiten mit generationenübergreifend zusammengesetzten Teams, durch die die Universität, die zwei beteiligten Studienseminare und die sechs Schulen miteinander vernetzt werden. Jedes Team hat vier bis sechs Mitglieder. Die Teambildung wird gründlich von uns vorbereitet, weil angesichts der neun bis elf Monate wäh- renden intensiven Zusammenarbeit «die Chemie stimmen muss». Die Teams werden angehalten, in einem schrift- lichen Arbeitsbündnis die gegenseitigen Rollenerwartun-

gen und den Umfang der zu leistenden Arbeit abzuklären. Sie werden von uns über den ethi- schen Kode der Teamforschung informiert (vgl.

Junghans/Meyer 2000) und erhalten ein Super- visionsangebot, für den Fall, dass es zu intern nicht lösbaren Spannungen kommen sollte.

Forschung lebt von einer funktionieren- den kritischen Öffentlichkeit. Wir zwingen die Teams deshalb mehrfach, ihre Zwischen- und Endergebnisse zu veröffentlichen: durch die Teamspiegelung mit einem benachbarten Team; durch einen grossen «Präsentationstag»

am Ende eines Forschungsdurchlaufs, durch die aktive Teilnahme an Fachtagungen und durch die Veröffentlichung der Forschungser- gebnisse – z.B. im «Oldenburger Jahrbuch Team- forschung», aber auch in anderen Buchveröf- fentlichungen (vgl. Dirks/Hansmann 2002;

Obolenski/Meyer 2003).

Im Rahmen unserer internen Evaluation haben wir inzwischen für drei Kohorten um- fangreiche Daten zur Rollenfindung im Team, zur Zufriedenheit/Unzufriedenheit im Team, zur Rolle des Arbeitsbündnisses usw. gesam- melt. Studierende und berufserfahrene Leh- rer/innen kommen zu überwiegend sehr posi- tiven Urteilen über die Arbeit im Team. Die intensive Zusammenarbeit wird trotz des er- heblichen Zeitaufwands als sehr befriedigend empfunden. Für die Studierenden ist die Erfah- rung, dass die Ergebnisse ihrer Arbeit prakti- sche Relevanz in den Schulen haben, überra- schend und hoch motivierend. Im Team wird das gesucht, was im normalen Lehrbetrieb ei- ner deutschen Lehrerbildungsuniversität fehlt: authenti- sche Praxis, «leibhaftige» Kolleg/innen, an denen man sich orientieren, aber auch reiben kann. Die Durchführung eines Forschungsvorhabens stellt für die Studierenden zu- gleich eine optimale Vorbereitung auf das Schreiben der Examensarbeit dar.

Das Wechseln der Perspektiven als Element von Professionalisierung

Die Fähigkeit zum Wechseln der Perspektive wird in vielen Professionalisierungskonzepten als wesentlicher Baustein professionellen Handelns beschrieben. Was genau darun- ter zu verstehen ist und wie das Wechseln angeregt wer- den kann, bleibt aber oft blass (vgl. Prengel 1997; Fichten 2003).

Wir zwingen die Teilnehmer/innen unseres Modell- versuchs, in generationenübergreifend zusammengesetz- ten Teams zu arbeiten. Wir rechtfertigen dies mit der Be- obachtung, dass die Konfrontation mit den sehr unter- Abbilddung 1: Bergtour

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schiedlichen Sichtweisen der Teammitglieder das befriste- te Wechseln der Perspektive anregt. Dies führt zu einer in- haltlich reicheren, eben mehrperspektivischen Bearbei- tung der vereinbarten Forschungsfrage und zu einer differenzierteren Datenauswertung und -interpretation.

Dies gilt insbesondere für Forschungsfragen, bei denen die Schülerinteressen und -perspektiven eine Rolle spielen.

Die gründliche, im Team stattfindende Rekonstruk- tion der vertretenen Perspektiven ist die unabdingbare Voraussetzung für das Entwickeln neuer Perspektiven.

Denn oft sind sich die Teammitglieder der Perspektivität ihrer subjektiven Theorien nicht bewusst. Nicht nur die Routiniers aus der Schule, auch die Studierenden haben ihre durch die universitäre Ausbildung zumeist nur wenig veränderten «Brillen». Während des Forschungsprozesses wird zwangsläufig und konkret deutlich, dass es alternati- ve Sichtweisen gibt, die die Studierenden und die Leh- rer/innen im Blick auf ihre empirische Angemessenheit und Praxistauglichkeit überprüfen können.

Durch die eigenen Forschungserfahrungen verändern sich auch die Einstellungen der Stu- dierenden und der mitwirkenden Lehrer/innen gegenüber Theoriewissen jedweder Art. Die Stu- dierenden werden insgesamt kritischer, weil sie am eigenen Leibe erfahren haben, dass es viele Faktoren gibt, die Ergebnisse empirischer Forschung verfälschen können. Die mitwirken- den Lehrer/innen empfinden es als sehr berei- chernd, einen erneuten Anschluss an die ak- tuelle wissenschaftliche Diskussion zu finden.

Curriculum und Prozessablauf

Wir haben in den letzten Jahren ein Teamfor- schungs-Curriculum entwickelt, mit dem wir die Studierenden und berufserfahrenen Leh- rer/innen in die Teamforschung einführen:

1) ein anderthalbtägiger Workshop zur Ein- führung in die theoretischen Grundlagen, den ethischen Kode und die Gütekriterien der Aktionsforschung;

2) ein anderthalbtägiger Workshop zur Orien- tierung über geeignete Forschungsmetho- den;

3) Anleitungen zum Schreiben von Exposés und von Forschungsberichten;

4) ein eintägiger Workshop zur Information über geeignete Methoden der Datenaufbe- reitung und -auswertung;

5) eine Schlussveranstaltung «Präsentation der Forschungsergebnisse» für jede Kohorte.

Der konkrete Verlauf jedes Teamforschungsvorhabens ist unterschiedlich; wir orientieren uns aber an dem folgen- den idealtypischen Prozessmodell.

Besonderes Gewicht hat der Schlusspunkt, die Imple- mentation der Ergebnisse in Schulentwicklungsprozesse.

Wichtig ist dabei ein stabiles Vertrauensverhältnis zwi- schen den Teammitgliedern (insbesondere der mitwirken- den Lehrerin) und der Schulleitung bzw. der Steuergruppe der Schule. Die Studierenden sind oft überrascht, wenn keine unmittelbare Umsetzung der rückgemeldeten Ergeb- nisse stattfindet. Wir konnten jedoch beobachten, dass die mittel- und langfristigen Effekte der Veröffentlichung loka- len Wissens erheblich sind. Gerade weil es um die eigene Schule geht, können vorgelegte Daten nicht einfach igno- riert werden. Sie bleiben auch bei vordergründiger Ableh- nung im kollektiven Gedächtnis der Schule.

Forschungsmethoden

Qualitative und zum Teil auch quantitative Methoden, mit denen wir Teamforschungsvorhaben durchgeführt haben, sind z.B.:

Abbildung 2: Prozessmodell

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• Schreiben eines Forschungstagebuchs und von «Memos»

(= verdichtete Situationsschilderungen)

• «Analysegespräche» nach Altrichter/Posch (1998)

• teilnehmende Beobachtung

• strukturierte Beobachtung

• offene und/oder geschlossene Fragebogen

• leitfadengestützte Interviews

• fokussierte, narrative und biografische Interviews

• Gruppengespräche

• Foto- oder Videodokumentationen

• Aufsatzschreiben (mit qualitativer Inhaltsanalyse)

• Cluster-Legen (eine als «Heidelberger Strukturlegetech- nik» bezeichnete Methode, bei der die Befragten ihre subjektiven Vorstellungen zu einem bestimmten Be- griff/Thema/Problem mithilfe einer Traube (= cluster) von vorgegebenen Begriffen erarbeiten)

• SOFT-Analyse

• qualitative Inhaltsanalysen (nach Moser 2003).

Forschungsthemen

Themen, die in früheren Teamforschungsvorhaben unter- sucht wurden oder zurzeit laufen, lauten z.B.:

• Wie werden Gesamtschulabsolvent/innen des 10. Jahr- gangs mit dem Wechsel in die gymnasiale Oberstufe fer- tig?

• Welche Hilfestellungen erwarten Oberstufenschüler/in- nen bei der Anfertigung der neu eingeführten Facharbei- ten?

• Warum sind stille Schüler/innen still?

• Wie verarbeiten Schülerinnen und Schüler einen «Raus- schmiss» während des Unterrichts?

• Geschlechtsspezifische Unterschiede in der Nutzung des PCs im Grundschulunterricht

• Welche Akzeptanz findet das Konzept der «Themenplan- arbeit» bei Lehrer/innen, Schülerinnen und Schülern und Eltern einer Integrierten Gesamtschule (IGS)?

• Beeinflusst das Erziehungsverständnis von Grundschul- lehrer/innen ihr Methodenhandeln im Unterricht?

• Was verstehen Gymnasialschüler/innen unter «Förde- rung» und welche Erwartungen haben sie an ihre Leh- rer/innen?

• Welche Lernstrategien kennen und benutzen die Schü- ler/innen einer ländlichen Hauptschule?

• Was muss eine Grundschule tun, wenn sie jahrgangs- übergreifendes Lernen einführen will?

• Welche Starterkompetenzen bringen Referendar/innen aus ihrem Studium mit?

• Wie beurteilen Referendar/innen das neu im Referenda- riat eingeführte «Gespräch zum Ausbildungsstand»?

Literatur

Altrichter, Herbert (1990):Ist das noch Wissenschaft? Darstellung und wissenschaftstheoretische Diskussion einer von Lehrern betriebenen Aktionsforschung. München: Profil.

Altrichter, Herbert (2002): «Die Rolle der ‹professional communi- ty› in der Lehrerforschung.» In: Dirks, Una/Hansmann, Wil- fried (Hrsg.): Forschendes Lernen in der Lehrerbildung. Auf dem Weg zu einer professionellen Unterrichts- und Schulent- wicklung.Bad Heilbrunn: Klinkhardt, S. 17–36.

Altrichter, Herbert/Posch, Peter (1998): Lehrer erforschen ihren Unterricht. Eine Einführung in die Methoden der Aktionsfor- schung.3. Aufl. Bad Heilbrunn: Klinkhardt.

Blaser, Elisabeth (2002):Time-out. Die Konzentrationsinsel – ein Modell zur Beruhigung. In: Becker, Gerold u.a.: «Disziplin».

Jahresheft XX des Friedrich Verlags Seelze, S. 120–122.

Dick, Andreas: Praxisforschung als Bindeglied zwischen Wissen und Können. In: Obolenski, Alexandra/Meyer, Hilbert (Hg.):

Forschendes Lernen. Theorie und Praxis einer professionellen Lehrer/innenausbildung. Klinkhardt Bad Heilbrunn, S. 37–54.

Dirks, Una/Hansmann, Wilfried (Hrsg.) (2002):Forschendes Ler- nen in der Lehrerbildung. Auf dem Weg zu einer professionel- len Lehrer/innenbildung und Schulentwicklung. Bad Heil- brunn:Klinkhardt.

Elliott, John (1991):Action research for educational change.Open University Press: Milton Keynes.

Fichten, Wolfgang (2003): «Perspektivität der Erkenntnis und Forschendes Lernen.» In: Obolenski, Alexandra/Meyer, Hilbert (Hrsg.):Forschendes Lernen. Theorie und Praxis einer profes- sionellen Lehrer/innenausbildung.Klinkhardt Bad Heilbrunn, S. 85–98.

Fichten, Wolfgang/Gebken, Ulf/Meyer, Hilbert/Junghans, Carola (2002): Einführung in die Oldenburger Teamforschung. Olden- burger VORDRUCKE Nr: 451. Didaktisches Zentrum der Univer- sität.

Junghans, Carola/Meyer, Hilbert (2000): «Der ethische Kode in der Teamforschung – Welche Spielregeln sollten bei Forschun- gen in Schulen eingehalten werden?» In: Feindt,

Andreas/Meyer, Hilbert (Hrsg.):Professionalisierung und For- schung.Oldenburg: Didaktisches Zentrum der Universität, S. 145–159.

Moser, Heinz (2003): Instrumentenkoffer für die Praxisforschung.

Zürich/Freiburg: Verlag Pestalozzianum/Lambertus.

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Obolenski, Alexandra/Meyer, Hilbert (Hrsg.) (2003): Forschendes Lernen. Theorie und Praxis einer professionellen Lehrer/innen- ausbildung. Bad Heilbrunn: Klinkhardt.

Prengel, Annedore (1997): «Perspektivität anerkennen – Zur Be- deutung von Praxisforschung in der Erziehung und Erzie- hungswissenschaft.» In: Friebertshäuser, B./Prengel, A.

(Hrsg.):Handbuch qualitative Forschungsmethoden in Erzie- hung und Erziehungswissenschaft. Weinheim-München: Ju- venta, S. 599–627.

Interessierte Leser/innen können sich beim Leiter der Oldenbur- ger Forschungswerkstatt erkundigen: Dr. Wolfgang Fichten, Tel. 0049/441-7982015 oder

forschungswerkstatt@uni-oldenburg.de

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Wie Vermittlungsprobleme von Theorie und Praxis dank forschendem Lernen überbrückt werden können, zeigt der folgende Beitrag.

Ausgehend von einer kulturtheoretischen Sicht wird gezeigt, wie forschendes Lernen im Allge- meinen Schulpraktikum, d.h. an der Schwelle zwischen Ausbildung und Berufspraxis gewinn- bringend eingesetzt werden kann.

Forschendes Lernen nimmt mittlerweile nicht nur in wis- senschaftstheoretischen Überlegungen1, sondern auch in alltagspraktischen Kontexten als «entdeckendes», «pro- blem- und projektorientiertes», «kritisches» Lernen in Schule und Hochschule einen festen Platz ein. Vom Deut- schen Wissenschaftsrat wurde es kürzlich als eine «Hal- tung» charakterisiert, mit der auf den sich «fortlaufend ausdifferenzierenden Wissensstand und das Erfordernis seiner schulischen Vermittlung» reagiert werden sollte; zu- künftige Lehrerinnen und Lehrer seien deshalb zu befähi- gen, «ihr Theoriewissen für die Analyse und Gestaltung des Berufsfeldes nutzbar zu machen», damit sie ihre Lehr- tätigkeit nicht wissenschaftsfern, sondern eben «in einer forschenden Grundhaltung» ausüben könnten (Wissen- schaftsrat 2001: 26ff.).

Diese Vorstellungen und Erwartungen finden vor al- lem in Ergebnissen der professionstheoretischen Wissens- verwendungsforschung Bestätigung (vgl. z.B. Dirks/Hans- mann 2002); daran anknüpfend stützt sich der vor- liegende Beitrag auf eine kulturtheoretische Sicht der Ver- mittlungsprobleme von Theorie und Praxis (Teil I) und ver- sucht, diese im Hinblick auf das Allgemeine Schulprakti- kum zu präzisieren (Teil II).

I. Die kulturtheoretische Sicht der Vermitt- lungsprobleme von Theorie und Praxis

Eine kulturtheoretische Sicht auf Schule, Unterricht und Lehrerbildung geht von der Annahme aus, dass die Unter- richtspraktiken und symbolischen Wissensordnungen von Lehrerinnen und Lehrern eine Einheit darstellen. Um diese Praxis-/Wissenskomplexe hinsichtlich ihrer Relevanz und Bedeutung für schulisches Alltagshandeln zu verstehen und beispielsweise für Ausbildungskontexte von Berufs- novizen nutzbar machen zu können, bedarf es der Er- schliessung von Zugangsweisen sowohl zum historischen

Gewordensein (Identität), zu den situationsspezifischen Sinnmustern und der individuellen Sinnkonstitution auf der Mikroebene als auch zu deren Verschränkung mit den institutionell-organisatorischen und kulturellen Rahmun- gen auf der Makroebene. Es geht also um die Relationie- rung von Struktur und Handeln in ihrer wechselseitigen Verwiesenheit und damit um das «Entdecken» von Ent- wicklungsprozessen auf Seiten der Organisation «Schule»

und auf Seiten ihrer Akteure.2

Die empirische Operationalisierung einer derartigen praxeologischen Kulturheuristik erfolgt mithilfe eines dreischrittigen Analyseschemas des Verstehenden Erklä- rens (vgl. Max Weber 1982/1904, Alfred Schütz 1972 und Hartmut Esser 1999 u.a.). Ähnlich wie in den dreischritti- gen «Didaktischen Modellen» (Planung, Durchführung und Auswertung von Unterricht) steht am Anfang der Untersu- chung beispielsweise einer Unterrichtsstunde die genaue Erforschung der Situation, der äusseren Bedingungen der jeweiligen Schule (materielle Gegebenheiten, institutio- nelle Regeln, kulturelle Orientierungsrahmen) und der in- neren Bedingungen ihrer Akteure (Identitäten, Frames, Skripts3).

Nach dem «Verstehen» der Ausgangssituation rückt im zweiten Analyseschritt die Erklärung des «Handelns»

der Akteure ins Zentrum des Interesses. Hier sind mithilfe situationsspezifischer Brückenhypothesen die jeweiligen Handlungsstrategien und deren soziale Mechanismen (Ver- ständigung, Sanktionen, Machtausübung) zu erklären.

Schliesslich werden analog zu der im didaktischen Modell enthaltenen Auswertung einer Schulstunde oder einer Unterrichtsreihe auch die Struktureffekte des schuli- schen Handelns erfasst, wobei in der dreischrittigen Kul- turheuristik sowohl die intendierten als auch die nichtin- tendierten (transintentionalen) Handlungsfolgen Berück- sichtigung finden.

II. Forschendes Lernen im Schulpraktikum

Am Beispiel der Vorbereitung, Durchführung und Auswer- tung des Allgemeinen Schulpraktikums4sollen nun Mög- lichkeiten einer praxeologischen Kulturheuristik zur Ge- winnung sowohl mikro- als auch makrotheoretischer Einsichten in die Wechselwirkungen schulischer Struktur- und Handlungsprozesse aufgezeigt werden.

Das Vorbereitungsseminar zum Allgemeinen Schul- praktikum stützt sich auf zwei Säulen: Zunächst machen sich die Studierenden mit der Situation ihrer Praktikums-

F o r s c h e n d e s L e r n e n i m S c h u l p r a k t i k u m P e r s p e k t i v e d e r p r a x e o l o g i s c h e n K u l t u r h e u r i s t i k

Von Wilfried Hansmannund Una Dirks

Wilfried Hansmann ist Privatdozent am Fachbereich Erziehungs- wissenschaft–Humanwissenschaften der Universität Kassel.

Una Dirks ist Professorin für «Cultural Studies» des Fremd- sprachenunterrichts an der Universität Hildesheim.

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schule, ihren äusseren und inneren Bedingungen vertraut.

Bezüglich der äusseren Bedingungen werden die materiel- len Gegebenheiten (beispielsweise Lage und Ausstattung der Schule), die institutionellen Regeln (die Schulorganisa- tion usw.) und die situationsspezifisch relevanten kultu- rellen Orientierungsrahmen (existiert z.B. eine «corporate identity»?) erkundet. Einen ersten Zugang zu den inneren Bedingungen (hierzu zählen Identitäten, Frames und Skripts der Akteure) erhalten die Praktikant/innen durch die Kon- taktaufnahme mit ihren zukünftigen Mentor/innen und deren Klassen. Die zweite Säule stellt die Einführung in bzw. Wiederholung von Verfahren der methodisch kontrol- lierten Datenerhebung, -aufbereitung und -auswertung5 dar, die nun im Hinblick auf das komplexe Gefüge von Handeln und Strukturen in der Organisation «Schule» ka- libriert werden. Zur Einübung erhalten die angehenden Praktikant/innen beispielsweise den Auftrag, während ei- ner Seminarsitzung in ca. 20 bis 30 Minuten den übrigen Teilnehmer/innen etwas zu präsentieren, was für sie be- deutsam ist und möglicherweise den Erwerb spezifischer Kompetenzen erfordert. In den praktikumsvorbereitenden Seminaren der letzten Semester wurden u.a. folgende The- men vorgestellt: Das Spiel auf dem Dideridoo, Einführung in schauspielerische Übungen, ein Fallschirmsprung, mein Hobby: Bau von Hubschraubermodellen, eine Fantasierei- se, Origami, Ska-Musik usw. Während dieser Präsentatio- nen ist die Gruppe der Studierenden, die nicht an den praktischen Übungen teilnimmt, gehalten, zunächst offe- ne und im Laufe des Semesters auch themenspezifische bzw. fokussierte Beobachtungsprotokolle zu erstellen, die als Grundlage für die Auswertung und die Erprobung eines methodisch kontrollierten Fremdverstehens dienen.

Im Praktikumselbst werden dann diese eingeübten methodischen Verfahren nach den Regeln der «grounded theory» auf das Forschungsfeld «Schule» angewandt. Die Studierenden fixieren ihre Beobachtungen im Praktikums- tagebuch, das im anschliessenden Auswertungsseminar (im nachfolgenden Semester) als Datengrundlage dient.

DasAuswertungsseminarist als Forschungswerkstatt organisiert. Die Arbeit orientiert sich hier an einer Ord- nung, die den Studierenden die eigenverantwortliche Ge- staltung eines «Werkstatttermins» nach folgender Syste- matik überträgt:

• Präsentation der Daten (anhand des Praktikumstage- buchs);

• Vorstellung der Forschungsfrage;

• Diskussion erster Konzeptualisierungsversuche;

• Kontrastierung und Thematisierung von Problemstellun- gen der Theoriebildung (Ausarbeitung von Bausteinen für ein Modell mittlerer Reichweite).

Im Hinblick auf die inhaltliche Arbeit ist insbesondere die Basiskompetenz des Textverstehens gefordert:

• methodologisch und methodisch fundierte Analyse der Daten (Texte);

• Explikation der impliziten Handlungs- und Deutungs- muster;

• Vollzug des Perspektivenwechsels von eigenen zu frem- den Deutungsmustern als (selbst-)reflexiver Kommunika- tionsprozess.

Insgesamt zielt das Schulpraktikum, das für uns einen der wichtigsten Bausteine im Professionalisierungsprozess an- gehender Lehrer/innen darstellt, auf eine Erweiterung und

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Erneuerung bestehender Wissensstrukturen. Berufsnovi- zen sollen auf diese Weise mit den Praxis-/Wissenskom- plexen der Professionellen konfrontiert werden, um eine praxeologisch informierte Sensibilität für Möglichkeits- spielräume der alltäglichen Arbeit in Schule und Unter- richt zu erwerben.

Zusammenfassung und Ausblick

Abschliessend seien die zentralen Charakteristika einer – aus den hier vorgestellten Ansätzen synthetisierten – im Wesentlichen bedeutungsorientierten «Kultur»-Heuristik, die als forschendes Lernen im Schulpraktikum Anwen- dung findet, in der oben stehenden Tabelle noch einmal knapp skizziert.

Forschendes Lernen im Schulpraktikum soll einen Zu- gang zu schul- bzw. unterrichtsspezifischen Situationen und zum Handeln der Akteure eröffnen, der methodisch kontrolliert und soweit wie möglich wissenschaftstheore- tisch fundiert ist. Ziel ist die Erschliessung eines Orientie- rungsrahmens, der die Komplexität schulischer Hand- lungsfelder systematisch analysiert und Lehramtsstudie- rende mit Möglichkeitsspielräumen eines situationsadä- quaten Handelns vertraut macht.

Das Schulpraktikum erfüllt auf diese Weise die Funk- tion eines erkenntnisgenerierenden «Strukturortes der Re- flexivität» zwischen Theorie und Praxis, indem forschen- des Lernen zur Nutzung von Transformationspotenzialen des Disziplin- und Praxiswissens in Forschungswissen dient und Möglichkeiten eröffnet, um Lehramtsstudent/in- nen in der Rolle der Selbstforscher/innen dazu zu befähi- gen, die für ihre Professionalität massgebliche Reflexivität vor und nach der Handlung (Schön 1983) zu erwerben.

Anmerkungen

1 Vergleiche beispielsweise den abduktiven Blitz und erkennt- nislogischen Dreischritt n. Peirce (1991).

2 Der praxeologische Kulturbegriff ist v.a. phänomenologischen (u.a. Schütz) und interpretativ-hermeneutischen (u.a. Berger, Luckmann, Goffman, Geertz), semiotisch-strukturalistischen (u.a. Saussure, Bourdieu, Eco, Foucault), pragmatistischen (u.a. Peirce) und sprachspieltheoretischen (u.a. Wittgenstein, Giddens) Ansätzen verpflichtet; vgl. ausführlich dazu Hans- mann et al. (2003).

3 Unter Frames sind bestimmte kulturelle Sinnmuster oder mentale Modelle wie «Lehrerfortbildung», «Meine Klasse»,

«Unterricht» o.ä. zu verstehen; die den Frames eingelagerten

Skripts beinhalten analog zum Drehbuch die für eine Situation typischen Handlungssequenzen (vgl. Goffman 1974, Schank/

Abelson 1977), z.B. die einzelnen Handlungsschritte des Schreibens einer Klassenarbeit oder die vom Lehrer habitua- lisierten Routinen der Wissensvermittlung bzw. die von den Schüler/innen praktizierten Routinen der Wissensaneignung.

4 Wir stützen unsere Überlegungen auf Praktikumserfahrungen an den Universitäten Hildesheim und Kassel.

5 Hierzu sind auch Methoden der Unterrichtsbeobachtung und Feldforschung zu zählen.

Literatur

Dirks, Una/Hansmann, Wilfried (Hrsg.) (2002): Forschendes Ler- nen in der Lehrerbildung. Auf dem Weg zu einer professionel- len Unterrichts- und Schulentwicklung. Bad Heilbronn/Obb.:

Klinkhardt.

Esser, Hartmut (1999): Soziologie.Spezielle Grundlagen Bd.1.

Situationslogik und Handeln. Frankfurt/M., New York: Campus Verlag.

Esser, Hartmut (2001):Soziologie.Spezielle Grundlagen Bd. 6.

Sinn und Kultur. Frankfurt/M., New York: Campus Verlag.

Goffman, Erving (1974):Frame Analysis. An Essay on the Organi- zation of Experience.New York.: Harper & Row.

Schank, Roger C./Abelson, Robert P. (1977): Scripts, plans, goals and understanding. Hillsdale, N.J.: Erlbaum.

Hansmann, Wilfried/Broszio, Andreas/Dirks, Una (2003): «Schul- entwicklungsforschung zwischen Akteur, Situation und Struk- turdynamik.» In: Kemnade, Ingrid (Hrsg.): Schulbegleitfor- schung vor und nach PISA. Bremen (i.Dr.).

Peirce, Charles S. (1991):Schriften zum Pragmatismus und Prag- matizismus.Hrsg. v. Karl-Otto Apel. Frankfurt/M.: Suhrkamp.

Schön, Donald (1983): The reflective practitioner. London.

Weber, Max (1982): «Über einige Kategorien der verstehenden Soziologie.» In: Max Weber: Gesammelte Aufsätze zur Wissen- schaftslehre(5. Aufl.). Hrsg. von Johannes Winckelmann.

Tübingen: Mohr (zuerst 1904).

Wissenschaftsrat (2001): (Drucksache 5065/01), 16.11.2001, Berlin.

Vorbereitungsseminar Einführung in die Situation

Strukturen:

Innere und äussere Bedingungen der Schule

Durchführung des Praktikums Datenerhebung

Handeln:

Kooperation - Herrschaftsausübung

Auswertungsseminar Datenauswertung (Textarbeit)

Struktureffekte:

Nicht-/intendierte Handlungsfolgen

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Nachdiplomstudien haben einen doppelten Wissensbezug: Es nehmen daran Studierende Teil, die bereits in der Berufspraxis stehen und für sich eine Vertiefung und Differenzierung des in der Praxis notwendigen Professionswis- sens suchen. Auf der anderen Seite geht es um die Vermittlung theoretischen Wissens und um die Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Fachdiskurs. Forschendes Lernen kann ein Mittel sein, dass diese Verknüpfung im Stu- dium gelingt.

Eine Möglichkeit, den engen Bezug von Theorie und Praxis in Nachdiplomstudien erfahrbar werden zu lassen, ist das forschende Lernen. Es vermittelt die Einführung in das Professionswissen mit Aspekten des Praxishandelns. Wis- sen wird dabei nicht allein aus Büchern, sondern in einer methodisch angeleiteten Auseinandersetzung mit dem Praxisfeld erworben. Allerdings bedeutet dies nicht, for- schendes Lernen mit wissenschaftlichem Forschen gleich- zusetzen; vielmehr geht es um eine erste Einführung in die Techniken und Instrumente des forschenden Han- delns, die dem Praxis- bzw. Ausbildungssystem zugehören und nicht der Wissenschaft. Ziel ist also nicht die Generie- rung von wahren Aussagen oder Theorien, die dem An- spruch «wissenschaftlicher Wahrheit» genügen (vgl. Moser 2003, S. 12 ff.). Vielmehr steht der Umgang mit brauchba- rem Wissen, das über Forschungsprozesse entwickelt und reflektiert wird, im Mittelpunkt. Praxisforschungsprojekte im Sinne des forschenden Lernens zielen weniger auf ge- neralisierbare Aussagen ab, sondern auf «situiertes» Wis- sen, wie es Altrichter als Voraussetzung bezeichnet, um ein kompetentes Mitglied einer beruflichen Gruppe zu werden. Dabei genüge es nicht, sich das in Lehrbüchern oder Handlungsanweisungen formulierte Wissen dieser Berufsgruppe zu Eigen zu machen, sondern man müsse sich auf deren Welt aktiv handelnd einlassen (Altrichter 2003, S. 59).

Bei einem Nachdiplomstudium geht es im Unter- schied zur Grundausbildung allerdings weniger um die Vorbereitung auf den Einstieg in eine neue berufliche Gruppe, da man dieser bereits angehört. Forschendes Ler- nen geht hier mehr davon aus, dass Forschungsprozesse es

erleichtern, die eigene Praxis zu reflektieren und sich mit ihr auf dem Hintergrund klarer methodischer Vorgaben auseinanderzusetzen. Sie unterstützt insbesondere die Möglichkeit des Perspektivenwechsels, der für Berufsleute, die sich weiterqualifizieren, eine zentrale Anforderung darstellt: Mit dem Wechsel von der Teilnehmer- zur Be- obachterperspektive wird eine Perspektive der teilnehmen- den Selbstbeobachtung erzeugt, bei der man lernt, sich im Licht der anderen zu betrachten (Fichten 2003, S. 91).

Ein Beispiel: Nachdiplomstudium Management in Sozialen Organisationen

Der Autor dieses Beitrages entwickelte über mehrere Jahre einen vierteiligen Kurs im Rahmen des «Aufbaustudien- gangs Management in Sozialen Organisationen» an der Evangelischen Fachhochschule Darmstadt. Ziel war es da- bei, dass Studierende über eigene Forschungserfahrungen ein reflexives Verhältnis zur eigenen Praxis gewinnen.

Durch den Einsatz von Methoden und Instrumenten der Praxisforschung sollte es ihnen möglich werden, eine Be- obachterperspektive zu entwickeln und die Reflexion ih- res Praxisfeldes aus einer distanzierten Perspektive vorzu- nehmen.

Gleichzeitig gingen wir davon aus, dass Absolvent/- innen eines sozialpädagogischen Kaderkurses mit dem Schwerpunkt «soziales Management» in der Lage sein müssten, in ihren zukünftigen Arbeitsfeldern kleinere For- schungsaufgaben oder Evaluationsprojekte selbständig durchzuführen. Der Forschungskurs sollte ihnen dazu das notwendige methodische Handwerkszeug vermitteln.

Organisatorisch standen in den ersten beiden Blö- cken des Kurses einfache Methoden der Selbstevaluation im Mittelpunkt (z.B. die SOFT-Analyse). Mit ihrer Hilfe soll- ten die Studierenden in ihren Praxisfeldern eine erste Standortbestimmung durchführen (vgl. Moser 1999). Im Anschluss an diese erste Phase ging es darum, eine ver- tiefende Forschungsfrage zu formulieren, die – aus Fachli- teratur und Erkenntnissen des Studiums – theoretisch ab- gestützt sein sollte. Die Beantwortung dieser Frage sollte in einem abschliessenden Forschungsprojekt realisiert werden. Das nachfolgende Beispiel dokumentiert eines der realisierten Projekte aus dem Wintersemester 2000/ 2001.

Praxisforschung im Kindergarten

Ein Pfarrer und Sozialpädagoge in einer hessischen Ge- meinde, der das Nachdiplomstudium absolvierte, hatte als

F o r s c h e n d e s L e r n e n i m N a c h d i p l o m s t u d i u m E r f a h r u n g e n a u s d e r S o z i a l p ä d a g o g i k

Von Heinz Moser

Departementsleiter Wissensmanagement, Pädagogische Hochschule Zürich

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Dienstvorgesetzter einen Kindergarten übernommen und wollte diesen in seinem Forschungsprojekt evaluieren. In einem internen Weiterbildungsseminar für die Mitarbei- ter/innen ging es erst einmal um eine generelle Standort- bestimmung, die mithilfe einer SOFT-Analyse als Selbst- evaluation der Beteiligten realisiert wurde. Die Stärken und Schwächen sowie die Risiken und Chancen des Kin- dergartens wurden in den Teilbereichen der Struktur-, der Prozess- und der Ergebnisqualität im Rahmen eines mode- rierten Gruppenverfahrens evaluiert (zum Verfahren vgl.

Moser 1999, S. 38 ff.).

Als Beispiel für die Resultate der SOFT-Analyse folgt

der Abdruck des Teilaspektes von «Stärken und Schwächen des Arbeitsprozesses». Der Autor des Forschungsberichtes hat die wichtigsten Ergebnisse in der unten stehenden Ta- belle zusammengefasst.

Aufgrund dieser Bewertung nach Stärken und Schwä- chen wurde ein Schwerpunkt ausgewählt, zu dem man im zweiten Teil des internen Seminars konkrete Massnahmen formulieren wollte. Die Mehrzahl der Beteiligten favori- sierte dabei zunächst den Bereich der Ergebnisqualität, kam dann aber wieder davon ab. Die Präsentationen der Arbeitsgruppe Ergebnisqualität, meint der Autor des For- schungsberichtes, habe ihnen vor Augen geführt, was al-

Prozess

Team

Team und Leitung

Team und Eltern

Team und Kinder

Stärken

• Kollegialität

• Individualität

• Zusammenarbeit

• Konflikte werden offen ausgesprochen

• Kritikfähigkeit

• Hilfsbereitschaft

• Offenheit untereinander

• Rücksichtsnahme

• Dynamik

• Zwischenmenschlichkeit

• Einsatzbereitschaft

• Gegenseitige Rückendeckung

• Leitung im Team integriert

• Sie hält uns auf dem Laufenden bei Veränderungen von ausserhalb

• Kritikfähigkeit

• Zwischenmenschlichkeit

• Öffentlichkeitsarbeit

• Zusammenarbeit

• Kritikfähigkeit

• Hilfsbereitschaft

• Einblick gewähren

• Gegenseitig voneinander lernen

• Einbeziehung der Kinder

• Verlässlichkeit

• Das Miteinanderumgehen

• Alle Kinder werden angenommen

• Kinder werden da abgeholt, wo sie stehen

Schwächen

• Absprache

• Wir verweilen zu lange an Banalitäten (Hausschuhe)

• Perfektionsanspruch

• Gelassenheit

• Informationsfluss

• Perfektionsanspruch

• Auf gegensätzlichen Meinungen beharren

• Öffnungszeiten berücksichtigen

• Anspruchshaltung

• Absprachen

• Wir trauen den Eltern oft zu wenig zu (organisatorisch)

• Überreaktionen

• Zu wenig Geduld

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les zu leisten wäre. Dazu fühlte man sich jedoch nicht im Stande und begrenzte deshalb die Ansprüche an die ge- meinsame Arbeit. So wählten die Teilnehmenden den As- pekt der Prozessqualität, was zur Fragestellung führte:

«Wie könnte man den Prozess so verändern, dass das Er- gebnis für die Erzieher/innen positiver ist?»

Aus dieser zweiten Runde der Selbstevaluation resul- tierten u.a. folgende Vorschläge für konkret umzusetzende Massnahmen:

• Mindestens vier Stunden gemeinsame Besprechungszeit;

• bessere Absprachen im Team und zwischen Team und Leitung;

• Infotafel im Büro mit Rubriken wie: Praktikanten/Urlaub/

Beschlüsse/Krankmeldungen/Aktionen/Geburtstage/Fort- bildung;

• mehr Zeit für Vorbereitungen;

• besser strukturierte Teambesprechungen;

• Teilzeit- und Ganztagskraft in der Gruppe morgens 15 Mi- nuten zum Info-Austausch

Zur Verwirklichung der Vorschläge wurde im Kindergarten eine Steuergruppe gebildet, welche an den aufgeworfenen Fragen weiterarbeiten sollte. Mit dieser Gruppe besprach sich der Pfarrer in der Folge für den zweiten Teil seiner For- schungsarbeit, in der es darum ging, einen Aspekt der Si- tuation, wie sie sich nach Abschluss des ersten Teils prä- sentierte, vertieft auszuarbeiten und über den Einsatz von Forschungsinstrumenten zu «objektivieren».

Zusammen mit der Steuergruppe entschied sich der Forscher, beim Prozessaspekt zu bleiben und der Frage weiter nachzugehen: «Wie gestalten sich die Kommunika- tionsabläufe innerhalb des Teams und zwischen Team und

Leitung?»

Zu diesem Zweck entwickelte er einen offenen Frage- bogen, der sich theoretisch auf den Ansatz von Doppler/

Lauterburg (1994) zum Change Management bezog. Die Mitarbeiter/innen des Kindergartens sollten sich schriftlich zu Fragen äussern wie: «In welchen Bereichen und Situa- tionen gelingen die kommunikativen Abläufe im Team der Kindertagesstätte? Was fördert jetzt schon Ihrer Meinung nach die Informationen untereinander, das Wissen von- einander, die Teilhabe an Entscheidungen?»

In der Auswertung wird immer wieder Bezug zur SOFT-Analyse genommen, um im Vergleich dazu die neuen Erkenntnisse zu akzentuieren. Dies belegt der folgende Ausschnitt aus dem Forschungsbericht:

«Auffällig ist auf den ersten Blick, dass die Wahrneh- mung der Kommunikationsabläufe aus der SOFT-Analyse neue Konturen gewinnt durch die Wirklichkeit, die der Fragebogen ans Licht gebracht hat. Als Stärke wurde aus- drücklich genannt, dass Konflikte offen ausgesprochen werden und Offenheit untereinander herrscht. Diese Ver- hältnisbeschreibung trifft für einen Teil des Teams zu, steht nach dem Fragebogen aber in Spannung mit der Wahrnehmung eines anderen Teiles des Teams. Sie sehen unausgesprochene Konflikte, die im Untergrund grassie- ren. Ob sich dort Mücken oder Elefanten herumtreiben, ist offen. Jedenfalls nehmen sie ein Konfliktpotenzial wahr, dessen Sinn und Bedeutung für die Kindertagesstätte zur- zeit nicht ermittelt wird. Ihrer Meinung nach scheint es, als haben sich feste Positionen herausgebildet, über die nicht mehr direkt kommuniziert wird.

Der Wunsch nach übergreifenden Informationen und einer breiten Beteiligung an Entscheidungsprozessen

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drängt geradezu übermächtig ans Licht. Die Wege, die In- formationen nehmen, und wie Entscheidungen wo fallen, verlangen nach Transparenz. Schon bei der SOFT-Analyse wurde der Informationsfluss als Schwäche definiert. Wenn Doppler/Lauterburg Recht haben mit ihrem Credo, dass al- le Entwicklungen in Organisationen mit der Optimierung der Infrastruktur der Kommunikation beginnt, liegt in die- sem Bereich eine Hauptaufgabe für das Team des Kinder- gartens. Insbesondere die Kultur der Kommunikation muss beachtet werden, um Ausschlüsse und Kränkungen im Prozess zu vermeiden. Die hohe Kunst der Moderation ist es, keine Gewinner und keine Verlierer zu kreieren, son- dern alle zu integrieren.»

Was Praxisforschung auszeichnet

Zum Schluss sollen zusammenfassend nochmals einige der wesentlichsten Merkmale dieser Art von forschendem Ler- nen im Nachdiplomstudium hervorgehoben werden:

1. Einmal ist überraschend, welche Vielfalt von The- men in dem dargestellten Kurs behandelt wurde. Das Spektrum reichte von einer Arbeit zur Gewaltprävention in der Jugendarbeit bis hin zum Projekt einer Sozialpädago- gin, welche die Fahrer-Ausbildung für Behindertentrans- porte innerhalb einer sozialen Institution untersuchte. Da- bei fungierte das Plenum der Teilnehmenden als eine Form der Projekt-Supervision. Mehrfach wurden dort die einzelnen Projekte in ihrer Entwicklung vorgestellt und kritisch diskutiert, was zu vielen wichtigen Tipps und Hinweisen für die Weiterarbeit führte.

2. Wesentlich an solchen Projekten ist, die Reflexion auf die eigene Rolle einzubeziehen. Im oben dargestellten Kindergarten-Beispiel war es immer wieder ein Gesprächs- gegenstand, dass der Forscher auch Dienstvorgesetzter war und was dies für Auswirkungen auf seine Untersuchung hatte. In einem anderen Fall wechselte eine Studentin das Thema, weil in der Seminardiskussion klar wurde, dass ihre Forscherrolle und die Rolle als Kollegin in der betref- fenden Institution unvereinbar waren.

3. Wie zu Beginn dargestellt wurde, sind solche Pra- xisforschungsprojekte nicht dem Wissenschaftssystem zu- zurechnen. In einem Nachdiplomstudium ist aber den- noch auf Anschlüsse an das Wissenschaftssystem Wert zu legen. Einerseits ist dies dadurch geschehen, dass das im Studium erworbene Wissen zur Bildung von Annahmen und Hypothesen genutzt wurde. Gleichzeitig wurde zu- dem verlangt, dass die Forschungsfrage auch aus einer theoretischen Perspektive begründet wurde (im obigen Beispiel aus der Perspektive der Literatur zum Change Ma- nagement).

4. Methodisch wurde in den Forschungsprojekten Wert auf eine seriöse Form der Datenauswertung gelegt. So arbeiteten verschiedene Studierende mit Statistikprogram- men oder mit Programmen zur qualitativen Datenanalyse.

Wurden mehrere Verfahren im Sinne eines Methoden-Mix eingesetzt, war es wichtig, die Daten zu beschreiben und zu einer schlüssigen Form zu verdichten.

Zusammenfassend scheint es mir wichtig, dass For- schungsprojekte im Rahmen der Praxisforschung dem SMART-Prinzip entsprechen: Die Projekte sollen schnell und ökonomisch zu hilfreichen Ergebnissen für die Praxis führen. Forschung in diesem Rahmen operiert sehr oft mit einem mehrperspektivischen Mix von mehreren Instru- menten, die sich gegenseitig ergänzen. Ziel ist anschluss- fähiges Wissen, das auch für den theoretischen Fachdis- kurs interessant ist. Meist werden dazu einfache, aber robuste Methoden eingesetzt, die sich im Feld bereits be- währt haben. Mit ihrer Hilfe kann eine dichte Beschrei- bung (thick description) des Forschungsgegenstandes er- reicht werden (vgl. Moser 2003, S. 140 f.).

Gelingt es, dieses Prinzip zu realisieren, erkennen die Studierenden rasch den Nutzen und den Sinn des oft sehr zeitaufwändigen forschenden Lernens. So meinte einer der Teilnehmenden am Forschungskurs in Darmstadt: «Zu Be- ginn habe ich das alles sehr anstrengend und mühsam ge- funden. Dann aber habe ich gemerkt, was man alles lernt.

Besonders motiviert hat mich, dass sich auch die Kolle- ginnen und Kollegen am Arbeitsplatz immer wieder nach dem Stand meiner Arbeit erkundigten. Denn der Nutzen aus meinem Projekt kam letztlich auch ihnen zugute.»

Literatur

Altrichter, Herbert (2003): «Forschende Lehrerbildung. Begrün- dungen und Konsequenzen des Aktionsforschungsansatzes für die Erstausbildung von LehrerInnen». In: Obolenski Andrea, Meyer Hilbert (Hrsg.):Forschendes Lernen. Bad Heilbrunn, Klinkhardt, S. 55–70.

Doppler, Klaus, Lauterburg Christoph (1994): Change Manage- ment. Frankfurt, Campus Verlag.

Fichten, Wolfgang (2003): «Perspektivität der Erkenntnis und Forschendes Lernen». In: Obolenski Andrea, Meyer Hilbert (Hrsg.):Forschendes Lernen. Bad Heilbrunn, Klinkhardt, S. 85–98.

Moser, Heinz (1999): Selbstevaluation. Einführung für Schulen und andere Institutionen. Zürich, Verlag Pestalozzianum.

Moser, Heinz (2003):Instrumentenkoffer für die Praxisforschung.

Zürich/Freiburg, Verlag Pestalozzianum, Lambertus.

(15)

Die Forderung nach einer Verbindung von Lehre und Forschung an Fachhochschulen ruft nach entsprechenden Umsetzungen auf verschiede- nen Ebenen. Im folgenden Gespräch stellen die für Forschung und Entwicklung (F&E) in der Ausbildung zuständigen Dozenten ihr Konzept vor und äussern sich über die Ziele dieses Aus- bildungsteils.

ph akzente Zukünftige Lehrkräfte sollen im Verlauf ihres Studiums an der Pädagogischen Hochschule Zürich (PHZH) Gelegenheit erhalten, selbst an Forschungs- und Entwick- lungsprojekten teilhaben zu können. Ist diese Forderung in der Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern neu?

Alex BuffDie explizite Forderung, Forschung und Entwick- lung in der Ausbildung zu betreiben, ist neu. Zwar wurde an den bisherigen Seminarien auch geforscht und entwi- ckelt, allerdings fast ausschliesslich durch die Dozieren- den, etwa im Bereich der Lehrmittelentwicklung. Was die Studierenden anbelangt, so hat es zum Beispiel an der Se- kundar- und Fachlehrerausbildung ein erziehungswissen- schaftliches Projekt mit F&E-Charakter gegeben. Ich selbst habe am Real- und Oberlehrerinnenseminar mit meinen Studierenden im Rahmen von Wahlpflichtveranstaltungen kleinere F&E-Projekte realisiert. Aber wie gesagt, in dieser ausdrücklichen Form ist F&E in der Ausbildung neu.

Wie sieht das F&E-Ausbildungskonzept an der PHZH aus, und ist dieses Konzept für die Studierenden aller Zielstu- fen gleich?

Markus Brandenberg Das ursprüngliche Konzept sah ein ganzes Set von F&E-Aktivitäten in der Ausbildung vor. Die- ses musste dann im Verlauf der Planung gekürzt werden.

Vorläufig besteht das Kernstück aus einem F&E-Projekt, das die Studierenden aus einer Palette von ausgeschriebe- nen Projekten wählen. Vom Arbeitsaufwand her beträgt es zwei Module, das heisst ca. 80 Stunden. Dem Projekt geht ein Vorbereitungsseminar vom Umfang eines Moduls vo- raus, das den Studierenden die nötigen methodischen und theoretischen Grundlagen vermittelt.

Diese Veranstaltungen sind für die Studierenden aller Zielstufen verbindlich und jedes Projekt ist offen für alle.

Allerdings dürfte es Themen geben, die beispielsweise für die Vorschulstufe relevanter sind als für die Oberstufe und

die somit die Studierenden jener Zielstufen besonders an- sprechen. Nebst diesem Projekt besteht auch in anderen Ausbildungsteilen die Möglichkeit, Forschung und Ent- wicklung zu betreiben, etwa im Rahmen eines Studien- schwerpunktes oder in der Schlussdiplomarbeit.

Konnte man sich bei der Entwicklung dieses Konzepts – Vorbereitungsseminar plus Projekt – auf bestehende Mo- delle von anderen Institutionen abstützen, oder gibt es etwa einen gesetzlichen Rahmen, der den Umfang von F&E in der Ausbildung regelt?

Markus BrandenbergDer gesetzliche Rahmen, das heisst das Anerkennungsreglement für die neuen Ausbildungs- gänge an der PHZH schreibt in Artikel 3.5 «die Verbindung von Lehre und Forschung» vor. Dies wird vom Vorstand der EDK, der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erzie- hungsdirektoren, in folgender Weise präzisiert: «Es muss ein Konzept vorliegen, das sicherstellt, dass alle Studie- renden einen Einblick in Forschung und Forschungsme- thoden erhalten; Dozierenden Weiterbildungsmöglichkei- ten in Forschung geboten werden; mindestens ein berufs- feldbezogenes Forschungsprojekt durchgeführt wird.» Das sind die Anforderungen, die die EDK stellt, damit die Stu- diengänge von der EDK anerkannt werden. Unser Konzept erfüllt diese Anforderungen.

Alex BuffWas bereits bestehende Modelle zur Integration von F&E in der Ausbildung anbelangt, so haben wir uns in Deutschland oder in der Westschweiz umgeschaut. Aller- dings mussten wir gerade in Deutschland feststellen, dass erhebliche Diskrepanzen bestehen zwischen unserer Art der Lehrer/innenbildung und derjenigen in Deutschland.

Dort ist man relativ eng an die Universität gebunden und steht damit der universitären Forschung viel näher. Auch was das Zeitbudget betrifft, das in Deutschland für F&E zur Verfügung steht, sind die Rahmenbedingungen ganz an- ders als bei uns.

Wir konnten also für Zürich kein Patentrezept über- nehmen, sondern mussten innerhalb der gegebenen Rah- menbedingungen relativ kreativ sein. Wir sind der Mei- nung, dass unser Modell innovativ und flexibel ist.

Markus BrandenbergEs ist überdies ein Konzept, das ei- nen hohen Förder- und Unterstützungsaspekt in Richtung der Dozierenden aufweist. Es greift also nicht nur auf be- stehende Ressourcen zurück, sondern öffnet auch neue Perspektiven für Dozierende.

Einer der grössten Vorbehalte gegen die Akademisierung

« F &E » i n d e r L e h r e r / i n n e n b i l d u n g N e u e W e g e a n d e r P H Z H

Alex Buff, Projektleiter «F&E in der Ausbildung» an der Pädagogischen Hochschule Zürich, und Markus Brandenberg, Verantwortlicher des Prorektorats Ausbildung, im Gespräch mitThomas Hermann, Redaktionph akzente, Pädagogische Hochschule Zürich

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der Lehrer/innenbildung ist ja die Angst, dass eine Theo- rielastigkeit auf Kosten der Praxistauglichkeit von zukünf- tigen Lehrpersonen resultieren wird. Leistet man dieser Besorgnis durch die Integration von F&E nicht noch Vor- schub? Was ist Sinn und Zweck der F&E-Aktivitäten von Studierenden in Bezug auf ihre künftige Arbeit als Lehr- personen und wie ist ihre Motivation einzuschätzen?

Markus Brandenberg Die F&E-Projekte werden bestimmt nicht die praxisfernsten Veranstaltungen sein! Man wird im Gegenteil sehr nahe an der Praxis arbeiten und sehr viel von der Praxis und für die Praxis lernen. Allerdings geht es hier nicht um Tipps und Tricks für den Unterricht.

Es hat viel mehr zu tun mit der Verarbeitung von Theorie und der Entwicklung von systematischem Wissen und kri- tischem Durchleuchten und Hinterfragen von Konzepten und Alltagstheorien. So gesehen hat das F&E-Projekt na- türlich einen theoretischen Anspruch.

Man muss vielleicht noch den Begriff Praxis definie- ren. Praxis heisst ja aus der Sicht der Studierenden die zu- künftige Arbeit. Zu dieser zukünftigen Arbeit gehört auch eine bewusste Auswahl von Inhalten und didaktischen Konzepten. Diese Auswahl basiert auf Kenntnissen, die man erworben hat. So kann ein Entwicklungs- oder For- schungsprojekt unter Umständen sehr stark auf die Praxis hinführen, indem es Verständnis dafür schafft, wie Theo- rien, Unterrichtskonzeptionen oder Unterrichtsmaterialien zustande kommen. Schliesslich gehört auch zur Praxis, dass wir gegenüber den Inhalten und Methoden eine ei- gene, reflektierte Haltung und Einstellung einnehmen.

Alex BuffLetztlich geht es auch darum, zu erkennen, wie wissenschaftliche Ergebnisse zustande kommen, die dann die Schulpolitik beeinflussen, was ja wiederum einen er- heblichen Einfluss auf die eigene Praxis haben kann. Man denke nur an die bildungspolitischen Diskussionen rund um PISA und TIMMS, Trends in Internationl Mathematics and Science Study.

Ich habe zudem in den Wahlpflichtkursen am Real- und Oberlehrerseminar auch die Erfahrung gemacht, dass ein Teil der Studierenden im 7. oder 8. Semester ganz froh war, wenn sie einmal ein paar Stunden pro Woche nicht dauernd mit der Frage konfrontiert waren: «Was bringt das für die Schule?» Was die Praxisnähe beziehungsweise -ferne angeht, so dürfte es eine grosse Bandbreite von An- geboten geben, aus denen die Studierenden wählen kön- nen, was ich auch sehr begrüsse.

Markus BrandenbergDas ist auch das Stichwort zur Moti- vation der Studierenden. Mit den ausgeschriebenen Pro- jekten versucht man einerseits, das Interesse der Studie- renden zu gewinnen und verpflichtet sich dazu, die abgegebenen Versprechen auch einzulösen. Es ist also auch eine Aufgabe der Fachbereiche, ihre Projekte interes- sant zu gestalten, mit guten Settings, in denen die Studie- renden etwas Interessantes entwickeln können.

Wenn es gute Projekte sind, dann stehen auch interessan- te Fragen dahinter und es wird spannend sein, in Klein- gruppen diesen Fragen nachzugehen und zu einem Resul- tat zu gelangen, mit dem man eine qualifizierte Aussage machen kann. Da bin ich überzeugt, dass die Motivation gut sein wird.

Alex Buff Meine Erfahrung ist auch die, dass die Motiva- tion in den Bereichen hoch ist, in denen die Studierenden die Wahl haben. Dasselbe gilt auch für die Dozierenden, die das Projekt ausschreiben und ein Interesse daran ha- ben, es durchführen zu können. Dementsprechend werden sie dafür sorgen, dass das Projekt etwas Attraktives wird – und man weiss ja: Wenn der Dozent/die Dozentin begeis- tert ist von dem, was er/sie macht, dann wird der Funken besser überspringen. Darauf bauen wir.

Wie steht es mit der Qualifikation der Dozierenden in die- sem Bereich? Müssen alle Dozierenden F&E-Projekte anbie- ten und sind sie nicht überfordert, wenn sie neben den anderen Reformen der Lehrer/innenbildung auch noch F&E einführen müssen?

Alex Buff Es werden alle Fachgruppen eingeladen, ein oder mehrere Projekte auszuschreiben, weil wir es als we- sentlich erachten, dass F&E nicht die alleinige Domäne von einem oder zwei Fachbereichen wird. Prädestiniert wäre ja der Bereich «Bildung und Erziehung», aber es wä- re nicht gut, wenn jetzt die meisten Projekte aus einem einzigen Bereich angeboten würden. Ich bin überzeugt, dass in allen Fachgruppen Ansätze für interessante F&E- Projekte vorhanden sind, und es ist mir ein grosses Anlie- gen, dass in den F&E-Projekten von Anfang an die ver- schiedensten Fachbereiche aus allen Abteilungen vertre- ten sind.

Markus BrandenbergEs ist sicher so, dass nicht alle Do- zierenden schon über ausreichende Qualifikationen in F&E verfügen. Es handelt sich ja um eine Neuentwicklung und so ist es für viele einfach Neuland. Es gibt Fachbereiche, die im Moment einfach über zu wenig Ressourcen verfü- gen. So wie wir das gegenwärtig wahrnehmen, sind es vor allem einzelne Personen, die Projekte initiieren. Das heisst, die Motivation geht oft über Einzelne, die in einem Fachbereich dann etwas anpacken.

Zum Teil wird man Leuten eine Nachqualifikation er- möglichen. Das geht zum Beispiel in Richtung Konzeption von entsprechenden Veranstaltungen, weil man sich noch nicht so genau vorstellen kann, wie man das aufbaut. Es wird aber auch darum gehen, Forschungsmethoden ken- nen zu lernen, das heisst zu sehen, welches Repertoire es überhaupt gibt und wie man dieses anwenden kann. Wir werden jetzt mit Leuten konfrontiert, die sagen, dass ih- nen die Erfahrung fehlt, dass sie aber gerne einsteigen würden. Und dann wird man schauen, dass man auf das jeweilige Projekt hin einen Support liefern kann. Es wird

Abbildung

Abbildung 2: Prozessmodell
Tabelle 1 Mittelwerte und Streuungen der Testwerte in ausgewählten Ländern: Gesamtskala Lesen

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