• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Deregulierung" (14.08.1992)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Deregulierung" (14.08.1992)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT

DER KOMMENTA

'

nen „demokratischen Zentralismus"

der DDR ist. Und daß sie sich wenig- stens in der Lage sehen, die Frage vieler ostdeutscher Kassenärzte zu beantworten: Ist dies das freiheitli- che Kassenarztsystem, das Ihr uns im Einigungsvertrag versprochen habt?

Oder sich - um es in einer rechtli- chen Kategorie auszudrücken - ihrer Rechte und Pflichten aus dem Eini- gungsvertrag zu erinnern:

Artikel 44 Rechtswahrung:

„Rechte aus diesem Vertrag zugun- sten der Deutschen Demokratischen Republik oder der in Artikel 1 ge- nannten Länder können nach Wirk- samwerden des Beitritts von jedem dieser Länder geltend gemacht wer- den."

für

Koalition"

für Staatsmedizin?

Der Objektivität wegen ist anzu- merken, daß noch weitergehende Vorschläge zur planwirtschaftlichen Umgestaltung und „Institutionalisie- rung" des Gesundheitswesens unter staatlicher Lenkung und Kranken- kassenprädominanz aus Kreisen der SPD bekannt sind. Programmatisch sind sie bezeichnenderweise auch unter dem Ziel der „Entmachtung"

der Kassenärztlichen Vereinigungen angelegt. Selbst die Erfahrungen aus dem Scheitern des „sozialistischen Modells" bewirken bei (west)deut- schen Theoriesozialisten, denen die

„strukturtheoretische Reinform" ih- rer realitätsimmunisierten Dogmatik im Gesundheitswesen über alles geht, keinen Erkenntnisgewinn. Ist diese eigenartige Verwandtschaft die Grundlage einer „Großen Koalition"

der Planwirtschaft mit dem Ende un- seres bisherigen freiheitlichen Ge- sundheitswesens? War dann seine Verankerung eine „Einigungslüge"?

Dt. Ärztebl. 89 (1992) A1 -2680-2684 [Heft 33]

Anschrift des Verfassers:

Rechtsanwalt

Horst Dieter Schirmer Herbert-Lewin-Straße 3 W-5000 Köln 1

Deregulierung

Wer daran geht, die Kranken- versorgung und die gesundheitliche Betreuung der Bürger, die sich in diese Kompromisse eingelebt haben, sinnvoll zu beeinflussen, der sollte Akzente setzen, die soziales und soli- darisches Verhalten stimulieren.

Weder Organisationsreformen mit dem Ziel, gesellschaftliche Positio- nen durch Kollektivierung zu stär- ken, noch die Instrumente Komman- dowirtschaft, zu denen sich der Ge- sundheitsminister einer konservativ- liberalen Bundesregierung nicht zu schade ist, können sich in diesem Sinne auswirken. Auch in der Ge- sundheitswirtschaft ist der Mensch das Maß der Dinge, vermutlich noch mehr als anderswo. Der „Sozial- staat" ist per se noch keine Errun- genschaft; er wird es erst, wenn er der Freiheit der Menschen dient und deren Kraft so fördert, daß sie von sich aus zur Solidarität fähig sind.

Nach dem Zusammenbruch der sozialistischen Experimente auch in der Gesundheitswirtschaft sollten sich bei uns in Deutschland die Ne- bel klären. Nach dem Muster der preußischen Staatskunst mit den Re- formen in der ersten Hälfte des 19.

Jahrhunderts sind die staatsfreien oder staatsarmen Bereiche erweitert worden. Selbstverwaltungen haben sie abgelöst und gleichzeitig bürgerli- ches Interesse geweckt und gestärkt.

Die sozialen Krankenkassen sind von Anfang an so ausgestaltet worden.

Auf seiten der frei praktizierenden Ärzte hat sich die Selbstverwaltung im Vertragssystem mit den Kranken- kassen erst später entwickelt - im wesentlichen als Instrument des Vertragsfriedens. Die beruflichen Selbstverwaltungen in den Ärzte- kammern waren 1932 schon über 50 Jahre etabliert; Selbstverwaltungen waren also auch für die Ärzte nichts Neues.

Die Delegation der Entschei- dungen an diejenigen, die nicht nur etwas von der jeweiligen Sache ver- stehen, sondern die auch später da- mit zurechtkommen müssen, hat sich durchweg als besser erwiesen als die weniger flexiblen Regelungen durch Gesetze oder Dekrete.

Da es wohl unrealistisch ist, die Einstellungen und Erwartungen der Bürger durch eine Renaissance des echten Subsidiaritätsprinzips in der gesetzlichen Krankenversicherung ändern zu wollen, bleibt die mittlere Konsensebene kontrahierender In- teressenvertretungen als bestmögli- che Alternative. Sie sollte so ausge- staltet werden, daß sie möglichst vie- le Wirkungen entfaltet, die den ein- zelnen Menschen in seiner zentralen Verantwortung stärken, und das Be- vormundende auf das Notwendige reduzieren.

Zur Zeit findet ein Ortskranken- kassen-Sterben statt zu Gunsten gro- ßer regionaler Versichertengemein- schaften. Diese Entwicklung wird sich als der entscheidende Fehler unserer Zeit erweisen. Jede andere Form eines sachgerechten Risiko- strukturausgleiches mit Erhaltung der unteren Entscheidungsebenen einer versichertennahen Selbstver- waltung wäre der Aufgabe angemes- sener gewesen. „Mündigkeit der Bürger" erweist sich immer dann als hohler Begriff, wenn er gegen gesell- schaftliches Machtstreben abgewo- gen werden muß.

In allen zentral gesteuerten Sy- stemen sowohl im Staat als auch in der Wirtschaft heißt das moderne Zauberwort „Deregulierung". Was bei den Ortskrankenkassen exerziert wird, führt zum Gegenteil. So wird dort die Ersatzebene für bürgerliche Eigenverantwortung, die Selbstver- waltungsebene, in Zukunft ihre Ent- scheidung noch stärker abgehoben von der Lebenswirklichkeit treffen, und die Vertragspartner dieser Selbstverwaltungen werden sich dem anpassen. Es wird ein florierender ökonomisch-politischer Tauschhan- del werden, in dem die Sachzwänge und die Handlungsgrundlagen nur noch als Randprobleme interessie- ren. Aber vielleicht finden die neuen großen Krankenkassen auch zu ab- gestuften Ebenen in Patientennähe mit delegierten Befugnissen, wie es in den großen Kassenärztlichen Ver- einigungen praktiziert wird; nur müßten sie dann eigene demokrati- sche Legitimationen entwicklen und nicht nach dem „Führerprinzip" be- setzt werden. Es muß nicht weniger, es muß mehr Verantwortung in die A1-2684 (28) Dt. Ärztebl. 89, Heft 33, 14. August 1992

(2)

Gesundheitssystem der neuen Länder

Angleichung zwischen Ost und West fast vollständig erreicht

Sich aus einer aktuellen Auseinandersetzung herauszuziehen und für ein paar Stunden einem angenehmeren Thema zuzuwenden — wer wünschte sich das nicht? Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer (CSU) erfüllte sich den Wunsch: Während in und um Bonn heftig über sein geplantes Gesundheits-Strukturgesetz debattiert wurde, widme- te er sich Ende Juli in Ost-Berlin dem Gesundheitssystem der neuen Länder. Seine positive Bilanz: Dem Ziel der Angleichung der Versor- gungsniveaus in Ost und West sei man inzwischen wesentlich näher gekommen. Folglich bekamen auch sonst Gescholtene ein Lob: Den Selbstverwaltungen der Krankenkassen und der Ärzte, Zahnärzte so- wie anderen Anbietern gebühre Dank für ihr Engagement.

Versichertennähe kommen Sonst ändert sich nichts am Denken und Handeln derer, für die das ganze Beitrags- und Leistungsrecht entwik- kelt wurde — der Versicherten.

Der säkulare Kompromiß der sozialen Marktwirtschaft hat den Marxismus-Leninismus deshalb aus- gehebelt, weil er besser zu den Men- schen paßt. Weder mit den sozialen Defiziten des reinen Kapitalismus noch mit den ökonomischen Defizi- ten des reinen Sozialismus kommt ei- ne menschenwürdige Gesellschaft zustande. Die Bundesrepublik Deutschland sollte hüten, was bei ihr gewachsen ist — primär aus sozialer Verantwortung, später aus gemein- samer Not, aus der Solidarität der Nachkriegszeit, aus dem Streben

Seehofer wies in Berlin darauf hin, daß das System der gegliederten Krankenversicherung erfolgreich eingeführt sei: Alle acht Kassenarten seien in Ostdeutschland vertreten;

über 90 Prozent der Bevölkerung Mitglied der GKV. Ihr Geschäftsjahr 1991 hätten die Kassen in den neuen Ländern mit einem Überschuß von 2,6 Milliarden DM abgeschlossen, erinnerte Seehofer. 1992 werde ver- mutlich eine „ausgeglichene Bilanz"

zu verzeichnen sein.

Beim Thema Finanzen kam See- hofer dann doch auf seine gesamt- deutschen Reformpläne zu spre-

nach Freiheit und nicht zuletzt aus dem Vertrauen eines Ludwig Erhard in die Kraft des einzelnen Bürgers.

Zur Zeit spielen die Politiker mit der ökonomischen Macht herum, die ihnen mit den Früchten der Ar- beit ihrer Bürger und den Initiativen ihrer Unternehmen zugefallen ist.

Zu diesen Früchten gehört auch eine leistungsfähige und soziale Gesund- heitswirtschaft. Sie sollten die Finger davon lassen und insbesondere da- mit aufhören, gerade dort Rückzugs- gefechte des Sozialismus auszutra- gen und dabei zu dulden, daß die Gesundheitswirtschaft als ständiger Tummelplatz des sozialen Neides mißbraucht wird.

Prof. Dr. med. Ernst Eberhard Weinhold

chen. Derzeit kämen beispielsweise in den neuen Bundesländern auf 100 Beitragszahler der GKV erst 24 Fa- milienangehörige, während es in den alten 48 seien. Mittelfristig würden sich die Lebensverhältnisse in Ost und West aber angleichen und damit die Probleme innerhalb der GKV.

Angesichts der zu erwartenden fi- nanziellen Entwicklung müßten auch die neuen Bundesländer in Maßnah- men zur Sicherung und Strukturver- besserung der Krankenversicherung einbezogen werden.

Seehofer bemühte sich, jene Aspekte seines geplanten Gesund-

heits-Strukturgesetzes hervorzuhe- ben, die nach seiner Auffassung von positivem Nutzen für die gesundheit- liche Versorgung in den neuen Län- dern sind. So wies er darauf hin, daß die Krankenhäuser ab 1993 die Mög- lichkeit erhalten sollen, neben Finan- zierungsmitteln der Länder verstärkt auch privates Kapital einzusetzen und über den Pflegesatz zu finanzie- ren. Ab 1994 könnten bestimmte In- standhaltungsaufwendungen über die Pflegesätze abgerechnet werden, ab 1996 sollten zudem alle den Pfle- gesatz entlastenden Rationalisie- rungsinvestitionen durch die Kran- kenkassen finanziert werden.

Vehement verteidigte Seehofer zudem die Anbindung der Honorar- entwicklung an die der Grundlohn- summe• Da sich die Löhne und Ge- hälter in den neuen Ländern sehr viel stärker erhöhen würden als in den alten, würden auch die Einkom- men von Ärzten und Zahnärzten in entsprechend größerem Umfang steigen. Das sei bei der Kritik an den geplanten Einsparungen zu beden- ken. „Es wird zu keiner Gefährdung von Arztpraxen kommen", betonte Seehofer. Deshalb sollten sich die ostdeutschen Ärzte auch nicht „vor den Karren der alten Länder span- nen lassen", sprich: sich den Prote- sten der westdeutschen Ärzteschaft uneingeschränkt anschließen. Bei den Leistungserbringern im Osten sei „Verständnis" für die Reformplä- ne vorhanden, glaubt Seehofer.

Trotz allem sei das bundesdeutsche ein „absolut freiheitliches Gesund- heitswesen"; Sozialismusvorwürfe im Zusammenhang mit den geplanten Reformen seien unzutreffend.

Mit einem Seitenhieb auf die am Tag der Pressekonferenz streiken- den nordrhein-westfälischen Zahn- ärzte meinte der Gesundheitsmini- ster, diese Berufsgruppe sei „absolut maßlos". Bei ihren Aktionen hande- le es sich um „reine Egoismen zu- gunsten der Zahnärzteschaft". Die Arzte hingegen würden zwar auch Widerstand leisten, aber immerhin mit Argumenten. Was sie fruchten, wird nach dem 12. August zu hören und zu lesen sein: An diesem Tag will das Bundeskabinett über die Re- formpläne des Gesundheitsministers entscheiden. th Dt. Ärztebl. 89, Heft 33, 14. August 1992 (29) A1-2685

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Die Menschenwürde und das Recht auf volle Entfaltung der Per- sönlichkeit garantieren, daß jeder Mensch über seinen Körper und das, was mit ihm geschieht, frei bestim- men kann

Patienten, die dem Kriterium „kommt und geht auch wieder vor Sonnenun- tergang auf eigenen Beinen nach Hause“ nicht genügen, sind nach wie vor stationär zu behandeln.. Dies gilt

Beispiel: Wer heute der WestLB 2000,- Mark leiht (es geht natürlich auch das entsprechend Mehr- fache davon), erhält eine ga- rantierte (!) jährliche Verzin- sung von 14,50

Hans Joachim Sewering hat sich mit unermüdlicher zielstrebiger Ar- beit und außergewöhnlichem Gespür für politische Entwicklungen sowie für das unter Wahrung der Belange

Die Mehrwertsteuersätze auf Arzneimittel in Europa reichen von null bis 22 Prozent. Keine Mehrwertsteuer wird in Großbritannien auf Medikamente, die im Rahmen des

se ein kurzer Video-Streifen, der Königsberg vor dem Zweiten Weltkrieg zeigte. Gesprochen wur- de auch über gemeinsame Reisen in die Heimat, deren Termine bereits feststehen und

Bei der Gesundheitsreform muß der Ministerin zufolge – und hier stimmten ihr die Ärzte grundsätzlich zu – ein Ausgleich zwischen den steigen- den Anforderungen an das

gen der Spitzen-Athleten würde durchaus geeignet sein, die Athleten vom Ge- brauch anaboler Steroide ab- zuschrecken, da sich beim po- sitiven Ausfall dieser Metho- de beweisen