Sport
Perversion oder Prävention?
Gesprächsrunde bei der KV Hessen zum Thema Sport und Gesundheit
W
er seiner Gesundheit et- was Gutes tun will, sollte Sport treiben. Diese Binsen- weisheit wird in der breiten Bevölkerung nicht ausrei- chend beherzigt. „Experimen- telle Untersuchungen jünge- ren Datums belegen sogar die immense Bedeutung einer sinnvollen körperlichen Bela- stung für die strukturelle Ent- wicklung des Gehirns, unab- hängig vom Lebensalter“, sag- te der ehemalige Lehrstuhlin- haber für Kardiologie und Sportmedizin an der Sport- hochschule in Köln, Prof. Dr.med.Wildor Hollmann, bei ei- ner Gesprächsrunde zum The- ma „Sport zwischen Gesund- heit und Perversion“ in der
Kassenärztlichen Vereinigung Hessen. Der präventive Ef- fekt körperlicher Ertüchti- gung, der mit einer geringeren Mortalität einhergeht, ist bei Sportwissenschaftlern und Ärzten unbestritten.
Dennoch: Verbrauchte ein 40-Jähriger Anfang des 20.
Jahrhunderts noch 3 200 Kilo- kalorien täglich, sind es heute im Schnitt gerade mal 2 400 Kilokalorien. Infolge des auch bei immer mehr Kindern und Jugendlichen verbreiteten
„physikalischen Trägheitsge- setzes“ sei daher damit zu rechnen, so Hollmann, dass uns eine regelrechte „Lawine von Stoffwechselerkrankun- gen“ überrollt.
Allerdings sollte ärztlich empfohlene körperliche Be- wegung, zum Beispiel durch Teilnahme an einer Reha- sportgruppe, verordnet wer- den wie ein Medikament – in- dividuell dosiert und der je- weiligen körperlichen Verfas- sung des Patienten angepasst.
Dann sei es durchaus möglich, dass zum Beispiel die Teilneh- mer einer Herzsportgruppe leistungsfähiger sind als vor ihrem Infarkt, erklärte die Vorsitzende der Gesellschaft für Prävention und Rehabili- tation von Herz-Kreislauf-Er- krankungen in Hessen, Prof.
Dr. Ingeborg Siegfried. Nach Ansicht der Allgemeinärztin werden Maßnahmen dieser
Art, auch unter dem Gesichts- punkt der Kostensenkung, im Gesundheitswesen noch viel zu selten genutzt.
„Sport hört allerdings späte- stens dann auf, gesund zu sein, wenn Nahrungsergänzungs- mittel oder Doping ins Spiel kommen“, warnte Edgar Itt, früherer Hochleistungssport- ler und heute Personality Coach.Es sei geradezu pervers,
„wenn Sportler aus Mangel an Selbstvertrauen oder übertrie- benem Körperkult ihre eigene Identität oder gar ihr Ge- schlecht verleugnen.“ Aufgabe der Ärzteschaft und speziell der Sportärzte sei es daher auch, dies zu erkennen, zu the- rapieren oder besser noch im Vorfeld zu vermeiden.
Aufgrund der immensen Bedeutung körperlicher Ak- tivität für die Gesundheit so- wie der Gefahr falsch verstan- dener sportlicher Betätigung ist es nach Meinung von Holl- mann umso bedauerlicher, dass die Sportmedizin in der ärzt- lichen Ausbildung nach wie vor ein stiefmütterliches Da-
sein fristet. PS
A K T U E L L
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A1128 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 1723. April 2004
Darmkrebs
Dokumentation übers Internet
Gute Erfahrungen bei der Vorsorge-Koloskopie
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ufklärung und eine konse- quente Vorsorge sind vor- rangige Ziele beim Kampf ge- gen den Darmkrebs. In Hes- sen dokumentieren deshalb rund 40 Ärztinnen und Ärzte seit Oktober letzten Jahres die Befunde von Vorsorge-Kolo- skopien online, um sie zeitnah analysieren zu können. „Da- mit ist es uns bundesweit erst- malig gelungen, die Ergebnis- se unter Einhaltung der ge- forderten Qualitätsrichtlinien täglich miteinander abglei- chen und auswerten zu kön- nen“, sagt Dr. med. Herbert Bock vom Qualitätsnetz Ga- stroenterologie Hessen, demInitiator der von der Kas- senärztlichen Vereinigung Hes- sen unterstützten Aktion.
10 088 Befunde haben die Ärzte, vor allem Internisten und Chirurgen, im letzten Halbjahr im Rahmen des Qua- litätsicherungs-Projekts erho- ben und unter der Passwort-ge-
schützten Domaine www.vor sorge-koloskopie.de abgelegt.
Sich beteiligen kann jeder Arzt in Hessen, der die Qualitätsan- forderungen für die präventive Koloskopie erfüllt.
Eine aktuelle Auswertung des Projekts ergab, dass mehr als die Hälfte (5 359) der un- tersuchten Patienten keine Anzeichen von Darmkrebs aufwies. Bei 4 154 Präventiv- Koloskopien (41 Prozent) fiel der Befund positiv aus. Karzi- nome diagnostizierten die Ärzte bei 70 Prozent der Pati- enten. Schwere Dysplasien traten 38-mal auf, Tis-Befun- de in zwei Fällen. Bei den übrigen 4 045 Untersuchun- gen machten die Spezialisten Vorstufen des Kolonkarzi- noms wie Adenome, Darm- polypen oder Divertikel aus, die sie zum Teil noch wäh- rend der Koloskopie entfer- nen konnten. In der überwie- genden Zahl der Fälle (9 635) verliefen die Eingriffe ohne Komplikationen.
Die Befunde belegen die herausragende Bedeutung ei- ner frühzeitigen Diagnose der oft tödlichen Krankheit. Die Zahl der jährlichen Neuer- krankungen liegt bei 57 000.
Knapp 30 000 Menschen ver- lieren im selben Zeitraum den Kampf gegen die Krankheit.
Damit liegt der Darmkrebs immer noch an der Spitze bei den Krebstodesursachen.
Die Möglichkeit, die Befun- de täglich zu dokumentieren und mit den Daten der Kolle- gen vergleichen zu können, so- wie die geringe Fehleranfällig- keit des Systems sind für Bock das große Plus des Internet- Projekts: „Die Fehlerquote beträgt gerade mal drei Pro- zent, da das System falsche Eingaben abweist.“ Zudem zeige sich, dass die Motivation der Ärzte, an dem Projekt wei- ter teilzunehmen, sehr hoch sei, was Bock auch auf die ein- fache Handhabung der on- line-Dokumentation zurück- führt. Petra Spielberg Wider das
„physikalische Trägheitsge- setz“: Kinder beim Schulsport
Foto: Ute Grabowsky
Vorsorge-Koloskopie: Frühzeiti- ge Diagnose rettet Leben.
Foto:Caro