M E D I Z I N
Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 3819. September 2003 AA2459
tauglichkeit eben nur um eine „Kurz- zeitprognose“ handeln. Jeder verant- wortungsvolle Arzt muss einräumen, dass er selbst unter optimalen Bedin- gungen nicht konkret voraussehen kann, ob und welche Komplikationen eintreten. Da das Spektrum der Sym- ptome und Krankheiten breit gefächert ist, arbeiten im Hallenser Team Fachärz- te verschiedener Fachrichtungen (wie Rechtsmedizin, Psychiatrie, Innere Me- dizin), die sich in Fallkonferenzen wei- terbilden und gegenseitig auch als Kon- silar zur Verfügung stehen.
Die Forderung, die regelmäßige Kontrolle der Vitalfunktionen nicht den Polizeibeamten zu überlassen, sondern sie als ärztliche Aufgabe zu etablieren, ist unrealistisch, da nur vereinzelt zen- trale, medizinisch überwachte Ausnüch- terungseinheiten existieren. Falls durch den medizinischen Laien (Polizeibeam- ten) bei den Routinekontrollen eine deutliche Veränderung der Symptoma- tik festgestellt wird, muss eine erneute Arztkonsultation erfolgen.
Frau Kollegin Stein hat außerdem die Frage aufgeworfen, ob medizinische Gründe für die Gewahrsamsnahme (zum Beispiel Psychose oder Suizida- lität) nach Beendigung des Gewahr- sams tatsächlich entfallen. In Halle er- folgt jedenfalls keine polizeiliche Ge- wahrsamsnahme ausschließlich aus me- dizinischen Gründen. Bei Feststellung akuter Suizidalität wird eine umge- hende stationäre Behandlung gege- benenfalls mit Einweisung nach dem PsychKG angestrebt.
Die Reaktion auf unseren Bericht zeigt, dass zur Problematik der Ge- wahrsamstauglichkeit durchaus Dis- kussionsbedarf besteht. Wir hoffen, dass dieser Thematik auch von ärztli- cher Seite mehr Aufmerksamkeit zuteil wird und eine Etablierung einheitlicher Kriterien ermöglicht wird.
Literatur
1. Elsing C, Schlenker T, Stremmel W: Haft- und Gewahr- samsfähigkeit aus internistischer Sicht. Dtsch Med Wochenschr 2001; 126: 1118–1121.
2. Pedal, Wenzel: Die ärztliche Gewahrsamsfähigkeits- untersuchung. Ärzteblatt Sachsen-Anhalt 2001; 2:
48–50.
Dr. med. Steffen Heide Institut für Rechtsmedizin
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Franzosenweg 1, 06112 Halle/Saale
Kosten fehlen
Leider bleiben die Kosten für die Be- handlung des Zosters in dem Artikel unerwähnt. Diese betragen gemäß Ro- ter Liste für Zostex (Brivudin) 115,03 Euro, für Valtrex (Valaciclovir) 174,01 Euro und für Famvir (Famciclovir) 238,67 Euro. Das günstigste Aciclovir- Generikum hingegen kostet nur 34,15 Euro.
Ohne Zweifel ist eine geringere Einnahmehäufigkeit aus Gründen der Compliance vorteilhaft. Es erscheint mir jedoch bei ansonsten eher gerin- gen therapeutischen Vorteilen (Surro- gatparameter wie Dauer des zoster- assoziierten Schmerzes), Anwendungs- beschränkungen (Kinder, Jugendliche und Schwangere) und mangelnden Langzeiterfahrungen mit den neueren Substanzen sowie vor dem Hinter- grund steigender Kosten im Gesund- heitswesen äußerst fraglich, Sub- stanzen anzuwenden, die 3,4mal (Zos- tex), 5,1mal (Valtrex) beziehungswei- se 7mal (Famvir) so teuer sind wie das günstigste Präparat mit dem Wirkstoff Aciclovir.
In Zeiten knapper werdender Res- sourcen sollten pharmakoökonomi- sche Aspekte (insbesondere bei ver- gleichbarer Wirksamkeit der Substan- zen) bei der Erarbeitung von Therapie- empfehlungen eine stärkere Berück- sichtigung finden.
Dr. med. Matthias Roth Juvenellstraße 10 90408 Nürnberg
Schlusswort
Sicherlich sind die Therapiekosten ein wesentlicher Gesichtspunkt bei der Auswahl von Medikamenten mit glei- cher Wirkungsweise. Von den zur Zo- sterbehandlung zugelassenen antivira- len Präparaten hat aber leider der preisgünstigste Wirkstoff Aciclovir bei oraler Applikation die geringste Wirk- samkeit in Bezug auf die Verhinde- rung der postzosterischen Neuralgie beziehungsweise der Abkürzung der Dauer der chronischen Schmerzen.
Das resultiert nicht nur aus der besse- ren Compliance bei geringerer Ein- nahmehäufigkeit, sondern zum Bei- spiel im Falle von Brivudin auch aus einem wesentlich stärkeren virushem- menden Effekt.
Wenn finanzielle Argumente ange- führt werden, dann sollte man sich auch darüber im Klaren sein, dass die Behandlung der postzosterischen Neuralgie hohe Kosten verursacht. So wurden im Jahre 2000 allein zur Schmerzbehandlung circa 1 Million Verordnungen registriert (Verschrei- bungsindex für Pharmazeutika; IMS Health GmbH).
Wir möchten die Gelegenheit nut- zen, uns für die vielen per E-Mail ein- gegangenen Anfragen und Kommen- tare zu unserer Publikation zu bedan- ken, die in keinem Fall die Notwendig- keit einer spezifischen Zostertherapie infrage stellen. Sie haben uns gezeigt, dass seit der Veröffentlichung der er- sten Therapieempfehlungen der Paul- Ehrlich-Gesellschaft und der Deut- schen Vereinigung zur Bekämpfung der Viruskrankheiten im Jahre 1997 die frühzeitige antivirale Behandlung des akuten Herpes zoster eine hohe Akzeptanz unter den ärztlichen Kolle- gen erlangt hat.
Für die Verfasser:
Prof. Dr. med. Peter Wutzler Institut für Virologie und Antivirale Therapie Klinikum der Friedrich-Schiller-Universität Jena Winzerlaer Straße 10
07745 Jena
zu dem Beitrag
Antivirale Therapie des Zosters
von
Prof. Dr. med. Peter Wutzler Prof. Dr. med. Gerd Gross Prof. Dr. med.
Hans Wilhelm Doerr in Heft 13/2003