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Archiv "Klassifikation und Behandlung der Ohrmuschelmissbildungen: Schlusswort" (28.01.2000)

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nehmen, dass sie in ihrem vorherigen Zustand nicht liebenswert waren.

Darüber hinaus empfinden sie die Operation gelegentlich als sadisti- schen Angriff der Ärzte, worauf eine traumatische Ablehnung jeder späte- ren Krankenhausbehandlung beru- hen kann. So kann trotz relativ opti- maler Korrektur später eine Persön- lichkeitsproblematik zurückbleiben.

Deswegen erscheint es mir notwen- dig, ergänzend darauf hinzuweisen, dass bei entsprechenden kindlichen oder jugendlichen Patienten immer eine psychotherapeutische Vorberei- tung und eine psychotherapeutische Nachbetreuung notwendig ist. Diese sollte bei entsprechenden Operatio- nen unverzichtbar sein, um ein mög- lichst optimales Ergebnis für die spä- tere Gesamtpersönlichkeit zu errei- chen.

Prof. Dr. med. Ernst Lürßen Facharzt für Neurologie und Psychiatrie

Psychotherapie/Psychoanalyse Eiderstedter Weg 7

14129 Berlin

Zunächst darf ich mich bei Herrn Lürßen für seine anerkennen- den Worte zu unserem Artikel be- danken. Er weist zu Recht darauf hin, dass operative Eingriffe bei Kin- dern in der Regel von den Eltern ini- tiiert und von dem Chirurgen durch- geführt werden. Dieses gilt aber ge- nerell für alle Eingriffe bei Kindern, besonders natürlich bei operativen Eingriffen, seien sie zwingend erfor- derlich oder aus anderen Gründen durchzuführen. Da wir unsere Kin- der frühestens ab dem achten bis zehnten Lebensjahr, häufig aber noch später operieren, werden sie selbstverständlich in den Entschei- dungsprozess mit einbezogen.

Wir haben zusammen mit dem Leiter der Universitäts-Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie die

„psychosozialen Aspekte der totalen Ohrmuschel-Rekonstruktion bei Pa- tienten mit schweren Mikrotien“ un- tersucht (5). Aus der Diskussion mit Kindern und Jugendlichen vor und

nach der Operation und in Kenntnis der Literatur zum Thema der Miss- bildung, vor allem der Gesichtsent- stellten, kann ich mich der Vorstel- lung von Herrn Kollegen Lürßen nicht anschließen. Durch die Diskri- minierung und die Auffälligkeit un- serer Kinder, die ja häufig nicht nur an einer Ohrmissbildung, sondern auch an zusätzlichen weitergehenden Missbildungen wie Mikrosomie (Franceschetti-, Goldenhar-, Klip- pel-Feil-Syndrom) oder Spalten lei- den, nimmt der Leidensdruck bis zur Pubertät und den ersten Kontakten mit dem anderen Geschlecht außer- ordentlich zu. Durch ein fächerüber- greifendes Konzept der Behebung der Missbildung zusammen mit den Kieferchirurgen (Distraktion, Aug- mentation, Spaltoperation) kann es gelingen, den hohen Leidensdruck durch die Auffälligkeit unserer Pati- enten zu mildern. Ein Verdecken durch Haar oder Mütze ändert nichts an dem Bewusstsein, „missgebildet zu sein“. So wurden in unserer Stu- die „Depressivität“ und „Kontakt- störungen“, wie sie in der Marburger Symptomliste definiert sind, von den Jugendlichen und Erwachsenen in Verbindung mit der Fehlbildung häu- fig als Motiv für die Operation ge- nannt.

Fehlbildungen des Kopfes stel- len eine schwer zu verbergende ästhetische Beeinträchtigung dar, die ganz besonders auf die Persönlich- keitsentwicklung von Kindern und Jugendlichen einwirken und die so zu einer erheblichen psychosozialen Be- lastung führen kann. Wie wir wissen, entwickelt sich im Alter von vier bis sechs Jahren ein Bewusstsein für kör- perliche Attraktivität, in diesem Al- ter bereits beginnen fehlgebildete Kinder ihre äußerliche Abweichung von der Norm zu realisieren.

Noch wichtiger war, dass sich die Jugendlichen vor allem bei den Mi- krotien dritten Grades, also bei den schweren Missbildungen nach einer Ohrmuschel-Rekonstruktion nicht mehr als fehlgebildet vorkamen. Die- ser Effekt ist zum Beispiel durch die Versorgung mit einer Epithese, durch Abdecken mit einer Mütze oder lange Haare nicht möglich.

Nach Lefebre et al. (3) und Arndt et al. (1) ist es gerade das durch die

Operation gesteigerte Selbstwertge- fühl, das zu einer besseren Lebens- qualität beiträgt und den Patienten soziale Barrieren überwinden hilft (5, 6).

Zusammenfassend möchte ich feststellen: Missbildungen, vor allem Missbildungen im Gesicht, können zu schweren Beeinträchtigungen des äußeren Körperbildes von Kindern und Jugendlichen bis hin zu schweren neurotischen Fehlentwicklungen füh- ren (4). Wegen des erheblichen Lei- densdrucks von Kindern und Ju- gendlichen ist eine Motivation zur Operation, die sehr häufig vom Be- troffenen initiiert wird, von den El- tern und Ärzten dann zu unterstüt- zen (5). In unserer Studie gaben von den von uns befragten Patienten 92 Prozent ein besseres Ergebnis oder viel besseres Ergebnis als vor der Operation an, 87 Prozent würden sich jederzeit wieder einer solchen Operation unterziehen. Am erstaun- lichsten war in der von uns durchge- führten Studie über psychosoziale Aspekte nach Abschluss der Rekon- struktion bei schweren Missbildun- gen, dass unsere Patienten nicht mehr das Gefühl hatten, missgebil- det zu sein.

Literatur

1. Arndt EM, Travis F, Lefebre A, Niec A, Munro IR: Beauty and the eye of the behold- er. Social consequences and personal ad- justments for facial patients. Br J Plast Surg 1986; 39: 81–84.

2. Heimann H: Das Gesicht als Ausdrucksfeld der Seele in: Schuchardt K (ed.): Fortschrit- te der Kiefer- und Gesichtschirurgie. Stutt- gart: Thieme 1979; Band 24, 1–8.

3. Lefebre A, Munro I: The role of psychiatry in an craniofacial team. Plast Reconstr Surg 1978; 61: 564–569.

4. Panse F: Pathopsychologie der Gesichts- entstellten in: Schuchardt K (ed.): Fort- schritte der Kiefer- und Gesichtschirurgie.

Stuttgart: Thieme 1962; Band 12: 9–16.

5. Siegert R, Knölker U, Konrad E: Psychoso- ziale Aspekte der totalen Ohrmuschelre- konstruktion bei Patienten mit schwerer Mikrotie. Laryngo-Rhine-Otol 1996; 75:

155–161.

6. Weerda H. Rekonstruktionselemente für Ohmuschel-Epithesen. HNO 1972; 20: 83.

Prof. Dr. med. Dr. med. dent.

Hilko Weerda

Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde

Plastische Operationen

Medizinische Universität zu Lübeck Ratzeburger Allee 160

23538 Lübeck

A-180

M E D I Z I N DISKUSSION

Deutsches Ärzteblatt 97,Heft 4, 28. Januar 2000

Schlusswort

Referenzen

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