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Archiv "Krankenhäuser: Privatisierung in geordneten Bahnen" (10.09.2004)

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P O L I T I K

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A2428 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 3710. September 2004

D

ie Prosperität der erwerbswirt- schaftlichen Krankenhauskonzer- ne und die anhaltend defizitäre Situation der Bundesländer hat auch die Privatisierung kommunaler, zumeist defizitärer Krankenhäuser begünstigt.

Die Akquisitionsstrategie der Klinik- konzerne war bisher darauf ausgerich- tet, das Angebotsspektrum zu ergänzen und durch Übernahme Spezialkliniken zu arrondieren, um eine regional zum Teil marktbeherrschende Position ein- zunehmen (Beispiel LBK Hamburg oder Rhön-Klinikum AG in Thüringen oder in anderen Bundesländern). Kran- kenhausträger in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft, wie beispielsweise der Klinikkonzern SRH AG Holding AG, Heidelberg, legen die Strategie darauf an, durch Konzentration und Zukauf von Kliniken in spätestens fünf bis sechs Jahren die Börsenreife zu er- langen. Daneben gibt es Klinikketten in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (wie etwa die Asklepios-Kliniken GmbH), die inzwi- schen ein Umsatzvolumen von mehr als einer Milliarde

Euro überschritten haben. Andere Kli- nikkonzerne wollen kontrolliert expan- dieren, andere Kon- zerne, wie beispiels- weise die Eifelhöhen- Klinik AG, Bonn, streben ein „Wachs- tum ohne Betten“ an.

Branchenanalysen prognostizieren, dass die Übernahme- und Privatisierungswelle innerhalb der näch- sten fünf bis sechs Jahre abrupt abebben dürfte. Heute sind

nach Statistiken der Deutschen Kran- kenhausgesellschaft e.V. die privaten (erwerbswirtschaftlichen) Krankenhäu- ser mit einem Marktanteil von zwölf bis 14 Prozent repräsentiert. Nach Aus- sagen von Banken und Unternehmens- beratungen wird deren Marktanteil – trotz schlechter werdender Rahmen- bedingungen – in den nächsten fünf bis sechs Jahren bis zu einem Anteil von 30 Prozent wachsen können.

Hire and fire?

Die Privatisierung und der Hinzukauf von kommunalen Krankenhäusern und deren Privatisierung durch erwerbswirt- schaftliche Klinikkonzerne wurde von den Gewerkschaften, so von der verein- ten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di und von der Klinikärztegewerkschaft Marburger Bund, kritisch begleitet. Gän- gige These: Die Privatisierung sei oftmals verbunden mit einem „Hire and fire“ – also einer Entlassung von bisherigem Stammpersonal, einer Verschlechterung

der Arbeitsbedingungen für die Klinik- beschäftigten und einer Patientenselek- tion – begleitet von einer Umstellung der Flächentarifverträge auf Haustarife oder regionale Tarifverträge.

Ein Schlaglicht auf die Strategien neu ausgerichteter Privatisierungspraxis von ausgewählten Klinikkonzernen – der Helios-Kliniken GmbH, der Rhön- Klinikum AG, der Wittgensteiner-Klini- ken AG, einer Kliniktochtergesellschaft der Firma Fresenius AG, Bad Homburg – offenbart ein Bild, das überrascht: Die Privatisierungsaktionen durch Klinik- konzerne verlaufen zumeist in geord- neten Bahnen. Größere Personalfrei- setzungsaktionen kamen kaum vor.

Allerdings ist der Betriebsführungsstil meistens geändert und auf das Unter- nehmensziel des Klinikkonzerns neu ausgerichtet worden.

Neue Geschäftsfelder

Infolge der Privatisierungen haben die Klinikträger zum Teil neue Geschäftsfel- der besetzt. Der Versorgungsauftrag wurde zumeist – kaum verändert – fort- geführt. Dies gilt insbesondere auch für die Implementierung von diagnosebezo- genen Fallpauschalen, eine verstärkte Diversifizierung durch Integrierte Ver- sorgung, eine zunehmende Internatio- nalisierung, eine gezielte Produktivitäts- steigerung und eine Verbesserung der Ergebnisqualität der Krankenhäuser.

Einen Überblick über die Ergebnisse und die Trends von Privatisierungsaktio- nen bei ausgewählten Klinikkonzernen gab kürzlich eine „Fallstudie: Privati- sierungen von Krankenhäusern“, die die Unternehmensberatungsfirma PLS Rambøll Management im Auftrag der Vereinten Dienstleistungsgewerk- schaft ver.di, Berlin, durchgeführt hat.

Krankenhäuser

Privatisierung in geordneten Bahnen

Übernahmewelle ebbt ab; mehr private Krankenhausträger

Die Gutachter der Fallstudie „Privatisierung von Krankenhäusern“

Die Firma PLS Rambøll Management ist eine Beratungsgesellschaft, die vor allem im skandinavischen Raum geschäftlich aktiv ist. Firmenzentralen sind in Aarhus, Kopenhagen, Hamburg, Berlin, Stockholm und Brüssel.

Schwerpunkt der Beratung sind die Bereiche Research, Survey, Manage- ment und Informationstechnologie.

Die Firma berät bereits seit mehr als 30 Jahren Auftraggeber in den skandinavischen Ländern, seit 2000 auch in Deutschland. Für deutsche Auftraggeber hat PLS Rambøll Management verschiedene Krankenhaus- studien veröffentlicht, so unter anderem für die vereinte Dienstleistungs- gewerkschaft ver.di eine Fallstudie „Geschäftsmodelle privater Konzerne im Krankenhaussektor“, Frühjahr 2004.

Berarbeiter des Gutachtens „Privatisierungen von Krankenhäusern“ sind Giselher Dick, Consultant im Bereich Organisation und Personalentwick- lung, und Nikolaj Bøggild, Bereich Organisation und Unternehmens- führung, insbesondere Branchen- und Unternehmensanalysen. )

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In der Regel wurde die Lei- stungseffizienz bei den über- nommenen Krankenhäusern im Klinikverbund gesteigert.

Eine zentrale Aussage: „Es geht keinem der Krankenhäu- ser nach der Privatisierung schlechter als zuvor. Tenden- ziell stehen die Krankenhäuser nach der Privatisierung sogar besser als vorher da.“ Oftmals war eine Privatisierung durch private Klinikträger der einzi- ge Ausweg aus einem Dilemma infolge der wachsenden finan- ziellen Engpässe der Länder.

Zumeist ist bei den erwor- benen kommunalen Kranken- häusern formal auf die Rechts- form einer GmbH umgestellt worden. Dabei ist unterschied-

lich entschieden worden, ob die Kommu- ne beziehungsweise das Land weiter an der GmbH beteiligt bleibt, sich materiell also wenig geändert hat.In einigen Fällen verfügt die Kommune über eine Sperr- minorität. In politisch indizierten Fällen ist zunächst eine gGmbH gegründet worden, bevor diese in eine „normale“

Gesellschaft mit beschränkter Haftung übergeführt und weiterbetrieben wurde.

Ausnahme hiervon bildet der Ökume- nische Dachverband kirchlicher Träger, der regelmäßig die gGmbH als Betriebs- form gewählt hat.

In den neuen Bundesländern war die Privatisierung aus der Sicht der Be- schäftigten meistens die einzige Mög- lichkeit, ihr Haus zu „retten“. Wenn auch Teile der Bevölkerung sich emotio- nal gegen eine Privatisierung äußerten, war dennoch ausschlaggebend, dass Arbeitsplätze erhalten und keine we- sentlichen Einschränkungen in die bis- herige stationäre Versorgung erfolgten.

So haben die in die Analyse einbezoge- nen Klinikkonzerne kaum Beschäftigte übernommener Krankenhäuser ent- lassen. Die befürchtete Risikoselektion, Leistungseinschränkung oder weitere Rationierung von Leistungen wurde als unerheblich bezeichnet. Nur in einem Fall wurde von Leistungseinschränkun- gen berichtet.

Schließlich war bei den Übernahme- aktionen auch die Frage, inwieweit die Mitarbeitervertretungen, die Personal- und Betriebsräte, so früh wie möglich in

den Entscheidungsprozess mit einbezo- gen wurden. Die Privatisierungsprozes- se liefen umso reibungsloser, je trans- parenter und je demokratischer der Übernahmeentscheidungsprozess war. In übernommenen Krankenhäusern wurde die Organisations- und Führungsstruktur gestrafft, und in der Regel wurden ganze Betriebsteile, die patientenfern waren, an Spezialserviceeinrichtungen übertra- gen. Manchmal sind sie heute aufgrund von Überleitungsverträgen oder/und

§ 613 BGB daran noch gehindert.

Größere Arbeitsbelastung

Zumeist wird über eine größere Ar- beitsverdichtung und höhere Arbeits- belastung des Personals berichtet. Die Wittgensteiner Klinik AG, Bad Berle- burg, strebt an, Haustarifverträge ab- zuschließen, die sich zum größten Teil an den Bundesangestelltentarifvertrag anlehnt. Die Bezahlung der Klinik- konzerne variiert zum größten Teil.

Es wird berichtet, dass es zu einer

„Lohnspreizung“ kommt, bei der Ärzte und examinierte Pflegekräfte tenden- ziell mehr verdienen, Service- und Hilfspersonal dagegen etwas weniger.

Bei den meisten Klinikkonzernen wurden erfolgs- und leistungsbezoge- ne Komponenten beim Entgelt für Führungskräfte eingeführt. Die Kombi- nation von Festgehaltsbezügen mit einer Leistungsorientierung bei allen

Führungskräften ist ohnedies seit langem bei der Rhön-Klini- kum AG Routine.

Als ein wesentlich positiver Effekt von Privatisierungen wurde eine Verbesserung der Managementstrukturen und Entscheidungsprozesse her- vorgehoben. Dies trifft insbe- sondere auf die Rechtsform der GmbH im Vergleich zu kommunalen Eigenbetrieben von Krankenhäusern zu. Über den Helios-Klinikkonzern wird berichtet, dass die Arbeits- zufriedenheit gesunken sei.

Dies hänge mit einer erhöhten Arbeitsbelastung zusammen.

Darin spiegele sich zum Teil aber auch eine erhöhte Fluk- tuationsrate wider. Über ei- nen durch die Privatisierung bedingten

„Veränderungsstress“ berichten auch Mitarbeiter des Konzerns Rhön-Klini- kum AG. In diesem Konzern wird das gesamte Personal auf ein Kranken- hausziel und auf eine eigene klinik- spezifische Unternehmenskultur ein- geschworen. Diese Losung wurde durch den Mehrheitsaktionär von Rhön-Klinikum AG, Eugen Münch, ausgerufen; sie entspricht dem so ge- nannten Kategorischen Imperativ von Kant. Ziel des Rhön-Konzerns ist es, durch ein Bündel aufeinander abge- stimmter Maßnahmen und Manage- mentstrategien im Rahmen einer Akquisition die Kosten im Kranken- haus um rund 15 Prozent zu senken.

Der Rhön-Konzern hat angekün- digt, an jedem Standort möglichst auch eine Abteilung für Akutrehabilitation

„anzudocken“ und Integrationsverträge mit Fachärzten im Bereich der am- bulanten Versorgung und weiteren Leistungsanbietern abzuschließen. Da- durch, dass sich der Krankenhaus- markt zunehmend von einem Verkäu- fer- zu einem Käufermarkt ändert, haben die marktführenden Klinik- konzerne eher die Möglichkeit, bei Übernahmen und Privatisierungen unter den angebotenen Kliniken aus- zuwählen, heißt es in dem Gutachten.

Die ausschlaggebenden Kriterien sind dabei mehr die Qualität und die Größe der Krankenhäuser, weniger die regio- nalen Faktoren. Dr. rer. pol. Harald Clade P O L I T I K

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A2430 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 3710. September 2004

Das Rambøll-Gutachten sollte folgende Thesen belegen

>„Im Zuge der Privatisierung . . . werden in großem Umfang Beschäftigte entlassen. Die Bezahlung sowie die Arbeitsbedingungen verschlechtern sich . . . Private schränken Leistungen ein und führen Risikoselektion der Patienten durch . . .“

>„Es geht keinem der Krankenhäuser nach der Privatisierung schlechter als zuvor. Tendenziell stehen die Krankenhäuser nach der Privatisierung sogar besser da.“

>„Positive Effekte der Privatisierung überwiegen negative Effekte.“

>„Es zeigt sich, dass die privaten Klinikkonzerne kaum Beschäftigte ent- lassen.“

>„Private Träger streben danach, Haustarifverträge abzuschließen, die sich an BAT anlehnen. Die Bezahlung ändert sich in keinem Konzern gravierend.“

>„Ärzte und examinierte Pfleger verdienen tendenziell mehr.“

>„Leistungsbezogene Komponenten für Führungskräfte eingeführt.“

>„Vielfach befürchtete Risikoselektion, Leistungseinschränkung oder Rationierung von Leistungen nicht festgestellt.“ )

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