• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Psychiatrie-Entgeltgesetz: Proteste gegen neues Abrechnungssystem" (23.11.2012)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Psychiatrie-Entgeltgesetz: Proteste gegen neues Abrechnungssystem" (23.11.2012)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

A 2346 Deutsches Ärzteblatt

|

Jg. 109

|

Heft 47

|

23. November 2012

PSYCHIATRIE-ENTGELTGESETZ

Proteste gegen neues Abrechnungssystem

Ab 2013 soll die Vergütung für stationäre psychiatrische Behandlungen umgestaltet werden.

Doch die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG), Fachgesellschaften und Verbände lehnen den vorgeschlagenen Katalog ab: Er werde der Versorgungsrealität nicht gerecht.

W

enn ein Patient mit einer Blinddarmentzündung ins Krankenhaus kommt, ist der Ablauf weitgehend klar: Schon bei der Aufnahme kann man relativ genau abschätzen, wie lange sein Aufent- halt sein wird und wie viel er das Krankenhaus kosten wird. Bei psy- chischen Erkrankungen ist dies schwieriger: Wie lang ein Patient stationär behandelt werden muss, ist sehr individuell und kaum vorher- sagbar. Diesen Umstand hat auch der Gesetzgeber erkannt, und bei der Einführung des DRG-Systems die psychiatrischen und psychoso- matischen Bereiche von der reinen Fallpauschalenvergütung ausge- klammert. Für diese sollte ein „leis- tungsorientiertes und pauschalie- rendes Vergütungssystem auf der Grundlage von tagesbezogenen Entgelten“ entwickelt werden.

Mit dem im Juli verabschiedeten Psychiatrie-Entgeltgesetz (Psych - EntG) sollte es so weit sein: Es regelt im Detail, wann das neue Ab-

rechnungssystem in Kraft treten soll und legt die Übergangsfristen fest (siehe Kasten). Schon zum 1. Januar 2013 sollten die soge- nannten pauschalierenden Entgelte in der Psychiatrie und Psychosoma- tik (PEPP) eingeführt werden.

DKG lehnt neues Entgelt ab Doch nachdem das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) im September das neue Vergütungssystem vorgestellt hatte, gab es heftige Kritik von Fachge- sellschaften und Verbänden sowie von Patientenorganisationen. An- lass war die Art und Weise, wie die Vergütung berechnet werden soll.

So sehen die PEPP zwar Tagespau- schalen vor. Diese hängen jedoch zuerst von der Diagnose und dann erst von der Schwere der Erkran- kung ab. Darüber hinaus ist vorge- sehen, die Tagespauschalen nach ei- ner festgelegten Behandlungszeit zu verringern. Auch dies lehnten die Fachgesellschaften ab, so dass

schließlich die Deutsche Kranken- hausgesellschaft dem PEPP-Kata- log nicht zustimmte. Dabei drängt die Zeit, denn einigen sich DKG und GKV-Spitzenverband Bund nicht auf ein Abrechnungssystem bis zum Jahresende, müsste das Inkrafttreten des PsychEntG ver- schoben werden.

Damit das nicht passiert, hat das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) eine Verordnung auf den Weg gebracht, die eine Einführung des PEPP auch ohne Zustimmung der DKG ermöglicht. Am 19. No- vember unterzeichnete Bundes - gesundheitsminister Daniel Bahr die Ersatzvornahme und setzte damit den PEPP-Entgeltkatalog sowie die dazugehörigen Abrech- nungsbestimmungen für 2013 in Kraft. Die Begründung des BMG:

Dem PsychEntG zufolge können Krankenhäuser schon ab 2013 frei- willig die PEPP verwenden. Dies ist natürlich nur möglich, wenn der Entgeltkatalog auch eingeführt wird.

Darüber hinaus weist das Ministeri- um darauf hin, dass es sich bei PEPP um ein lernendes System han dele.

Durch Anpassungen in der vier jäh - rigen budgetneutralen Phase könn ten Fehler noch beseitigt werden.

Dies sehen die Kritiker des PEPP anders. Kurzfristig gründeten sie ein Aktionsbündnis „Zeit für psychische Gesundheit“, dem sich unter ande- rem die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Ner- venheilkunde (DGGPN), der Ar- beitskreis der Chefärztinnen und Chefärzte der Kliniken für Psych - iatrie und Psychotherapie an Allge- meinkrankenhäusern in Deutschland (ackpa) und Patientenorganisationen wie der Bundesverband der Angehö- rigen psychisch Kranker anschlos- sen. Am 12. November – als im BMG eine Anhörung zur Ersatzvor- Flächendeckende

Ablehnung – Das Aktionsbündnis

„Zeit für psychische Gesundheit“ über- reichte mehr als 32 000 Unterschrif- ten gegen den PEPP-Katalog.

Foto: DGPPN

P O L I T I K

(2)

Deutsches Ärzteblatt

|

Jg. 109

|

Heft 47

|

23. November 2012 A 2347 nahme stattfand – übergab das Akti-

onsbündnis dem Ministerium mehr als 32 000 Unterschriften gegen die PEPP. Die Zahl der Unterschriften, die in nur 48 Stunden bei Betroffe- nen, Angehörigen und Klinikperso- nal gesammelt worden seien, zeige, dass es hier nicht um Einzelmeinun- gen gehe, erklärte Prof. Dr. med.

Peter Falkai, Präsident der DGPPN.

„Das ist eine flächendeckende Ab- lehnung.“

Kritik an sinkenden Pauschalen Die Kritik des Aktionsbündnisses richtet sich vor allem gegen die Degression der Vergütung: „Bei De - pressionen zeigen beispielsweise die Daten des InEK, dass nach 18 Tagen die Kosten für die Klinik drastisch absinken“, erklärte Falkai.

Dabei sei es Konsens, auch in der internationalen Literatur, dass eine Depression mindestens 30 Tage Be- handlung benötige. Er betonte, es gebe keine Evidenz für ein Abneh- men der Kosten, wie es das InEK beschreibe: „Wir haben danach in unseren Kliniken gesucht, aber kei- ne gefunden.“

„Eine solche Degression ent- spricht nicht der Versorgungsreali- tät“, stellte auch Prof. Dr. med. Karl H. Beine, Sprecher des ackpa, fest.

Allerdings seien die vom InEK ver- wendeten Daten und Berechnungen zu intransparent, um die Schlussfol- gerungen nachzuvollziehen. Er kriti- siert darüber hinaus, dass das InEK sich nicht an den gesetzlichen Auf- trag gehalten habe. „Die PEPP sind auf die Vergütungen von Einzelbe- handlungen ausgerichtet und nicht auf eine personenbezogene sektor- übergreifende Behandlung, wie sie psychisch Kranke benötigen.“

Dass die Diagnose das wichtigs- te Kriterium für die Vergütung einer psychiatrischen oder psychosomati- schen Behandlung sein soll, lehnten die Mitglieder des Aktionsbündnis ebenfalls ab: „Die Kosten, die in einer psychiatrischen Klinik entste- hen, können nicht einzelnen Dia - gnosen zugeordnet werden“, erklär- te Falkai. Vielmehr hingen sie vom Schweregrad der Erkrankung ab.

„Patienten, die schwer krank sind, beispielsweise wegen einer Depres- sion oder Sucht, verursachen nicht

wesentlich unterschiedliche Kos- ten.“ Zwar gebe es zu jeder Diagno- se zwei Stufen für die Schweregra- de. Dies würde dem Behandlungs- alltag aber nicht gerecht werden, sagte der DGPPN-Präsident.

Prof. Dr. med. Renate Schepker, Zweite Vorsitzende der Bundesar- beitsgemeinschaft der leitenden Klinikärzte für Kinder und Jugend - psych iatrie, Psychosomatik und Psychotherapie und auch Mitglied des Aktionsbündnisses, warnte da- vor, dass sich PEPP negativ auf die Versorgung von psychisch kranken Kindern und Jugendlichen auswirk- ten: „In strukturschwachen Regio- nen, in denen es noch nicht genug Kinder- und Jugendlichenpsycho- therapeuten gibt, kann ein Kranken- haus diese Patienten nicht einfach entlassen, weil keine ambulante An - schluss behandlung stattfinden kann.“

Aufgrund der Degression sei eine Klinik jedoch dazu gezwungen.

Rückendeckung erhält das BMG hingegen vonseiten der Psychologi- schen Psychotherapeuten: Prof.

Dr. Rainer Richter, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), unterstützte auf dem 21.

Deutschen Psychotherapeutentag das Vorgehen des Ministeriums: „Bei aller Kritik, die auch wir an einigen Teilen haben, begrüßen wir das Ge- setz.“ Eine Ersatzvornahme durch das BMG hätte den Vorteil, dass die Einführung nicht weiter verzögert würde, betonte Richter.

Zwar teilt der BPtK-Präsident die Ansicht, dass die Diagnosen als Hauptkriterium für die Kosten unzu-

reichend seien. „Es ist auch verwun- derlich, dass das tatsächliche Leis- tungsgeschehen für die Vergütung nach PEPP kaum eine Rolle spielt“, fügte er hinzu. Das könne jedoch an einer unzureichenden Kodierung durch die Krankenhäuser liegen, die dem InEK die Daten für die Erarbei- tung der PEPP geliefert hätten oder an Mängeln des zu kodierenden Leistungskatalogs. „Wir sind aber sicher, dass das System sich mit der Zeit noch anpassen wird“, meinte Richter. Ein zweijähriges Moratori- um hält er für verfrüht: „Sinnvoll wäre dies erst 2016, wenn die Daten aus den ersten beiden Optionsjahren vorliegen.“

Moratorium nicht erst 2016 Die PEPP seien zwar als lernendes System konzipiert, „allerdings lernt es das Falsche“, monierte Schepker, deshalb müsse die Einführung ver- schoben werden. Auch Prof. Dr.

med. Thomas Pollmächter, Vorsit- zender der Bundesdirektorenkonfe- renz und ebenfalls Mitglied des Ak- tionsbündnisses, warnte davor, mit einem Moratorium zu warten. „Mit der Einführung des Systems werden Eckpunkte wie der Diagnosebezug und die Degression schon festge- schrieben. Auch wenn die PEPP noch nicht budgetrelevant sind, wird sich die Versorgungsland- schaft schon entsprechend verän- dern.“ Sinnvolle Alternativen, wie eine Vergütung nach Tagespauscha- len, könne man dann nicht mehr

erproben.

Dr. rer. nat. Marc Meißner

Am 1. Januar 2013 soll das neue Abrechnungs- system „pauschalierende Entgelte in der Psych - iatrie und Psychosomatik“ (PEPP) eingeführt wer- den. Die ersten vier Jahre ist das PEPP jedoch für Krankenhäuser nicht budgetrelevant. Das heißt, erst ab 2017 beginnt eine fünfjährige Konver- genzphase, in der schrittweise von den jetzigen Budgets auf die PEPP-Vergütung umgestellt wird.

2013 und 2014 können Krankenhäuser ent- scheiden, ob sie ihre Leistungen nach PEPP ab- rechnen. Die Budgets bleiben davon unberührt, aber die schon teilnehmenden Krankenhäuser er-

halten günstigere Konditionen beim Mehr- und Mindererlösausgleich.

Ab 2015 ist jede Einrichtung verpflichtet, die PEPP anzuwenden. Allerdings wirkt sich die Ab- rechnung immer noch nicht auf das Budget aus.

Die vierjährige budgetneutrale Einführung soll genutzt werden, um die PEPP anzupassen, denn das Abrechnungssystem ist als lernendes System angelegt. Außerdem bietet die frühe Einführung den Krankenhäusern die Gelegenheit, bereits die PEPP zu erproben und die internen Abläufe dar - auf anzupassen.

EINFÜHRUNG DES NEUEN ENTGELTSYSTEMS

P O L I T I K

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Obwohl keine Anhaltspunkte für eine teratogene Wirkung bestehen, soll Zaditen während der Schwangerschaft nur auf ausdrück- liche Anweisung des Arztes eingenommen

Das Studium an einer Hochschule in der Bundesrepublik Deutschland kostet so viel wie zwei Wagen der oberen Mittel- klasse: Ein „Normalstudent", der nicht bei seinen Eltern wohnt

Während in der Wirtschaft ein viel nachgefragtes Pro- dukt im Preis steigt, dagegen ein wenig nachgefragtes im Preis fallen muss, suchen die KVen ihr Heil in einer gegen-

– der Praxisbetreiber hat es nicht nötig, mehr zu arbeiten, und solche Praxen sollen auch noch maßgeblich herangezogen werden für die Be- rechnung der durchschnittlichen

Es war zu erwarten, daß sich Kollegen, die in einer psychiatrischen Abteilung am Allgemeinkrankenhaus tätig sind, melden, denn ich habe zwar nicht diesen Kollegen, doch deren

Ohne entspre- chende Strukturierung aber, so mahnt die Bundes- ärztekammer in ihrer Stel- lungnahme, könnte die zweijährige Praxisphase das Ende jeder Hoffnung auf

Mit dem dialogorientierten Datenverarbeitungssystem DODIK 9000 stellt die Firma Kienzle Apparate GmbH, Villingen, den Kranken- haus-, Heim- und Kurklinik- verwaltungen ein

Die Mikroelektronik schob die- se Barriere zur Seite, und nachdem der Personal- Computer nun auch hierzu- lande flügge geworden ist, bieten sich echte Lösungs- möglichkeiten,