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Archiv "Meran '75: Kongreß der Früherkennung und Rückbesinnung" (25.09.1975)

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen TAGUNGSBERICHT

Meran '75:

Kongreß der Früherkennung und Rückbesinnung

Am Generalthema: „Die Bedeutung der Praxis für Früherkennung und Frühtherapie" dürfte es nicht allein gelegen haben, daß die Teilneh- merzahl des XXIII. Internationalen Fortbildungskongresses der Bun- desärztekammer in Meran (vom 25.

August bis 6. September) auf über 1200 anwuchs. Am wechselhaften Wetter lag es auch nicht, daß die Beteiligung an den einzelnen Ver- anstaltungen auffallend anschwoll:

die Kongreßexperten waren sich vielmehr einig darin, daß vor allem die Diskussion um die Zwangsfort- bildung das Interesse an der frei- willigen Fortbildung gefördert hat.

Es gab nicht wenige Ärzte, die täg- lich fast acht Stunden bei Hauptre- feraten und Seminaren zubrachten und trotzdem noch bedauerten, daß sie Parallelseminare nicht wahrnehmen konnten. Es gab an- dere — die meisten —, die sich aus dem Angebot ein eigenes Se- minarprogramm zusammengestellt hatten und dieses nach mundwer- bendem Kollegengespräch erwei- terten. Derartige für den Meran- Kongreß '75 bezeichnende Vorgän- ge geben Hinweise darauf, daß für die großen Fortbildungskongresse neben dem praxisnahen, zeitgemä- ßen Thema die Form der Darstel- lung vorrangige Bedeutung hat.

Die Entwicklung zum Seminarkon- greß bewährt sich: Der in voller be- ruflicher Forderung stehende Arzt wünscht präzise Informationen, die er mit dem Präzeptor und nicht nur mit dem Kollegen anhand seiner persönlichen Erfahrung diskutieren und direkt in sein Wissenreservoir einordnen kann. Hier ist auch ein Ansatzpunkt für das Auffangen spürbar werdender Verunsiche- rung, die verheerende Wirkung für das Arzt-Patienten-Verhältnis ge- winnen könnte.

Schien für die Teilnehmer des Kon- gresses bei der feierlichen Eröff- nung mit viel südtiroler Prominenz, mit freundlichen Begrüßungswor- ten des Meraner Bürgermeisters, Dr. F. Dorigoni, des Präsidenten der Kurverwaltung, Dr. Siegfried Wenter, und von Professor Dr. Fritz Singer für die italienischen Hoch- schullehrer, die Welt noch heil, so blätterte der geschäftsführende Arzt der Landesärztekammer Hes- sen, Dr. Hans-Joachim Rheindorf, der im Auftrag der Bundesärzte- kammer den Kongreß eröffnete, bereits in seiner Begrüßungsan- sprache das beunruhigende Kapi- tel „Politik" auf. Die speziellen Pro- bleme der südtiroler Gesundheits- politik steuerte Dr. L. Schuster, der Vizepräsident der Südtiroler Ärzte- kammer, bei; der Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer, Primarius Dr. G. Lechner, Linz, gab eine tour d'horizon über die Pro- bleme der österreichischen Ärzte.

Für freiwillige Fortbildung

Professor Dr. Albert Schretzen- mayr, Augsburg, Vorsitzender des Deutschen Senats für ärztliche Fortbildung und Kongreßpräsident, setzte sich temperamentvoll für die freiwillige ärztliche Fortbildung ein.

Aus seinem Erfahrungsschatz konnte er zum Thema dieses Me- ran-Kongresses nicht ohne Vergnü- gen auf die internationale Diskus- sion um die Früherkennung hinwei- sen. Als der Deutsche Ärztetag 1960 erstmals das Thema Präven- tion aufgegriffen habe, sei ein Kon- greß unter dem Motto „Die ärztli- che Sprechstunde als Institut für präventive Medizin" vorgeschlagen worden. Diese Vorstellung habe Kritik gefunden, weil man sich da- mals von den in den USA zu Früh-

erkennungszwecken errichteten Instituten mehr versprochen hätte.

Inzwischen seien dort über hundert Institute pleite gegangen und hät- ten kaum etwas bewirkt; der eige- ne Ansatz bei der ärztlichen Sprechstunde habe sich, auch wenn er noch weiter ausgebaut werden müsse, dagegen entschie- den fruchtbarer erwiesen. Auch das sei ein Hinweis für die politi- sche Diskussion.

Mit dem Festvortrag „Arzt oder Mediziningenieur" von Professor Dr. H. Fleischhacker, Wien, Präsi- dent des Österreichischen Senats für ärztliche Fortbildung, war dann ein Grundthema angeschlagen, das in vielfältiger Form in die Diskus- sionen und Aussagen des Kongres- ses einging. So bedeutend die hier angeschnittene Frage für das Selbstverständnis der Ärzte ist, die Problemlösung reicht wegen ihrer finanziellen Folgemöglichkeiten und -begrenzungen weit in den po- litischen Raum.

Berufspolitik:

Ärzte unter Anklage

Das besondere Interesse der Kon- greßteilnehmer galt auch dieses Mal der Berufspolitik. Das Hauptre- ferat hielt Dr. Hans-Joachim Rhein- dorf, Frankfurt. Das Kolloquium lei- tete der geschäftsführende Arzt der Bundesärztekammer, Dr. Erwin P.

Odenbach, Köln, zusammen mit Dr.

Rheindorf und Dr. Kaspar Roos, Bundesvorsitzender des NAV. Weil die Auseinandersetzungen im bun- desdeutschen Gesundheitswesen von langer Hand vorbereitet seien und zum Ziel hätten, einen wie auch immer gestalteten staatlichen Gesundheitsdienst aufzubauen, hielt es Rheindorf mit seinem The- ma „Ein Berufsstand unter Ankla- ge" für unausweichlich, die Kon- greßteilnehmer mit dem Ernst der Lage vertraut zu machen und vor allem die Argumente der „Ankla- genden" unter die Lupe zu neh- men. Er deutete seinen Kollegen anhand von Äußerungen prominen- ter Sprecher der Regierungskoali- tion sowie gewerkschaftsnaher Me- DEUTSCHES ARZTEBLATT Heft 39 vom 25. September 1975 2703

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

Fortbildungskongreß in Meran

diziner an, was in den kommenden Wahlkämpfen voraussichtlich auf sie abfällt. Rheindorf rechnet da- mit, daß unter dem Druck der „Ko- stenexplosion" eine erhebliche An- zahl von Assistenzärzten „ohne Rücksicht auf deren Notwendig- keit" eingespart und der ärztliche Nachwuchs zunehmend in die freie ärztliche Praxis überwechseln wer- de.

Essentials der Ärzteschaft

Es würde zu weit führen, die sehr engagierte Auseinandersetzung Rheindorfs mit den Kritikern der Ärzteschaft detailliert wiederzuge- ben. Ihr Vorzug war, daß sie fair blieb und auch keinen Mißstand verschwieg. Das Ergebnis faßte

Rheindorf so zusammen:

„0 Die Freiheit der Berufswahl, die Niederlassungsfreiheit, die freie Berufsausübung und die freie Arzt- wahl sind für uns nach wie vor un- abdingbare Bestandteile unserer freiheitlichen Demokratie.

Wir Ärzte werden mit Kritik, mag sie berechtigt sein oder nicht, leben müssen.

Professor Schretzenmayr im Gespräch grund Dr. Odenbach, links Dr. Wenter

0 Wir werden uns jeder Kritik stellen und Fehlleistungen und Mißstände beseitigen, uns gegen unberechtigte Kritik aber zur Wehr setzen.

® Wir werden unbeirrt aus den Er- kenntnissen unserer Berufsaus- übung an allen Reformen im Ge- sundheitswesen, die auf eine Be- treuung von gesunden und kranken Bürgern gerichtet sind, mitarbei- ten.

0

Wir werden aber spekulative Reformen und ideologische Ziel- setzungen im Gesundheitswesen nachdrücklich ablehnen.

Die ärztliche Berufsvertretung, die Repräsentanz des Berufsstandes, aus freien Wahlen hervorgegangen, hat in Selbstverwaltung und -ver- antwortung die ihr überlassenen hoheitlichen Aufgaben erfüllt. Sie hat die Berufsvergehen ihrer Ange- hörigen pflichtgemäß der Ahndung zugeführt und dabei oftmals vor ei- ner unverständlichen liberalen Rechtsprechung die Waffen strek- ken müssen, sie hat die berufliche Fortbildung in einer Weise geför- dert, die jeder staatlich verordne- ten überlegen ist. Sie hat den Zu-

mit Professor Fleischhacker. Im Hinter-

sammenhalt der verschiedenen ärztlichen Gruppierungen über alle Krisen hinweg garantieren und Streitigkeiten zwischen Ärzten und Dritten schlichten können.

Der öffentliche Gesundheitsdienst wurde rückhaltlos bei der Erfüllung seiner Aufgaben unterstützt, Gut- achter und Sachverständige be- nannt und der berufspolitische Sachverstand, wenn gewünscht, in die Gesetzesentwürfe eingebracht.

Die Versorgungswerke und die Fürsorgeeinrichtungen sprechen für die Solidargemeinschaft und die bewiesene Einstellung: so we- nig Staat wie möglich."

Ärzte

zur Zusammenarbeit bereit

„Es gibt kein gesundheitliches Pro- gramm, das nicht weit vor seiner Verwirklichung von Ärzten in ihren freien Verbänden, von den gewähl- ten Delegierten ihrer Kammern auf deutschen Ärztetagen beraten, be- schlossen und den Politikern zur gesetzlichen Verwirklichung ange- boten wurde. Kein einziges ge- sundheitliches Programm, das nicht von der Ärzteschaft ausging."

Die Diskussion des Rheindorf-Refe- rates brachte fast zwangsläufig das Verhalten der Medien, die Arbeits- weise der Publizisten ins Ge- spräch, nicht zuletzt besonders an- geregt von Dr. Odenbach. Das The- ma wurde beim Kolloquium immer wieder virulent, oft sehr emotional unterlegt, im Verlaufe der Diskus- sion aber, nicht zuletzt vom Vor- standstisch aus ins Sachliche ge- wendet. Das Ergebnis brachte Übereinstimmung darüber, daß man miteinander sprechen solle, mit dem Patienten im Beratungs- zimmer, mit Journalisten, mit Ver- tretern der Selbstverwaltungen.

Odenbach erläuterte, wie in Zu- kunft die gesamte Palette der Infor- mation erweitert werden soll, den meinungsbildenden Gruppen ge- genüber und innerärztlich. Rhein-

2704 Heft 39 vom 25. September 1975 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Bei der Eröffnung des Meran-Kongresses: Die Kongreßteilnehmer füllten den gro- ßen Kongreßsaal nicht nur bis zum letzten Platz, sondern mußten sich auch noch

mit Stehplätzen zufriedengeben Fotos (2): Celere

Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen Fortbildungskongreß in Meran

dorf bat darum, Falschmeldungen in Zeitungen mit engagierten Le- serbriefen zu begegnen.

Der Teilnehmerkreis ließ deutliche Wünsche nach zweckmäßiger In- formation erkennen. Odenbach stellte in Aussicht, die Frage zu überprüfen, ob und wieweit interne Unterlagen der ärztlichen Organi- sationen einem weiteren interes- sierten Kreis zugänglich gemacht werden können. Beachtet wurde die Bitte zur Unterstützung derarti- ger Initiativen, aber auch um dem allgemeinen Informationsmangel abzuhelfen, in die Fortbildungskon- gresse und -veranstaltungen in Zu- kunft auch Rechtsfragen einzube- ziehen, soweit sie ärztliche Proble- me berühren. Zur Mobilisierung der Basis ist für Diskussionen si- cherlich zweckvollere Information nötig, aber offensichtlich besteht auch Bereitschaft mitzumachen, wenn diese geboten wird. Sie sollte nicht nur auf das Wartezimmer ausgerichtet sein.

In Meran wurde der Vorschlag un- terbreitet, für den Notfalldienst am Wochenende auf dem Lande Funk- verbindung zu Lasten der KVen ein- zurichten. Roos berichtete über entsprechende Modellversuche in Nordrhein-Westfalen und erklärte unmißverständlich,daß eine Kassen- ärztliche Vereinigung, die dies nicht befürworte, ihren Sicherstellungs- auftrag nicht erfülle.

Empfehlungs-Vereinbarung im Kreuzfeuer

Dr. Roos nahm auch zur Empfeh- lungsvereinbarung der KBV mit den Spitzenverbänden der gesetzli- chen Krankenversicherung Stel- lung. Die geringen Steigerungssät- ze der Vereinbarung seien in der heutigen Situation keineswegs un- erklärlich, wie zum Teil behauptet worden sei. Zur Zeit ginge es dar- um, die Realeinkommen zu erhal- ten. Die Laborabschläge bei den RVO-Kassen seien differenzierter und damit besser als bei den Er- satzkassen. Selbstverständlich sei die Gebührenanhebung bei den

Hausbesuchen kein Äquivalent für die Honorarabschläge bei Laborar- beiten. Hier ginge es darum, die Bewertung des echten Beratungs- gespräches in den nächsten Mona- ten neu zu verhandeln. Im übrigen sei der erste „Aufstand" gegen die Empfehlungsvereinbarung schwer verständlich, wenn man jetzt die ersten Hochrechnungen des ersten Halbjahres 1975 überprüfe.

Es ginge nicht darum, die techni- schen Leistungen zu demonstrie- ren, es solle auch kein Defizit ent- stehen, aber wenn die Kosten ge- ringer würden, und das habe die Kostenanalyse der KBV ergeben, dann könnten die Kassen fordern.

Natürlich ginge die Entwicklung hin auf die Zusammenarbeit von Laborgemeinschaften in ärztlicher Hand und in überschaubarer Nähe zum Patienten.

Auch auf dem Land suche man nach Realisierungen, aber da in der Einzelpraxis jeder Parameter voll bezahlt werde, könne selbst bei geringerer Beschäftigung das ei- gene Labor finanziell aufrechter- halten werden. Eine andere Frage sei, daß die Laboreinkünfte andere

unterbezahlte Leistungen mitgetra- gen hätten. Roos wies schließlich noch darauf hin, daß die Bundes- ärztekammer auf Grund von ihr vorliegenden Erfahrungssätzen Vertragsvorschläge für nebenberuf- liche Werksärzte bereithalte. Oden- bach bedauerte, daß es noch nicht gelungen sei, Werksarztkurse in die Kongreßveranstaltung aufzu- nehmen, weil das „Arbeitssicher- heitsgesetz" ein Praktikum in deut- schen Betrieben verlange. Man hoffe aber, bald einen Weg zu fin- den.

Auch bei diesem Kolloquium war zu verzeichnen, daß die oft tempe- ramentvollen Ausführungen Oden- bachs auf Grund von eigenen klini- schen Erfahrungen, von Erkennt- nissen aus seiner langjährigen Vor- standstätigkeit beim Marburger Bund und des beachtlichen Wis- sens über internationale Entwick- lungen im medizinischen und ge- sundheitlichen Sektor als Auflocke- rung und Zusammenfassung be- grüßt wurden. Die Kongreßbesu- cher dürften in Zukunft mit Oden- bach im Veranstaltungsteam rech- nen wollen.

Dr. Magda Menzerath

DEUTSCHES ARZTEBLATT Heft 39 vom 25. September 1975 2705

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