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Archiv ". . . und alle reden über die ärztliche Fortbildung" (07.10.1976)

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen THEMEN DER ZEIT

Reformen und Systemveränderung sind zwei Schlagwörter unserer Zeit, an die manche ihre Hoffnung auf eine bessere oder erträgliche Zukunft knüpfen. Erfahrungsgemäß braucht die Hoffnung wenig Nah- rung. Das Versprechen einer höhe- ren Lebensqualität, gegründet auf im Materialismus wurzelnden Glau- ben an die Allmacht der Wissen- schaft, genügt den Reformeiferern für ihre Thesen. Die Auffassung, daß man die Anwendung der Wis- senschaft nur richtig zu organisie- ren brauche, um die gewünschte Besserung der Lebensqualität zu erreichen, ist jedenfalls eine Prä- misse, der man nur mit vielen Vor- behalten zustimmen kann.

Besonders „reformwillige" Politiker und Soziologen, manche Sprecher der Gewerkschaften und sozialer Einrichtungen, ein Teil der Jour- nalisten und wegen der Macht ih- res Mediums mit verhältnismäßig großer Breitenwirkung auch eine Reihe von Redakteuren des Fern- sehens kritisierten in den letzten Jahren zunehmend die Freiheit des ärztlichen Berufsstandes, weil er ihnen so nicht mehr in das geplan- te System paßt. Sie fordern eine strengere staatliche Kontrolle, Ein- schränkungen der ärztlichen Ent- scheidungsfreiheit und des ärztli- chen Einkommens, und nicht zu- letzt eine Lenkung und Kontrolle der ärztlichen Fortbildung. Wohin die Entwicklung führen soll, ist in vielen Absichtserklärungen fixiert worden.

Nach ihrer Rede vom 20. Januar 1975 in Berlin ist es die Absicht un- serer derzeitigen Gesundheitsmini- sterin, Frau Dr. Focke, „die Konzep- tion des Bildungsgesamtplanes

und die Notwendigkeiten des Ge- sundheitsschutzes miteinander in Einklang zu bringen". Damit ist präzise auch die ärztliche Fortbil- dung angesprochen. Allerdings gab der Staatssekretär im Gesund- heitsministerium, Prof. Wolters, in einem „Spiegel"-Gespräch (Nr.

9/1974) zu, daß nach seiner An- sicht zur Zeit eine große Angebots- palette für die ärztliche Fortbil- dung besteht. Er schränkte diese Feststellung aber in zweifacher Weise ein, indem er erstens mein- te, daß es keine genügende Erfolgs- kontrolle dafür gäbe, wie die Fort- bildung „bei den Ärzten, die das Angebot wahrnehmen, ankommt, inwieweit diese Fortbildung also tatsächlich zu einem Wissenszu- wachs oder einer Anpassung des Wissens an neue Erkenntnisse führt", und zweitens gäbe es auch auch „keinerlei quantitative Aus- sagen darüber, wie hoch der An- teil derer ist, die sich in der not- wendigen Weise tatsächlich regel- mäßig an der Fortbildung beteili- gen".

Unsere berufliche

Selbstverwaltung ist aufgerufen Prof. Wolters räumte ein, daß man in den ärztlichen Körperschaften in der letzten Zeit „problembewußter"

geworden sei, so daß zunächst kein unmittelbares Bedürfnis nach einer staatlichen Regelung der ärztlichen Fortbildung bestünde. Er kündigte aber an: „wenn diese Möglichkeiten nicht genutzt wer- den, würde ich meinen, daß der Staat aufgerufen wäre, gesetzliche Vorschriften zu erlassen. Er wäre dann auch gleichzeitig aufgerufen, die Voraussetzungen dafür zu

schaffen, daß diese Vorschriften in puncto Fortbildung befolgt werden können, und die Durchführung zu kontrollieren".

Aus diesen Verlautbarungen und der inzwischen erfolgten Entwick- lung muß jeder erkennen, daß un- sere berufliche Selbstverwaltung aufgerufen ist, Maßnahmen zu er- greifen. Das sollte jeder beherzi- gen, der diese Maßnahmen kriti- siert und die Aufrufe unserer Stan- desvertretung zur freiwilligen Be- teiligung an Selbstprüfungen a priori ablehnt.

Alte Fehler abgestellt

Wir wissen alle, daß im Vergleich der Fortbildungssysteme verschie- dener Länder trotz aller Kritiken unser System doch mindestens ebenso gut, wenn nicht besser ist als andere. Es ist unbestreitbar, daß uns zahlreiche Ärzte anderer Länder um unser System beneiden.

Die Kritiker und Systemveränderer sollten erkennen, daß die offener gewordenen Grenzen und der häu- figere Kontakt mit Ärzten anderer Länder, besonders die Treffen der Ärzte auf den internationalen Kon- gressen sehr geholfen haben, alte Fehler abzustellen und manches, was die anderen besser gemacht haben, zu übernehmen. Das trifft besonders zu auf die Intensivie- rung der freien Diskussion, bei der sich Ausbildungsstand und Wissen in medizinischer Technik besser abschätzen lassen als bei den meisten Prüfungen durch eine mehr oder weniger trickreiche Quantifizierung der Ergebnisse, denn diese führt auch nur zu Re- sultaten, deren Zuverlässigkeit kei- neswegs so sicher ist, wie es Zah- lenangaben bei oberflächlicher Be- trachtung glauben machen.

Wie gut das verfügbare Wissen und Können des einzelnen Arztes sei- nem Wirkungsbereich angepaßt ist, können wir nur wenig exakt beur- teilen. Das muß den Wissenschaft- lern, Pädagogen und Didaktikern

. . . und alle reden

über die ärztliche Fortbildung

Otto Li ppross

2582 Heft 41 vom 7. Oktober 1976 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Spektrum der Woche Aufsätze Notizen Ärztliche Fortbildung

gesagt werden, die über den Arzt in der Praxis und sein Wissen ur- teilen wollen, ohne daß sie selbst entsprechende Erfahrungen haben;

denn auch ohne auf dem besten Stand des Wissens zu sein oder ihn in Prüfungen erweisen zu kön- nen, kann ein erfahrener Arzt mit gutem Gespür für seine Grenzen und den Gefährdungsgrad seiner Patienten in aller Regel das Richti- ge veranlassen, ohne über Einzel- heiten des anzuwendenden Verfah- rens verbal so zu verfügen, daß er es prüfungsmäßig wiedergeben kann. Keine schlechten Prüfer der Ärzte sind unsere Patienten, die gar nicht selten zu einem wissen- schaftlich weniger geschulten Arzt dennoch ein berechtigtes Vertrau- en haben; denn zwischen Theorie und Praxis klafft oft eine erhebli- che Differenz.

Es kann nicht bestritten werden, daß bei der derzeitigen Unbestän- digkeit medizinischer Prüfungs- wahrheiten die Ärzte immer ra- scher umlernen müssen, wohl wis- send, daß auch die derzeitigen Prüfungswahrheiten sehr bald zu einem großen Teil ungültig oder sogar falsch geworden sein wer- den.

Daß bei solcher Entwicklung die älteren Jahrgänge stärker hin- terherhinken, manchmal auch et- was resignierend, sollte bei jeder- mann Verständnis finden. Am si- chersten fühlen sich und fühlten sich schon immer die jüngeren Jahrgänge und selbstverständlich die Spezialisten, die in vorderster Front der Entwicklungsarbeit ste- hen, dafür freilich aber nur auf ei- nem einzigen schmalen Sektor, der ihr spezielles Problem betrifft. Mit einem zutreffenden Beispiel hat man die unterschiedlichen Arbeits- weisen zwischen Praktiker und Spezialisten gekennzeichnet, wo- nach der Spezialist mit schmalem Strahl einer hellen Lampe in eine enge Höhle forschend vordringt, während der Praktiker mit breitem Kegel einer schwachen Lampe sei- nen Weg durch einen Dschungel suchen muß.

Basisfortbildung für alle Ärzte

In erster Linie geht es bei der zu diskutierenden Problematik um die Basisfortbildung der Ärzte aller Berufsrichtungen. Rund 40 Prozent unserer Ärzte sind in freier Praxis tätig, von den anderen arbeiten ebenfalls rund 40 Prozent in Kran- kenhäusern, die übrigen sind als Werksärzte in den Betrieben, als Amtsärzte im öffentlichen Gesund- heitsdienst usw. beschäftigt. Die zuletzt genannten Gruppen haben ihre spezielle Fortbildung regelmä- ßig betrieben und werden sie wei- ter auf ihre Weise organisieren und durchführen, soweit es um ihre speziellen Fachkenntnisse geht.

Eine allgemeine ärztliche Orientie- rung über das unverzichtbare be- rufliche Basiswissen ist das Ziel der großen Fortbildungsveranstal- tungen, die in den letzten Jahr- zehnten entwickelt wurden. Das ist in einem erstaunlichen Maße von den Ärzten akzeptiert worden. Hier fand auch längst die heute so viel geforderte Integration statt. Die fachübergreifende Orientierung auf den großen Kongressen sollte auf jeden Fall erhalten bleiben. Sie kann nicht durch programmierte Detailfortbildung nach Gesichts- punkten der Spezialisten ersetzt werden, sondern bedarf nur einer

Ergänzung durch diese.

Daß die Interessen der verschiede- nen Gruppen und Beteiligten in der Fortbildung zum Teil miteinander kollidieren, macht die Reform des Fortbildungswesens zwar schwie- rig, aber gerade das wird sie auch wegen der sich ändernden Wün- sche immer wieder in Bewegung

halten.

Neben der von allen Ärzten für notwendig gehaltenen Basisfortbil- dung erwarten die Allgemeinprakti- ker eine spezielle Gestaltung der Fortbildung nach ihren besonderen Erfordernissen. Andererseits er- klärten zahlreiche Spezialisten wie- derholt, daß ihr spezielles Fach bei der Programmierung der Fort-

bildung bisher ungenügend berück- sichtigt sei. Psychiatrie und Psy- chotherapie werden von den einen als Stiefkinder in der Fortbildung bezeichnet, von den anderen Phar- makologie und Pharmakokinetik.

Solche Spezialisten, die einerseits besondere Wünsche anmelden, an- dererseits die relative Bedeutung ihres Faches im Rahmen des Gan- zen für die ärztliche Fortbildung nicht richtig einordnen können, sollten anerkennen, daß die Gestal- ter der Fortbildung bisher fast im- mer bemüht waren, die Schwer- punkte nach sachlicher und berufs- politischer Einsicht zu setzen.

Was braucht der Arzt?

Die Frage: „Wissen die Fortbilder, was die Ärzte brauchen?" ist leich- ter gestellt als beantwortet. Selbst die großen Körperschaften, wie Kammer und KV, haben dabei nicht unbedingt die gleiche Vorstellung, müssen sie vielmehr abstimmen.

Spezielle Wünsche in der Fortbil- dung haben selbstverständlich auch die Werbeabteilungen der pharmazeutischen Industrie. Sie sind auch stark genug, eigene Veranstaltungen mit zugkräftigen

Referenten durchzuführen.

Aus durchaus merkantilen Motiven versuchen auch manche medizini- sche Zeitschriften neuerdings, durch die Betonung des Kapitels

„Fortbildung" existenzfähig zu blei- ben. Darüber hinaus sind kaufmän- nisch gelenkte Fortbildungsunter- nehmen bekannt geworden, bei de- nen Fortbildungsprogramme aufge- stellt und gewissermaßen den Fir- men verkaufsfertig angeboten wer- den, einschließlich Einladungen,

Rahmenprogramm usw.

Aus vordergründig finanziellen Überlegungen haben auch Kran- kenkassen an der ärztlichen Fort- bildung Kritik geübt, denn sie muß- ten wiederholt erfahren, daß ihre Ausgaben für diagnostische und therapeutische Maßnahmen in glei- chem Grade anwuchsen, in dem sich Ärzte darüber fortgebildet hat- ten.

2584 Heft 41 vom 7. Oktober 1976 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen Ärztliche Fortbildung

Bei so divergierenden Standpunk- ten gegenüber der ärztlichen Fort- bildung ist es kein Wunder, daß speziell die Informationsabende der pharmazeutischen Industrie kritisiert wurden, wenn sie — als Fortbildungsabende deklariert — für die Firmen interessante The- men unverhältnismäßig stark in den Vordergrund rückten. Zweifel- los können aber auch Firmenver- anstaltungen von hohem Fortbil- dungswert sein, wenn die Ärzte sie richtig zu nutzen verstehen.

Die wissenschaftlichen Büros der pharmazeutischen Industrie haben eine beträchtliche Fortbildungsar- beit auch geleistet durch die Ver- sendung von Schriften, die sich durch ein hohes wissenschaftli- ches Niveau auszeichnen und in der Regel mit bestem Bildmaterial ausgestattet sind. Wenn es gelän- ge, diese Darstellungen in Format und Druck zu vereinheitlichen, so daß die Schriften der verschiede- nen Firmen einheitlich abgeheftet werden könnten, wäre das für die Fortbildung ein großer Gewinn.

Freilich müßte die Werbepsycholo- gie gegenüber der medizinischen Didaktik mehr zurücktreten.

Große Anerkennung verdient die Fortbildungsarbeit mancher Herstel- ler pharmazeutischer Präparate durch Bereitstellung hochwertiger Fortbildungsfilme, die von wissen- schaftlich unabhängigen Ärztegre- mien beurteilt und prämiiert wer- den, z. B. vor Aufnahme in den offi- ziellen Filmkatalog der Bundes- ärztekammer.

Nicht zuletzt sollte der Fortbil- dungseffekt gutgeschulter Arztbe- sucher der Firmen — trotz man- cher Klagen im einzelnen — hier gewürdigt werden. Auf diese Weise ist auch jeder noch so entlegen wohnende Landarzt in aller Aus- führlichkeit mit den neuesten Ent- wicklungen vertraut gemacht wor- den.

Gerechterweise muß hier noch ver- merkt werden, daß nicht wenige Firmen schon bisher viele der ärzt-

lichen Fortbildungsveranstaltungen unter völligem Verzicht auf Wer- bung großzügig und ohne Einfluß- nahme auf Themen und Programm- gestaltung gesponsort haben.

Probleme der

Lehr- und Lerntechnik

Manche Kritiker der ärztlichen Fortbildung verurteilen besonders die bisher geübte Technik und Di- daktik. Es wird behauptet, daß wichtige Erkenntnisse der Pädago- gen und Didaktiker außer acht ge- blieben seien. Sie fordern, daß die Lehrer der ärztlichen Fortbildung zunächst einmal über didaktische Technik unterrichtet werden müß- ten und daß die Lehrpläne besser als bisher programmiert und inte- griert werden müßten. Inzwischen sind in einigen Universitäten Lehrstühle für medizinische Didak- tik errichtet worden, bei denen Konzepte, Gegenstandskataloge und verschiedene Techniken er- probt werden.

Man muß zugeben, daß es bisher vielfach freizügig bei der Gestal- tung von Fortbildungskursen zuge- gangen ist und daß es häufig an einer Ordnung (Programmierung) des Lehrstoffes gefehlt hat und daß schließlich die Praxisnähe bzw. die Praxisrelevanz des Gebotenen unbefriedigend war. Sicher hat es auch häufig an der notwendigen Raffung („Stringenz") gefehlt, be- sonders an einer gemeinschaftli- chen Betrachtung eines medizini- schen Themas aus den verschiede- nen Blickwinkeln der Spezialisten

— also an der „Integration". Tech- nische Hilfen („Audiovision") sind bisher oft zu wenig genützt wor- den, und ganz gewiß hat man den Bedarf der Hörer („Adressa- ten-Analyse") nicht genügend be- rücksichtigt, die Lernziele also nicht ausreichend präzisiert.

Wer aber die Entwicklung unvor- eingenommen und aufmerksam verfolgt hat, weiß, daß den didakti- schen Wünschen bereits zuneh- mend entsprochen wird und daß die Gestalter von Fortbildungskur-

sen und fast alle Verantwortlichen für die Fortbildung in zunehmen- dem Maße bemüht waren und sind, die modernen didaktischen Regeln zu beherzigen und aus Beiträgen repräsentativer Vertreter der poten- tiellen Hörerschaft, den Bedarf und die Notwendigkeiten der Adressa- ten zu ermitteln und zu berücksich- tigen.

Bisweilen wird die Frage aufgewor- fen, ob zwischen dem Spezialisten und dem Forscher einerseits und dem Endverbraucher in der Praxis andererseits ein vermittelnder Di- daktiker stehen solle, eine Frage, die zur Zeit unter Physikern und anderen Berufsgruppen nicht weni- ger ventiliert wird als bei den Ärz- ten. Ganz gewiß werden didakti- sche Prinzipien und Regeln in Zu- kunft bei der ärztlichen Fortbildung noch mehr berücksichtigt als bis- her. Im Rahmen der Berliner Fort- bildung wurde im Vorjahr von Prof.

W. Heim eine didaktische Arbeits- tagung durchgeführt, die in einer bemerkenswerten Veröffent- lichung*) ihren Niederschlag ge- funden hat.

Bemühungen um die Didaktik

Die Programmgestalter der Fortbil- dung haben inzwischen gelernt, daß didaktische Prinzipien, die sich bei Lernenden und Studenten be- währt haben, nicht ohne weiteres für ältere, berufserfahrene Ärzte die gleiche Gültigkeit haben. Auf diesem Gebiet ist noch viel Ent- wicklungsarbeit zu leisten, und bei manchen gut gemeinten Experi- menten erwies sich später die alte konservative Methode doch als bes- ser und attraktiver als ein Vorge- hen nach sogenannten modernen Regeln. Auf diesem Gebiet sind die Aktivitäten in der ärztlichen Fortbildung zur Zeit groß. Alle wis- sen, daß ohne didaktische Anstren- gungen das exponentiell anwach- sende Wissen nicht sortiert, pro-

*) Neue Verfahren für die ärztliche Fort- bildung Hrsg. W. Heim, Verlag Wissen- schaft und Forschung GmbH, Berlin 1975

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 41 vom 7. Oktober 1976 2585

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Spektrum der Woche Aufsätze-Notizen

Gefordert werden ein angemesse- nes, verbindliches Ausbildungspro- gramm für das Praktische Jahr, sprich fünftes Studienjahr. Dazu muß man wissen, daß der Medizin- studierende nach der neuen Ap- probationsordnung in der Chirurgie lediglich ein Praktikum zu absol- vieren hat, wie es bereits jetzt in Form des parallel zur Pflichtvorle- sung abgehaltenen Gruppenunter- richtes am Krankenbett erfolgt.

Darüber hinaus eine viermonatige Betätigung im fünften Studienjahr, ohne daß sichergestellt ist, daß das notwendige theoretische Funda- ment auch vorhanden ist. Dies ist eines der Hauptbedenken der zur Internatsausbildung heranzuzie- henden Chefärzte; nämlich die Fragwürdigkeit des Wissensstan- des der Studenten in der allgemei- nen und speziellen Chiurgie und der erst hierauf aufbauenden In- tegration in ein sinnvolles prakti- sches Ausbildungsprogramm am Krankenhaus.

Zur Zeit überschneiden sich zwei Ausbildungssysteme. Studierende der alten Approbationsordnung be- dürfen des Nachweises des regel- mäßigen und erfolgreichen Besu-

ches einer chirurgischen Pflicht- vorlesung, Studierende der neuen Approbationsordnung nicht mehr.

Ich frage mich: Waren alle bisher ausgebildeten Ärzte so schlecht ausgebildet; und wo erlernen unse- re zukünftigen Ärzte die rechtzeiti- ge Erkennung akuter und dringli- cher chirurgischer Krankheitssitua- tionen; etwa die Feststellung einer akuten Appendizitis, eines Ileus, ei- ner lebensbedrohlichen gastrointe- stinalen Blutung und vieles andere mehr? Der Unterricht in kleinen Gruppen vermag sicher nicht in gleicher Weise das breite Spek- trum aller in der Praxis wichtigen chirurgischen Krankheitssituatio- nen, insbesondere solcher vitaler und dringlicher Art darzustellen, wie dies in einer durchgehenden Vorlesung immer noch möglich ist.

Vier Monate Internatsausbildung dürften hierzu kaum ausreichen.

Zweite Forderung der Studenten ist ein angemessener Status der Stu- denten im Praktischen Jahr, so- wohl finanziell wie versicherungs- rechtlich. Versicherungsrechtlich ja, insofern die Tätigkeit am Kran- kenbett sowohl die Gefahr der Selbstschädigung (beispielsweise Virusinfektion) beinhaltet, wie mög- Ärztliche Fortbildung

grammiert und nach allen Seiten effektiv für die Praxis vermittelt werden kann.

In Erkenntnis der Dringlichkeit die- ser Aufgabe sind im Bereich fast aller Ärztekammern Fortbildungs- akademien entstanden, die mit Hil- fe der Einzelerfahrungen um kon- struktive Zusammenarbeit in der Fortbildung bemüht sind. Keines- wegs sind die Voraussetzungen in allen Ländern gleich, und noch we- niger lassen sich ausländische Mo- delle, etwa von Schweden, England oder den USA kritiklos auf die Bun- desrepubliK übertragen.

Alle Verantwortlichen stehen je- denfalls auf internationalen Ebenen miteinander in Kontakt, in der besten Absicht einer optimalen Nutzung des medizinischen Wis- sens für unsere Kranken.

Bei der Verschiedenheit aller Vor- schläge ist aber sicher, daß reine Lerntechniken die persönliche Be- gegnung auf Kongressen und Kur- sen nicht ersetzen können, denn die wichtigste Fortbildungsfunktion ist die freie Meinungsbildung durch kritischen Vergleich der doch im- mer verschiedenen Standpunkte und nicht zuletzt der Austausch persönlicher Erfahrungen mit sei- nesgleichen.

Unstrittig bleibt bei allen Kontro- versen in den Fragen der ärztli- chen Fortbildung wie eh und je der persönliche Einsatz des ein- zelnen, sei er Forscher, Lehrer oder „Schüler", mit Wissensdurst, Fleiß und Opferbereitschaft für die hohe, aber auch schwere ärztliche Berufsaufgabe.

Anschrift des Verfassers:

Professor

Dr. med. Otto Lippross Stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Senats für ärztliche Fortbildung Hohenzollernstraße 35 4600 Dortmund

FORUM

Ausbildung am Krankenbett aber nur bei soliden

theoretischen Kenntnissen

Alfred Gütgemann

Der Beitrag wurde angeregt durch eine Resolution Erlanger Medi- zinstudenten (auszugsweise veröffentlicht im DEUTSCHEN ÄRZTE- BLATT, Heft 16/1976, Seite 1116), in der ein systematisches Ausbil- dungsprogramm für das „Praktische Jahr" (mit dem nach der neuen Approbationsordnung das Medizinstudium abschließt) sowie eine rechtliche und finanzielle Absicherung der Studenten in diesem Studienabschnitt gefordert wurde. Obwohl im Oktober dieses Jah- res das „Praktische Jahr" eingeführt wurde, sind diese Fragen weitgehend nicht geklärt. Der Autor gibt zu überlegen, ob nicht die bisherige Regelung — freilich hinsichtlich eines stärkeren Praxis- bezuges modifiziert — beibehalten werden sollte.

2586 Heft 41 vom 7. Oktober 1976 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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