Wahrheiten a Ia
Bundesarbeits- ministerium
Der Bundestagsabgeordnete Dr.
Rose (CDU/CSU) hatte an die Bun- desregierung die eindeutige An- frage gestellt, ob Selbständige, die auf Grund der Rentenreform von 1972 ihren Beitritt zur Rentenver- sicherung vollzogen haben, durch das 20. Rentenanpassungsgesetz in ihren inzwischen erworbenen Rechten wesentlich eingeschränkt worden sind und ob für diesen Personenkreis die Möglichkeit eröffnet werden kann, mit der Fol- ge der Beitragsrückgewähr ihre Anträge auf Versicherung zurück- zunehmen.
Am 10. August 1977 gab der Herr Parlamentarische Staatssekretär Buschfort eine Antwort nach be- währtem Muster des Hauses:
Langatmig wird zunächst etwas dargelegt, was der Fragesteller gar nicht wissen wollte. Daran an- schließend folgen zwei Sätze zur Sache, deren erster mit dem Wort
"grundsätzlich" beginnt und des-
sen Inhalt so zweifelhaft ist wie das Grundsätzliche, das. in den letzten Monaten aus dem Bundes- arbeitsministerium drang, und dessen zweiter Satz schlicht falsch ist, denn er lautet:
"Insbesondere werden die von
den Selbständigen auf Grund ihrer Beitragszahlung erworbenen Ren- tenanwartschaften nicht beein- trächtigt."
Die Tatsache, daß in Zukunft Aus- fallzeiten bei der Rentenberech- nung nicht mehr nach den indivi- duellen Zahlungen des einzelnen in Ansatz gebracht werden, son- dern vielmehr die durchschnittli- che Berechnungsgrundlage aller Versicherten zum Ansatz kommt, die meistens erheblich unter der individuellen Berechnungsgrund- lage liegt, ist nach dieser Aussage des Parlamentarischen Staatsse- kretärs Buschfort offenbar keine Beeinträchtigung.
Auch die Tatsache, daß Rentner, die nach dem 30. Juni 1978 ihre Rente beziehen, nur dann ohne ei- gene Beitragsleistung krankenver- sichert sind, wenn sie sehr lange Mitglied einer gesetzlichen Kran- kenversicherung waren, wird im Hause Ehrenberg nicht als Ein- schränkung von erworbenen Rechten angesehen, obwohl gera- de die kostenfreie Krankenversi- cherung der Rentner ein wesentli- cher Grund zum Eintritt in die ge- setzliche Rentenversicherung war.
Daß die Selbständigen, die nach der Rentenreform 1972 den Antrag auf Pflichtmitgliedschaft in der ge- setzlichen Rentenversicherung gestellt haben, diese Vorausset- zung überwiegend nicht erfüllen und damit lediglich einen Zuschuß in Höhe von 11 Prozent ihrer Rente erhalten, ist nach Ansicht des Parlamentarischen Staatssekre- tärs Buschfort keine Benachtei li- gung.
Vielmehr gipfeln seine Ausführun- gen in den Worten: "Es trifft dem- nach nicht zu, daß gerade Selb- ständige, die auf Grund des Ren- tenreformgesetzes ihren Beitritt zur gesetzlichen Rentenversiche- rung unter Nachentrichtung von Beiträgen vollzogen haben, durch die neue Gesetzeslage in ihren in- zwischen erworbenen , Rechten eingeschränkt worden sind. Es gibt daher keinen Anlaß für eine Regelung, die es den auf An- trag pflichtversicherten Selbstän- digen ermöglichen soll, ihren An- trag auf Pflichtversicherung wie- der zurückzunehmen oder zur frei- willigen Versicherung überzu- gehen."
Die Glaubwürdigkeit der politisch Verantwortlichen in Renten- und Krankenversicherungsfragen ist also wieder einmal unter Beweis gestellt worden! Wie soll der Ge- nerationenvertrag in der Renten- versicherung in Erfüllung gehen, wenn die Regierung mit diesem auf Vertrauen beruhenden Vertrag innerhalb von fünf Jahren solches Schindluder treibt? Klaus Gehb
Die Information:
Bericht und Meinung DIE GLOSSE
Transparenz
ln seinem ausgezeichneten Refe- rat "lnformationsverarbeitung in der Medizin: Wege und Irrwege aus der Sicht des Methodikers"
bei der Jahrestagung der Deut- schen Gesellschaft für Medizini- sche Dokumentation, Informatik und Statistik e. V. (GMDS) am 3.
Oktober 1977 in Göttingen sagte Professor Dr. Karl Überla, Mün- chen, unter anderem wörtlich:
~ "Transparenz ist bis zu einem
gewissen Grad nützlich. Die Pro- jektleitung braucht Transparenz zur Projektführung. Die vergeben- de Stelle braucht Transparenz für die Projektbeurteilung. Von einem bestimmten Punkt an fängt die Transparenz jedoch an, tödlich zu werden für Projekte und Men- schen. Totale Transparenz ist die Guillotine für Bürokratie. Sie ist leicht manipulierbar, und ein An- onymus entscheidet, wen sie trifft."
Just in diesem Augenblick wurde mit dem Projektor eine Mitteilung den Hunderten von Zuhörern auf der Leinwand des großen Hörsaa- les transparent gemacht:
[> "Prof. Dr. Jahn, Berlin, bitte so-
fort die AOK Lindau anrufen!"
Die Heiterkeit im Saal bestätigte die Wichtigkeit der Mahnung des Referenten; sie bestätigte, daß die sachkundigen Hörer gerade den
"Modellversuch" der AOK Lindau
zur totalen Transparenz persönli- cher Patientendaten als "Guilloti- ne der Bürokratie für Projekte und Menschen" erkannt haben und sehr wohl wußten, daß Professor Jahn der ideologische Ziehvater gewerkschaftlicher Gesundheits- politik ist.
Ob Professor Jahn eine Lehre aus der totalen Transparenz der Kon- ferenztechnik in Göttingen. zieht, die geradezu dekuvrierend für die AOK Lindau und ihren Komplicen Jahn wirkte, ist freilich noch nicht
transparent. FM
DEUTSCHES ARZTEBLATT Heft 47 vom 24. November 1977 2785