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Archiv "Das ständige Gespräch" (22.05.1975)

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Öffentliche Kundgebung des 78. Deutschen Ärztetages

Botho Prinz zu

Sayn-Wittgenstein-Hohenstein:

Das ständige Gespräch

Der Präsident des Deutschen Bun- destages, Frau Annemarie Renger, hat mich gebeten, allen Teilneh- mern und Gästen des 78. Deut- schen Ärztetages ihre besten Grü- ße zu übermitteln. Dieser Auftrag schließt die Grüße und Wünsche aller Mitglieder des Deutschen Bundestages — insbesondere der des Ausschusses für Jugend, Fami- lie und Gesundheit — ein.

Die Beratungsergebnisse und Ent- schließungen des 78. Deutschen Ärztetages werden vom Deutschen Bundestag mit großer Aufmerk- samkeit zur Kenntnis genommen und bei den Beratungen der ver- schiedenen Gesetzesvorhaben und Initiativen in die Diskussion einge- führt werden. Lassen Sie mich an diese Aussage anknüpfend auch feststellen, daß sicherlich alle Fraktionen des Deutschen Bundes- tages es begrüßen werden, wenn die mit der Ärzteschaft bereits ge- führten Gespräche auch künftig fortgesetzt werden können. Die derzeitige gesundheitspolitische Diskussion mit ihren zahlreichen Varianten und Abarten gebietet ge- radezu eine solche vertrauensvolle Zusammenarbeit, die um so erfolg- reicher sein wird, wie sie von Vor- urteilen und Ideologien freigehal- ten werden kann.

Die Themen und Probleme, die der Vorsitzende des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit, Hauck, anläßlich der Öffentlichen Kundgebung am Schluß des 77.

Deutschen Ärztetages im vergan- genen Jahr in Berlin ansprach, be- herrschen nach wie vor die politi- sche Arbeit im Bereich des Ge- sundheitswesens. Allerdings ist festzustellen, daß innerhalb dieses einen Jahres eine sehr wesentliche Akzentverschiebung stattfand, eine Akzentverschiebung, die auch kei- nesfalls auf den parlamentarischen Bereich beschränkt blieb. Wir sind sei's der besseren Einsicht fol- gend, sei's der Not gehorchend — sehr viel kostenbewußter gewor-

den. Es erscheint aus heutiger Sicht schon fast erstaunlich, wie sehr gerade im Bereich des Ge- sundheitswesens bei allen Diskus- sionen der vergangenen Jahre or- ganisatorische, strukturelle, ja auch ideologische Fragen im Vor- dergrund standen und wie wenig die Kosten, die Frage der finanziellen Möglichkeiten, beachtet wurden.

Selbstverständlich haben wir uns

Botho Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Ho- henstein sprach als Stellvertretender Vorsitzender des Bundestagsausschus- ses für Jugend, Familie und Gesund- heit, in Vertretung des Präsidenten des Deutschen Bundestages

im Bundestag intensiv mit Finan- zierungsfragen befaßt — ich er- wähne hier nur beispielhaft das

Krankenhausfinanzierungsgesetz —, aber es ging dabei mehr um die Verteilung der Lasten als um die Frage nach dem finanziell über- haupt Möglichen. Im Grunde ver- trauten wir darauf, daß die Mittel

aufgebracht werden könnten. Diese Einstellung war sicherlich nicht be- schränkt auf den Bereich des Ge- sundheitswesens. Andererseits sind aber die Grenzen des finan- ziell Machbaren in kaum einem an- deren Bereich so deutlich erkenn- bar geworden wie im Gesundheits- wesen. Es besteht kein Zweifel, daß die sogenannte „Kostenexplo-

sion" im Gesundheitswesen zur Zeit andere Probleme zurückge- drängt hat.

Gerade finanzielle Engpässe können Anlaß geben, nach mehr Planung zu rufen. Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang zu- nächst bekräftigen, was Herr Kolle- ge Hauck im vergangenen Jahr an dieser Stelle unterstrichen hat: Wir denken nicht daran, die Grundsät- ze der freiberuflichen Tätigkeit der Ärzteschaft und der freien Arztwahl für den Patienten anzutasten. Zu- mindest für meine Fraktion kann ich auch feststellen, daß wir der fe- sten Überzeugung sind, daß staatli- che Planung, staatlicher Dirigismus am wenigsten geeignet sind, Ko- sten zu senken. Nach aller Erfah- rung ist das Gegenteil der Fall.

Mehr Staat bedeutet noch lange nicht mehr Leistung!

Diese Feststellung ändert aber nichts daran, daß wir jetzt und in Zukunft mehr als bisher auf ein planvolles Vorgehen Wert legen müssen. Sie werden mit mir darin übereinstimmen, daß gerade im Gesundheitswesen eine am Not- wendigen, aber auch am Mögli- chen ausgerichtete Bedarfspla- nung erforderlich ist.

Damit komme ich zugleich zu ei- nem Gesetzgebungsvorhaben, das auch den Ausschuß für Jugend, Fa- milie und Gesundheit in nächster Zeit intensiv beschäftigen wird, die beiden Entwürfe zur Weiterent- wicklung des Kassenarztrechts. Ich sage „auch", weil die Federfüh- rung aus Zuständigkeitsgründen beim Ausschuß für Arbeit und So- zialordnung liegen wird. Diese Zu- ständigkeitsverteilung wird uns um so mehr Veranlassung geben, dafür Sorge zu tragen, daß die vor- gesehenen neuen Regelungen ge- rade den gesundheitspolitischen Belangen voll und ganz Rechnung tragen.

Die Entscheidung, die hier ansteht, wird für die Abgrenzung des Hand- lungsspielraums, den die Ärzte- schaft eigenverantwortlich ausfül- len kann, von staatlicher Einfluß-

1632

Heft 21 vom 22.

Mai 1975 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Die Information:

Bericht und Meinung

Öffentliche

Kundgebung des 78. Deutschen Ärztetages

nahme allergrößte Bedeutung ha- ben und für lange Zeit richtungwei- send sein.

Ich darf hier noch einmal betonen, daß nach dem Regierungsentwurf die vorgesehenen Bedarfspläne von den Kassenärztlichen Vereini- gungen in Zusammenarbeit mit den

Krankenkassen erstellt werden sol- len. Das Bemühen der Ärzteschaft und insbesondere der Kassenärztli- chen Vereinigungen um die Sicher- stellung der ärztlichen Versorgung verdient hohe Anerkennung. Wir werden jedoch nicht umhinkom- men, gemeinsam noch mehr zu un- ternehmen, um diese Verpflichtung zu erfüllen. Ob allerdings der Re- gierungsentwurf und der Vorschlag des Bundesrates diesem Anspruch gerecht werden, ist für mich per- sönlich zumindest zweifelhaft. Ei- nes der Themen dieses Ärzteta- ges war die ärztliche Fortbildung.

Ich bin der Auffassung, daß man die Bedeutung einer kontinuierli- chen Fortbildung vor allem des praktischen Arztes im Zusammen- hang mit der Sicherstellung der ärztlichen Versorgung der Bevölke- rung, nicht hoch genug veranschla- gen kann. Die Frage, ob die ärztli- che Versorgung in dem Maße wie bisher auch in Zukunft eine Aufga- be des freipraktizierenden Arztes sein wird, hängt wesentlich von der Qualifikation und damit von der Bereitschaft zu ständiger Fortbil- dung ab.

Vor einigen Wochen wurde die Be- ratung des Gesetzentwurfs über die Neuordnung des Arzneimittel- rechts aufgenommen. Der Aus- schuß für Jugend, Familie und Ge- sundheit hat mit Rücksicht auf die Bedeutung des Gesetzentwurfs ei- nen Unterausschuß mit der Vorbe- reitung eines Beschlußentwurfs be- auftragt. In der Ende April durchge- führten öffentlichen Anhörung von wissenschaftlichen Sachverständi- gen zu dem Entwurf wurde unter anderem die Bedeutung ärztlicher Entscheidungen und die ärztliche Verantwortung im Bereich des Arz- neimittelwesens hervorgehoben.

Hier geht es unter anderem um die Übersichtlichkeit des Arzneimittel-

angebots, um die Einbeziehung des niedergelassenen Arztes in der Arzneimittelprüfung im Rahmen des vorgesehenen Zulassungsver- fahrens, vor allem aber auch um die ärztliche Mitwirkung bei der Feststellung von Nebenwirkungen.

Wir werden uns mit all diesen Fra- gen in den nächsten Monaten noch intensiv befassen. Gerade der praktische Arzt ist ohne Zweifel durch das vielfach allzu breite Arz- neimittelangebot überfordert. Es erscheint erforderlich, ihm für die Auswahl des jeweils bestgeeigne- ten Medikaments eindeutige Ent- scheidungshilfen zu geben.

Es würde den Rahmen eines Gruß- wortes sprengen, wollte ich hier auf die anderen Gesetzesvorhaben eingehen, mit denen sich der Aus- schuß für Jugend, Familie und Ge- sundheit beschäftigt und zu denen gewichtige Anregungen aus der Ärzteschaft vorgetragen wurden.

Es handelt sich um das Rettungs- sanitätergesetz, das Gesetz über Beschäftigungs- und Arbeitsthera- peuten und möglicherweise auch in absehbarer Zeit um den Gesetz- entwurf über nichtärztliche Heilbe- rufe im Bereich der Krankenpflege und der Geburtshilfe. Ich betone an dieser Stelle erneut, daß wir großen Wert auf Stellungnahmen zu diesen wie anderen Gesetzent- würfen legen und Ihre Anregungen bei unseren Beratungen verwenden werden. Diese Aussage ist keine Leerformel. Anregungen früherer Ärztetage, etwa hinsichtlich der Aufnahme von Früherkennungsun- tersuchungen in den Leistungska- talog der gesetzlichen Krankenver- sicherungen, haben Initiativen der Opposition wie der Regierung zur Folge gehabt. Bedenken, daß Vor- schriften der neuen Approbations- ordnung nicht oder noch nicht zum vorgesehenen Zeitpunkt durchge- führt werden können, haben ent- sprechende Initiativen der Fraktio- nen ausgelöst; die Bundesärzte- ordnung wurde geändert.

Noch in diesem Jahr, und zwar im Herbst 1975, erwartet der Aus- schuß die Vorlage des Abschluß- berichts der Psychiatrie-Enquete.

Nach wie vor sieht es

der

Aus- schuß als eine seiner wichtigsten Aufgaben an, die Versorgung und Betreuung psychiatrisch Kranker und geistig Behinderter zu verbes- sern.

Schließlich wird der Bundestag die große Anfrage der Opposition zur Situation des Gesundheitswesens diskutieren. Als erstes Ergebnis dieser Anfrage liegt der interes- sierten Öffentlichkeit mit der Ant- wort der Bundesregierung weiteres Material zur Situation im Gesund- heitswesen vor. Es ist zu erwarten, daß der Ausschuß zusätzliche An- regungen und Initiativen nach der Diskussion der großen Anfrage nach Pfingsten zu bearbeiten hat.

Aus diesen wenigen Hinweisen wollen Sie erkennen, daß der Deut- sche Bundestag und seine Aus- schüsse in der noch verbleibenden Zeit bis zum Ende der Legislatur- periode noch einen erheblichen Ar- beitsumfang im gesundheitspoliti- schen Bereich zu bewältigen hat.

Wir werden dies mit der dem Ge- genstand der Beratung angemes- senen Sachlichkeit tun, um damit einen Beitrag zur Verbesserung der gesundheitlichen Situation in unserem Lande zu leisten. Unsere Entscheidungen wollen wir in stän- digem Dialog mit allen, die auf Grund ihrer Erfahrungen und Kenntnisse wichtige Hinweise ge- ben können, vorbereiten. Wir er- warten daher auch in Zukunft die Mitarbeit der Ärzteschaft.

Die über die anstehenden Geset- zesvorhaben, Anfragen und Initiati- ven zu führende gesundheitspoliti- sche Diskussion wird — so hoffe ich — der Öffentlichkeit deutlich machen, daß der Bundestag in der Weiterentwicklung des Gesund- heitswesens einen Schwerpunkt seiner Arbeit sieht. Wir sind sicher, daß die deutsche Ärzteschaft daran Anteil nehmen wird, wie sie es be- reits in den früheren Jahren getan hat.

Für den Deutschen Bundestag wünsche ich für Ihre verantwor- tungsvolle Tätigkeit weiterhin vol- len Erfolg.

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Heft 21 vom 22. Mai 1975 1633

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