Zu Friedrich Schlegels Handschriften
seiner Übersetzungen aus dem Sanskrit
Von Ubsula Steuc, Seattle
Die Entstehungsgeschichte von Feiedeich Schlegels Interesse für
den Orient im Allgemeinen und für Indien im Besonderen reicht mit ihren
Winzeln mindestens bis Herder zurück. Deutlich wird es in den oft zi¬
tierten Worten aus seiner Rede „Über die Mythologie" ausgesprochen:
„Wären uns nur die Schätze des Orients so zugänglich, wie die des
Alterthums! Welche neue Quelle der Poesie könnte uns aus Indien
fließen, ... Im Orient müssen wir das höchste Romantische su¬
chen .. ."*
Wenn man Fe. Schlegels romantisches Streben nach der mythischen
Einheit von Poesie, Philosophie, Moral und Religion*, dem er am Ende
der 90er Jahre des 18. Jh. in verschiedener Form wiederholt Ausdruck
verlieh, als Ursache für seine indischen Arbeiten betrachtet*, so liegt die
Schlußfolgerung nahe, daß es nur einer passenden Gelegenheit bedurfte,
bis er sich tatsächlich orientalischen Studien widmen würde.
Anlaß für sein Sanskritstudium war denn auch eine solche Chance, die
er in den Wintermonaten 1802/03 in Paris an der Bibliotheque Nationale
erhielt, wo er in dem englischen Offizier Alexander Hamilton, der aus
Indien kommend sich dort aufhielt, einen begeisterten Lehrer fand.
Obgleich Fe. Schlegel erst im Februar 1803 mit dem Sanskritunter¬
richt beginnen konnte, arbeitete er bereits im November desselben Jahres
an einer der vier Übersetzungen, die im Anhang an sein Buch Über die
Sprache und Weisheit der Indier* 1808 veröflfentlicht wurden. Bis dato
» Feibdeich Schlegel, Sämmtliche Werke, 2. Ausg., 15 Bde. Wien 1846.
5. Bd. S. 204.
^ Feiedbich Schlegel, Kritische Friedrich Schlegel-Ausgabe, hrsg. von
Emst Behler unter Mitwirkung von Jean-Jaques Anstett und Hans Eichner.
Mimchen, Paderborn, Wien 1958 ff. Philosophische Fragmente [1382], Zweite
Epoche 1799, Bd. 12, S. 309.
' Ursula Oppbnbebg, Quellenstudien zu Friedrich Schlegels Übersetzungen
aus dem Sanskrit, Marburger Beiträge zur Germanistik, hrsg. von J. Kunz
und L. E. Schmitt, Bd. 7, Marburg 1965. S. 129ff.
* Friedrich Schlegel, Über die Sprache und Weisheit der Indier. Ein
Beitrag zur Begrimdung der Alterthumskunde. Nebst metrischer Über¬
setzungen indischer Gedichte. Heidelberg 1808.
Zu Friedrich Schlegels Handschriften seiner tJbersetzungen 321
nicht wieder gedruckt liegen sie jetzt in meiner kritischen Untersuchung*
konfrontiert mit dem Urtext vor.
Zu dieser Arbeit stellen die folgenden Ausführungen nach den Schlegel-
Handschriften eine notwendige Ergänzung dar, weil die Ergebnisse einer
Einsichtnahme in diese aufschlußreichen Manuskripte fehlen. Die Hand¬
schriften sind von Ernst Bbhleb in seinem Forschungsbericht* unter
dem Titel ,, Seegen und Heil dem göttlichen Ramo Preiß" angeführt.
Dieser abgekürzte Titel enthält nichts weiter als das Eingangswort aus
der Itärmyana-Rezension, von der Fr. Schlegel den Anfang übersetzte.
Die so bezeichneten Blätter umfassen jedoch alle Übersetzungen aus
dem Sanskrit von Fr. Schlegel, nämlich außer den in seinem Indien¬
buch' gedruckten und jetzt philologisch untersuchten vier Stücken auch
noch zum Teil unveröffentlichte Sprüche. Nicht enthalten sind in diesen
Manuskripten die Anmerkungen Fr. Schlegels zu den gedruckten Über¬
setzungen sowie seine verbindenden Zwischentexte in Prosa. Vorhanden
sind dagegen Fr. Schlegels Abschriften der englischen Übersetzungen
zweier Stücke*.
So bedauerlich es ist, daß der Verf. diese Manuskripte für ihre Abhand¬
lung nicht zugänglich waren, so erfreulich ist auch wiederum die wenn¬
gleich nachträgliche Entdeckung aller dieser wider Erwarten vollständig
erhaltenen Handschriften.
Diese Manuskripte, insbesondere die der Übersetzungen, sollen Gegen¬
stand der vorliegenden ergänzenden Untersuchung sein. Eine Ausnahme
bilden die Sprüche, die eine ausführlichere Behandlung erfordern. An
dieser Stelle muß icb davon absehen, zumal mir auch ein Quellenstudium
in Paris zur Zeit noch nicht möglich ist.
Da es sich hier um eine ergänzende Studie zu der oben erwähnten
Arbeit handelt, erscheint es für einen bequemeren Vergleich angebracht,
sowohl dem Aufbau als auch der Methode dieser Abhandlung zu folgen.
So werden wir uns ihrer Anordnung der Übersetzungen anschließen und
ihre indische Einteilung in Versviertel sowie die ebenfalls indische Zäh-
" Ubsula Oppbnbbbg, Quellenstudien, a.a.O.
* Jahrbuch der Deutschen Schillergesellschaft, hrsg. von Fritz Martini u. a.
Stuttgart 1957. S. 285.
' Fbibdeich Schlegel, Über die Sprache und Weisheit der Indier, a.a.O.
S. 233—323.
* Chables Wilkins, The Story of Dooshwanta and Sacoontala extracted from
the Mahäbhärata, a Poem in the Sanskrit Language. London 1795, (erstmals
veröff. in The Oriental Repertory, vol. II, by Dalrymple. 1794) und William Joisnas, Institutions of Hindu Law: or, the ordinances of Menu, according to the gloss of Cullüca, comprising the Indian system of duties, religious and civil.
Verbally translated from the original Sanskrit. With a preface by Sir William
Jones. Calcutta (1794), London 1796.
322 TJBStriiA Strtjo
lung der Verse übernehmen. Jedem Abschnitt steht eine kurze Beschrei¬
bung der jeweiligen Schlegel-Handschrift voran, wobei die Beschreibung
der Sanskrit-Manuskripte für ihren Aufbau als Muster dient.
Wichtig bei dieser Ergänzung sind mu solche Stellen, die entweder
durch ihre Quantität oder besonders durch ihre Qualität in den Hand¬
schriften auffallen. Da es sich hier nicht um eine kritische Edition han¬
deln kann, da es auch nicht um einen Vollständigkeitsanspruch in Bezug
auf die Varianten geht, sondem mu um bestimmte ergänzende Aus¬
sagen, muß an dieser Stelle von einer Angabe des gesamten Belegmaterials
abgesehen werden, das ohnehin in der kritischen Ausgabe erscheint. Aus
diesen Gründen, und weil der Aufwand an Raum unverhältnismäßig groß
wäre, muß ich mich darauf beschränken, nvu die Resultate aus den Ana¬
lysen der Varianten zu geben unter Beifügung der markanteren Beispiele.
Leider haben wir mit diesen Manuskripten nicht die originalen Arbeits¬
konzepte Fr. Schlegels vor uns, sondern bereits Abschriften, von denen
Dorothea Schlegel nachher die letzte Kopie für den Druck anfertigte*.
Daher enthalten diese Handschriften viele marginale Druckanweisungen, die wir hier getrost übergehen dürfen. Daß es sich bei diesen Manuskripten
um Abschriften handelt, ist einmal aus diesen Marginalien ersichtlich,
zum andern aber wird es sowohl aus den vusprünglich vielleicht schon als
Reinschrift gedachten, ziemlich sauber geschriebenen Blättern wie auch
aus typischen Abschreibefehlern deutlich, so z. B. in der Handschrift der
iJäwiäyaijia-Übersetzung, wo I. 94 vor 93 geschrieben, dann gestrichen imd
an die richtige Stelle gesetzt wird. Auch der Umstand vor allem, daß die
überwiegende Anzahl der Korrektiuen stilistischer Art sind, läßt diesen
Schluß zu.
Abgesehen von den oben erwähnten Marginalien finden sich erstaun¬
lich viele Varianten, von denen besonders die ungedruckten in die folgen¬
den Notizen aufgenommen werden; denn oft hat Fe. Schlegel die rich¬
tige Übersetzung gestrichen. Hervorzuheben sind noch in linea stehende
vom Druck verschiedene Textpassagen, die nicbt mit Varianten ver¬
sehen sind.
Auf die Frage nach der Funktion der Varianten bietet sich nach der
Analyse eine dreigeteilte Antwort an, die zwischen stilistischen Varianten,
bedeutungsverändemden Versionen und metrischen Versuchen unter¬
scheidet.
Die Abweichungen vom gedruckten Text sollen soweit nötig oder von
besonderem Interesse im vollen Wortlaut angegeben werden unter An¬
führung der betrefi'enden Stelle im gedruckten Text. Bei den Varianten
über der ZeUe (supra lin.) und unter der ZeUe (sub lin.) wird die Position
jeweils vermerkt, indessen bleibt die Stellung der in linea stehenden Ver-
* Vgl. Quellenstudien, a.a.O. S. 118.
Zu Friedrich Schlegels Handschriften seiner Übersetzungen 323
sion unbezeichnet. Am Ende der ergänzenden Notizen nach den Hand¬
schriften jeder einzelnen Übersetzung finden jeweils die Schlegel-Ab¬
schriften englischer Übersetzungen, soweit sie noch erhalten sind, Be-
rücksichtigimg. Die wichtigsten Ergebnisse aus allen vier Stücken wer¬
den zidetzt im Zusammenhang dargestellt.
I. Zmt Sakuntalä
Beschreibung der Handschrift Fe. Sohlegels
Eigentum der Görresgesellschaft ; ohne Einband; Erhaltimgszustand
gut; 4 lose Blätter (7 Seiten), zweiseitig beschrieben, das letzte Blatt
einseitig; 19,5x30,8 cm; ca. 30 Zeilen, Marginalien; Papier: fest, etwas
vergilbt; schwarze Tinte; der beschnittene Rand zeigt Spuren ehemaliger
Fadenheftimg, der gegenüberliegende Rand ist gerissen, der obere und
untere ebenfalls ; undatiert, wahrscheinhch vom Frühjahr 1805*.
Ergänzende Notizen nach dem Schlegel-Manuskript
In dieser Handschrift gibt es verhältnismäßig wenige Varianten, denn
es handelt sich tun eine recht saubere imd gut leserliche Abschrift. Alle
Marginalien enthalten Druckanweisungen, die hier als unwesentlich nicht
in Betracht kommen. Die Analyse von rund 20 wichtigeren Stellen ergab
folgendes Büd: bei etwa der Hälfte wurde eine Variante in den Druck
aufgenommen, während in fünf weiteren Fällen die in linea stehende Ver¬
sion als die endgültige gedruckt wurde.
Bei der Untersuchung der Qualität der Varianten stellte es sich her¬
aus, daß die meisten stUistischer Natur sind; so sucht Fe. Schlegel mit
Synonymen den in der deutschen Sprache ihm jeweils am passendsten er¬
scheinenden Ausdruck, mitunter wählt er auch einen neuen syntaktischen
Bezug durch Einführung eines anderen Tempus beim Verb oder einer
anderen Konjunktion, dann möchte er eigentümliche Synkretismen ver¬
meiden oder fremdartig wirkende Metaphern in solche übersetzen, die im
Deutschen nicht ganz so ungewöhnlich erscheinen.
Bei einem weiteren Viertel dieser Stellen — und das ist eine relativ
große Anzahl — war sich Fe. Schlegel nicht über die richtige Bedeutung
eines Sanskritausdruckes im Klaren. Da es aber um seine Englisch¬
kenntnisse ebenfalls nicht zum Besten stand, konnte ihm in einigen Fällen
auch die ihm zur Verfügung stehende <§ajfcMwtoiä-Übersetzung von
Ch. Wilkens* nicht helfen.
So haben wir es bei Fe. Schlegels Übersetzungen aus dem Sanskrit
nicht mu mit Fehlern zu tun, die ihren Grund in der mangelnden Kennt-
1 Vgl. Quellenstudien, a.a.O. S. 115 und 117.
2 Ch. Wilkins, The Story oj Dooshuxmta and Sacoontalä, etc. a.a.O. 1794.
Vgl. auch das Ende des Abschnittes.
324 UBSUtA StBTJC
nis der Originalsprache haben, sondern viele Stellen zeigen auch die eng¬
lische Vorlage deutlich, nur leider bisweilen in falscher Wiedergabe. Mit¬
unter übersetzte er auch einfach aus dem Englischen statt aus dem
Sanskrit, ohne zu merken, daß der Text seiner Vorlage anders lautet.
Einige dieser durch doppelte Fehlerquellen gekennzeichneten und daher
in diesem Zusammenhang besonders interessanten Stellen seien beispiels¬
halber hier angeführt.
2. Bl. ro ; 66. Adhyäya, 4 ins. d am Hügel, supra lin. cLa vor ihm ? wie im
Druck (ohne Fragezeichen), vgl. Quellen¬
studien, a.a.O. S. 13, und zu der Hand¬
schriftenversion noch Welkins, The Story
of Dooshwanta and Sacoontalä, etc. London 1795. S. 23: standing upon a rising ground.
Pr. Schlegel wußte also mit dem von
ihm weggelassenen Ausdruck nichts an¬
zufangen und setzte schließlich dafür ein,
was ihm hier passend erschien.
3. Bl. ro; 68. Adhy., 29 b die Tief wie im Druck, sub lin. Der
Abgrund gestrichen; dieser Zweifel an
seiner Übersetzung bringt die Unsicher¬
heit Schlegels gegenüber der richtigen
Bedeutung des Wortes Yama Vaivasvata
zum Ausdruck, das Wilkins als Eigen¬
name des Todesgottes stehen ließ. Vgl.
Quellenstudien, a.a.O. S. 18.
b eöe« im Staub herumgewälzt, dahinter ein
Sternchen, sub lin. wie es am Boden hat
gespielt wie im Druck, vgl. Quellenstudien, a.a.O. S. 20.
b Vögel wie im Druck, sub lin. Enten, vgl.
Wilkins a.a.O. S. 33, der sehr richtig ants übersetzte und Quellenstudien, a.a.O. S.21 .
Ein kleiner Teil der Varianten, lediglich ein Fünftel, ist durch dem von
Fb. Schlegel sich selbst auferlegten Verszwang bedingt.
Von Interesse ist noch folgende Stelle, die in den Quellenstudien eine
offen gelassene Frage bleiben mußte.
1. Bl. ro; 65. Adhy. 11 c Der Jugend Schöne, im Druck: ... Tugend ...,
also wahrscheinlich doch ein Druckfehler, wie
Oppenbebg ohne Kenntnis dieses Ms. in ihrer
3. Bl. vo; 52
54
Zu Friedrieh Schlegels Handschriften seiner Übersetzungen 325
Miszelle „Euphorion" 1962, H. 4 S. 426 aus dem
Originaltext schon bewies.
Von Ch. Wilkins' Übersetzung der iSakuntalä-'ETßisode nach dem
Mahäbhärata hat Fb. Schlegel nicht die von Oppenbebg zitierte Aus¬
gabe von 1795 benutzt, sondern die ebenfalls von ihr angeführte erste
Veröffentlichung in The Oriental Repertory vol. II by Dalrymple, 1794.
Davon hat er sich eine vollständige Kopie gemacht, die hier kurz be¬
schrieben werden soll.
Eigentum der Görresgesellschaft; ohne Einband. Erhaltungszustand
gut; 9 lose Blätter, zweiseitig beschrieben; 19,5x30,8 cm; 29—30 Zei¬
len ; Marginalien in englischer Sprache, außerdem bengalische Zahlen aus
dem indischen Palmblatt-Ms. (vgl. Quellenstudien, a.a.O. S. 4); Papier:
fest, vergilbt; schwarze Tinte, der Rand ist gerissen, oben geschnitten;
undatiert, aber wohl auch vom Frühjahr 1805 stammend wie die Über¬
setzung. Das Deckblatt trägt die Aufschrift : History of Scontala fromjthe
Mahabharat.lbyjWJLKms. Oriental Repertory.
II. Zur Bhagavadgitä
Beschreibung der Handschrift Pk. Schlegels
Eigentum der Görresgesellschaft; ohne Einband; Erhaltungszustand
gut; 5 lose Blätter (10 Seiten), zweiseitig beschrieben; 19,5x30,8 cm;
28—30 Zeilen, Marginalien; Papier: fest, etwas vergilbt; schwarze Tinte;
der geschnittene Rand zeigt Spiuen ehemaliger Fadenheftung, der ge¬
genüberliegende Rand ist wie der obere und untere gerissen; undatiert,
wahrscheinlich vom Winter 1803/04 in Paris*.
Ergänzende Notizen nach den Schlegel-Handschriften
Auch bei diesem Manuskript handelt es sich wieder um eine recht or¬
dentlich geschriebene und gut lesbare Abschrift, die nicht zuviele Va¬
rianten aufweist. Von diesen fanden nur solche Berücksichtigung, über
die eine Aussage gemacht werden kann. Alle Marginalien, soweit sie den
Druck betreffen, werden ausgelassen.
Unter den über 40 in Frage kommenden Stellen ist bei mehr als der
Hälfte eine Variante als endgültige Version gedruckt worden. Bei einem
weiteren Viertel wurden die Varianten wieder gestrichen, und der verblei¬
bende Rest enthält vom Druck verschiedene Versionen.
Die Untersuchung der Funktionen ergab, daß weit über die Hälfte der
Varianten auf Fe. Schlegels stilistische Bemühungen zurückzuführen
sind, wovon hier aber nur wenige zitiert werden sollen. Immerhin charak¬
terisieren sie jedoch sowohl quantitativ wie auch qualitativ die Hand¬
schrift dieser Übersetzung.
^ Vgl. Quellenstudien, a.a.O. S. 113f.
23 ZDMG 118/2
326 Ubsula Stbuc
1. Bl. ro; 1. Adhy. 20 b dieses Wort; o der Erde Herr! mit vom Druck
verschiedener Interptmktion, die Korrektur von
Oppenbebg darf also nur auf den Druck bezogen
werden. Vgl. Quellenstvdien, a.a.O. S. 29.
26 b und Elternväter gestrichen, supra lin. Großväter femer wie im Druck.
3. Bl. ro; 4. Adhy. 7 d mich selber ich, vgl. Metathesis im Druck.
10 c richtig : Kamen, vgl. Druck Kommen imd Quellen¬
studien, a.a.O. S. 40.
4. Bl. vo; 7. Adhy. 6 a richtig: Wesen leider gestrichen, supra lin. Ding
wie im Druck.
Femer kann imgefähr ein Viertel der Stellen als durch das Metrum her¬
vorgerufen betrachtet werden. — So bleiben nur wenige Notizen, von
denen gesagt werden muß, daß Fb. Schlegel hier die richtige Bedeutung
eines Wortes nicht gekannt hat. In Wirklichkeit sind es mehr. Denn
manch eine Stelle, bei der er sich nachher mit StUfragen plagte, hatte er
zuerst ungenau übersetzt, so daß später auch die Synonyma oder Um¬
stellungen nichts mehr halfen.
III. Zum Rämäyaita
Beschreibung der Handschrift Fb. Schlegels
Eigentmn der Görresgesellschaft; ohne Einband; Erhaltungszustand
gut; 8 lose Blätter (15 Seiten), zweiseitig beschrieben, das letzte Blatt
einseitig; 19,5 x 30,8 cm; 26—30 Zeilen, Marginalien; Papier: fest, etwas
vergilbt, schwarze Tinte; der beschnittene Rand zeigt Spuren ehemaliger
Fadenheftung, der Rand gegenüber sowie oben und unten ist gerissen,
das 2. Blatt ist fast ganz durchgerissen; undatiert, vielleicht vom Mai
oder Juni 1807*.
Ergänzende Notizen nach dem Schlegel-Manuskript
Die Handschrift der jRämäyaria-Übersetzung übertrifft an Umfang
schon wegen der Länge des übersetzten Stückes die anderen drei Manu¬
skripte, aber sie enthält auch einige kleinere und größere gestrichene Par¬
tien und, obwohl doch ebenfaUs eine Abschrift, eine unverhältnismäßig
hohe Anzahl von Varianten. Dieser Umstand ist deswegen interessant,
weü Fb. Schlegel für dieses Stück keine Übersetzungen als Hilfsmittel
zur Verfügung hatte* und ihm daher seine ganz besondere Aufmerksam¬
keit und Sorgfalt widmen zu müssen glaubte.
* Vgl. Quellenstudien, a.a.O. S. 117.
» Vgl. ebenda, S. 2, 89 und 91—95.
Zu Friedrich Schlegels Handschriften seiner Übersetzungen 327
Das Manuskript ist im Haupttext ganz gut und leseriich geschrieben.
Einige Schwierigkeiten gibt es mitunter bei den Interlinearversionen, da
sich an manchen Stellen bis zu fünf Varianten häufen, immer wieder ge¬
strichen, bisweilen durch Punktieren unter der Zeile wieder gültig ge¬
macht. Zu erwähnen ist noch die Tatsache, daß diese Handschrift im
Gegensatz zu allen anderen Stücken, wie im Druck, Verszählung auf¬
weist. Diese ändert sich auf dem 2. Blatt verso in Zeilenzählung; es gibt
da zwei verschiedene Zählungen der Zeilen, die eine rechnet vom Anfang
des ersten Sargah, während die andere auf dieser Seite mit dem Vers 22
begirmt. Diese in Margine stehenden Zählimgen wie auch die marginalen
Druckanweisungen sind in unserer Untersuchimg jedoch ohne Belang und
bleiben daher unberücksicbtigt.
Nach dem Manuskript kommen insgesamt ungefähr 140 Stellen in Be¬
tracht. Von diesen wurde bei ca. 60 Prozent eine Variante als endgültige
Formulierung gedruckt, obgleich es nicht immer die richtige Über¬
setzung war. In etwa einem Drittel aller Fälle blieb die in linea stehende
Version erhalten, und ein Zehntel liest anders als der Druck.
Wie in den übrigen Stücken überwiegen auch hier in der Rämäyaija-
Übersetzung diejenigen Varianten, denen eindeutig Stilfragen zugrunde
liegen; z. B. in der Einleitung zum I. Buch des Rämäyaria:
1. Bl. ro; 2d Einsiedler gestrichen, supra lin. Seher wie im Druck, sub
ün. Frommen gestrichen.
5 a entsprungen wie im Druck, supra lin. [entspr]os5e» gestri¬
chen, sub lin. [entjg'itoHera gestrichen; — c Verherrlicht
herrlich wie im Druck, supra lin. Rein selber reinigt gestri¬
chen; die Welt wie im Druck, sub lin. das WdtaM gestrichen,
sub sub lin. die Erde gestrichen, sub sub sub lin. das Leben
gestrichen.
oder im 1. Sargah des I. Buches:
1. Bl. vo; 1 d Einsiedler gestrichen, supra lin. hohen vgl. Druck: hoher,
supra lin. aller gestrichen, Seher wie im Druck, sub lin. so
der Heilgen gestrichen.
3. Bl. vo; 44 c Heilgen wie im Druck, supra lin. Rishi wie im Original,
sub lin. Väter, vgl. dazu Quellenstudien, a.a.O. S. 89.
4. Bl. vo; 68 c Affe, sub lin. Waldmensch wie im Druck.
sowie im 2. Sargah des I. Buches:
6. Bl. vo ; 2d Altväter wie im Druck, sub lin. dem Heilgen gestrichen, vgl.
dazu Quellenstudien, ebenda.
7. Bl. vo; 26 a demuth[-] wie im Druck, [-]svoU gestrichen, sub lin.
[demjüthgen Sinns wie im Druck.
328 TJbsttla Struc
Hin und wieder opfert Fe. Schlegel eine richtige Übersetzung dem, wie
ilun scheinen mochte, stilistisch besseren Ausdruck, wie z. B. in der Ein¬
leitung des I. Buches :
1. Bl. ro; 7 c der sei mir gegrüßt wie im Druck, sub lin. den verehre ich
leider gestrichen, vgl. Quellenstudien, a.a.O. S. 56.
2. Bl. ro; 12 d siegreich gestrichen, aber in den Druck aufgenommen,
sub lin. glücklich obwohl richtig, leider nicht im Druck;
bezwingt wie im Druck, gestrichen bis aid" die Vorsilbe, sub lin. [bejsieg't nicht im Druck.
3. Bl. ro; 40 b Antrag gestrichen, supra lin. Füße gestrichen: -n, vgl.
Druck Fuß, supra lin. Schuhe; paduka — Fuß, aber päduka
— Schuh, Pantoffel, Sandale.
4. Bl. ro; 62 d supra lin. hat wie im Druck, beim Feusr mit gestrichenem -e[r] wie im Druck, beschwörend selbst den Bund gestrichen, supra lin. gelobt d[en] Bund wie im Druck, sub lin. angelobend gestrichen, sub lin. richtig : (ruft das Feuer zum Zeugen an [)], vgl. Quellenstudien, a.a.O. S. 70.
5. Bl. ro; 93 d fröhlich leider gestrichen, supra lin. freuend gestrichen,
supra lin. seelig gestrichen und wieder gültig gemacht, wie
im Druck, vgl. Quellenstudien, a.a.O. S. 75.
In Zahlen ausgedrückt handelt es sich bei ca. 65 Prozent Stellen um
stilistische Varianten.
Während in den anderen Stücken die wenigsten Varianten Bedeutungs¬
unterschiede aufweisen, zeigt sich hier in der Untersuchung an der ver¬
hältnismäßig hohen Anzahl solcher Stellen — etwa ein Viertel —, wie
groß Schlegels Unsicherheit in Bezug auf die richtige Übersetzung
mancher Wörter war, und mit wie geringer Kenntnis auch der Sanskrit¬
grammatik er sich an dieses Unternehmen gewagt hatte. Besonders inter¬
essant sind solche Stellen, in denen Fe. Schlegel die richtige Über¬
setzung ungültig machte und sie durch eine ganz andere, in den meisten
Fällen nicht zutreffende, ja sogar sinnentstellende Version wiedergab.
Die bemerkenswertesten Stellen sollen hier angeführt werden, um einige
in den Quellenstudien aufgezeigte unerklärliche Fehler in Fe. Schlegels
Übersetzungen ins rechte Licht zu rücken.
I. Buch, 1. Sargah
2. Bl. vo; 30 a supra lin. Ihn wie im Druck, gestrichen; Begleitet durch
1. Wort wie im Druck, 2. gestrichen; — b von, supra lin.
Zu Friedrich Schlegels Handschriften seiner Übersetzungen 329
auch wie im Druck; dem, supra lin. der wie hn Druck; — d
sandt er den Wagerüenker fort ganz richtig ! leider gestrichen, vgl. dazu Quellenstudien, a.a.O. S. 65; supra lin. trennt er von
seinem Sohne sich wie im Druck.
4. Bl. vo ; 76 a mit Metathesis ; — b der wie im Druck, Stadt gestrichen,
von Ä[avon] gestrichen, sub lin. der Stadt von Ravon gebaut
gestrichen; oben, nach 75 ab der Stadt von Ravon erbaut ge¬
strichen, sub lin. beherrscht leider gestrichen, vgl. Quellen¬
studien, a.a.O. S. 72.
5. Bl. vo; 100 c Kasten gestrichen, sub lin. Stände wie im Druck.
I. Buch, 2. Sargah
6. Bl. vo; 5 d Okordomon, vgl. Sanskrittext, Quellenstudien, a.a.O. S. 79,
supra lin. vcm Flecken rein wie im Druck.
6 a Nikordomo vgl. Quellenstudien, ebenda, supra lin. Frei
(gestrichen : Rein) von Flecken wie im Druck.
Eine weitaus unwichtigere Rolle hingegen spielen die Varianten, in de¬
nen sich Fe. Schlegel um das Versmaß bemüht, es sind nur ungefähr
10 Prozent.
Der Vollständigkeit halber sind in Ergänzung zu den Quellenstudien
noch zwei zusätzliche Quellenangaben Fe. Schlegels nach seiner Hand¬
schrift zu berücksichtigen. Und zwar handelt es sich im 1. Sargah des
I. Buches um 24 d, wo er auf dem zweiten Blatt verso imter der Zeile
notierte : cfr. Roger S. 261. Hierzu folgende Anmerkung des Titels sowie
der betreffenden Stelle :
Abeaham Rogee, Offene Thür zu dem verborgenen Heydenthum. Nürn¬
berg 1663. S. 260f ,,Kausal-ja hat geboren Ramma, als welcher eben der¬
jenige war unter dessen Nahmen Wistnou in die Welt kommen sollte:
Kaica hat geboren Bharata: Somittra hat geboren Laetsmana, ..."
Zu 39 d bemerkte Fe. Schlegel in demselben Sargah auf dem dritten
Blatt recto ebenfalls cfr. Roger, jedoch ohne nähere Seitenangabe. Im
Sinne lag Fe. Schlegel wohl S. 261f. mit dem Wortlaut: „Ramma aber
wollte nicht [heimkommen] sondern sprach: Ich muß das Wort meines
Vaters vollbringen. Und er hat auch mit Worten seinen Bruder Bharata
gedemütigt ; welcher sagte : so gib mir dann deine Schue [! ] daß ich denen diene biß daß du wiederkommst!"
Das Manuskript der iJämäyama-Übersetzung dokumentiert alle Aus¬
sagen über diese vier übersetzten indischen Stücke am deutlichsten und
sichersten, weil sich Fe. Schlegel aus dem oben erwähnten Mangel einer
anderen Übersetzung hier ganz auf sich selbst gestellt sah.
330 Ursula Strtjo
IV. Zur Manusmrti
Beschreibimg der Handschrift Fr. Schlegels
Eigentum der Görresgesellschaft; ohne Einband; Erhaltungszustand
gut; 2 lose Blätter (3 Seiten), zweiseitig beschrieben, das letzte einseitig;
19,5x30,8 cm; 28—29 Zeilen, Marginalien; Papier fest, etwas vergilbt;
schwarze Tinte ; der beschnittene Rand zeigt Spuren ehemaliger Faden¬
heftung, der gegenüberliegende Rand ist gerissen wie oben und unten;
undatiert*.
Ergänzende Notizen nach dem Schlegel-Manuskript
Dieses kurze Manuskript ist ebenfalls eine ziemlich ordentliche und
ganz gut leserliche Abschrift, die dennoch eine gewisse Menge Varianten
enthält. Von rund 30 Notizen sind etwa 80 Prozent solche Stellen, in de¬
nen jeweils eine Variante für den Druck gewählt wurde ; der Haupttext
blieb nur in zwei Fällen stehen, und bei vier Stellen lautet die Handschrift vom Druck verschieden.
Bei etwa zwei Dritteln der Varianten handelt es sich auch hier wieder
um ein stilistisches Ausfeilen der Übersetzung, während die durch das
im Deutschen nicht leicht nachzuahmende Sloka-M.etrum. bedingten Än¬
derungen hier überhaupt nicht ins Gewicht fallen. Ziemlich hoch, unge¬
fähr ein Viertel, ist auch der Anteil der durch Übersetzungsschwierig¬
keiten im Hinblick auf die richtige Bedeutung entstandenen Varianten.
Das ist insofern erstaunlich, als Fe. Schlegel auch für das Mänava-
dharmasästra wieder eine englische Übersetzung benutzte, die in seiner
eigenen Abschrift erhalten blieb.
Bei dieser Übersetzung handelt es sich um das von Oppenberg angege¬
bene* imd zitierte Werk von Willlam Jones, The Institutes of Hindu
Law: or, The Ordinances of Menu, according to the gloss of Cullüca, com¬
prising the Indian system of duties, religious and civil. Verbally translated from the original Sanskrit. With a preface by Sir William Jones. Calcutta
(1794), London 1796. — Fe. Schlegel hat den ersten Adhyäya vollstän¬
dig abgeschrieben. Eine kurze Beschreibung der Handschrift folgt.
Eigentum der Görresgesellschaft; ohne Einband, Erhaltungszustand
gut; 7 Blätter (14 Seiten), zweiseitig beschrieben; 24 x 34 cm; 27—20 Zei¬
len; Papier: fest, etwas vergilbt; schwarze Tinte, sehr unregelmäßig ge¬
rissener Rand mit einigen Beschädigungen; undatiert.
Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse
Die vier, oder wenn man die beiden Abschriften der englischen Über-
1 Vgl. Quellenstudien, a.a.O. S. 114.
* a.a.O., S. 98ff. und S. 134.
Zu Friedrich Schlegels Handschriften seiner Übersetzimgen 331
Setzungen der Sakwntalä von Chables Welkins^ imd der Manusmrti
von William Jones* mitrechnen will, sechs Manuskripte Fb. Schlegels
zu seinen Übersetzungen aus dem Sanskrit bieten eine Menge Material,
besonders an Varianten, obgleich in den Handschriften der Schlegelschen
t3Tjersetzungen, wie erwähnt, schon nicht mehr seine ursprünglichen Ar¬
beitskonzepte vorliegen. Diese reichhaltigen Zeugnisse von soviel Mühe,
die sich Fe. Schlegel mit den indischen Stücken machte, bergen in ihrer
Fülle und in ihren verschiedenen Eigenschaften eine bestimmte Aussage¬
kraft, in erster Linie für die Schlegelforschung, doch ebensowohl für die
Geschichte der Indologie in Deutschland.
Um in Ergänzung zu den Quellenstvdien zu wesentlichen Resultaten zu
gelangen, erwies sich die Analyse als zweckmäßig. Die Ergebnisse der
formalen Analyse waren leicht zu ermitteln. Von den insgesamt ca. 230
Notizen wurde bei ungefähr 60 Prozent eine Variante als endgültige Fas¬
sung der jeweiligen Textstelle in den Druck aufgenommen, während bei
etwa einem Viertel die in linea stehende Version schließlich gedruckt
werden sollte. Der Rest indessen rekrutiert sich aus Stellen, die sich als
vom Druck verschieden erwiesen.
Nicht so einfach verhält es sich mit der Analyse der Funktion der ein¬
zelnen Notizen. Obgleich — wie in der Vorbemerkung erwähnt — eine
GUederung in stilistische, bedeutungsverändernde und metrische Vari¬
anten augenfällig erscheint, ergeben sich bei der Auswertung der Unter¬
suchung doch einige Schwierigkeiten. Das zeigte sich auch schon während
der Behandlung der einzelnen Stücke. Zwar läßt sich an der nachweis¬
baren Behauptung, daß die überwiegend meisten Varianten stilistischer
Art sind, nicht rütteln, doch muß man die Angabe von etwa 60 Prozent
genau so cum grano salis nehmen wie die ungefähre Zahl von 25 Prozent
für bedeutungsverändernde Versionen; denn in nicht wenigen Fällen hat
Fb. Schlegel gerade diejenigen Stellen, die er zuvor nicht richtig über¬
setzt hatte, später durch stilistische Bemühungen zu bessern gesucht.
Nicht uninteressant in diesem Zusammenhange sind solche Stellen, wo
Fr. Schlegel nachträglich die richtige Übersetzung durchstrich, um sie
durch eine andre, falsche zu ersetzen, wie z. B. in Bhagavadgitä IV. 10 c,
VII. 6 a und in Rämäyam I. 7 c, I. 1. 12 d, 30 d, 40 b, 62 d, 93 d. Beson¬
ders auffällig ist die Stelle hn Rämäyana I. 1. 30 d. Die später eingefügte
falsche Übersetzung dürfte also nicht auf einer bloßen Verwechslung von
suta — Sohn und süta — Wagenlenker beruhen, wie Oppenbebg kurz
kommentierte*, vielmehr kann man annehmen, daß Fe. Schlegel beide
Wörter wohl kannte, doch die richtige Übersetzung als lectio difficiUor
1 Chaeles Wilkins, The Story of Dooshwanta and Sacoontala, a.a.O.
* Wn/LiAM Jones, Institutes of Hindu Law, a.a.O.
* Vgl. Quellenstudien, a.a.O. S. 65.
332 Ubsula Stbuc
— da vorher nicht von einem Wagenlenker die Rede war — verwarf, um
unter Konjektur die falsche, aber besonders für den Leser einleuchtendere
Version vorzuziehen. Ein — wenngleich schwacher Versuch — einer Re¬
habilitierung Fb. Schlegels in diesem Falle.
Als bestätigende Ergänzung zu Oppenbeegs Ausführungen* über die
Unsicherheit Fb. Schlegels gegenüber solchen Begriffen wie rsi, devarsi,
räjarsi und muni sind die Varianten in Sakuntalä 66. 3 b (hier nicht auf¬
geführt), EämäyaTfa I. 2 d, I. 1. 44 c und I. 2. 2 d anzuführen. Dort findet
man für rsi die Übersetzungen Heil'ger, Seher, Vater, Altvater, auch
Rishi, für devarsi — Altvater und Heil'ger, und für muni — Einsiedler,
Frommer, Seher. Eine derartig wechselnde Übersetzung mit so vielen
Varianten macht Fb. Schlegels Unkenntnis der religionsinstitutionellen
Hintergründe der indischen Welt evident.
Einer wenigstens kurzen Erwähnung bedürfen noch Fb. Schlegels
Bemühungen um das Sloka-Metium. Auch hier wiederum ist manchmal
keine eindeutige Trennung zwischen metrischer und stilistischer Ände-
nmg in seinen Varianten diuchzuführen, weil jeder andere Ausdruck
doch immer genau in das Versmaß passen sollte. Und sein Ringen mit
dem Shka war so hart, daß dabei mitunter die syntaktische Verständ¬
lichkeit eines Satzes auf der Strecke blieb*. So ist die zahlenmäßige An¬
gabe der durch das Metrum bedingten Varianten von rund 15 Prozent
durchaus nicht zu hoch.
Repräsentativ für Fb. Schlegels Arbeit an diesen Übersetzungen ist
das Rämäyava-Stück in dieser Untersuchung. Es beansprucht hier im
Rahmen der Einzelbehandlungen mehr als die Hälfte des Raumes, wäh¬
rend es eigentlich nur etwas weniger als ein Drittel der vier Übersetzungen
darstellt. Der besondere Dokumentationswert dieses Stückes beruht auf
der außergewöhnlich hohen Anzahl von wichtigeren Varianten im Ver¬
gleich zu den anderen Übersetzungen. Der Grund für die besonders sorg¬
fältige Bearbeitung des Rämäyarfa liegt in dem schon erwähnten Mangel
an einer anderen Übersetzung, die Fb. Schlegel als Hilfsmittel hätte
verwenden können. Um der überzeugenden Authentizität wülen ist daher
eine unverkürzte Wiedergabe hier gerechtfertigt.
Zum Abschluß noch ein Wort zur Geschichte von Fb. Schlegels in¬
dischen Studien. Nachdem er im Februar 1803 mit dem Erlemen der
Sanskritsprache angefangen hatte, arbeitete er sich rasch und zielbewußt
innerhalb eines Dreivierteljabres* durch die Grammatik hindurch. Seine
Fortschritte sind in dem biographischen Abriß, den Oppenbebg anhand
von ,, Briefen und zeitgenössischen Dokumenten" am Anfang ihrer
« ebenda, S. 89 und 120f.
»ebenda, S. 121 ff.
• ebenda. S. llOff. und 128.
Zu Friedrich Schlegels Handschriften seiner Übersetzungen 333
Schlußbetrachtung gibt', ausführlich dargestellt. Trotzdem ist dazu noch
eine ergänzende Mitteilung einer Briefstelle zu machen, die auf S. 116/117
der Quellenstvdien einzufügen wäre. Und zwar handelt es sich um den
Brief Fb. Schlegels vom 22. IX. 1805, den er von Köln aus an den Ver¬
leger Georg Andreas Reimer schrieb. Darin sprach er auch über sein
Indienbuch :
„Nach der Messe denke ich werden Sie den poetischen Theil meines
indischen Werkes erhalten, nämlich die metrische Übersetzung, dem
die prosaische bald nachfolgen solP".
Wenn man diesem Brief Glauben schenken dürfte, so wäre Fk. Schlegel
demnach bereits zu diesem Zeitpunkt mit seinen Übersetzungen fertig ge¬
wesen. Man darf aber mitnichten; denn im November 1806 war er wieder
in Paris, wo er wahrscheinlich die Sakuntcdä übersetzte. Und noch im
Juni 1807 berichtete er seinem Bruder August Wilhelm über seine Arbeit
an der Rämdyana-Ühersetzung. Erschienen ist das Buch schließlich auch
nicht bei Reimer, sondern bei dem Verlag Mohr und Zimmer in Heidelberg.
Aber obgleich Fe. Sohlegels Hilfsmittel bei seinen indischen Arbeiten
heute für alles andre als genügend und zweckmäßig angesehen werden
müssen, — denn sie waren bei aller Kostbarkeit damals durch ihre kom-
pliziert-imübersichtliche Dürftigkeit eher abschreckend als zmn Studium
verlockend", — so ist es doch umso erstaunlicher, was für einen anregen¬
den Gebrauch er davon zu machen verstand. Gemeint ist das Buch
„Über die Sprache und Weisheit der Indier", das in seinem theoretischen
Teil auf den Erkenntnissen beruht, die Fe. Schlegel aus seinen im An¬
hang veröffentlichten Übersetzungen schöpfte.
' Vgl. ebenda, S. 110—120.
* J. A. Staegaedt, Autographen-Auktionskatalog Nr. 572, S. 58. — Er¬
worben wxu-de dieser Brief von dem Novalis-Herausgeber Richard Salomon,
der ihn demnächst auch veröffentlichen will.
» Vgl. Quellenstudien a.a.O. S. 123—128.
(h^M'
Terminologisches aus dem Vinaya
I der Mahäsämghika-Lokottaravädin
Von Gustav Roth, Göttingen
1. Zu Beginn des 5. Jhs. n. Chr. gelangte der chinesische Pilger Fa-
HsiEN nach Pätaliputra — dem heutigen Patna in Bihar —, wo er im
südlich vom Aäoka-StOpa gelegenen Devaräja-Vihära* eine Handschrift
des Disziplinskodex der buddhistischen Ordensgemeinde der Mahäsäm¬
ghika entdeckte. In China übersetzte Fa-Hsien zusammen mit dem
Inder Sri Buddhabhadba das ganze Werk in den Jahren 416—418 n.
Chr. in die chin. Sprache^.
Bisher war der Vinaya (Disziplinskodex) der Mahäsämghika mu in
dieser von Fa-Hsien besorgten chin. Übersetzung bekannt.
Unter zahlreichen aus Indien stammenden Handschriften fand Sri
Rähula SÄüfKBTYÄYANA 1934 Im Za-lu Kloster bei 2i-ga-rtse in Tibet
im 11. bzw. 12. Jh. n. Chr. geschriebene Palmblatthandschriften, die als
Disziplinartexte der Mabäsämgbika-Lokottaravädin — einer Abzwei¬
gung der Mahäsämghika —, unter den Titeln Bhik§wn,i- Vinaya (Abk. :
Bhi-Vin (Mä-L)), Bhikfu Pratimolc§a-Svtra (Abk.: Bhu Prätim {Mä-L)),
Bhiksu Abhisamäcärika-Dharma (Abk. : Bhu Abhis.-Dh. (Mä-L)) identi¬
fiziert werden kormten*.
Die folgenden Bemerkungen zur Terminologie beziehen sich auf die
drei eben genannten Texte. Hauptsächlich wird hierfür der Bhi-Vin
(Mä-L) Text herangezogen werden, der von mir im Auftrage des K. P.
Jayaswal Research Institute in Patna (Indien) bearbeitet worden ist
und dort gedruckt wird. Bhi-Vin (Mä-L), sowie Bhu Prätim (Mä-L)*
1 Diese Angaben finden sich in Fa-Hsiens „Meine Bemerkimgen zum
Mahäsäihghika-Vinaya" am Ende des dem Bhik?unl-Praklrnaka des Bhi-
Vin (Mä-L) entsprechenden Abschnittes von chin. Mä in Taisho XXH,
p. 548 Z. 4—9 r. Femer in Fa-Hseens A Record of BuMhistic Kingdome or
His Travels in India and Ceylon (A. D. 399—414), transi. and annotated by
J. Legge, Oxford 1886, pp. 98, 99 u. p. 78.
' Fa-Hsiens Übersetzung des Mahäsämghika-Vinaya (Abk. : chin. Mä)
hegt in der Taisho-Ausgabe Vol. XXII, pp. 227a — 549a vor.
* Bhi-Vin (Mä-L) u. Bhu Abhis.-Dh. (Mä-L) wurden von R. SäStk^tyä-
YANA, Palm-Leaf MSS. in Tibet, Joimial of the Bihar and Orissa Society,
21 (1935), Patna, p. 28 unter HI. 3. 12 vorläufig als Bhikpi-praklnyihi- vinaya bezeichnet.