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Archiv "Besonnene Realpolitik in innerärztlicher Solidarität: Eine Ansprache an den Hartmannbund" (20.11.1980)

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NACHRICHTEN

Konjunktur bleibt auf Talfahrt

Seit Mai gibt es kein reales Wachs- tum des Sozialprodukts mehr. Die Produktion stagniert; die Aufträge gehen zurück; die Arbeitslosen- zahlen steigen; der Preisauftrieb scheint sich vorerst nicht weiter zu verlangsamen; die Bundesrepu- blik wird 1980 ein Rekorddefizit in der Leistungsbilanz von etwa 27 Milliarden DM erreichen. Dies sind die Ausgangsdaten für die kon- junkturelle Entwicklung im näch- sten Jahr. Trotz dieses unerfreuli- chen Bildes sprechen weder die Bundesregierung noch die fünf Konjunkturforschungs-Institute für 1981 von einer Rezession. Die Institute erwarten ein „Null- Wachstum". Die Bundesregierung hält eine reale Wachstumsrate beim Sozialprodukt zwischen 0,5 und 1 Prozent für möglich.

Das ist eine vorläufige Zahl. Die Daten des Jahreswirtschaftsbe- richts, die im Januar kommen, können anders aussehen, wahr- scheinlich ist dies freilich nicht.

Interessant ist, daß das Bundes- wirtschaftsministerium in seinem Datenkranz, der den Finanzbe- rechnungen der Sozialversiche- rung und der nächsten Steuer- schätzung zugrunde gelegt wer- den dürfte, einen Gleichschritt bei den Brutto-Einkommen aus Unter- nehmertätigkeit und bei den Brut- to-Einkommen aus unselbständi- ger Arbeit ausgeht; für 1981 wird ein Zuwachs von vier Prozent un- terstellt. Daraus leitet das Ministe- rium einen Anstieg der Brutto- lohn- und Gehaltssumme je Ar- beitnehmer von 4,5 Prozent nach knapp sieben Prozent im laufen- den Jahr ab. Aus dieser Zahl las- sen sich Rückschlüsse auf die Grundlohnentwicklung ziehen, al- so auf das zentrale Datum der

„Konzertierten Aktion im Gesund- heitswesen". Die Schätzung der

Konjunkturforschungsinstitute liegt mit etwa fünf Prozent etwas höher.

Sicher ist jedenfalls, daß in der Lohnrunde 1980, wie sich jetzt zeigt, der Verteilungsspielraum überschätzt wurde; ebenso sicher ist, daß der Verteilungsspielraum 1981 noch kleiner sein wird. Soll- ten Tarifparteien das nicht berück- sichtigen, wird der Preis dafür mit einer steigenden Inflationsrate und höherer Arbeitslosigkeit zu zahlen sein. Lohnpolitische Ver- nunft unterstellt, rechnet die Bun- desregierung mit einer Arbeitslo- senzahl zwischen 1 und 1,1 Millio- nen, die Institute mit mehr als 1,1 Millionen.

Die Konjunktur wechselt in das neue Jahr mit einem „negativen Überhang" von 1 bis 1,5 Prozent;

die Wachstumsrate liegt am Jah- resende also unter der jahres- durchschnittlichen Zuwachsrate.

Wenn unter dieser Voraussetzung überhaupt eine positive Wachs- tumsrate in 1981 erzielt werden soll, so muß die Konjunktur die Phase der Stagnation spätestens zur Jahresmitte überwinden und in einen Aufschwung einmünden.

Die Prognosen unterstellen also, daß es im Verlauf von 1981 wieder aufwärts geht, nach den Erwartun- gen des Bonner Ministeriums et- was früher als nach den Erwartun- gen der Institute. Hoffentlich trü- gen diese Hoffnungen nicht, die sich darauf stützen, daß die Unter- nehmen ihre Investitionen durch- halten und später auch wieder ver- stärken.

Entscheidende Bedeutung wird gewiß der nächsten Lohnrunde zukommen. Der von der Bundes- regierung angestrebte Konsolidie- rungskurs in der Finanzpolitik wird, da auch investive Ausgaben in die Streichaktion einbezogen werden, eher die Wachstumskräf- te schwächen. Jetzt rächt sich, daß die Verschuldung nicht früher eingeschränkt worden ist; dann gäbe es heute mehr Spielraum.

Statt antizyklischer Finanzpolitik wird seit Anfang 1979 eine pro- zyklische Finanzpolitik gegen alle Regeln der ökonomischen Kunst

betrieben. Die Bundesregierung hat sich in eine Position gebracht, in der sie fast nur noch falsche Entscheidungen treffen kann.

Auf die Bundesbank kann man auch nicht setzen. Das gewaltige Leistungsbilanzdefizit von etwa 27 Milliarden Mark in diesem Jahr und das hohe Zinsniveau im Aus- land machen es der Bundesbank schwer, der binnenwirtschaftli- chen Abschwächung in der Geld- und Zinspolitik Rechnung zu tra- gen. Würde die Notenbank den Li- quiditätsspielraum der Wirtschaft durch Lockerung der Geldpolitik und Absenken der Leitkurse ver- größern, so müßte dies unweiger- lich auf den Wechselkurs durch- schlagen und zu einer weiteren Abwertung der D-Mark führen. Ab- wertung bedeutet zwar die Ver- besserung der Exportchancen, zu- gleich aber auch Verteuerung der Einfuhr, nicht zuletzt des Öls.

Die Bonner Politik sieht trotz der Talfahrt der Konjunktur keinen

„Handlungsbedarf" für die Wirt- schaftspolitik. Hier wird offen- sichtlich aus der Not eine Tugend gemacht, denn sicherlich würde die Bundesregierung bei einem niedrigeren Schuldenstand eine expansivere Ausgabenpolitik be- treiben. So sieht sich Matthöfer gezwungen, den Ausgabenzu- wachs auf ganze vier Prozent zu begrenzen. Die Neuverschuldung soll 27 Milliarden Mark nicht über- schreiten, was etwa der Verschul- dung im laufenden Jahr ent- spricht. Trotz drastischer Steuer- erhöhungen und des Abbaus einer Reihe von Subventionen ergibt sich unter dem Strich also keine Konsolidierung.

Bei realistischer Einschätzung wird man sogar mit einem weite- ren Anstieg der Verschuldung rechnen müssen, denn sollte es nicht frühzeitig in 1981 zu der er- hofften „Trendwende" in der Kon- junktur kommen, so muß mit be- trächtlichen Steuerausfällen und mit Konjunkturprogrammen ge- rechnet werden, was nur mit Kre- diten zu finanzieren wäre. wst

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 47 vom 20. November 1980 2781

(2)

Als derjenige, der für die Kassen- ärzteschaft Verantwortung zu tra- gen hat, gehöre ich zu den Freun- den und aufmerksamen Beobach- tern der Verbandsarbeit des Hart- mannbundes, und ich bin dankbar dafür, den Auftrag zu haben, zum 80jährigen Bestehen seiner Haupt- versammlung eine politische Aus- sage der Kassenärztlichen Bun- desvereinigung überbringen zu dürfen. Meine Grüße überbringe ich zugleich im Namen des Präsi- denten der Bundesärztekammer, und ich verbinde mit diesen offi- ziellen Grüßen meine ganz per- sönlichen und sehr herzlichen Ge- nesungswünsche an Ihren Ehren- vorsitzenden, meinen langjähri- gen Freund und Weggefährten Gerhard Jungmann.

Der „Verband der Ärzte Deutsch- lands" weiß um die Schwierigkei- ten, welche gerade jetzt bei dem Bemühen um die Erhaltung und Festigung unseres Systems der sozialen und gesundheitlichen Si- cherung zu bewältigen sind. Ich wende mich daher an einen guten Nachbarn, wenn ich darum bit- te, bei der Bewältigung dieser Schwierigkeiten wie bisher dazu beizutragen, mit einer besonne- nen Realpolitik unter Erhaltung innerärztlicher Solidarität fort- schrittliche und für alle tragbare Lösungen möglich zu machen.

Vielleicht könnte manch einer meine einleitenden Worte nur für eine Höflichkeitsfloskel halten, denn es ist ja kein Geheimnis, daß es zwischen einigen Verbänden und den Körperschaften der ärztli- chen Selbstverwaltung in den letz- ten Monaten zu einer gewissen

Abkühlung gekommen ist. Sie hat ihre Ursache primär in der ver- ständlichen Enttäuschung über die alle Honorarvereinbarungen abwertende gesamtwirtschaftliche Entwicklung, reicht aber auch, was sehr viel schwerer wiegt, bis zu Angriffen gegen die KBV als Institution mit dem Vorwurf, daß sie in Erfüllung der ihr vom Ge- setzgeber übertragenen Aufgaben angeblich nicht bereit sei, die In- teressen der Kassenärzte mit der notwendigen Härte zu vertreten.

Der Hartmannbund hat sich von solcher Kritik nicht ausgeschlos- sen. Aber er anerkennt auch — was dankbar vermerkt sei — die Schwierigkeiten, denen wir bei un- seren vordringlichen Bemühun- gen um die Erhaltung unseres frei- heitlichen Systems der sozialen Gesundheitssicherung heute ganz besonders begegnen. Das ent- spricht der Tradition und Bedeu- tung des Hartmannbundes in sei- ner nunmehr achtzigjährigen Ge- schichte. Und das ist auch einer der Gründe, warum meine Grüße keine leere Floskel sind, sondern innerer Überzeugung und den Ge- fühlen langjähriger Verbundenheit entspringen.

Lassen Sie mich zu Ihrer Tradition in wenigen Sätzen die Situation der Kassenärzte bei der Gründung

') Der Erste Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung richtete die hier — für den Druck gekürzt—wiedergegebene Gruß- ansprache an die Hauptversammlung des Hartmannbundes, die am 25. Oktober 1980 in Baden-Baden der Gründung des „Ver- bandes der Ärzte Deutschlands zur Wah- rung ihrer wirtschaftlichen Interessen"

durch den Leipziger Arzt Dr. Hermann Hart- mann vor achtzig Jahren gedachte (siehe auch Bericht auf Seite 2818).

des Hartmannbundes oder des

„Leipziger Verbandes", wie er da- mals hieß, in die Erinnerung zu- rückrufen. Dies nicht nur aus hi- storischem, sondern durchaus ak- tuellem Interesse.

Mit der Einführung und dem Aus- bau der nun fast hundert Jahre alten gesetzlichen Krankenversi- cherung wandelte sich auch das Arztbild ganz entscheidend. Der Hausarzt des 19. Jahrhunderts, der von seiner bürgerlichen Klien- tel lebte und die Behandlung der ärmeren Schichten als „nobile of- ficium" betrieb, wurde nach und nach durch ein beängstigend wachsendes Heer von Ärzten er- setzt, die wirtschaftlich an den Rand des Bürgertums hin zum Proletariat gedrängt wurden. Wäh- rend die Krankenkassen bald zu Zusammenschlüssen kamen, stand der Kassenarzt bei seinem Antrag auf Zulassung den Kran- kenkassen als einzelner gegen- über und wurde von diesen in ge- radezu frühkapitalistischer Manier ausgebeutet. Man diktierte ihm ei- ne Pauschalvergütung seiner Lei- stungen, schrieb ihm seine Sprechstunden vor und strich ihn aus den Listen, wenn er zu prote- stieren wagte.

Grundsäulen bis heute:

Freie Arztwahl und Vertragsfreiheit

Es ist das bleibende Verdienst Herrmann Hartmanns, Praktiker in einem Vorort von Leipzig, die zer- splitterte Masse der Ärzte damals durch Überzeugung, notfalls aber auch durch syndikalistische Härte zusammenzuschließen zur Wah-

rung der materiellen Interessen der Ärzte, wie es bei der Gründung seines Verbandes ausdrücklich hieß.

Er hat es geschafft, Forderungen durchzudrücken, die bis heute zu den tragenden Säulen unseres Sy- stems wurden: die freie Arztwahl und die Vertragsfreiheit. Ohne Hartmann und das Werk seiner Nachfolger wäre nach meiner NACHRICHTEN

Besonnene Realpolitik

in innerärztlicher Solidarität

Eine Ansprache an den Hartmannbund*)

Hans Wolf Muschallik

2782 Heft 47 vom 20. November 1980 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

(3)

Bericht und Meinung Innerärztliche Solidarität

Überzeugung unser heutiges Kas- senarztrecht kaum denkbar.

In der Zeit der Weltwirtschaftskri- se, die Deutschland mit voller Wucht traf, wurden die Ärzte wirt- schaftlich weit zurückgeworfen.

Damals kam es durch die Initiative des Hartmannbundes über den Weg einer Notverordnung 1931 zur Festlegung des Rechts auf Kassenzulassung und zur Institu- tionalisierung der ärztlichen Selbstverwaltung in Körperschaf- ten öffentlichen Rechtes, den Kas- senärztlichen Vereinigungen. Der Vorstand des regionalen Hart- mannbundes wurde Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung.

Warum dieser geschichtliche Rückblick heute und von mir? Die Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie gleicht sich oft. Die Bun- desrepublik Deutschland 1980 ist nicht das Kaiserreich von 1900 oder die Weimarer Republik von 1931. Wir haben kein Massen- elend, keine sechs Millionen Ar- beitslosen und keine recht- und machtlose Ärzteschaft. Wir stehen aber möglicherweise in einem Prozeß, der kaum weniger kritisch ist als der, in den Hermann Hart- mann vor 80 Jahren eingegriffen hat.

Wir haben zwar ein Krankenversi- cherungssystem und eine kassen- ärztliche Versorgung, die sich in Jahrzehnten hervorragend be- währt haben und die bis heute kei- ne „verkrusteten Strukturen" dar- stellen, sondern den sich wan- delnden gesellschaftlichen Ver- hältnissen angepaßt werden konnten.

Systemzerstörung?

Kein utopisches Zerrbild!

Dennoch ist eine von mancher Seite angestrebte Systemzerstö- rung leider kein utopisches Zerr- bild:

> Es geht in Wirklichkeit gewis- sen Kräften nach wie vor darum, das System der gegliederten Kran- kenversicherung durch eine Ein-

heitsorganisation zu ersetzen, in der man vorhandene Kassen als trügerische Fassade nominell be- stehen lassen will.

> Es geht darum, das Versiche- rungssystem, bei dem die Höhe der Beiträge vom Umfang der zu gewährenden Leistungen be- stimmt wird, durch ein Versor- gungssystem mit „einnahmen- orientierter Ausgabenpolitiik" zu ersetzen, was nichts anderes be- deutet, als daß nicht mehr die Lei- stung den Preis bestimmt. Man be- treibt gleichsam das Gegenstück zur Agrarpolitik, wo der Preis der Leistung garantiert wird, und ga- rantiert ärztliche Leistungen zu diktierten Preisen.

> Es geht darum, daß nach und nach Randgruppen aus nichtärzt- lichen Heilberufen Teile des Si- cherstellungsauftrages überneh- men, und

> es geht darum, Angehörige ei- nes Freien Berufes als anachroni- stisch hinzustellen und der großen Arbeitnehmergesellschaft zu assi- milieren. Nicht in der Form der So- zialisierung, wie man früher mein- te. Nicht, indem man etwa jeden niedergelassenen Arzt in einem staatlich geleiteten Ärztehaus an- stellt, sondern indem man den Freiraum der ärztlichen Selbstver- waltung schrittweise einengt und von verschiedenen Seiten her ei- nen fast lautlosen Nivellierungs- prozeß einleitet.

Wenn ich zu Beginn die Spannun- gen innerhalb der Ärzteschaft be- dauerte, dann nicht, weil ich etwa die Bedeutung von Honorarver- handlungen unterschätze oder mir der Bedrohung des Realeinkom- mens unserer niedergelassenen Kassenärzte nicht bewußt wäre, aber ich meine, daß nichts für die Ärzteschaft in der heutigen Situa- tion gefährlicher ist, als nur ge- bannt auf Prozent-Bruchteile bei den Honorarergebnissen zu star- ren und darüber die Aushöhlung und Unterspülung der Fundamen- te unseres Systems zu übersehen, welche identisch sind mit der Exi-

stenzgrundlage jedes einzelnen Kassenarztes.

Körperschaften und Verbände mit vereinten Kräften

Die Kassenärztlichen Vereinigun- gen sind nicht sakrosankt, und der Vorstandsvorsitzende der KBV ge- nießt nicht das königliche Verfas- sungsprivileg, kein Unrecht tun zu können. Aber ich halte es für ver- hängnisvoll, wenn Ärzte ihre Hand dazu bieten würden, die Rechts- grundlagen ihrer vermeintlich ste- ril gewordenen Selbstverwal- tungskörperschaften zu zerstören, um einen Kampf in der Art der Industriegewerkschaften zu pro- pagieren. Wenn solches gelingen sollte, könnte es den politischen Selbstmord der Ärzteschaft be- deuten.

Sollten wir nicht eher erkennen, daß beide, Körperschaften und Verbände, fest umrissene Aufga- ben haben und daß sie mit verein- ten Kräften sich einer für sie und unser Gesundheitswesen ver- hängnisvollen Entwicklung mit größeren Erfolgsaussichten ent- gegenstemmen können?

Ich meine, daß der Hartmannbund durch seine Geschichte und seine Integrationskraft hier eine beson- dere Aufgabe hat — den Koopera- tionsbeschluß seiner Hauptver- sammlung werte ich in diesem Sinne —, und ich freue mich, daß der Hartmannbund die eigentli- chen Ziele nie aus den Augen ver- loren hat,

> nämlich die Festigung und den Leistungsausbau der ärztlichen Versorgung durch niedergelasse- ne Ärzte als eine der tragenden Säulen unseres Gesundheitswe- sens zu schützen,

> die gegliederte Krankenversi- cherung zu verteidigen und

> sich gegen die unter dem Deck- mantel der sozialen Sicherheit ausbreitende Allmacht des Staates zur Wehr zu setzen.

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 47 vom 20. November 1980 2783

(4)

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2784 Heft 47 vom 20. November 1980 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Bericht und Meinung

Innerärztliche Solidarität

• Wer heute die Kostenentwick- lung im Gesundheitswesen an- prangert, sollte auch bereit sein, eine unverkennbare staatliche Überversorgung zu überprüfen;

• er sollte bereit sein, Eigenver- antwortung und Leistungsbereit- schaft zu fördern und das An-

•spruchsdenken gegenüber dem Staat abzubauen.

Wem nützt denn heute ein immer engeres, kaum noch bezahlbares Netz von öffentlichen Hilfen, in welchem sich immer mehr „Be- günstigte" verfangen, wenn am Ende Leistungswille, Einsatzfreu- de, ja sogar Opferbereitschaft am Gepäckschalter des Staates abge- geben werden und allgemeine Volkswohlfahrt in Empfang ge-

nommen wird!

Eigen- und Mitverantwortung jedes einzelnen mobilisieren Im wohlverstandenen Interesse seines Patienten braucht der Arzt auch heute ein hohes Maß an Frei- heit, damit er eine von sachfrem- den administrativen Einflüssen freie Gewissensentscheidung tref- fen kann. Dabei sollte noch we- sentlich mehr Mühe aufgewendet werden, um die Eigen- und Mitver-

antwortung jedes einzelnen für seine Gesundheit nachhaltig zu mobilisieren.

Wir können aber auch auf hoch- spezialisierte, wenn auch un- persönliche Großkrankenhäuser nicht verzichten und sollten nicht vergessen, daß die meisten der für die Grundversorgung dringend nötigen kleinen Krankenhäuser mit ihrer Patientennähe und den Vergelt's-Gott-Schwestern nicht durch den medizinischen, son- dern durch den sogenannten so- zialen Fortschritt verdrängt wor- den sind.

Ich erwähne dies nicht als Auffor- derung zu dem, was man als „so- ziale Demontage" zu verteufeln pflegt, sondern um darzulegen, daß man Kostendämpfung nicht durch „Lohndrückerei" und mehr Dirigismus bei den niedergelasse- nen Ärzten erreichen kann.

Die Kassenärzteschaft ist im Rah- men des Zumutbaren wie bisher bereit, auch weiterhin verantwor- tungsbewußt ihren Beitrag zur Er- haltung und zur Kostenbalance des deutschen Gesundheitssiche- rungssystems zu leisten.

Es wird aber auch zwingend erfor- derlich sein, volkswirtschaftliche

Fakten nicht nur durch die Brille von Parteiprogrammen zu be- trachten, und es wird erforderlich sein, die Lasten gleichmäßiger zu verteilen und nicht erneut zu ver- suchen, Kosten der sozialen Si- cherung auf die Krankenversiche- rung zu überwälzen und im nach- hinein deren Kostenexplosion zu beklagen. Man darf die Beitrags- zahler nicht zu Lasteseln und die

Kassenärzte nicht zu Sündenbök- ken der Nation machen!

Aber auch wir Ärzte sind in Er- kenntnis dieser nur angedeuteten vielschichtigen und schwierigen Probleme zur Mitgestaltung und Lösung aufgerufen. Dabei genügt es nicht zu wissen, sondern man muß auch anwenden, und es ge- nügt nicht zu wollen, man muß auch tun!

Bemühen wir uns darum, das möglicherweise manchmal unsere Reihen Trennende zu überwinden, und wirken wir in Gemeinsamkeit im Interesse des Menschen und unseres Volksganzen daran mit, daß unser freiheitliches Gemein- wesen in all seinen Bereichen kei- nen Schaden nimmt und unse- rer sozialen Krankenversicherung und den in ihr wirkenden Kassen- ärzten der bisherige Freiraum er-

halten bleibt.

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