Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 105⏐⏐Heft 43⏐⏐24. Oktober 2008 A2255
P O L I T I K
O
b nun steigende Personalkos- ten, höhere Mehrwertsteuer oder explodierende Energiepreise:Auch Kliniken, die ihr Geld spar- sam einsetzen, haben mit Ausgaben zu kämpfen, die sie nicht beeinflus- sen können. Dass die Krankenhäu- ser zusätzliche Finanzmittel brau- chen, hat mittlerweile auch die Poli- tik erkannt. Der Entwurf für das Krankenhausfinanzierungsrahmen- gesetz sieht eine Finanzspritze in Milliardenhöhe vor. Außerdem sol- len die Ausgaben der Krankenkas- sen für den stationären Akutbereich nicht länger an die Entwicklung der Grundlohnsumme gekoppelt sein, wie dies im Sozialgesetzbuch (SGB) bislang vorgesehen ist. Stattdessen soll das Statistische Bundesamt ei- nen Orientierungswert ermitteln, der die tatsächliche Kostensteige- rungen besser abbildet als die bis- herigen Veränderungsraten.
Die Mehrausgaben, von denen die Krankenhäuser betroffen sind, wirken sich aber auch auf die Reha- kliniken aus. Die Spitzenverbände der Leistungserbringer in der medi- zinischen Rehabilitation fordern deshalb in einer Resolution gleiches Recht für alle. „Die Preisbildung für Rehabilitationsleistungen muss von der Grundlohnrate abgekoppelt und die Anwendbarkeit des für die Kran- kenhäuser geplanten ,Klinikkosten- indexes‘ ermöglicht werden. Ande- renfalls ist eine spürbare Ver- schlechterung der Versorgung vor allem chronisch kranker älterer Menschen nicht mehr zu verhin- dern“, heißt es in der Erklärung.
Ob die Kopplung an die Grund- lohnsumme für die Rehabilitations- einrichtungen überhaupt gilt, ist al- lerdings umstritten. Mit dem Pflege- Weiterentwicklungsgesetz wurde die Budgetierung für Vorsorge- und Re- haleistungen zulasten der gesetzli-
chen Krankenversicherung (GKV) gestrichen. Davon gingen zumindest die Rehaanbieter aus. Zum 1. Juli entfiel § 23 Absatz 8 SGB V und da- mit der Verweis darauf, dass die Ver- änderungsrate (§ 71 SGB V) für die Preisbildung bei der Rehabilitation relevant ist. Das hat den Kliniken in den Pflegesatzverhandlungen aber offenbar nichts genützt. „Die Kran- kenkassen berufen sich nach wie vor auf die Grundlohnsumme. Wir brau- chen deshalb dringend eine rechtli- che Klarstellung“, fordert Dr. Wolf- gang Heine, Geschäftsführer der Deutsche Gesellschaft für Medizini- sche Rehabilitation (DEGEMED).
Die DEGEMED ist einer von zwölf Verbänden, die die Resoluti- on unterzeichnet haben und die rund 90 Prozent der Rehakliniken in
Deutschland repräsentieren. In der Erklärung weisen die Interessenver- treter auf die schwierige Lage der medizinischen Rehabilitation hin.
Seit Einführung der Diagnosis Re- lated Groups (DRGs) im Aktusektor würden die Patienten immer früher aus dem Krankenhaus entlassen. In der Vergütung der Reha spiegele sich der zusätzliche Aufwand aber nicht wider. Die Rehakliniken be- klagen vielmehr ein Preisdiktat der Kassen: Akzeptierten sie die Vergü- tung nicht, würden sie nicht mehr belegt und ihnen drohe Leerstand und Insolvenz, so die Kritik.
Mit Einführung des Gesundheits- fonds wird sich die Lage der Reha- bilitation noch verschlechtern, glau- ben die Rehaverbände. Denn Kas- sen, die mit dem einheitlichen Bei- tragssatz nicht auskommen, müssen einen Zusatzbeitrag erheben. „Die Krankenkassen werden so viel spa- ren, wie es irgend geht. Und wenn gespart wird, trifft es erfahrungs- gemäß zuerst die Reha“, sagt DEGEMED-Geschäftsführer Heine.
Eigentlich war es ein erklärtes Ziel der Großen Koalition, die Re- habilitation zu stärken. Mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz wurden alle Rehabilitationsleistun- gen zu Pflichtleistungen der Kran- kenkassen. Aus Sicht der Reha- einrichtungen hat sich durch die Neuerung aber bislang kaum etwas geändert. „Fakt ist, dass gerade chronisch kranke ältere Menschen vielfach keine Rehabilitation be- kommen oder nur im Anschluss an einen Krankenhausaufenthalt. Der Grundsatz Reha vor Pflege wird nach wie vor nicht in die Praxis umgesetzt“, kritisiert Heine. I Dr. med. Birgit Hibbeler
MEDIZINISCHE REHABILITATION
Kosten steigen, Vergütung stagniert
Die Rehakliniken stehen finanziell unter Druck. In einer Resolution fordern die Reha- spitzenverbände deshalb: Die Vergütung von Rehabilitationsleistungen zulasten der Krankenkassen muss von der Grundlohnsummenentwicklung abgekoppelt werden.
Die Resolution der Rehaverbände im Internet:
www.aerzteblatt.de/plus4308
@
Rehabilitation wird immer auf- wendiger:Das Durchschnittsalter der Patienten steigt.
Wegen der DRGs werden sie schneller aus dem Kranken- haus entlassen als früher.
Foto:Picture-Alliance/Keystone