• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "„G-BA und Akupunktur: Der Kaiser ist nackt“ / „Bundesausschuss: Akupunktur als Regelleistung“: Spektakuläre Forschung in Japan" (17.07.2006)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "„G-BA und Akupunktur: Der Kaiser ist nackt“ / „Bundesausschuss: Akupunktur als Regelleistung“: Spektakuläre Forschung in Japan" (17.07.2006)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Der Kaiser ist nicht nackt

In dem Kommentar wird behauptet, dass die Akupunkturpunkte mit kei- nerlei naturwissenschaftlichem Verfah- ren einer anatomischen Struktur oder Funktionseinheit zugeordnet werden könnten. Man kann sich nur immer wieder wundern, wie unter dem Deck- mantel der Wissenschaftlichkeit un- liebsame Fakten nicht zur Kenntnis ge- nommen werden. Schließlich gibt es schon seit einem halben Jahrhundert die Internationale Gesellschaft für Elektroakupunktur nach Voll (EAV).

Die EAV basiert auf der Tatsache, dass sich jeder Akupunkturpunkt durch ei- nen niedrigeren Hautwiderstand von seiner Umgebung hochsignifikant un- terscheidet, eine Tatsache, die mit ge- eigneten Messgeräten an jedem Men- schen, an jedem Ort und jederzeit re- produzierbar nachgewiesen werden kann. Außerdem ist es offenbar der ge- schätzten Aufmerksamkeit des Autors entgangen, dass schon vor vielen Jah- ren Prof. Hartmut Heine von der Uni- versität Witten/Herdecke herausgefun- den hat, dass unter allen Akupunktur- punkten jeweils die Durchtrittsöffnung eines Nerven durch eine Faszie zu fin- den ist. Somit liegt allen Akupunktur- punkten sowohl eine eindeutige elek- trophysiologische als auch eine anato- mische Realität zugrunde. Der Kaiser ist nicht nackt . . .

Peter Cornelius,

Wiesenstraße 4, 82269 Geltendorf

Wissenschaftliche Ergebnisse werden missachtet

Der Kaiser ist nackt. Mit größter Sorge muss man beobachten, wie sich Schritt für Schritt alternative Heilverfahren ohne wirklichen und wissenschaftlich eingeführten Erfolgsnachweis ausbrei- ten. Man muss befürchten, dass der Hinweis auf jahrtausendealte Praktiken und auf fernöstliche Weisheit genügt, um Akzeptanz zu finden. Selten nur findet man Mediziner, die es wagen, Scharlatane auch wirklich Scharlatane und Quacksalber auch wirklich Quack- salber zu nennen. Man könnte dem langsamen Diffusionsprozess, mit dem sich irrationale Verfahren und Behand- lungsmethoden im Bewusstsein der Öf- fentlichkeit ausbreiten, gelassener zuse- hen, wenn nicht die ärztliche Fürsorge- pflicht aufgerufen wäre, den Patien- ten vor Schaden zu bewahren. Dazu kommt, dass es nicht einzusehen ist, dass die Solidargemeinschaft für unsin- nige und nachweisbar unwirksame Be- handlungsmethoden bezahlen soll. Was kann den G-BA dazu bringen, wissen- schaftliche Ergebnisse zu missachten und die Akupunktur, zumindest für zwei Indikationen in ihren Leistungs- katalog aufzunehmen? Mit bewunde- rungswürdiger Klarheit und überzeu- gender Sachlichkeit hat Till Spiro in seinem Kommentar auf den nackten Kaiser hingewiesen. Wenn es doch mehr Ärzte seiner Überzeugung gäbe, die sich dem Trend zum Irrationalen widersetzen und damit sehr viel für das Wohl des einzelnen Patienten und für das gesamte Gesundheitswesen tun.

Prof. Dr. Bernd Schmidt, Juvenellstraße 45, 90419 Nürnberg

Mutiger Artikel

Endlich mal wieder ein mutiger Artikel, der sich dem derzeitigen Zeitgeist der pseudoalternativen Medizin entgegen- stemmt: Ich kann dem Autor nur dazu gratulieren. Der Titel passt: das entspre- chende Märchen – „Des Kaisers neue Kleider“ – habe auch ich schon oft den Eltern meiner Patienten zur Erläu- terung obskurer Therapieverfahren in Erinnerung gerufen. Sicherlich wird die Resonanz zu dem Kommentar von

Herrn Kollegen Spiro vor allem von Akupunkturanhängern groß und wü- tend ausfallen. Ich freue mich schon auf die Leserbriefe.

Dr. Matthias Wirmer,

Am Glockenbusch 12, 33106 Paderborn

Vorteil für den Scheinakupunkteur

Ich begrüße ausdrücklich den Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), künftig Akupunkturleistungen in den Leistungskatalog der GKV aufzu- nehmen. Als Scheinakupunkteur kann ich nun weiterhin (mit nachweislich glei- chem Erfolg wie die „echte“ Akupunk- tur übrigens) meine Scheinakupunktu- ren als IGeL-Leistung anbieten und mir zudem lästige, zeitaufwendige Zu- satzweiterbildungen für irgendwelche

„Akupunkturdiplome“ ersparen.

Dr. Helmut Olms,

St.-Konrad-Straße 43, 88250 Weingarten

Spektakuläre Forschung in Japan

Der Kollege Spiro hat sich sicher nie theoretisch oder praktisch mit der Tra- ditionellen Chinesischen (Japanischen) Medizin (TCM) auseinander gesetzt. Er fühlt sich mit seinem Urteil über die Akupunktur sehr sicher auf dem Boden einer nur noch als mittelalterlich zu be- zeichnenden Lehrmeinung der Schul- medizin, die jetzt zum evidenzbasierten Zwangssystem ausgebaut wird . . . Es ist ihm sicher auch unbekannt, dass in Japan neben einer hoch entwickelten westlichen Medizin Universitätsinstitute für Traditionelle Medizin betrieben wer- den, an denen nur studieren darf, wer ein westliches Medizinstudium absolviert hat. In diesen Instituten wird spekta- kuläre Forschung betrieben, die der westlichen Medizin ungeahnte Impulse geben könnte . . . Zu Recht kritisiert der Kollege Spiro den Modellversuch über die Wirkung der Akupunktur. Der hat viel Geld verschlungen und ist von den Standards und somit vom Ergebnis her unsinnig. Eine Sham-(Placebo-)Aku- punktur ist per definitionem nicht mög- lich. Kranke Punkte sind tastbar und ha- ben eine ausgeprägte sensible Qualität.

T H E M E N D E R Z E I T

A

A1952 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 28–29⏐⏐17. Juli 2006

zu dem Kommentar

„G-BA und Akupunktur:

Der Kaiser ist nackt“

von Dr. med. Till Spiro und der Meldung

„Bundesausschuss:

Akupunktur

als Regelleistung“

in Heft 17/2006

DISKUSSION

(2)

T H E M E N D E R Z E I T

Bei derselben schulmedizinischen Dia- gnose differieren sie von Patient zu Pa- tient, weil die TCM einen anderen Krankheitsbegriff hat. Sie denkt induk- tiv-synthetisch, während wir im Westen angelehnt an die exakten Naturwissen- schaften kausal-analytisch denken. Der Modellversuch kommt mir deshalb so vor, als wollte man die Regeln der engli- schen Grammatik mithilfe der Mathe- matik beweisen . . . Mit einer lege artis – sinensis – durchgeführten Ganzkörper- Akupunktur, eventuell in Verbindung mit fernöstlicher Phytotherapie kann man z. B. 70 Prozent der Migräniker heilen:

für viele Jahre oder lebenslang. Natürlich entfallen dann die Umsätze u. a. mit den teueren Triptanen, und vielleicht ist das der Grund, warum die Migräne aus der neuen Regelung genommen wurde . . .

Dr. med. Anna Hutzel,

Richard-Riemerschmid-Allee 28, 81241 München

Verfälschte Studienergebnisse

Aus den Ergebnissen des Modellver- suchs (speziell dem der Bundesknapp- schaft, dem sich ja alle Primärkassen an- geschlossen haben) herauslesen zu wol- len, dass die Akupunktur nach TCM- Kriterien sich nicht von der Akupunktur von „Nichtakupunktur“-Punkten oder gar Placeboakupunktur unterscheidet ist m. E. nicht haltbar: Das Knapp- schaftsmodell sah ja eine Aufteilung der Patienten in eine Verum- und eine Placebogruppe vor, d. h., die Akupunk- turärzte sollten per Münzwurf entschei- den, ob ein Patient eine reguläre oder aber eine Scheinakupunktur bekom- men solle. Auch mir wurde vor Beginn der Modellversuche ein entsprechendes Vertragsformular von der Bundes- knappschaft vorgelegt. Da meine Pati- enten in der Regel unter einer langjähri- gen Schmerzanamnese zu leiden haben, habe ich es seinerzeit aus ethischen Gründen abgelehnt, an dem Knapp- schaftsmodell teilzunehmen, da ich es den Patienten nicht zumuten wollte, sich monatelang in der Placebogruppe einer unwirksamen Schmerzbehandlung zu unterziehen. Ich bin sicher, dass auch die meisten Kollegen, die sich dem Knappschaftsmodell angeschlossen ha- ben, in ihren Placebogruppen entgegen dem Studiendesign der Knappschaft

keine Schein-, sondern tatsächlich eine Verumakupunktur durchgeführt haben.

Auf diese Weise ist es dann zu einer systematischen Verfälschung der Studi- energebnisse gekommen . . . Damit ist die Akupunktur erneut in den Dunst- kreis von unwissenschaftlichen Placebo- methoden gerückt worden, anstatt end- lich als hoch wirksame Behandlungsme- thode mit circa 3 000-jähriger Erfolgsge- schichte gewürdigt zu werden . . .

Dr. med. Karl Schulte-Wintrop, Lippmauer 38, 45721 Haltern am See

Überraschung und Verwunderung

Die Ergebnisse der Studien ART und GERAC, der größten Akupunkturstu- dien weltweit, . . . wurden in den renom- miertesten Fachjournalen veröffentlicht und sind von der Durchführung her und dem hohen Grad an Wissenschaftlich- keit beispielhaft. Überrascht hat der Kommentar von Till Spiro, der inter- essanterweise die Notwendigkeit zur Durchführung einer Studie über ein Verfahren, mit dem mittlerweile 26 Pro- zent aller Deutschen behandelt wurden, infrage stellt. Verwunderung haben die Interpretationsversuche des seiner Mei- nung nach „wichtigsten Prüfungsgegen- stands“, der Untersuchung der spezi- fischen Wirkung der Akupunktur, aus- gelöst. Einem mit den Paradigmen der modernen Wissenschaft vertrauten Arzt sollten die grundsätzlichen Unter- schiede zwischen „efficacy“ und „effec- tiveness“ bekannt sein. Während man im wissenschaftlichen Diskurs für die

„efficacy“ „spezifische“ Ef-

fekte attributiert, werden die hinzu- kommenden klinischen Wirkungen als unspezifisch deklariert und die Gesamt- wirkung als „effectiveness“ bezeichnet.

Nun ergibt sich für weite Felder der Me- dizin das Problem, dass Studiendaten zunehmend verdeutlichen, dass die un- spezifischen Effekte bei der medizini- schen Behandlung häufig die maßgebli- cheren sind. Für den Patienten ist die

„efficacy“ sowieso unwichtig, er wird ei- ne Therapie zu Recht immer nur nach der Gesamtwirkung beurteilen. Aber auch das gesamte ärztliche Handeln und Entscheiden ist auf die gesamte Wir- kung, also auf die Effektivität ausgerich- tet. Oder wie würde man sich selbst im Krankheitsfalle zwischen einer weniger wirksamen spezifischen und einer hoch wirksamen, aber überwiegend unspezi- fischen Therapie entscheiden? Was sind aber die Erkenntnisse aus den ART- und GERAC-Studien? In den komplett publizierten ART-Studien war die Aku- punktur bei Kniearthrose spezifisch wirksam, bei den Rückenschmerzen fand sich ein Trend zur spezifischen Wirksamkeit und bei den Kopfschmer- zen war sie „nur“ unspezifisch wirksam.

In den GERAC-Studien war die Aku- punktur bei Rücken- und Kniebe- schwerden unspezifisch wirksam, aber der konventionellen Therapie überle- gen. Der Gemeinsame Bundesaus- schuss hat also folgerichtig zwei Indika- tionen ausgewählt, in denen Akupunk- tur derzeit das wirksamste Behand- lungsverfahren darstellt, das möglicher- weise spezifisch wirksam und dazu noch sehr sicher ist. Die Akupunktur hier den Patienten vorzuenthalten ist vom klini- schen Standpunkt aus

Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 28–29⏐⏐17. Juli 2006 AA1953

Foto:Vario Images

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

„Chancen für das ungeborene Leben" — dar- über tauschten sich rund 100 Ärzte, Psychologen, Theolo- gen, Juristen und interessier- te Laien auf einer Tagung in Bonn

Da die Kassen im Falle einer Aufnah- me der Methode in den GKV-Lei- stungskatalog nach Angaben von Rich- ter-Reichhelm nicht bereit sind, mehr Geld einzustellen, und das

Ohne diesen klientelbezogenen Zusatz hätte man wahrscheinlich gar nicht in die Überprüfung der Akupunktur ein- steigen müssen, weil die diesem jahr- tausendealten

Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass HBeAg-positiven Patienten mit chronischer Hepatitis B eine Peginterferon-alpha-Therapie oder eine Kombinati- on Peginterferon alpha

Mi- nura, Professor für Innere Medizin an der kaiserlichen Universität To- kyo, der gleichzeitig Leibarzt des letzten Kaisers (1911 bis 1925) war, hat auch die Wirkungen der

Diese letzte Frage muß nach der Auseinanderset- zung mit den Thesen von Herrn Professor Schmidt mit „Nein" beantwortet werden: Obwohl das Phä- nomen der Schmerzinhibi-

Diese letzte Frage muß nach der Auseinanderset- zung mit den Thesen von Herrn Professor Schmidt mit „Nein" beantwortet werden: Obwohl das Phä- nomen der Schmerzinhibi-

Die Deutsch-Chinesische Ge- sellschaft für Medizin hat mit ihrer Partnergesellschaft, der Chinesisch- Deutschen Gesellschaft für Medizin, vereinbart, auch in diesem Jahr in