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Archiv "Hamartomatöse Polyposis-Syndrome: Peutz-Jeghers-Syndrom, familiäre juvenile Polyposis und Cowden-Syndrom" (17.09.1999)

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astrointestinale Polypen wer- den in nicht neoplastische und neoplastische Polypen unter- teilt. Hamartomatöse Polypen gehören in die erste Gruppe, während adeno- matöse Polypen Neoplasien darstellen.

Bis zum 70. Lebensjahr ent- wickeln etwa 50 Prozent der Erwachse- nen in den westlichen Industrieländern zumindest einen gutartigen, adenoma- tösen Schleimhautpolypen (19). Ade- nomatöse Polypen, die meist spora- disch und erst im Erwachsenenalter auftreten, werden als Ausgangspunkt für kolorektale Karzinome angesehen.

Auch bei Kindern und Jugendlichen können bereits Polypen des Magen- Darm-Traktes auftreten. Dabei han- delt es sich zu über 90 Prozent um so- genannte solitäre juvenile Polypen, die zur Untergruppe der hamartomatösen Polypen gehören und in der Regel harmlos sind.

Bei einem kleinen Teil der Patien- ten entwickeln sich die adenomatösen oder hamartomatösen Polypen jedoch

als Symptom eines genetischen Syn- droms. Diese erblichen Polyposis-Syn- drome sind bereits in jüngeren Jahren mit einem Karzinomrisiko verbunden, das deutlich höher liegt als bei Trägern sporadischer Polypen. Das höchste Ri- siko für ein kolorektales Karzinom (na- hezu 100 Prozent) wird bei der fami- liären adenomatösen Polyposis (FAP) beobachtet, einer Erkrankung, die mit

Hunderten bis zu Tausenden von Ade- nomen (adenomatösen Polypen) ein- hergeht und durch Keimbahnmutatio- nen im Tumorsuppressorgen APC ver- ursacht wird (5, 14).

Die molekularen Ursachen der hamartomatösen Polyposis-Syndrome wurden erst kürzlich aufgedeckt (Ta- belle). Hamartomatöse Polypen sind histopathologisch von adenomatösen Polypen gut abgrenzbare Gewebsneu- bildungen von ortseigenem Gewebe ohne die für die adenomatösen Poly- pen charakteristischen epithelialen Atypien. Im Gegensatz zu adeno- matösen Polypen weisen sie nur ein geringes lokales Entartungspotential auf. Dennoch ist das allgemeine Krebs- risiko bei diesen Patienten deutlich er- höht (10, 23). Zur Gruppe der erbli- chen hamartomatösen Polyposis-Syn- drome rechnet man das Peutz-Jeg- hers-Syndrom und die familiäre juve- nile Polyposis. Es gibt jedoch weitere Syndrome, bei denen hamartomatöse gastrointestinale Polypen zwar nicht A-2285 Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 37, 17. September 1999 (41)

Hamartomatöse

Polyposis-Syndrome

Peutz-Jeghers-Syndrom, familiäre juvenile Polyposis und Cowden-Syndrom

Waltraut Friedl

1

Roland Kruse

2

Matthias Jungck

1

Walter Back

3

Steffan Loff

4

Peter Propping

1

Dieter E. Jenne

5

Hamartomatöse Polypen des Gastrointestinaltrakts sind Gewebsneubildungen, die sowohl sporadisch als auch im Rahmen von autosomal-dominant erblichen Syndromen auftreten können. Die molekulargenetischen Grundlagen der hamartomatösen Polyposis-Syndrome wurden erst kürzlich aufgedeckt. Patienten mit Peutz-Jeghers-Syn- drom weisen Keimbahnmutationen im STK11-Gen auf;

bei Patienten mit der familiären juvenilen Polyposis wur- den Veränderungen im MADH4-Gen (SMAD4, DPC4) festgestellt. Für das Cowden-Syndrom, auch als multiples

Hamartoma-Syndrom bekannt, sind Keimbahnmutationen im PTEN-Gen

verantwortlich. Die Identifizierung der genetischen Ur- sachen ermöglicht jetzt auch eine molekulargenetische Früherkennung von Anlageträgern in Familien mit die- sen Syndromen, die alle mit einem erhöhten Krebsrisiko einhergehen.

Schlüsselwörter: Peutz-Jeghers-Syndrom, familiäre juvenile Polyposis, Cowden-Syndrom, hamartomatöser Polyp, Keimbahnmutation

ZUSAMMENFASSUNG

Hereditary Hamartomatous Tumors of the Gastrointestinal Tract

Hamartomatous gastrointestinal polyps may occur as iso- lated tumors or as part of autosomal-dominant polyposis syndromes. The molecular basis of the hamartomatous polyposis syndromes has recently been elucidated. Pa- tients with Peutz-Jeghers syndrome harbour germline muta- tions in the serine-threonine kinase STK11, while muta- tions in the MADH4 gene (SMAD4, DPC4) are involved in familial juvenile polyposis. The multiple hamartoma

syndrome, also known as Cowden disease, is caused by germline mutations in the tumor

suppressor gene PTEN. The identification of the under- lying molecular defects permits a predictive diagnosis in persons at risk. All these syndromes are associated with an increased risk for tumors both in the gastrointestinal tract and at other sites.

Key words: Peutz-Jeghers syndrome, familial juvenile polyposis, Cowden disease, hamartomatous polyp, germline mutation

SUMMARY

G

1Institut für Humangenetik (Direktor: Prof. Dr.

med. Peter Propping), Rheinische Friedrich- Wilhelms-Universität, Bonn

2Hautklinik (Direktor: Prof. Dr. med. Dr. h. c.

Thomas Ruzicka), Heinrich-Heine-Universität, Düsseldorf

3Pathologisches Institut des Klinikums Mann- heim (Direktor: Prof. Dr. med. Uwe Bleyl), Ru- precht-Karls-Universität, Heidelberg

4 Kinderchirurgische Klinik des Klinikums Mannheim (Direktor: Prof. Dr. med. Karl-Lud- wig Waag), Ruprecht-Karls-Universität, Hei- delberg

5Institut für Neuroimmunologie (Direktor: Prof.

Dr. med. Hartmut Wekerle), Max-Planck-Insti- tut für Neurobiologie, Martinsried

(2)

obligatorisch als Leitsymptom, aber fakultativ vorkommen können. We- gen der zuweilen schwierigen differen- tialdiagnostischen Abgrenzung der Polypen bei familiärer juveniler Poly- posis vom Cowden-Syndrom (4) wird im folgenden auch auf letzteres ein- gegangen. Alle drei hamartomatösen Syndrome zeigen einen autosomal-do- minanten Erbgang.

Peutz-Jeghers-Syndrom

Krankheitsbild

Kennzeichnend für diese relativ seltene Polypenerkrankung ist die 1919 von Peutz und 1949 von Jeghers be- schriebene Kombination aus charakte-

ristischen Polypen des Gastrointestin- altrakts und Pigmentflecken auf Lip- pen- und Wangenschleimhaut (6, 20, 23). Symptomatisch werden die Poly- pen durch rezidivierende kolikartige abdominale Schmerzanfälle auf der Basis rezidivierender Invaginationen der Polypen, Symptome einer chro- nischen Eisenmangelanämie, Blutauf- lagerungen auf dem Stuhl oder Melae- na. Die Invagination des polypentra- genden Dünndarmabschnittes kann zu einem Ileus und damit zu den Sympto- men eines akuten Abdomens führen.

Die Diagnose Peutz-Jeghers-Syn- drom ist relativ einfach, wenn die typi- schen Pigmentflecken richtig zugeord- net werden. Die melanotischen Pig- mentierungen auf den Lippen (Abbil- dung 1), der Mundschleimhaut und

perioral treten in der Regel in der Kindheit auf und können im Erwach- senenalter wieder verblassen. In selte- nen Fällen finden sich Pigmentflecken auch auf den Hand- oder Fußrücken.

Die Pigmentierung resultiert aus ei- ner lokalen Hyperplasie der Melano- zyten in der basalen Schicht der Epi- dermis und einer vermehrten Ablage- rung von Melanin in den Basalzellen.

Allerdings gibt es Patienten, bei de- nen diese Hautmerkmale völlig feh- len.

Wichtigster klinischer Befund beim Peutz-Jeghers-Syndrom sind multiple Polypen im Gastrointesti- naltrakt, die sich am häufigsten im Dünndarm, daneben aber auch im Dickdarm und im Magen entwickeln können. Bei der Differentialdiagnose Tabelle

Autosomal-dominant erbliche hamartomatöse Polyposen

Erkrankung Definition Gastrointestinaltrakt Andere Gen und Chromosom

Organbeteiligung (kartiert/kloniert) Peutz-Jeghers-Syndrom mindestens 2 hamarto- Peutz-Jeghers-Polypen Hyperpigmentierung der STK11/LKB1,

matöse Polypen vom im Dünndarm und Lippen- und Mund- Chromosom 19p Peutz-Jeghers-Typ Magen, seltener im schleimhaut (Melanin- (1997/1998) oder 1 Peutz-Jeghers- Kolon spots) bei 50–80% der

Polyp und Pigment- Patienten. Gutartige

flecken der Lippen- endokrine Ovarial-/Ho-

und Mundschleimhaut dentumoren. Erhöhtes

oder 1 Peutz-Jeghers- Risiko für Mamma-,

Polyp bei positiver Cervix- und Pankreas-

Familienanamnese karzinome

Familiäre juvenile mindestens 5 juvenile juvenile Polypen im unklar (siehe Text) MADH4/SMAD4/DPC4

Polyposis Polypen oder Dickdarm, erhöhtes Chromosom 18q

1 juveniler Polyp bei Risiko für bösartige (1998/1998) positiver Familien- Tumoren des Gastro-

anamnese intestinaltraktes

Cowden-Syndrom multiple Hamartome hamartomatöse Polypen verruköse Papeln im PTEN/MMAC1, in vielen Geweben, in Kolon und Magen Gesicht (Trichilem- Chromosom 10q einschließlich im Darm mome), Papillome mit (1996/1997)

allelische Varianten: kopfsteinpflasterartigen

l Bannayan-Zonana- Makrozephalie und Erscheinungen an den

Syndrom subkutane und Lippen, am Zahnfleisch

(Bannayan-Riley- viszerale Lipome und und an der Mundschleim-

Ruvalcaba-Syndrom) Hämangiome haut, keratotische Papeln

an Händen und Füßen,

l Lhermitte-Duclos- Hamartome der Glia- Zysten und Fibro-

Syndrom zellen im Cerebellum adenome der Brust und

Ovarien, Struma und follikuläre Adenokar- zinome der Schilddrüse, Makrozephalie

„Hereditary mixed hamartomatöse Polypen (ähnlich, aber nicht unklar Gen auf Chromosom polyposis syndrome“ identisch mit juvenilen Polypen, Adenome und 6q21 (1996 kartiert,

entzündliche Polypen und Karzinome im Kolon) noch nicht identifiziert)

(3)

von Polypenerkrankungen spielt die histomorphologische Untersuchung der Polypen eine entscheidende Rol- le. Die Differentialdiagnose zwischen adenomatösen Polypen einerseits und unterschiedlichen Typen hamar- tomatöser Polypen andererseits stellt für den Pathologen eine wichtige Aufgabe dar. Peutz-Jeghers-Polypen unterscheiden sich von anderen ha- martomatösen Polypen durch eine ausgeprägte, sich baumartig aufzwei- gende und fein verästelnde Lamina muscularis mucosae (Abbildungen 2a und b). Atypien der Epithelzellen, zy- stisch erweiterte Schleimhautkrypten oder eine ödematös verbreiterte La- mina propria zählen nicht zu den Charakteristika der Peutz-Jeghers- Polypen.

Ein weiterer ganz charakteristi- scher Befund bei weiblichen Patien- ten mit Peutz-Jeghers-Syndrom, der gelegentlich Anlaß zur Pubertas prae- cox gibt, ist das Auftreten von so- genannten Keimstrangtumoren mit anulären Tubuli in den Ovarien, die zumindest in mikroskopischer Form bei fast allen Merkmalsträgerinnen bilateral vorkommen sollen (1, 21).

Ein Peutz-Jeghers-Syndrom liegt mit großer Wahrscheinlichkeit vor, wenn mindestens zwei hamartomatö- se Polypen mit den besonderen histo- logischen Merkmalen eines Peutz- Jeghers-Polypen nachgewiesen wur- den, oder wenn bei Vorliegen eines solitären Peutz-Jeghers-Polypen die typische Pigmentierung oder eine po- sitive Familienanamnese für das Peutz-Jeghers-Syndrom hinzukommt

(23). Der Nachweis eines bilateralen Keimleistentumors mit anulären Tu- buli ist bei Frauen ebenfalls als starker Hinweis auf ein Peutz-Jeghers-Syn- drom zu betrachten.

Molekulare Ursache

1997 wurde ein Genort für das Peutz-Jeghers-Syndrom auf dem kur- zen Arm von Chromosom 19 (19p)

kartiert (9) und 1998 das ursächliche Gen identifiziert (8, 13). Es kodiert für eine bislang unbekannte, aus 433 Aminosäuren bestehende Serin- Threonin-Kinase, die von der zustän- digen Nomenklaturkommission die Nummer 11 erhalten hat (deshalb die Bezeichnung STK11). Serin-Threo- nin-Kinasen sind intrazelluläre Enzy- me, die Phosphatgruppen in selekti- ver Weise auf andere Proteine über- tragen und durch Phosphorylierung von bestimmten Serin- oder Threo- nin-Resten die funktionellen Eigen- schaften ihrer Zielsubstrate verän-

dern. Man geht davon aus, daß STK11 in Analogie zu anderen Kinasen an der Regulation von Zellteilungs-, Dif- ferenzierungs- oder Signaltransduk- tionsprozessen beteiligt ist. Bisherige Kopplungs- und Mutationsanalysen zeigen, daß nahezu alle Fälle von Peutz-Jeghers-Syndrom durch De- fekte im STK11-Gen verursacht wer- den (16). Die Penetranz der Kranken- hausmanifestationen wird auf etwa 90 Prozent, die Neumutationsra- te auf etwa 40 Prozent ge- schätzt.

Die bisher dokumentier- ten Keimbahnmutationen im STK11-Gen sind nahezu in jeder Familie unterschiedlich und fast gleichmäßig über die insgesamt neun Exons des Gens verteilt (Grafik 1) (8, 13, 17). Bei den meisten Mu- tationen kommt es zu einer Verschiebung und Verkür- zung des Leserahmens, so daß nur noch ein funktionslo- ses, rudimentäres Protein syntheti- siert wird. Da jedoch alle Körperzel- len des Patienten auch eine normale Kopie des Gens besitzen, ist der Aus- fall der Funktion eines STK11-Allels zunächst nicht krankheitsrelevant, sondern lediglich als ein Suszeptibi- litätsfaktor anzusehen. Die verbliebe- ne intakte Kopie des Genes scheint für die Kontrolle der biologischen Entwicklung der Gewebe und für sämtliche biologischen Prozesse im Erwachsenenalter auszureichen. In einzelnen epithelialen Stammzellen des Darmepithels geht die einzige

A-2288 (44) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 37, 17. September 1999

Abbildung 1: Typische Pigmentflecken beim Peutz-Jeghers-Syndrom

Abbildung 2: a) Peutz-Jeghers-Polyp des Ileum mit breitbasigem muskulärem Stiel, fein verästelter Lamina muscularis und fein villöser Oberfläche. H&E, x 6; b) Histolo- gischer Ausschnitt eines Peutz-Jeghers-Polypen mit fiederförmigen Stromaprojektionen überkleidet von einem becherzellreichen Epithel. H&E, x 40; c) Juvenile Polypen des Kolon mit pilzförmiger Hyperplasie der Schleimhaut, zystisch dilatierten Krypten, entzündlicher Überlagerung und teils glatter, teils villöser Oberfläche. H&E, x 8;

d) Histologischer Ausschnitt aus einem juvenilen Polypen mit zystisch dilatierten Kolonkrypten sowie ödematöser und entzündlich infiltrierter Lamina propria. H&E, x 40.

a b c d

(4)

noch intakte Kopie des STK11-Genes gelegentlich verloren, so daß das bio- logische Gleichgewicht von Differen- zierung, Wachstum und Apoptose dieser Zellen lokal gestört wird. Der Ausfall der enzymatischen Aktivität von STK11 in der betroffenen Darm- krypte führt infolgedessen zur unan- gemessenen Proliferation von Gewe- ben der Darmschleimhaut und der Darmwand. Die molekularen Mecha- nismen der Hamartomentstehung zeigen Ähnlichkeiten zur Tumorent- stehung bei Gendefekten in Tumor- suppressorgenen.

Familiäre juvenile Polyposis

Krankheitsbild

Das klinische Bild der familiären juvenilen Polyposis ist nicht so klar und eindeutig zu erfassen wie das der familiären adenomatösen Polyposis oder des Peutz-Jeghers-Syndroms (10).

Das Krankheitsbild tritt nur in 20 bis 50 Prozent der Fälle in familiärer Form auf. Das relativ häufige sporadi- sche Auftreten wird einerseits durch eine beachtliche Rate von Neumuta- tionen, andererseits aber auch durch die starke Variabilität des Krankheits- bildes innerhalb einer Familie erklärt.

Weitere betroffene Familienmitglie- der werden oft erst entdeckt, wenn bei einem Patienten eine familiäre juveni- le Polyposis diagnostiziert wurde. Es gibt klare Hinweise dafür, daß Krank- heitssymptome trotz Vorliegen der entsprechenden Erbanlage ebenfalls völlig ausbleiben können (inkomplet- te Penetranz).

Im Vordergrund der Beschwerden bei den Patienten stehen chronische ga- strointestinale Blutungen mit Anämie, Hypoproteinämie und eine damit verbundene Entwicklungsverzögerung der Kinder. Juvenile Polypen sitzen ganz überwiegend im Kolorektum, sind oft an der Oberfläche entzündlich ero- diert und weniger stabil strukturiert als Polypen des Peutz-Jeghers-Syndroms (Abbildungen 2c und d).

Die Diagnose einer familiären ju- venilen Polyposis ist wahrscheinlich, wenn entweder mindestens fünf juve- nile Polypen bei einem Patienten vor- liegen oder wenn bei Vorliegen von

mindestens einem typischen juvenilen Polypen noch weitere Familienmit- glieder mit juvenilen Polypen bekannt sind (10).

Molekulare Ursache

Bei einer großen Familie mit fa- miliärer juveniler Polyposis wurde 1998 der Gendefekt auf Chromosom 18q21.1 kartiert (11) und identifiziert (12). Es handelt sich um das bereits 1996 von Hahn et al. (7) beschriebene MADH4-Gen, das häufig in Pan- kreaskarzinomen deletiert ist (daher die alternative Bezeichnung DPC4 – deleted in pancreatic cancer). Für die offizielle Nomenklatur wurde die Be- zeichnung MADH4 gewählt. Das MADH4-Protein spielt eine zentrale Rolle bei der Signaltransduktion nach Aktivierung der entsprechenden Re- zeptoren durch Liganden, die zu TGF-(transforming growth factor-)b Homologie aufweisen. Es reguliert

die Expression bestimmter Gene nach rezeptorvermittelter Aktivierung im Zellkern. Erste Untersuchungen an Familien mit familiärer juveniler Po- lyposis ergaben Keimbahnmutationen im MADH4-Gen bei neun von 20 un- tersuchten Familien; dabei wurde bei sechs nicht verwandten Patienten die gleiche Deletion von vier Nukleoti- den in Exon 9 (1372–1375delACAG) gefunden (12, und eigene Befunde) (Grafik 2). Diese Mutation liegt somit bei etwa 30 Prozent der Patienten mit familiärer juveniler Polyposis vor.

Kopplungsanalysen sprechen da- für, daß mindestens ein weiterer, bisher nicht identifizierter Genlokus für das gleiche Krankheitsbild verantwortlich ist. Eine Mischform eines familiären Polyposis-Syndroms mit gleichzeitig vorhandenen adenomatösen und juve- nilen Polypen wurde bei einer sehr großen Familie auf Chromosom 6q16 kartiert (22). Offen bleibt, ob diese erbliche Polyposis-Form eine neue Un- tergruppe der familiären juvenilen Po- lyposis repräsentiert.

In der Literatur wird zudem über eine Vielzahl unspezifischer angebore- ner Entwicklungsanomalien bei etwa zehn Prozent der Patienten mit juveni- ler Polyposis berichtet, wie zum Bei- spiel pulmonale arteriovenöse Fisteln, Makrozephalie, Nierenbeckenfehlbil- dungen, Ventrikelseptumdefekt, Hy- pertelorismus, Kryptorchismus und motorische Entwicklungsverzögerun- gen (3, 10); zumindest bei einem Teil dieser Patienten scheint es sich jedoch

um andere genetische Syndrome zu handeln, unter anderem auch um alleli- sche Varianten des Cowden-Syndroms (Tabelle), die mit juvenilen Polypen einhergehen.

Das Cowden-Syndrom

Patienten mit diesem Syndrom entwickeln erst im Laufe der zweiten und dritten Lebensdekade verschie- dene hamartomatöse Läsionen, und zwar verruköse Papeln im Gesicht

Von anderen Gruppen publizierte Mutationen

Von uns gefundene Mutationen Keimbahnmutationen im STK1-Gen

1 2 3 4 5 6 7 8 9

Spleiß-Mutation

zu einem vorzeitigen Stopp führende Mutation Missense-Mutation

Deletion Grafik 1

Verteilung der Keimbahnmutationen im STK11-Gen

(5)

A-2290 (46) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 37, 17. September 1999 (Trichilemmome), Papillome mit

kopfsteinpflasterartigen Erscheinun- gen an Lippenrot, Zahnfleisch und Mundschleimhaut, keratotische Pa- peln an Händen und Füßen sowie auch hamartomatöse Tumoren in der Schilddrüse, im Mammagewebe und im Magen-Darm-Trakt. Hamartoma- töse Polypen des Gastrointestinaltrak- tes, die in aller Regel klein sind und wenig Beschwerden verursachen, werden beim Cowden-Syndrom je- doch in einigen Fällen bereits im Kin- desalter beobachtet. Sie können dann fälschlicherweise zur irreführenden Diagnose einer familiären juvenilen Polyposis führen, da man die Polypen beim Cowden-Syndrom histomor- phologisch aufgrund ihres variablen hamartomatösen Erscheinungsbildes von juvenilen Polypen nicht unter- scheiden kann (4, 18). Die zuweilen

schwierige klinische Differentialdia- gnose zwischen Cowden-Syndrom und familiärer juveniler Polyposis hat seine Ursache in einer stark altersab- hängigen Penetranz wichtiger Leit- symptome des Cowden-Syndroms.

Ein Cowden-Syndrom kann bereits im frühen Kindesalter diagnostiziert werden, wenn eine Keimbahnmutati- on im PTEN-Gen, das für eine regula- torische Phosphatase auf Chromosom 10 (P = Phosphatase, TEN = Chromo- som 10) kodiert, vorliegt. Klinisch de- finierte Syndrome, wie das Bannayan- Zonana-Syndrom, das Ruvalcaba-Ri- ley-Smith-Syndrom und das Lhermit- te-Duclos-Syndrom sind zumindest teilweise Varianten des Cowden-Syn- droms. Mutationen im PTEN-Gen

konnten bei 43 Prozent aller Patien- ten mit typischen Symptomen des Bannayan-Zonana-Syndroms (multi- ple Lipome, Hämangiome und Ma- krozephalie) und bei 81 Prozent aller Familien mit Cowden-Syndrom nach- gewiesen werden (15). Auch für diese klinischen Entitäten muß ein weiterer Genort postuliert werden, da bislang nicht alle familiären Fälle durch Mu- tationen im PTEN-Gen erklärt wer- den können.

Tumorrisiko bei hamartomatösen Polyposen

Es ist heute unstrittig, daß bei ha- martomatösen Polyposen ein erhöh- tes Karzinomrisiko vorliegt. Aller- dings ist das Entartungspotential we-

sentlich geringer als bei adenomatö- sen Polyposen (zum Beispiel bei der familiären adenomatösen Polyposis).

Eine direkte Entstehung von Karzi- nomen aus hamartomatösen Polypen konnte nur für die familiäre juvenile Polyposis in wenigen Fällen doku- mentiert werden. Dennoch ist das Tu- morrisiko für jeden Patienten auf sei- ne gesamte Lebenszeit bezogen be- trächtlich erhöht. Bei Patienten mit familiärer juveniler Polyposis liegt das Risiko, bis zum 60. Lebensjahr an ei- nem kolorektalen Karzinom zu er- kranken, bei 20 bis 60 Prozent. Neben dem Risiko für intestinale Karzinome besitzen Patienten mit Peutz-Jeghers- Syndrom vor allem ein erhöhtes Risi- ko für das Auftreten bösartiger Tu-

moren der Mamma, der Cervix uteri und des Pankreas. Ferner besteht bei beiden Syndromen ein erhöhtes Risi- ko für Magen- und Duodenalkarzino- me.

Vorsorgemaßnahmen und Therapie bei

hamartomatösen Polyposen

Vorsorgeuntersuchungen sollen helfen, die akuten Komplikationen insbesondere im Kindesalter (Darm- koliken und Darmverschluß durch In- vaginationen) zu vermeiden und bei erwachsenen Patienten eine Tumor- entwicklung frühzeitig zu erkennen.

In diesem Sinne wird für betroffene Kinder ab dem zehnten Lebensjahr eine zweijährliche Endoskopie des oberen Gastrointestinaltrakts und ei- ne Koloskopie mit Abtragung der er- reichbaren Polypen empfohlen. Die abgetragenen Polypen müssen histo- logisch in bezug auf adenomatöse Dysplasien und eventuell bestehende Frühkarzinome untersucht werden.

Die ebenfalls empfohlene Untersu- chung des Dünndarms mittels Dop- pelkontrasttechnik nach Sellink ist mit einer erheblichen Strahlenbela- stung verbunden. Daher sollten die Intervalle für diese Untersuchungen so groß wie möglich gewählt werden.

Im Dünndarmbereich sollten größere Polypen (> 15 mm) nur bei drohen- den Komplikationen operativ entfernt werden. Durch Laparotomie und in- traoperative Endoskopie kann das Re- sektionsausmaß begrenzt werden. Pro- phylaktische Resektionen eines Dünn- darmsegmentes sind nicht angezeigt.

Ab dem 25. Lebensjahr kommen er- gänzende Untersuchungen (Mammo- graphie, endovaginaler Ultraschall) hinzu (23).

Möglichkeiten und Grenzen der molekular- genetischen Diagnostik

Die Entschlüsselung der geneti- schen Grundlagen für die drei genann- ten Syndrome hat die diagnostische Si- cherheit für Patienten und deren Fa- milienangehörige wesentlich verbes- sert. STK11, MADH4 und PTEN sind relativ kleine Gene, die mittels Direkt- Grafik 2

Sequenzierung der häufigsten Mutation im MADH4-Gen 1372-1375delACAG

(6)

sequenzierung in kurzer Zeit auf Mu- tationen untersucht werden können.

Bei einem Großteil der Familien mit hamartomatösen Polyposen kann nunmehr die der Erkrankung zugrun- de liegende Keimbahnmutation iden- tifiziert und das Vorliegen der betref- fenden Mutation bei gesunden Kin- dern, Geschwistern oder bis dahin kli- nisch asymptomatischen Eltern, also den Risikopersonen, überprüft wer- den. Anlageträger sollten die regel- mäßigen Vorsorgemaßnahmen eben- falls wahrnehmen, während Nichtan- lageträger aus dem engmaschigen Vorsorgeprogramm entlassen werden können.

Allerdings können mit den heute verfügbaren Methoden der Mutations- suche nicht bei allen Patienten mit ha- martomatösen Polyposen Mutationen in den oben genannten Genen gefun- den werden. Wahrscheinlich spielen noch andere, bisher nicht identifizierte Gene, insbesondere bei der familiären juvenilen Polyposis, eine Rolle. Des- halb ist ein Ausschluß einer Anlageträ- gerschaft bei Familienangehörigen nur dann möglich, wenn die Keimbahnmu- tation in der Familie bekannt ist.

Eine prädiktive Diagnostik kann mit erheblichen psychosozialen Pro- blemen einhergehen. Alle genetischen Untersuchungen sollten deshalb die Richtlinien zur Diagnostik der geneti- schen Disposition für Krebserkran- kungen der Bundesärztekammer (2) einschließlich einer humangenetischen Beratung berücksichtigen.

Danksagung: Die Arbeiten am Institut für Hu- mangenetik der Universität Bonn werden von der Deutschen Krebshilfe unterstützt.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 1999; 96: A-2285–2291 [Heft 37]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis, das über den Son- derdruck beim Verfasser und über die Inter- netseiten (unter http://www.aerzteblatt.de) erhältlich ist.

Anschrift für die Verfasser Dr. sc. hum. Waltraut Friedl Institut für Humangenetik der Universität Bonn

Wilhelmstraße 31 53111 Bonn

Bekanntermaßen weisen Pati- enten mit Kaposi-Sarkom erhöhte Antikörperspiegel gegen das huma- ne Herpesvirus Typ 8 (HHV 8) auf.

Ob eine Assoziation auch zu ande- ren Tumoren besteht und ob soziale Faktoren und Verhaltensmuster eine Rolle hinsichtlich der HHV-8-Anti- körperprävalenz spielen, war Ge- genstand einer südafrikanischen Un- tersuchung. 3 591 schwarze Patien- ten mit unterschiedlichen Krebser- krankungen wurden in Johannisburg und Soweto auf das Vorliegen von Antikörpern (AK) gegen HHV 8 un- tersucht. Nur beim Kaposi-Sarkom (n = 51) waren die AK-Titer bei 83

Prozent der Patienten signifikant er- höht, bei allen anderen Tumoren un- terschied sich der AK-Prävalenz mit 32 Prozent nicht von dem gesunder Blutspender. Mit steigendem Alter und zunehmender Zahl der Sexual- kontakte nahm die Prävalenz der HHV-8-Antikörper zu, dagegen fand sich eine inverse Korrelation mit dem Grad der Schulbildung. acc

Sitas F et al.: Antibodies against human herpesvirus 8 in black South African patients with cancer. N Eng J Med 1999;

340: 1863–1871.

Dr. Sitas, South African Instituts for Medical Research, PO Box 1038, Jo- hannesburg 2000, Südafrika.

Prävalenz des humanen Herpes Virus 8

Eine der häufigsten auftretenden Komplikationen der endoskopisch- retrograden Cholangio-Pankreatiko- graphie (ERCP) ist die akute Pan- kreatitis, die in bis zu zehn Prozent der Fälle beobachtet wird. Die Auto- ren führten eine kontrollierte Studie durch, ob die Infusion von 100 mg Hydrokortison unmittelbar vor der ERCP in der Lage ist, eine iatrogene Pankreatitis zu verhindern. Insgesamt wurde eine akute Pankreatitis in 5,3 Prozent der Fälle beobachtet. Zwi- schen den Patienten, die Kortison er-

halten hatten und einer Kochsalzgabe, ergaben sich keine signifikanten Un- terschiede, so daß Hydrokortison nicht in der Lage ist, eine akute Pankreatitis nach diagnostischer oder therapeuti- scher ERCP zu verhindern. w De Palma GD, Catanzano C: Use of corticosteroids in the prevention of post-ERCP pancreatitis: Results of a controlled prospective study. Am J Ga- stroenterol 1999; 94: 982–985.

Servizio Centralizzato Di Endoscopia Digestiva Operatoria University of Naples Federico II, Via A. De Gasperi 7, 80033 Cicciano, Italien.

Kortison schützt nicht vor Post-ERCP-Pankreatitis

Es gibt Hinweise, daß ungesättig- te Fettsäuren, die in der trans-Konfi- guration Doppelbindungen aufweisen gegenüber den Fettsäuren, die eine Doppelbindung in der cis-Konfigura- tion aufweisen, einen negativen Ein- fluß auf die Serum-Lipoproteine ha- ben. Erstgenannte Fettsäuren finden sich hauptsächlich in tierischen Fetten oder entstehen während der Härtung bei der Magarineherstellung, letztere kommen vorwiegend in unbehandel- ten pflanzlichen Ölen vor. Ausgehend von LDL-Cholesterinwerten von durchschnittlich 177 mg/dl unter einer

Diät reich an tierischen Fetten konnte eine Bostoner Arbeitsgruppe zeigen, daß das LDL-Cholesterin durch Er- satz der Butter durch Margarine um fünf Prozent abnahm, bei weicher Margarine um neun Prozent und bei alleiniger Verwendung von Sojaöl um

zwölf Prozent. acc

Lichtenstein AH: Effects of different forms of dietary hydrogenated fats on serum lipoprotein cholesterol levels. N Eng J Med 1999; 340: 1933–1940.

Dr. Lichtenstein, Jean Mayer USDA Human Nutrition Research Center on Aging at Tufts University, 711 Washing- ton Street, Boston, MA 02111, USA.

Einfluß des Nahrungsfettes

auf Serumcholesterin

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