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Archiv "Krankenhäuser/Gesundheitsreform: Fallpauschalen als Mehrzweck-Waffe" (19.05.2000)

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ie Krankenhäuser müssen sich schon kurz- und mittelfri- stig auf strukturelle Finanzie- rungsveränderungen einrichten. Das GKV-Gesundheitsreformgesetz setzt die Krankenhausträger ebenso wie die gemeinsame Selbstverwaltung von Krankenkassen und Krankenhäusern zusätzlich unter Druck, weil das bisher geltende Finanzierungs-Mischsystem ab dem Jahr 2003 durch ein einheitli- ches, mehr preisorientiertes Entgeltsy- stem auf der Basis von Fallpauschalen umgestellt werden muss. Der Gesetz- geber knüpft an die Umstellung in der Leistungsabrechnung und der Finan- zierung (bei fortgeltenden sektoralen Budgets) große Erwartungen, sollen doch die wesentlichen Nachteile und Schwachstellen des Mischsystems (der unverändert dominierenden tagesglei- chen Pflegesätze; Abteilungs- und Ba- sispflegesatz; Sonderentgelte und Fall- pauschalen) weitgehend ausgeschaltet werden.

Das Bundesgesundheitsministeri- um hat der Selbstverwaltung vorge- worfen, sie hätte nicht die Kraft und den Mut gefunden, die Chancen der geltenden Finanzierungsrahmenbe- dingungen zu ergreifen, um das Ent- geltsystem auf mehr Qualität, Lei- stungssteuerung und Transparenz aus- zubauen. In vieler Hinsicht seien Ver- sorgungsüberkapazitäten im statio- nären Sektor auch wegen des Schutz- schildes der planungsbeaufsichtigen- den Länder nicht abgebaut worden.

Infolge der nach wie vor dominieren- den tagesgleichen Pflegesätze sei eine sinkende Fallzahl regelmäßig durch ei- ne höhere Verweildauer und die durch die Einweisungshäufigkeit bedingte höhere Fallzahl kompensiert worden.

Dies soll nun durch Umstellung auf

das Diagnosis Related Group-Finan- zierungssystem (DRG) alles anders werden.

Der für Fragen der Kranken- hausfinanzierung und -planung zustän- dige Unterabteilungsleiter im Bundes- gesundheitsministerium, Georg Baum, unterstellt einem praxisgerechten Fall- pauschalsystem die Eigenschaft einer

„Mehrzweckwaffe“, weil gegenüber der bisherigen Finanzierungs- und Lei- stungsabrechnung mehrere Chancen eröffnet würden:

❃ Abbau von Anreizen zu hoher Verweildauer;

❃ maximale Anreize für eine effi- ziente und wirtschaftliche Leistungser- stellung – von der Personalwirtschaft, dem Einkauf über den Materialver- brauch bis zur Prozess-Optimierung;

❃ das Fallpauschalsystem sei im- stande, den Ressourcen-Verbrauch innerhalb eines Krankenhauses und zwischen den Krankenhäusern lei- stungsorientiert und wettbewerblich zu steuern. Zudem könne die Trans- parenz des Leistungsgeschehens er- höht werden mit der Möglichkeit, den bereits gesetzlich verankerten Kran- kenhausvergleich (§ 5 BPflV) effizi- enter zu gestalten. Zudem könne das Fallpauschalsystem dazu aktiviert werden, die Leistungsstrukturen dem tatsächlichen Kapazitätsbedarf anzu- passen, ihn mithin zur Kapazitäts- steuerung in den Regionen zu nutzen.

Die Selbstverwaltung steht bei der Entwicklung dieser „revolutio- nären“ Veränderung der Klinikfinan- zierung vor schwierigen Aufgaben.

Zudem gibt es hierzulande mit DRG- Systemen kaum Erfahrungen. Sowohl Krankenhausexperten als auch die

„Erfinder“ des DRG-orientierten Finanzierungssystems im Bundesge-

sundheitsministerium sind sich dar- über einig, dass keines der im Ausland bereits praktizierten Fallpauschal- und Fallgruppierungs-Systeme lupen- rein in das bundesdeutsche Klinikfi- nanzierungssystem transferiert wer- den kann. In den USA, in Frankreich, in den skandinavischen Ländern, in Österreich und in Australien gibt es zwar einige Anhaltspunkte und Er- fahrungen, jedoch wurden in keinem Land die Krankenhausbudgets zu hundert Prozent mit Hilfe der DRG- Systeme vergütet.

Die Deutsche Krankenhausge- sellschaft e.V. (DKG) legt deshalb Wert darauf, dass das Vergütungssy- stem die nationalen Besonderheiten berücksichtigt, und zwar sowohl in medizinischer als auch in betriebs- wirtschaftlicher Hinsicht. Besonders wichtig ist es, dass sowohl die Kran- kenhausträger, das Management und vor allem die Klinikärzte in den Be- triebsführungen wegen ihres Sachver- standes frühzeitig in die Entwicklung des Klassifikationssystems einbezo- gen werden. Die ungeprüfte Über- nahme ausländischer Relationen und Kostengewichte darf nicht infrage kommen; vielmehr erfordert das deut- sche System eine entsprechende Pati- entenklassifikation und Infrastruktur.

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Das ganze Unterfangen steht unter strengen Zeitvorgaben. Werden die vorgegebenen Limits nach § 17 b Kran- kenhausfinanzierungsgesetz überschrit- ten, greift der Verordnungsgeber mit einer Ersatzvornahme ein. Die Um- stellung des Vergütungssystems soll in drei Schritten erfolgen:

Bis zum 30. Juni 2000 sind zu ver- einbaren:

❃ die Grundstrukturen des Ver- gütungssystems;

❃ die Grundstrukturen des Ver- fahrens zur Ermittlung der Bewer- tungsrelationen;

❃ die zugrunde zu legenden Fall- gruppen und

❃ die Grundzüge des Verfahrens für die Aktualisierung und laufende Pflege des Vergütungssystems.

In einem zweiten Schritt bis zum 31. Dezember 2001 sollen auf Initiative der Selbstverwaltung die Bewertungs- A-1394 Deutsches Ärzteblatt 97,Heft 20, 19. Mai 2000

P O L I T I K AKTUELL

Krankenhäuser/Gesundheitsreform

Fallpauschalen als Mehrzweck-Waffe

Die Politik hat die Selbstverwaltung der Krankenhausträger und der Krankenkassen in die Pflicht genommen, bis zum Jahr 2003 ein Fallpauschalen-System budgetneutral einzuführen.

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relationen sowie die Bewertung der Zu- und Abschläge infolge der beson- deren Versorgungsbedingungen des einzelnen Krankenhauses erfolgen.

Dabei macht das Gesetz keine konkre- ten Vorgaben. Schon gar nicht wird vorgeschrieben, dass flächendeckende Kalkulationen in allen Krankenhäu- sern vorzunehmen sind. Vielmehr kön- nen die Festlegungen und die Bewer- tungsrelationen auf der Grundlage der Fallkosten erfolgen, die aus einer Stich- probe repräsentativer Krankenhäuser gewonnen wurden. Auch können inter- national bereits eingesetzte Bewer- tungsrelationen übernommen und wei- terentwickelt werden. Die Konkretisie- rung des Systems muss bis Ende 2001 abgeschlossen sein. Bis dann müssen al- le stationären Leistungen mit einer Fallpauschale belegt sein. Seitens des Bundesgesundheitsministeriums wird mit einer Krankenhaus-Gebührenord- nung mit schätzungsweise 600 bis 800 Positionen gerechnet.

Die Bewertung soll über Punkt- zahlen erfolgen, die mit einem Punkt- wert in DM-Beträge transferiert wer- den. Der Punktwert wird – anders als im geltenden heutigen System – bun- desweit festgesetzt. Er kann den Vorgaben zufolge regional differenziert werden. Es soll sich dabei um ein in sich geschlossenes Bewertungssy- stem handeln. Alle Leistungen sollen aufwandsbezogen zu- einander in Beziehung gesetzt werden können. Damit kön- nen Krankenhausvergleiche („Benchmarking“) auf einer transparenteren und einfache- ren Grundlage durchgeführt werden, so die Erwartungen.

Dritter Schritt: Das gel- tende Finanzierungsmischsy- stem und die Bundespflege- satzverordnung sind mit dem Verfallsdatum 31. Dezember 2002 zu versehen. Ab 1. Januar 2003 ersetzt das neue Vergü- tungssystem die bisher abge- rechneten Entgelte. Die Um- setzung für das Jahr 2003 soll budgetneutral erfolgen. Die Einfüh- rungsmodalitäten sollen in der Bun- despflegesatzverordnung festgelegt werden. Budgetneutral bedeutet, dass ein krankenhausindividueller Ver- rechnungspunktwert im Jahr 2003 er-

mittelt wird. Wie bisher könnte dazu ein krankenhausindividuelles Erlös- budget vereinbart werden. Dabei dürften insbesondere auch die Zu- wachsbegrenzungsregelungen gelten.

Dieses Budget ist durch die Punkte- zahl der zu erwartenden Fallpauschal- leistungen zu dividieren. Daraus re- sultiert ein krankenhausindividueller Punktwert, der von dem auf der Bun- desebene vereinbarten Punktwert ab- weichen kann. Ist der Klinikpunkt- wert höher, hat das Krankenhaus An- passungsbedarf auf der Kostenseite.

Ist er niedriger als der bundesweite Punktwert, dann kann das Kranken- haus dadurch finanziell profitieren.

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Die Übergangsphase der Umstel- lung auf das neue Entgeltsystem ist knapp bemessen; die Umstellungsfrist beträgt ein Jahr (im Gesetzentwurf waren ursprünglich drei Jahre vorge- sehen). Die ursprüngliche Vorgabe, dass die Punktwerte Höchstpreise sein sollen, ist im Gesetz nicht reali- siert worden. Folglich ist für wirt-

schaftlich und marktgerecht arbeiten- de Krankenhäuser ein finanzieller Anreiz insoweit geboten, als deren hausindividueller Punktwert unter- halb des bundesweiten Punktwertes Gewinn-Chancen verspricht.

Die Deutsche Krankenhausge- sellschaft, die ursprünglich die Um- stellung auf flächendeckende Fall- pauschalen skeptisch beurteilte, hat sich inzwischen mit den Realitäten abgefunden. Sie will ihre Chancen in der Selbstverwaltung nutzen und rechtzeitig Einfluss auf die Rah- menbedingungen nehmen. Die DKG knüpft an ihre Mitwirkung einige Vorbedingungen: Das Fallgruppie- rungssystem müsse so in das gelten- de Finanzierungssystem eingebettet werden, dass keine unerwünschten Fehlanreize (Mengenexpansion; Über- kapazitäten) entstehen, dass die flä- chendeckende stationäre Versorgung gewährleistet bleibt und die unter- schiedlichen Versorgungsaufgaben im Fallgruppierungs- und Entgeltsystem abgebildet werden.

Weiter: Berücksichtigung der Multimorbiditäten und Komplikatio- nen der Krankenhausfälle bei der Fest- legung von Fallgruppierungen. Diese müssten prozeduren- und diagnose- bezogen erfolgen. Die Fallgruppierun- gen müssten ausreichend differenziert werden, soll vermieden werden, dass das Vergütungssystem zu einer Ver- lagerung des Morbiditätsrisi- kos auf die Krankenhäuser erfolgt. Keinesfalls dürften Fehlsteuerungen insoweit im- plementiert werden, dass eine Risikoselektion der Patien- ten erfolgt und schwer kranke Patienten, weil kostenträch- tig, abgewiesen werden. Ko- stenwirksame Nebendiagno- sen seien wie in herkömmli- chen DRG-Systemen durch ein zweistufiges Upgrading- Verfahren zu berücksichti- gen. Es müsse geprüft wer- den, ob sich dieses Verfahren auch für alle Fachbereiche eignet. Die DKG schlägt vor, aufwendige Fachleistungen

„modular“ abzubilden.

Außerdem seien sachge- rechte Regelungen für so ge- nannte Ausreißer, Extrem- fälle und Restgruppen not- wendig. Damit soll Krankenhäusern von hoher und höchster Versorgungs- stufe Rechnung getragen werden, weil diese einen relativ hohen Anteil mul- timorbider Langlieger zu versorgen

haben. Dr. Harald Clade

A-1395

P O L I T I K AKTUELL

Deutsches Ärzteblatt 97,Heft 20, 19. Mai 2000 Ausgaben für die Investitionskosten der Krankenhäuser in Deutschland

(Zunahme gegenüber dem Vorjahr in Prozent

Großen Schwankungen unterlagen die Ausgaben für die Investitionskosten der Krankenhäuser (getragen von den Ländern) in den vergangenen 15 Jahren.

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