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Archiv "Krankenhäuser/Gesundheitsreform: Das Bedarfsdeckungsprinzip verliert an Bedeutung" (25.04.2003)

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it der Einführung der diagnose- bezogenen Fallpauschalen als Finanzierungs- und Abrech- nungsverfahren werden sich die rechtli- chen, finanziellen, organisatorischen und wettbewerblichen Rahmenbedin- gungen für die Krankenhauswirtschaft grundsätzlich ändern. Die bisherige Krankenhausbedarfsplanung, die Län- deraufsicht und vor allem das Bedarfs- deckungsprinzip in der stationären Ver- sorgung werden in dem Maße an Be- deutung verlieren, wie die Autonomie-

zonen für einen Leistungs- und Qua- litätswettbewerb, für pauschale Fest- preise und Knappheitsrelationen auf dem Krankenhaussektor erweitert wer- den. Dies ist die Quintessenz einer Sy- stemanalyse und einer Bewertung der Reformperspektiven in der Kranken- hausversorgung, die der Gesundheits- ökonom Prof. Dr. rer. pol. Jürgen Wasem, Universität Duisburg/Essen, im Rahmen einer Vortragsveranstal- tung vor der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen e.V. in der Villa Horion in Düsseldorf kürzlich zog.

Die 2 220 Krankenhäuser stünden vor einem tief greifenden Paradigmen- wandel in der Finanzierung, bei der Marktpositionierung, bei den Anpas- sungsmodalitäten und der Implementie- rung der neuen Finanzierungs- und Steuerungselemente. Die Krankenhaus- wirtschaft sei seit zehn Jahren durch un- sichere rechtliche Rahmenbedingungen gekennzeichnet. Die Reformperspek- tiven des Fallpauschalengesetzes wür- den solche Schwerpunkte erkennen las- sen, die mit der deutschen Kranken- hauswirklichkeit nicht viel zu tun hätten, so Wasem. Die Kranken- häuser als finanziell gesicherte, wirtschaftlich und bedarfsgerecht arbeitende Spezialunternehmen (§ 1 Krankenhausfinanzierungs- gesetz) benötigten vor allem in der Anpassungs- und Umstellungs- phase vom finanziellen Mischsy- stem auf das pauschale Entgeltsy- stem mehr Planungssicherheit und verlässliche Rahmenbedingungen, damit sich die Krankenhausträger und die Betriebsführungen recht- zeitig auf die neuen strategischen Entscheidungen über die Kran- kenhausleistungen und ihr Ange- botsverhalten einstellen können.

Bereits jetzt müssten die rechtlichen Rahmenbedingungen erkennbar sein für die Zeit ab der Einführung der

„Scharfstellung“ und des Routinelaufs der DRG-basierten Entgelte (frühe- stens ab Anfang 2007). Der Gesetzgeber müsse frühzeitig klarstellen und ord- nungspolitisch vorgeben, ob sich künftig ein Krankenhauspreissystem auf regio- naler Ebene – und zwar noch admini- striert – entwickeln kann oder aber die Fallpauschalen im Budgetsystem ledig- lich Abschlagszahlungen auf ein vorge- gebenes politisches Budget sind und auf P O L I T I K

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A1098 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 1725. April 2003

systeme im Akut- und Rehasektor zu harmonisieren. Während künftig die Vergütung in Akutkrankenhäusern diagnoseorientiert ausgerichtet wird, müsste dann die Vergütung in Rehabi- litationskliniken nicht mehr an tages- bezogenen Fallpauschalen bemessen werden, sondern sich stärker am indivi- duellen Zustand des Patienten und Re- habilitanden und vor allem am Rehabi- litationsziel orientieren.

DRG-System ante portas?

Während prominente Gesundheitspo- litiker, wie beispielsweise Dr. Dieter Thomae, der gesundheitspolitische Ex- perte der FDP-Bundestagsfraktion, be- reits seit drei Jahren dafür plädieren, auch im Rehabilitationssektor das DRG-System einzuführen und die ta- gesgleichen Pflegesätze zu suspendie- ren, zögert der Bundesverband Deut- scher Privatkrankenanstalten e.V., Ber- lin, der unter anderem auch die Interes- sen von Reha-Kliniken vertritt, zurzeit noch mit einer aus den USA entlehnten analogen Anwendung des DRG-Sy- stems im Reha-Sektor. Gesundheits- ökonomen wie beispielsweise Prof. Dr.

med. Dr. sc. Karl W. Lauterbach, Uni- versität zu Köln, unter anderem Mit- glied der so genannten Rürup-Kom- mission und des Sachverständigenrates für die Konzertierte Aktion im Ge- sundheitswesen, haben bereits vor zwei Jahren ein Konzept zur Überleitung des US-amerikanischen DRG-Systems auf deutsche Reha-Kliniken ausgear- beitet, allerdings mit komplizierten Modifikationen und Variationen. Die Reha-Praktiker plädierten beim Mün- chener Kongress für ein behutsames Abtasten und eine Umstellung und pro- beweise Einführung mit der Möglich- keit, dieses zu revidieren und auch zum Ursprungszustand zurückkehren zu können.

Kuge riet zu einem ersten, prakti- kablen Schritt: „Es ist möglich, dass die Frührehabilitation im organisa- torischen Verbund unter Organisa- tionshoheit einer Rehabilitationsklinik am Akutkrankenhaus durchgeführt und aus den dort realisierten diagnose- bezogenen Fallpauschalen honoriert wird.“ Dr. rer. pol. Harald Clade

Krankenhäuser/Gesundheitsreform

Das Bedarfsdeckungsprinzip verliert an Bedeutung

Konsequenzen einer Umstellung auf diagnosebezogene Fallpauschalen

Prof. Dr. rer. pol. Jürgen Wasem: „Der Preiswett- bewerb auf der Basis von DRGs wird Einzug in die Krankenhausfinanzierung halten.“

Foto:Johannes Aevermann

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das einzelne Krankenhaus herunterge- brochen wird.

Inzwischen sei es in der Gesetzgebung evident geworden, dass sich die Politik weitgehend aus ihrer bisherigen Position zurückgezogen habe. Die Versorgung mit Krankenhausleistungen sei in erster Linie nach den Grundsätzen der Be- darfsdeckung und Krankenhausange- botsplanung heraus zu organisieren.

Zurzeit gibt es noch rechtliche Grundla- gen, um Krankenhauspläne in Länderre- gie zu erstellen. Diese legen die Fiktion zugrunde, es würde der Bedarf ermittelt und dann in Kapazitäten umgerechnet.

Das Gleiche gelte für die am Versor- gungsbedarf orientierte Letztverantwor- tung der Länder. Daraus würden aller- dings bereits heute schon auf Bundes- ebene nicht mehr die entsprechen- den Konsequenzen gezogen. Vielfach würde einer überzogenen Ökonomisie- rung des Gesundheits- und Kranken- hauswesens ein Vorrang eingeräumt, oh- ne die auf Krankenhausbedarfsplanung ausgerichtete Landesplanung zu berück- sichtigen.

Dieser „Mega-Trend“ einer Rücknah- me der vorwiegend bedarfswirtschaftli- chen Orientierung bundes- und landes-

rechtlicher Vorgaben dokumentiert sich in zahlreichen Gesetzgebungsaktivitä- ten. Wasem führte das im Zuge der Re- form der Bundespflegesatzverordnung und des Krankenhausfinanzierungsge- setzes formal seit 1992/1995 abgeschaffte Selbstkostendeckungsprinzip (Gesund- heitsstrukturgesetz) als ein Beispiel für diesen Trend an. Mit der Umstellung auf ein Preissystem sei es möglich, auch Ver- luste und Gewinne zu erzielen.

Die politische Orientierung der Re- formschritte am Postulat der Beitrags- satzstabilität (SGB V) und die von den Krankenkassen verfochtene Linie der einnahmenorientierten Ausgabenpoli- tik oktroyierten den Krankenhäusern Budgets, die vom Bedarf weitgehend unabhängig sind.

Einnahmen blieben zurück

Als systemimmanenten Konflikt be- zeichnete Wasem das Zurückbleiben der Wirtschaftsentwicklung hinter der Ergiebigkeit der Einnahmen der Kran- kenkassen. Ohne grundlegende Re- form der Einnahmenseite ist aus der Sicht von Professor Wasem bisher kein

Ansatz erkennbar, der von dieser Me- chanik wegführt. Die Gesundheitsre- form müsse deshalb an diesem Punkt ansetzen. Auch seien die „Verschiebe- bahnhöfe“ zulasten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und zu- gunsten anderer Sozialleistungszweige und des Bundeshaushalts ursächlich für die Einnahmenschwäche der Kranken- versicherung. Eine Revision der Ein- nahmenseite der Krankenversicherung dürfe nicht zu einem „Wurmfortsatz der Lohnnebenkostenpolitik“ degene- rieren. Sinnvoll sei es, die Vor- und Nachteile einer Abkoppelung der Auf- bringung der Mittel für die GKV von der Lohnbezugsbasis durchzuspielen.

Das von Bert Rürup vorgeschlagene Kopfprämien-Konzept sei keine poli- tisch realisierbare Alternative. Es sei kaum vorstellbar, dass die maroden öf- fentlichen Haushalte die dann erforder- lich werdenden Subventionen für Ge- ringverdiener und Kinderreiche dauer- haft aufbringen könnten.

Neue Spielräume

In dem Maße, wie durch das Entgelt- system und durch die Rücknahme bedarfswirtschaftlicher Orientierungs- maßstäbe die Krankenhausbedarfspla- nung der Länder an Bedeutung verliert, könnten sich sowohl für Krankenhäu- ser als auch für Krankenkassen mehr einzelwirtschaftliche Spielräume eröff- nen. Den Prognosen zufolge werden die Politik und die Krankenkassen erneut einen Anlauf in Richtung einer Umstel- lung der dualistischen auf monistische Finanzierung der Krankenhäuser neh- men. Allerdings müssten eine solide Ausstattung und Gegenfinanzierung bei Einführung der Monistik gesetzlich garantiert werden, was bisher mangels finanzieller Ausstattung der Kranken- kassen und am Widerstand des Bundes- rates gescheitert sei.

Mit Sicherheit werde der Preis- wettbewerb forciert werden und die sek- torenverbindenden Integrationsversor- gungsmodelle kontinuierlich in den Mit- telpunkt der Versorgung der Zukunft ge- stellt werden müssen. Dabei müssten bei der Integrationsversorgung auch die Sektoren Rehabilitation und Pflege ein- bezogen werden. Dr. rer. pol. Harald Clade P O L I T I K

Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 1725. April 2003 AA1099

Seit dem 1. Januar 2003 beteiligen sich rund 550 Krankenhäuser freiwillig an der Einführung des neuen diagnosebasierten Pauschalentgeltsystems.

Jeder Krankenhauspatient wird unter Berück- sichtigung seiner Erkrankung, seines Alters, seines Geschlechts und der durchgeführten Behandlung ei- ner von rund 700 verschiedenen Behandlungs-/Fall- gruppen (DRG) zugeordnet, die mit Preisen bewer- tet sind. Die Verteilung der Fälle auf die verschiede- nen Fallgruppen wird als Case-Mix bezeichnet. Die- ser bildet die Grundlage des Vergleichs der „Pro- duktpalette“ sowie der Produktivität und Effizienz verschiedener Krankenhäuser.

Das Loseblattwerk „Case-Mix in der Praxis“

umfasst neben einer Einführung in die Systema- tik des neuen Vergütungssystems nach § 17 b Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) Tipps für den Einstieg in das DRG-System. Die Kommentie- rung aller wesentlichen Details der Kalkulation, der Budgetfindung, der Falldokumentation, des Da- tenmanagements, der Abrechnung und des Qua- litätsmanagements enthalten Hinweise für den richtigen Umstieg.Außerdem sind alle Gesetzestex- te und Vereinbarungen enthalten.

Das Loseblattwerk wird im Gefolge der stetigen Veränderungen des DRG-Systems, besonders in der

Einführungsphase, zeitnah ergänzt und regelmäßig aktualisiert. Es ist eine Arbeitshilfe und ein Nach- schlagewerk. Das Werk enthält Beiträge von 23 ausgewiesenen nationalen und internationalen Ex- perten. Dieses trifft auch für die Herausgeber zu.

Priv.-Doz. Dr. med. Norbert Roeder ist Leiter der Stabsstelle Medizincontrolling des Universitäts- klinikums Münster und hier verantwortlich für Fragen zu den Themen der innerklinischen DRG- Einführung und des Qualitätsmanagements.

Dr. med. Bernhard Rochell ist Referent der Bundes- ärztekammer für Fragen im Zusammenhang mit der Abrechnung und Dokumentation von Krankenhaus- leistungen und Umsetzung des § 17 b KHG. Ferner ist er verantwortlich für die Koordination und Durch- führung von Studien zur Evaluation des Anpassungs- bedarfs bei der DRG-Einführung in Deutschland.EB Norbert Roeder/Bernhard Rochell (Hrsg.):

Case-Mix in der Praxis. Handbuch für die DRG-Umsetzung. Mit Beiträgen zahlreicher Fachautoren, 2003,

circa 360 Seiten, Loseblattwerk in einem Ordner, 99,95 Euro, Seitenpreis der Ergänzungslieferung: 0,30 Euro.

ISBN 3-7691-3162-2, Deutscher Ärzte-Verlag GmbH, Köln;

erscheint Mai 2003.

Sicher und kompetent in der DRG-Umsetzung

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