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Archiv "Krankenhäuser – Diagnosebezogene Fallpauschalen: Chancen und Risiken" (20.10.2000)

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ie Entscheidung der Selbstverwal- tung vom 27. Juni 2000 für das Australian Refined Diagnosis Re- lated Groups-System (AR-DRG) in der neuesten Version (4.1), das bis zu maximal 800 Fallgruppen vorsieht, ist in der Fachöffentlichkeit auf einhellige Zustimmung gestoßen, da es hinrei- chend differenziert ist und damit ko- stenhomogene Gruppen wahrschein- lich werden lässt. Das seit 1996 exer- zierte Experiment mit den Fallpauscha- len und den Sonderentgelten geht da- mit nach einer relativ kurzen Zeit zu Ende.

Deutschland folgt somit einer Ent- wicklung, die Mitte der 70er-Jahre in den USA begann und dort seit 1983 (Medicare) in größeren Teilen umge- setzt und in den folgenden Jahren in- ternational intensiv diskutiert wurde.

Das deutsche Experiment zeichnet sich dadurch aus, dass – anders als in ande- ren Staaten, die das diagnosebezogene Vergütungssystem immer nur in Teilen eingeführt haben – es in Deutschland vom Jahr 2003 an umfassend einge- führt sein wird.

Chancen des neuen Vergütungssystems

Chancen und Risiken werden intensiv diskutiert. Die Konsequenzen des voll- ständigen Umstiegs ab 1. Januar 2003 lassen sich allerdings nur mit einem höheren Maß an Unsicherheit progno- stizieren. Folgende Chancen hat die Fi- nanzierungsneuregelung aus der Sicht des Jahres 2000:

Das neue Vergütungssystem er- zwingt den Aufbau eines kompetenten, qualifizierten Managements zur ratio- nalen internen Leistungs- und Ressour- censteuerung und Planung. Auch wenn die Zeiten der semiprofessionellen

Krankenhausführung vorbei sind, wird die Einführung der DRGs eine Art Quantensprung für das Krankenhaus- management bedeuten.

Die interne hohe Leistungs- und Ko- stentransparenz und die Art des Vergü- tungssystems wird zum ersten Mal eine konsequente Kostenanalyse ermögli- chen und Effizienzgewinne im Kran- kenhaus als überlebenswichtige Res- source darstellen.

Die Einführung der DRGs bedeutet, dass alle bisherigen Effizienzbemühun- gen in den deutschen Krankenhäusern, dort wo sie erfolgt sind, durch deren Im- plementierung belohnt werden. Dies ist nicht selbstverständlich, da die bisheri- ge Politik, Budgets festzuschreiben und für alle Krankenhäuser mit einem be- stimmten Prozentsatz zu steigern, unge- recht war und Ineffizienz als rationale Strategie erscheinen ließ.

Die Einführung des neuen Fallpau- schalen-Vergütungssystems wird vor- aussichtlich flachere Hierarchien im or- ganisationssoziologisch eher rückstän- digen Krankenhaus erzwingen und die Hierarchie in eine funktionsorientierte Führung weiterentwickeln helfen.

Die Patienten werden deutlich prä- gnanter als „Kunde“ hervortreten, je- denfalls diejenigen, die im Leistungs- spektrum des jeweiligen Krankenhauses liegen. Sie dürfen sich in Zukunft einer völlig neuen „Zuwendung“ erfreuen.

Das Krankenhaus wird sich von der

„Patientenabfertigung“ möglicherweise hin zu einem zielgruppenspezifischen Patientenmanagement entwickeln.

Zu den „Kunden“ gehören auch die niedergelassenen Ärzte beziehungswei- se die nachgeschalteten Versorgungs- einrichtungen (Rehabilitation, Pflege).

Leistungsqualität und Kosteneffizienz werden auch davon abhängen, wie die Beziehung zu diesen „Umwelten“ ge- staltet ist.

Die Effizienzorientierung, die Kosten- und Leistungstransparenz sowie die neue Form der Kundenorientierung zwingen die Krankenhäuser zu einer stringente- ren Auswahl des Personals. Entschei- dend werden die Motivation, die Qua- lität und die Identifikation des Kran- kenhauspersonals mit den Zielen des Unternehmens sein, das nun am Markt scheitern kann. Schulungsmaßnahmen und Investition in die Personalbindung werden in den Vordergrund treten.

Systematisches Risk-Management

Dass die Chancen der Datenverarbei- tung, aller effizienzorientierten Investi- tionen im Krankenhausbereich sowie die Möglichkeiten der Telemedizin an- ders betrachtet werden, ist evident. Zu den effizienzsteigernden Maßnahmen wird in Zukunft auch ein systematisches Risk-Management gehören; dort wo nosokomiale Infektionen beispielswei- se, die prinzipiell vermeidbar sind, fak- tisch auch vermieden werden, werden in erheblichem Umfang Kostenblöcke beeinflussbar sein.

Aufgrund der Konzentration auf die Stärken beziehungsweise die Speziali- sierung innerhalb des teil- und vollsta- tionären Leistungsspektrums wird die regionale Kooperation mit Kranken- häusern der gleichen Trägergruppe und lokalen Mitbewerbern in den Vorder- grund treten; Outsourcing wird eine neue Dimension erhalten.

Je mehr sich das Finanzierungssy- stem in Richtung Monistik bewegt, de- sto stärker gibt es EU-gerechte „Prei- se“, sodass bei Nachfrage von außen nicht der deutsche Steuerzahler einen Teil der Kosten zu tragen hat.

Die Finanzierungsträger (GKV, PKV, Beihilfe) können davon ausgehen, dass P O L I T I K

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A2746 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 97½½½½Heft 42½½½½20. Oktober 2000

Krankenhäuser

Diagnosebezogene Fallpauschalen:

Chancen und Risiken

So sollen die Krankenhäuser auf mehr Markt und Leistungseffizienz getrimmt werden.

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das neue Vergütungssystem über eine kostengerechte Zuordnung zu den Lei- stungen die behauptete beziehungs- weise tatsächliche Quersubventionie- rung aufdeckt oder ausscheiden wird.

Risiken des

Fallpauschalsystems

Jede Innovation beziehungsweise Ver- änderung, insbesondere eines Vergü- tungssystems, ist mit Risiken verbun- den. Diese sind klar in den Blick zu neh- men und sowohl im Verhältnis zu den Chancen zu betrachten als auch durch politische Interventionen beziehungs- weise Verträge der Selbstverwaltungs- partner zu minimieren. Aufgrund der notwendigen Spezialisierung und Kon- zentration des Leistungsgeschehens un- ter Qualitäts- und Kostengesichtspunk- ten wird die wohnortnahe Versorgung konventioneller Provenienz nicht mehr

zu halten sein. Zu vermuten ist aller- dings, dass der Bürger im Zielkonflikt zwischen Qualität und Nähe in der Re- gel die Qualität wählen wird.

Wie bei jedem Vergütungssystem treten dann Friktionen und Probleme auf, wenn die Aktualität des Vergü- tungssystems mangelhaft ist, also der medizinische Fortschritt eine höhere Dynamik entfaltet als die administrati- ven und vertraglichen Bemühungen um systematische Anpassung.

Die interne Transparenz des teil- und vollstationären Leistungsgeschehens in

den Krankenhäusern wird auch zu ei- ner externen Transparenz führen.

Benchmarking, Ratings und anderes werden dem aufgeklärten Bürger kom- plexe Sachverhalte in vereinfachter Form darbieten und zu schwer zu steu- ernden Nachfrage- und Wanderungs- strömen führen, die wegen der Inflexi- bilität der strukturellen Anpassung der Krankenhäuser mit Wartezeiten und in- effizienter Unterauslastung verbunden sein werden.

Möglicherweise unterbewertete oder schwach bewertete Leistungsmodule führen insbesondere bei Anpassungsde- fiziten zu Patientengruppen, die als eher attraktiv oder unattraktiv einzuschätzen sind, und gegebenenfalls dazu, dass spe- zifische Morbiditätsbereiche unterver- sorgt sind. Mit Nachjustierung und/oder regionalspezifischen Aufschlägen las- sen sich solche Defizite ausgleichen.

Regionale Unterversorgung lässt sich deshalb nicht ganz ausschließen, da

nationale und internationale Kranken- hausketten nicht die Sicherstellung spe- zifischer Räume, sondern eventuell die Shareholder-value-Optik in den Vor- dergrund stellen müssen, sodass staat- lich auch hier nachjustiert werden muss.

Der Trend zu einer schematischeren Behandlung und einer Entindividuali- sierung wird trotz der Komplexität des gewählten Vergütungssystems nicht auszuschließen sein. Die Behandlung wird rationaler, das heißt aber auch in- variant gegen individuelle Besonder- heiten sein.

Die Kostenanalyse des stationären Sektors wird nach wenigen Jahren zei- gen, dass der Anteil für Dokumenta- tion, Evaluation, Kontrolle usw. am Gesamtaufwand steigen wird und Deutschland sich von gegenwärtig zehn Prozent in Richtung (USA) von unge- fähr 20 Prozent administrativem Anteil bewegen wird. Bei Budgets würde das bedeuten, dass dem eigentlichen medi- zinischen Leistungskern der Kranken- häuser Mittel zu entziehen wären.

Im deutschen Gesundheitssystem wird die Einführung der DRGs bei Bei- behaltung der Vergütungssysteme im sonstigen Gesundheitswesen die inter- sektorale Kooperation zunächst nicht fördern, sondern möglicherweise zu Strategien der Kostenverdrängung füh- ren. Es entsteht insofern ein Entschei- dungsdruck für die Selbstverwaltung und die Politik, die Vergütungssysteme kom- patibel zu gestalten, um effizientes Case- Management beziehungsweise intersek- torale Kooperation zu ermöglichen.

Die Rolle des Arztes und die klassi- sche Stellung des Arztes im Kranken- haus wird sich erheblich verändern. Die interne Kontrolldichte nimmt zu, die Begründungspflicht ärztlich-diagnosti- schen und therapeutischen Verhaltens wird zunehmen; das Machtverhältnis zwischen Managern und Ärzten wird sich ebenfalls zugunsten der Admini- stratoren verschieben.

Die klare Kostentransparenz einzel- ner medizinischer Maßnahmen wird auch in Bezug auf die Effekte (Gesund- heitsqualität und quantitative Parame- ter) genau bestimmbar sein. Diese Transparenz wird die Frage der Sinn- haftigkeit bestimmter medizinischer Strategien aufwerfen und Heilen und Behandeln unter finanziellen Katego- rien bewertbar machen. Die „Barmher- zigkeit der Intransparenz“ wird entfal- len, da an sich ökonomisch nicht be- gründbares, aber menschlich verständ- liches Verhalten in Größen wie „voll- pauschalierte Tagessätze“ bisher nicht sichtbar wurden.

Für die Krankenhäuser ist entschei- dend, dass das neue Vergütungssystem nicht zu einem Budgetverteilungsin- strument degeneriert.

Dr. rer. pol. Wolfgang Klitzsch Ärztekammer Nordrhein

Tersteegenstraße 31, 40474 Düsseldorf P O L I T I K

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Eine große Streubreite in den Bundesländern gibt es bei den KHG- Fördermitteln je Kran- kenhausplanbett. An der Spitze liegt Meck- lenburg-Vorpommern mit durchschnittlich 28 178 DM je Planbett, am unteren Ende der Skala Nordrhein-West- falen mit durchschnitt- lich 7 311 DM.

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