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Archiv "Gesundheitspolitik: „Nein sagen alleine, das reicht nicht mehr aus“" (25.05.2007)

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A1440 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 21⏐⏐25. Mai 2007

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dergelassener Hausarzt und ein Krankenhausarzt. Henke, zugleich 2. Vorsitzender des Marburger Bun- des und im BÄK-Vorstand bisher für die Krankenhausgremien zu- ständig, gewann im dritten Wahl- gang. Bei der Wahl des zweiten Bei- sitzers waren dann die Niedergelas- senen unter sich: Hubert Bakker, Hausarzt aus Bremen, Dr. med.

Astrid Bühren aus Murnau, die dem bisherigen BÄK-Vorstand angehör- te, und Dr. med. Max Kaplan. Nach- dem Bühren im ersten Wahlgang knapp vorn gelegen hatte, entschied Kaplan den zweiten Wahlgang mit hauchdünner Mehrheit für sich: Er erhielt 120, Bühren 116 Stimmen.

Die niedergelassene Fachärztin für Psychosomatische Medizin und Psy- chotherapie scheidet damit aus dem Vorstand aus. Ihr Einsatz für die ärztlichen Psychotherapeuten, Psy- chiater und psychosomatisch täti- gen Ärzte wurde besonders hervor- gehoben. Bühren, seit 1997 Vorsit- zende des Deutschen Ärztinnenbun- des, ist in der BÄK bisher Vorsitzen-

de des Ausschusses und der Ständi- gen Kommission „Ärztinnen“, zu- dem des Ausschusses „Sucht und Drogen“.

Den Glückwünschen Vilmars für den neuen Vorstand folgte ein in der Satzung vorgeschriebener Akt: Dr.

med. Horst Massing, der älteste Ab- geordnete des Ärztetages, verpflich- tete die Vorstandsmitglieder auf „ei- ne getreue Amtsführung zum Wohle der deutschen Ärzteschaft“. I Heinz Stüwe, Josef Maus

Gemeinsame Freude:

Erleichterung nach der Wahl bei Corne- lia Goesmann und Frank Ulrich Mont- gomery.

GESUNDHEITSPOLITIK

„Nein sagen alleine, das reicht nicht mehr aus“

TOP I Gesundheits-, Sozial- und ärztliche Berufspolitik

Das Gesundheitssystem werde in Richtung eines staatlichen Gesundheitsdienstes transformiert, warnte der 110. Deutsche Ärztetag. Bis zur nächsten

Bundestagswahl soll die Politik mit einem geschlossenen Gegenkonzept konfrontiert werden.

M

ehr agieren, weniger reagie- ren – dies hat sich die verfass- te Ärzteschaft nach den Erfahrun- gen aus dem letzten Gesundheitsre- formprozess vorgenommen. Denn:

„Ulla Schmidt kann’s einfach nicht“, betonte Dr. med. Theo Windhorst, Westfalen-Lippe, zum Auftakt der Beratungen in der Halle Münsterland – lang anhaltender Applaus. Er sei es leid, als Arzt immer wieder für die Versäumnisse und Fehler dieser miss- ratenen Gesundheitspolitik gerade stehen zu müssen, ergänzte Dr. med.

Wolfgang Wesiack, Hamburg: „Aber Nein sagen alleine, das reicht nicht mehr aus.“ Die Ärzteschaft müsse sich jetzt besser aufstellen als im Vor-

feld der letzten Gesetzesvorhaben, appellierte Dr. med. Christoph Schoultz von Ascheraden, Baden- Württemberg, an die Delegierten.

Windhorst: „Wir wollen gestalten, wir wollen zeigen, wo es langgeht, wir lassen uns nicht mehr vorführen.

Sacharbeit ist angesagt.“

Strategien der Ärzteschaft Der 110. Deutsche Ärztetag beauf- tragte den Vorstand der Bundes- ärztekammer, ein gesundheitspoliti- sches Programm zu entwickeln, das dem nächsten Deutschen Ärztetag 2008 in Ulm zur Verabschiedung vorgelegt werden soll. Obwohl die Gesundheitsreformen in immer kür-

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zeren Intervallen aufeinanderfolg- ten, sei es dem Gesetzgeber bisher nicht gelungen, überzeugende Lö- sungsansätze zu den neuen Heraus- forderungen der demografischen und wirtschaftlichen Entwicklung zu fin- den, heißt es im einstimmig ange- nommen Beschluss „Gesundheitspo- litische Strategien der Ärzteschaft“.

Heftige Kritik am GKV-WSG Die Anlage zur Drucksache I-02 ent- hält bereits Reformvorschläge. Die Stichworte lauten: für eine nachhal- tige Finanzierung des Gesundheits- wesens, für einen Wettbewerb der Systeme, Solidarität statt Risikose- lektion, Abrechnungsklarheit durch Modernisierung der Gebührenord- nung für Ärzte (GOÄ), Budgetie- rung endlich abschaffen, wohnort- nahe Krankenhausversorgung si- cherstellen, in Weiterbildung inves- tieren, sektorübergreifende Qua- litätssicherung ärztlicher Leistungen ausbauen, Transparenz Individueller Gesundheitsleistungen (IGeL), qua- litätsgesicherte Prävention fördern, Vertraulichkeit und Datensicherheit wahren, Patientensicherheit durch Fehlerprävention verbessern, den Patient-Arzt-Dialog stärken, Freibe- ruflichkeit und Therapiefreiheit ver- teidigen, für eine sektorübergreifen- de Zusammenarbeit und Entwick- lung von Prioritäten durch Einrich- tung eines Gesundheitsrates.

Bis zur nächsten Bundestagswahl, die spätestens im Jahr 2009 ansteht, wolle man die Politik mit einem ge- schlossenen Konzept konfrontieren, betonte Prof. Dr. med. Jörg-Dietrich Hoppe, Präsident der Bundesärzte- kammer, später vor der Presse: „Es wird Zeit, dass Gesundheitspolitik jetzt wirklich mal ein zentrales Wahl- kampfthema wird.“ Das Reformkon- zept solle Wege aufzeigen, wie sich

„eine qualitativ hochwertige medizi- nische Versorgung mit chancenglei- chem Zugang und Teilhabe aller am medizinischen Fortschritt auch unter den schwieriger werdenden Rahmen- bedingungen“ sicherstellen lasse.

Zuvor hatte der Ärztetag eben- falls einstimmig eine vernichtende Bewertung der jüngsten Gesund- heitsreform verabschiedet. Das Ge- sundheitssystem werde in einigen Jahren vorherrschend Züge eines

staatlichen Gesundheitsdienstes ha- ben. Die Einzelelemente der Re- form stellten „ein legislatives Viren- programm zur Zerstörung des frei- heitlichen Betriebssystems unse- res Gesundheitswesens dar“, heißt es im Leitantrag des Vorstandes der Bundesärztekammer. Mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) könne eine dauerhafte an den Patienteninteressen orien- tierte Gesundheitsversorgung finan- ziell nicht mehr gesichert werden.

Vielmehr stellten die Veränderun- gen auf der Finanzierungsseite ein

„Experiment mit unsicherem Aus- gang“ dar. Die Finanzautonomie der Krankenkassen werde mit dem ge- planten Gesundheitsfonds beseitigt, über die Finanzausstattung des Fonds sowie über die Höhe des Ein- heitsbeitrags werde künftig die Poli- tik entscheiden.

Über Wahltarife und selektive Verträge entstünden unterschiedli- che Sektoren der Patientenversor- gung und eine Mehrklassenmedizin.

Der vermeintliche Fortschritt, den dieses „Wettbewerbsmodell“ brin- gen solle, werde nicht eintreten, meinen die Delegierten: „Die im Patienteninteresse gebotene Versor-

gungssicherheit und Gleichmäßigkeit der Versorgung in räumlicher Nähe und entsprechender Qualität kann nicht mehr gewährleistet werden.“

Der Ärztetag äußerte auch Be- denken gegen die Einführung des

„Verursacher-Prinzips“ in die GKV.

Zur Erklärung: Mit der in § 52 Abs.

2 des SGB V festgeschriebenen Re- gelung sollen Versicherte von den Krankenkassen an den Behand- lungskosten beteiligt werden, wenn eine Krankheit durch eine medizi- nisch nicht indizierte Leistung, etwa durch eine Schönheits-OP, eine Tätowierung oder ein Piercing, ent- standen ist. Diese neue Denkweise müsse politisch thematisiert wer- den. Des Weiteren kritisiert der Ärz- tetag, dass Ärzte mit der Gesund- heitsreform als „Therapie-Polizei der GKV eingesetzt werden“. Hin- tergrund ist die Regelung über die Belastungsgrenze bei Zuzahlungen für chronisch Kranke. In der Folge müssten Ärzte alljährlich therapie- gerechtes Verhalten, etwa durch Teil- nahme an einem DMP, bescheini- gen. Auch an den neuen Vorschrif- ten über Preisvereinbarungen, Ra- batte und den damit verbundenen Bonus-Malus-Folgen lassen die De- legierten kein gutes Haar. Diese würden Ärzte in „berufsrechtliche Konfliktlagen“ bringen. Die therapie- gerechte Verordnung werde durch solche Vorgaben beeinträchtigt.

Attraktivität der PKV erhalten Die Delegierten sind überzeugt, dass die Reform die private Krankenver- sicherung (PKV) schwäche oder gar zerstöre. Erodiere die PKV aber, würde nicht nur das einzige nachhal- tig finanzierte kapitalgedeckte Ver- sicherungsmodell wegfallen – und damit „eine Referenzgröße für die Qualität der medizinischen Versor- gung“, darüber hinaus drohten Ärz- ten in Krankenhäusern und Arztpra- xen erhebliche Einnahmeverluste.

Dringendes Ziel der Ärzteschaft müsse es deshalb sein, dass die Ei- genständigkeit der GOÄ als Refe- renzgebührenordnung erhalten blei- be. Zudem müsse die Privatliquida- tion für wahlärztliche Leistungen im Krankenhaus gewährleistet und die Attraktivität der PKV als Vollversi- cherung gewahrt bleiben.

Gestalten statt verwalten:„Ulla Schmidt kann’s ein- fach nicht“, sagte Theo Windhorst –

„also machen wir es selber!“

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Die Ärzte seien nicht länger be- reit, die Unterfinanzierung in der gesetzlichen Krankenversicherung durch unbezahlte Arbeit zu kom- pensieren, stellte Hoppe am Rande des Ärztetages klar: „Wir können einfach nicht weiter unter Dauer- budgetierung und verschärftem Preiswettbewerb hochqualitative Medizin erbringen.“ Deshalb wür- den die Ärzte jetzt erst recht die Pa- tienten über die Probleme im Ge- sundheitswesen aufklären. „Wir werden die Defizite benennen und selbst Öffentlichkeit schaffen“, kün- digte der Ärztepräsident an. Nie zu- vor sei die Freiheit des Arztberu- fes so infrage gestellt worden. Die Freiberuflichkeit, die ärztliche Un- abhängigkeit in der Therapiefin- dung, auf die der Patient bisher ver- trauen konnte, störten offensichtlich in einem System staatlich gelenkter Gesundheitswirtschaft. „Doch was wir brauchen, ist kein politisches Korsett für Konfektionsmedizin, sondern endlich Rahmenbedingun- gen ärztlicher Berufsausübung, un- ter denen eine gute Versorgung kranker Menschen absolute Prio- rität hat“, forderte Hoppe.

Gemeinsam mit der Kassenärztli- chen Bundesvereinigung sowie ver- schiedener Verbände des Gesund- heitswesens will die Bundesärzte- kammer die Öffentlichkeit künftig über die Fehler der jetzigen Gesund- heitspolitik aufklären. Ein erstes Treffen von Bundesärztekammer, Kassenärztlicher Bundesvereinigung,

ÄRZTETAG ZU PATIENTENVERFÜGUNGEN

Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt hatte bei der Eröffnungsveranstaltung des 110. Deut- schen Ärztetages in Münster für eine Rechtssi- cherheit in Bezug auf Patientenverfügungen plä- diert. Sie hatte begrüßte, dass der Bundestag ei- ne Generaldebatte zu dieser Thematik ange- stoßen habe. Die Delegierten des Ärztetages be- tonten dagegen in einer Entschließung, dass der in einer Patientenverfügung geäußerte Wille be- reits heute grundsätzlich verbindlich und Grund- lage ärztlichen Handelns sei. Sie sprachen sich deshalb gegen eine umfangreiche rechtliche Re- gelung von Patientenverfügungen aus. Die Si- tuationen am Lebensende seien hochkomplex und individuell. „Deshalb stellt sich die Frage, ob durch eine weitergehende gesetzliche Regelung nicht neue Verunsicherungen im medizinischen Alltag hervorgerufen werden“, heißt es in einem Beschluss des Ärztetages. Rechtssicherheit für jeden Einzelnen könne es nicht geben, sagte auch der Präsident der Bundesärztekammer,

Prof. Dr. med. Jörg-Dietrich Hoppe, bei der Eröff- nungsveranstaltung.

Befürwortet wird allerdings von den Delegier- ten eine Klarstellung, in welchen Fällen das Vor- mundschaftsgericht einzuschalten sei. „Neben den geregelten Voraussetzungen für die Anrufung des Vormundschaftsgerichts bei ärztlichen Maß- nahmen sollte eine Genehmigung durch das Vor- mundschaftsgericht nur notwendig sein, wenn zwischen Arzt und Bevollmächtigtem oder Betreu- er unterschiedliche Auffassungen darüber beste- hen, ob die Nichtbehandlung oder der Behand- lungsverzicht dem Patientenwillen entspricht. Das Vormundschaftsgericht sollte nur in Konfliktfällen entscheiden“, so der Beschluss.

Der Ärztetag vertritt außerdem die Ansicht, dass eine Reichweitenbegrenzung im Widerspruch zum Selbstbestimmungsrecht des Patienten stehe. „Je- der Patient hat das Recht, sich für oder gegen eine medizinische Behandlung zu entscheiden und ge- gebenenfalls den Umfang zu bestimmen.“ Kli Ein Appell an die anderen 249 Delegierten:„Wir müssen uns besser aufstellen, als im Vorfeld der letzten Gesundheitsreform“, forderte Christoph Schoultz von Ascheraden.

der Allianz Deutscher Ärzteverbän- de und ärztlichen Berufsverbänden soll in Kürze stattfinden. Differen- zen zwischen einzelnen Ärzteorga- nisationen gelte es hierbei zu über- winden, betonte Hoppe: „Wir müs- sen uns einfach zusammenraufen.“

Offen ist allerdings, ob sich der Hausärzteverband beteiligt.

In einem weiteren Beschluss sprach sich der Ärztetag mit großer Mehrheit dafür aus, die Arbeitsbe- dingungen insbesondere für junge Assistenzärzte und Fachärzte zu ver-

bessern, um einem Ärztemangel und dem dadurch drohenden Qualitäts- verlust an den Kliniken entgegenzu- wirken. Dazu gehöre, heißt es in dem von der Delegierten Elke Köhler, Brandenburg, eingebrachten Antrag, „eine dauerhaft gesicherte und angemessene Honorierung, die Einführung einer vertretbaren Ar- beitszeit, eine weitgehende Entlas- tung bei Verwaltungsaufgaben, ei- ne kontinuierliche und zuverlässige Weiterbildung sowie Möglichkeiten für eine Kinderbetreuung“.

Überhaupt kein Verständnis hat- ten die Delegierten dafür, dass Ulla Schmidt bei der Eröffnungsveran- staltung des Ärztetages die Ärzte sehr pauschal als Mittäter des Nazi- regimes verunglimpft hatte. Die Mi- nisterin hatte der Ärzteschaft zudem vorgeworfen, ihre Rolle in der Zeit des Nationalsozialismus nicht auf- gearbeitet zu haben und diesen Vor- wurf auch am Beispiel des früheren Hartmannbund-Vorsitzenden Alfons Stauder zu begründen versucht (siehe nachstehenden Kommentar). I Timo Blöß, Jens Flintrop

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