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Archiv "Irreführung: Tschernobyl treibt Blüten ..." (19.02.1987)

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DEUTSCHES AR,ZTEBLATT

S

oeben hat der im Novem- ber 1985 von Bundesar- beitsminister Dr. Norbert Blüm berufene Sachverständi- genrat für die Konzertierte Ak- tion sein erstes Werk vollbracht.

Rechtzeitig vor der Frühjahrs- runde der Konzertierten Aktion (am 26. März) kam er mit sei- nem schwergewichtigen Gutach- ten über — eine wahre Fleißar- beit auf 547 Seiten. Der Rat hat drei von vier „Versorgungs- blöcken" analysiert: zahnärzt- liche Versorgung, Kranken- haussektor und Arzneimittel- markt. Aufgezeigt wird weiter die Bedeutung der demographi- schen Entwicklung, der Mor- bidität, des Leistungsangebo- tes und der Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen, und schließlich werden die finanziel- len Rahmenbedingungen abge- steckt.

Es ist das Verdienst der aus Ärzten, Sozial- und Wirtschafts- wissenschaftlern zusammenge- setzten siebenköpfigen Exper- tengruppe, eine ordnungspoli- tisch weitgehend neutrale, wert- freie Diagnose und Analyse des überkommenen Systems der

Konzertierte Aktion am. ia■e-

Fleißarbeit der Gutachter

Gesundheitssicherung gegeben zu haben — frei von Ressortpar- tikularismus und unabhängig von allgemein- und tagespoliti- schen Rücksichten. Uneinge- schränkt plädieren die Gutach- ter für die Berücksichtigung me- dizinischer Orientierungsdaten neben finanziellen Parametern im Gesundheitswesen.

Allerdings können die Er- gebnisse nur indirekt zur politi- schen Lösung dringender (poli- tisch zu lösender) Strukturfra- gen im Gesundheitswesen bei- tragen, wie die Sachverständi- gen ihre normativen Aussagen unter Verweis auf ihren (poli- tisch) vorgegebenen Auftrag einschränken. Zu Recht bekla- gen die Sachverständigen, daß trotz einer Fülle bei den Trägern des Gesundheitswesens gesam- melter Daten in vieler Hinsicht

aussagekräftige Entscheidungs- parameter fehlen, wie die noch recht lückenhafte Mortalitäts-, Morbiditäts- oder Krankenhaus- statistik belegen.

Die Sachverständigen be- schränken sich zwar weitgehend auf die Analyse und den Nach- weis von Handlungsalternativen für die Politik. Doch gehen sie selbst von einer politischen Grundvoraussetzung aus: eine klar ausgerichtete Gesundheits- politik müsse falsche Anreize beseitigen, die zur Über- und Fehlproduktion tendierenden Sektoren aktiv steuern und nach Maßgabe medizinischer und ökonomischer Ressourcen zü- geln. Dabei müsse auch die Ver- zahnung der Teilbereiche unter- einander durch bereits gesetz- lich installierte Instrumente ver- bessert werden. Das von den Sachverständigen genannte ma- gische Viereck wird freilich eine Idealvorstellung bleiben: Be- darfsgerechtigkeit, Einkom- mensunabhängigkeit, hohe Qualität und Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung werden nie gleichzeitig und gleichge- wichtig zu realisieren sein! HC

• •

U

ber manche Politiker-Er- klärungen nach dem Re- aktorunglück von Tscher- nobyl vom April 1986 wundert man sich schon gar nicht mehr.

So etwa über die Aufforderung des hessischen Sozialministers Armin Clauss (SPD), hessische Bürger sollten nur noch Milch von hessischen Kühen trinken.

Waren die Kühe im Land der er- sten rot-grünen Koalition denn etwa glücklicher (wenigstens so lange, bis diese Koalition einer Art „atomaren Spaltung" zum Opfer fiel)? Oder scheint dem Minister nur die Milch von Kü- hen aus anderen Bundeslän- dern, die ja alle nicht von einem solchen Bündnis regiert wurden, etwa nicht trinkbar, weil dort womöglich strahlenverseucht?

Was man kürzlich aus Ber- lin vernahm, das macht schon eher stutzig. Dort tauchte ein Flugblatt mit dem Briefkopf des

Irreführung

Tschernobyl

treibt Blüten . • •

Senators für Gesundheit und Soziales auf, in dem die Erhe- bung genauer Daten „zur Scha- densregulierung und Gefahren- vorsorge" nach dem Reaktor- unglück von Tschernobyl ange- kündigt wurde. Der Clou des Schreibens war die Ankündi- gung einer Gesundheitsuntersu- chung an einem festgesetzten Termin. Für den Fall des Nicht- erscheinens zu dieser speziellen Untersuchung wurde ein Zwangsgeld in Höhe bis zu — sa- ge und schreibe —10 000 DM (in Worten: zehntausend Deutsche Mark!) angedroht. Außerdem wurde „eine Gesamtbelastungs-

messung in jedem Haushalt"

durch das Technische Hilfswerk angekündigt.

Da werden die Telefon- drähte bei den Berliner Gesund- heitsbehörden aber heiß gelau- fen sein. Wie viele beunruhigte Bürger mögen wohl schon sor- genvoll in ihrem Sparstrumpf nachgesehen haben, ob das Er- sparte noch für den Fall der Zwangsvollstreckung ausrei- chen würde. Und womöglich stellt irgend so ein „Hilfswerk"

bei der Überprüfung des Haus- halts mit dem „Geigerzähler"

fest, daß auch das Ersparte selbst völlig strahlenverseucht ist, und nimmt es vorsorglich mit — auf Nimmerwiedersehn, versteht sich! Der Berliner Ge- sundheitssenator jedenfalls er- stattete Anzeige gegen die Ur- heber dieser Flugblatt-Fäl- schung. — Tschernobyl treibt schon seltsame Blüten . . . andi

Dt. Ärztebl. 84, Heft 8, 19. Februar 1987 (1) A-389

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