A638 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 14⏐⏐3. April 2009
P O L I T I K
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ie Honorarreform für die Vertragsärztinnen und -ärzte ist gescheitert. So formulierte es der Vorsitzende des baden-württember- gischen Hausärzteverbands, Dr. med.Berthold Dietsche, beim 7. Baden- württembergischen Hausärztetag am 21. März in Stuttgart. Für ihn ist die Alternative zu den Regelleistungs- volumina der Vertrag zur haus- arztzentrierten Versorgung (HZV) mit der AOK des Landes.
Seit Oktober 2008 können sich die Versicherten der AOK Baden-Würt- temberg bei ihrem Hausarzt in den HZV-Vertrag einschreiben. Das haben nach Angaben des stellver- tretenden AOK-Vorstandsvorsitzen- den Christopher Hermann bislang 405 000 Versicherte getan. Das Ziel, bis Ende 2009 mindestens 3 000 Ärzte als Teilnehmer zu gewinnen, sei bereits jetzt erreicht. „Der Vertrag ist ein Erfolgsmodell“, lobte Diet- sche. Er setzt darauf, bald auch mit den anderen Krankenkassen des Landes einen ähnlichen Vertrag ab- schließen zu können, nachdem mehr als die Hälfte der Hausärzte seinen Verband dazu mandatiert hat.
Etwas Wasser in den Wein goss der Vertreter des baden-württember- gischen Sozialministeriums, Minis- terialdirigent Manfred Zach. Er bescheinigte den Vertragspartnern zwar, mit ihrem Vertrag wichtige Schrittmacherdienste geleistet zu haben, bedauerte aber, dass mit den selektiven Vertragsformen eine Sicht einhergehe, die die Qualitäts- aspekte etwas in den Hintergrund dränge. Nach wie vor sei für das Ministerium die ambulante ärztliche Versorgung nach § 73 die Regelver- sorgung – § 73 b SGB V biete eine besondere Form der Versorgung, an der die Ärzte und Patienten teilneh- men können, aber nicht müssen.
Wenn es um die Struktur der Ver- gütung der Ärzte gehe, müsse nach neuen Lösungen gesucht werden.
§ 73 b sei dafür ungeeignet. Für die baden-württembergische Landesre- gierung sei klar, dass die Honorarre- form gescheitert sei. „Es gibt keine Transparenz und keine Gerechtig- keit.“ Die Wurzel des Übels liegt für die Landesregierung im Zentralis- mus. Zach sprach sich für eine Totalrevision des gesamten Vergü- tungssystems aus: „Bewahrenswert ist einzig die Bewertung in Euro und die Verlagerung der Morbidität zu den Krankenkassen. Alles andere muss weg.“
Als Einziger auf dem Podium be- kannte sich der SPD-Bundestagsab- geordnete Peter Friedrich zum bun-
desweiten Zentralismus, wie er im Gesundheitsfonds zum Ausdruck kommt. Den von allen kritisierten Fonds verteidigte er vehement, weil damit die extremen regionalen Un- terschiede in den Versorgungsstruk- turen vereinheitlicht würden. Buh- rufe erntete er für seine Bemerkung, dass die Politik ihre Zusage, mehr
Geld für die Versorgung bereitzu- stellen, eingehalten habe. Die Quit- tung bekam der Parlamentarier noch im Saal: Eine erboste Hausärztin teilte ihm unter lautem Beifall des Auditoriums mit, dass sie seine Par- tei nicht mehr wählen werde.
Ansonsten aber spielte der Ge- sundheitsfonds nur eine untergeord- nete Rolle auf dem Hausärztetag.
Das zentrale Thema war der HZV- Vertrag, für den sich die Vertrags- partner mehr Anerkennung und Lob aus der Politik erwarteten. AOK- Vorstand Hermann unterstrich, dass Hausärzteverband und AOK mit ihrem Vertrag die Alternative zur Regelversorgung geschaffen hätten.
Die Krankenkasse sei froh über die Möglichkeit, die hausärztliche Ver- sorgung gemeinsam mit dem regio- nalen Partner regeln zu können und sich so weit wie möglich vom Zen- tralismus abzukoppeln.
Der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes, Ul- rich Weigeldt, bekräftigte die Be- deutung des § 73 b für die Hausärz- te. Durch Verträge nach § 73 b und
§ 73 c werde man zu einer neuen Re- gelversorgung gelangen, die sich letztlich durchsetzen werde.
Ministerialdirigent Zach be- zeichnete es allerdings als proble- matisch, dass durch die von Bayern initiierte Änderung des § 73 b ein privater Verband wie der Hausärzte- verband das Verhandlungsmonopol für einen öffentlich-rechtlichen Ver- trag bekommen kann. Das sei ver- fassungsrechtlich grenzwertig. Man müsse fragen, ob dieses Monopol so bestehen bleiben könne, zumal es mit enormem Zeitdruck verbunden sei, solche Verträge bis zum 30. Juni
2009 abzuschließen. Diese Kritik wies Weigeldt energisch zurück.
Wenn der Hausärzteverband zufälli- gerweise mindestens 50 Prozent der Hausärzte repräsentiere, dann sei das eben so. „Daraus zu schließen, dass dies ein Monopol ist, halte ich nicht für zulässig.“ I Klaus Schmidt
7. BADEN-WÜRTTEMBERGISCHER HAUSÄRZTETAG
Hausarztverträge als Alternative zur Regelversorgung
Sowohl der Hausärzteverband als auch die AOK forderten das Ende des Berliner Zentralismus in der Vertrags- und Honorarpolitik.
Die Honorarreform für die Vertragsärztinnen und -ärzte ist gescheitert.
Dr. med. Berthold Dietsche, Vorsitzender des baden-württembergischen Hausärzteverbands
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Foto:Georg J.Lopata