Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 105⏐⏐Heft 30⏐⏐25. Juli 2008 A1579
A K T U E L L
Die standardisierte Behandlung von HIV-Patienten in Südafrika zeigt gleich gute Ergebnisse wie der stark individualisierte Therapieansatz in Europa: Dies zeigt eine Studie des Instituts für Sozial- und Präventiv- medizin (ISPM) der schweizerischen
Universität Bern in Zusammenar- beit mit der Universität Kapstadt.
Hierfür wurden Daten von mehr als 2 000 HIV-positiven Patienten in Südafrika mit solchen von mehr als 1 000 Patienten in der Schweiz ver- glichen. Dabei zeigte sich: Der The- rapieerfolg war nahezu identisch.
Obwohl in der Schweiz 36 unter- schiedliche antiretrovirale Substan- zen verabreicht wurden und in Süd- afrika nur vier, war innerhalb eines Jahres an beiden Orten bei mehr als
95 Prozent der Patienten das Virus im Blut nicht mehr nachweisbar. Auch die Rückfallquote war in beiden Län- dern sehr ähnlich: 27 Prozent der schweizerischen und 26 Prozent der südafrikanischen Patienten wiesen innerhalb von zwei Jahren eine er- neut angestiegene Zahl von HI-Viren im Blut auf.
Die südafrikanischen Patienten waren durch- schnittlich jünger, der Frauenanteil war höher, und das Krankheitsbild war weiter fortgeschrit- ten. In den ersten Mona- ten lag die Sterblichkeits- rate in Südafrika deutlich über der in der Schweiz.
Dies lässt sich dadurch erklären, dass die dortigen Patien- ten zu Beginn der Therapie ein erheblich höheres Immundefizit aufwiesen.
„Die Studienergebnisse weisen darauf hin, dass ein früherer Thera- piebeginn vielen HIV-Infizierten hel- fen würde“, so Matthias Egger vom ISPM. Zugleich betonte er, dass ein etwas standardisierterer Ansatz in der Schweiz die Gesundheitskosten reduzieren könnte – ohne den Thera- pieerfolg zu beeinträchtigen. zyl
Thomas Beatie aus dem US-Bun- desstaat Oregon zeigt seinen Bauch: Er ist in der 22. Woche schwanger, und dass dies keine ernährungsbedingte Wölbung ist, lässt sich auf dem Foto des schlan- ken 34-Jährigen mit dem entblöß- ten Oberkörper gut erkennen. Über die ungewöhnliche Rollenverteilung
in ihrer „sonst ganz normalen Fami- lie“ sprachen Beatie und seine Ehe- frau Nancy kürzlich in der Talkshow von Oprah Winfrey. Die Moderatorin nonchalant: „Welche Frau wünscht sich nicht einen Mann, der für sie die Kinder austrägt?“
Beatie, der mittlerweile Anfang Juli eine gesunde Tochter zur Welt gebracht hat, war nicht der erste schwangere Mann, aber der erste, der aktiv in die Öffentlichkeit ging.
Schon vor Jahren hat es ähnliche Meldungen gegeben: Mal wollten Ärzte männlichen Patienten Gebär- mütter transplantieren, um dann be- fruchtete Embryonen einzusetzen, mal waren die Schwangeren ehe- mals Frauen, die sich im falschen Körper geboren fühlten, ihr Ge- schlecht umwandeln ließen, den Uterus aber behielten.
So ist es auch bei Beatie. Seine Ehefrau kann keine Kinder bekom- men. Er hat sich Samen von einer Spenderbank zusammen mit sei- ner Frau auf dem Sofa eingeführt, wie es viele Paare machen. In Deutschland werden allein circa tausend Kinder jährlich nach Inse- mination mit anonymen Samen- spenden geboren – allerdings von Frauen.
Die Frage nach dem Wohl des Kindes ist eine andere. Wie schwie- rig sie zu beantworten ist, lässt sich unter anderem daran erkennen, dass deutsche Regierungen seit Langem mit einem Reproduktions- medizingesetz schwanger gehen.
RANDNOTIZ
Nicola Siegmund-Schultze
Der Mann mit Babybauch
Die Große Koalition will die Auf- wertung des Hausarztes zum Lotsen im Gesundheitssystem entschiede- ner vorantreiben als bisher. Der
„Süddeutschen Zeitung“ zufolge wollen Union und SPD den Kran- kenkassen deshalb ein gesetzlich verankertes Ultimatum stellen. Da- nach müssten alle 217 Kassen bis zum 30. Juni 2009 Verträge mit Ver- tretern der Hausärzte geschlossen haben. Spätestens zu diesem Zeit- punkt solle eine flächendeckende Versorgung für alle Versicherten si- chergestellt sein, schrieb das Blatt.
Mit dem GKV-Wettbewerbsstär- kungsgesetz hatte der Gesetzgeber die Krankenkassen vom 1. April
2007 an verpflichtet, ihren Versi- cherten Verträge zur hausarztzen- trierten Versorgung anzubieten.
Trotz dieser Verpflichtung seien sol- che Verträge aber nicht in ausrei- chender Zahl zustande gekommen, heißt es in der Begründung des Ge- setzesantrags.
Dieser stärkt außerdem das Ver- handlungsmandat der Hausärzte (siehe dazu „Seite eins“). Er sieht vor, dass die Krankenkassen Verträge zur hausarztzentrierten Versorgung in erster Linie mit solchen Gemein- schaften abschließen, die mindes- tens die Hälfte der an der hausärzt- lichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte vertreten. ddp/HK HAUSARZTVERTRÄGE
Ultimatum an die Krankenkassen
HIV-Therapie
Erfolge in Afrika und Europa nahezu identisch
Die Auswahl an Präparaten ist in Afrika ge- ring, die Thera- pieerfolge sind trotzdem gut.
Foto:epd