A2018 Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 3926. September 2008
P O L I T I K
D
er Deutsche Hausärztever- band (HÄV) ist guter Dinge.Krankenkassen sorgen sich derzeit medienwirksam um ihr finanzielles Auskommen unter Fondsbedingun- gen. Kassenärztliche Vereinigungen (KVen) streiten sich öffentlich um Anteile am Honorarzugewinn. Der HÄV hingegen lädt entspannt zum Jahrestreffen mit einer Eröffnung bei Musik und Tanz.
Grund für beschwingte Abende gibt es. Der HÄV rechnet fest mit ei- ner Gesetzesänderung, die für ihn positive Folgen hätte: Ein neu for- mulierter § 73 b im SGB V soll vor- sehen, dass die Krankenkassen spä- testens bis zum 30. Juni 2009 vorran- gig Hausarztverträge mit solchen Gemeinschaften schließen, „die min- destens die Hälfte der an der haus- ärztlichen Versorgung teilnehmen- den Allgemeinärzte des Bezirks der KV vertreten“. Dies würde den HÄV quasi zu einer Monopolstellung ver- helfen. Deren Bundesvorsitzender, Ulrich Weigeldt, wies im Verlauf der Delegiertenversammlung darauf hin, dass der notwendige Organisations- grad schon fast überall erreicht sei.
Er spricht lieber von autonomer Tarifhoheit als von einem Monopol.
Gewaltige Aufgaben
Egal wie man es nennt, auf den Ver- band und seine Vertragsgemein- schaft (HÄVG) käme eine Menge zu. Denn in Zukunft würden sie möglicherweise Hausarztverträge mit rund 200 Krankenkassen schlie- ßen müssen. „Wir wissen, dass das eine gewaltige Aufgabe ist“, sagte Weigeldt. Wie sie bewältigt werden soll, ließ er offen. Aber es gebe „da- zu keine Alternative“. Denn, das stellte Weigeldt abermals klar: Das
KV-System habe für die Hausärzte ausgedient. Zwar lobte er an der Ho- norarreform, dass das System der Kopfpauschalen abgelöst werde und rund 2,7 Milliarden Euro mehr in die ambulante Versorgung flössen.
Aber der gewollte Aufbesserungsef- fekt für die Hausärzte werde zum großen Teil durch Detailregelungen wieder zunichtegemacht, kritisierte Weigeldt. Weil bestimmte fachärzt- liche Leistungen gestützt würden, fehle erneut Geld, um Hausbesuch, Heimpatientenbetreuung oder den Notdienst besser zu bezahlen.
Die Delegierten stimmten ihm mit mäßigem Beifall zu und gaben sich – zumindest im öffentlichen Teil der Versammlung – gelassen ob der künftigen Herausforderungen im Vertragsgeschäft. In der Debatte spielten Aspekte wie der strategi- sche Umgang mit Krankenkassen, sinnvolle Inhalte von künftigen Hausarztverträgen oder die Refle- xion über das eigene Selbstver- ständnis angesichts wachsender Größe und neuer Aufgaben so gut wie keine Rolle. Nur zaghaft schim- merte Kritik oder Unbehagen an dem ein oder anderen Aspekt des so begehrten Vertragsgeschäfts durch.
So verlangte der HÄV-Landesver- band Hamburg erfolgreich, bei künf- tigen Verträgen solle auf mehr Ein- heitlichkeit bei den Formularen hin- gewirkt werden. Derselbe Landes- verband entfachte dann doch noch ei- ne kleine Diskussion um die Weiter- gabe von Patientendaten im Rahmen von Hausarztverträgen. Er wollte den Vorstand verpflichten, „über Ab- rechnungsdiagnosen und -ziffern hinaus“ keine Patientendaten an Zentralserver zu liefern. Weigeldt wie HÄV-Hauptgeschäftsführer Eber-
hard Mehl betonten daraufhin, man halte sich an alle gesetzlichen Vorga- ben und den Datenschutz. Weigeldt ergänzte: „Wir müssten den Vertrag in Baden-Württemberg einstellen, weil wir da auch Arzneimitteldaten übertragen.“ Andere Delegierte mo- nierten, Formulierungen wie „Zen- tralserver“ seien doch untaugliche Kampfbegriffe. Am Ende wurde der Antrag an den Vorstand überwiesen.
In Bayern hakt es
So fix geht es nicht voran mit der Ausschreibung eines Hausarztver- trags der AOK in Bayern. „Uner- freulich“ nannte Weigeldts Stellver- treter Dr. med. Wolfgang Hoppen- thaller die ersten Vorgaben. Ihn stört mehreres: Erstens, dass man der KV eine Chance gibt. Zweitens, dass es um eine möglichst kostengünstige Lösung geht. Und drittens, dass die bayerischen Hausärzte im Fall der Teilnahme darauf verzichten sollen, sich den Ausstieg aus dem System offenzuhalten. Hoppenthaller zufol- ge will sich sein Landesverband aber mithilfe der HÄVG bewerben.
Eines ist für ihn ohnehin klar: „Die AOK wird akzeptieren müssen, dass die Hausärzte vom HÄV und nicht mehr von der KV vertreten werden wollen.“
Und nicht nur die AOK. Der Bun- desvorsitzende Weigeldt kritisierte offen KV-Funktionäre, die sich vom HÄV in ihre Ämter hätten helfen las- sen und die nun nicht in seinem Sinn agierten. Gleichzeitig forderte er eine neue Mandatsverteilung in Gremien wie dem Bewertungsausschuss oder dem Gemeinsamen Bundesaus- schuss, soll heißen: auch dort Sitz und Stimme für Vertreter des HÄV. I Sabine Rieser